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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 19.11.2007
Aktenzeichen: 8 S 1820/07
Rechtsgebiete: BauGB, BauNVO


Vorschriften:

BauGB § 2 Abs. 2 (a.F.)
BauGB § 215 Abs. 1 Nr. 2 (a.F.)
BauGB § 233 Abs. 2 Satz 3
BauNVO § 8
BauNVO § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2
BauNVO § 15 Abs. 1 Satz 2
1. Für den Lauf der in § 215 Abs. 1 BauGB bestimmten Rügefrist kommt es - neben dem Hinweis nach Abs. 2 - entsprechend dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck der Vorschrift ausschließlich auf die Bekanntmachung des Flächennutzungsplans oder des Bebauungsplans an.

2. Auswirkungen eines nicht-großflächigen Einzelhandelsbetriebs auf die Versorgung der Bevölkerung mit Gütern des täglichen Bedarfs durch den Entzug von Kaufkraft sind keine "Belästigungen oder Störungen" für das Gebiet einer benachbarten Gemeinde i. S. v. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO, da hierdurch die Nutzbarkeit anderer Grundstücke in bebauungsrechtlicher Hinsicht nicht beeinträchtigt wird (wie BVerwG, Urteil vom 3.2.1984 - 4 C 17/82 -, BVerwGE 68, 369).

3. § 2 Abs. 2 BauGB stellt keine eigenständige, unabhängig von den Zulassungsregelungen der §§ 29 ff. BauGB zu beurteilende Zulassungsschranke für die Verwirklichung von Vorhaben dar. Die Nachbargemeinde kann sich gegenüber der Genehmigung von Einzelvorhaben nur dann unmittelbar auf eine Verletzung von § 2 Abs. 2 BauGB berufen, wenn ein wirksamer Bebauungsplan fehlt bzw. wenn unter Missachtung des § 2 Abs. 2 BauGB, beispielsweise durch die Erteilung des Einvernehmens nach § 36 BauGB, dem Bauinteressenten ein Zulassungsanspruch verschafft wurde. (wie BVerwG, Urteil vom 15.12.1989 - 4 C 36/86 -, NVwZ 1990, 464; Urteil vom 11.2.1993 - 4 C 15/92 -, NVwZ 1994, 285; Urteil vom 1.8.2002 - 4 C 5/01 -, NVwZ 2003, 86).


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

8 S 1820/07

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Baugenehmigung

hier: Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz

hat der 8. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg

am 19. November 2007

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 11. Juli 2007 - 9 K 732/07 - wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1; die Beigeladene zu 2 trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 15.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 27.6.2006 gegen die der Beigeladenen zu 1 erteilte Baugenehmigung des Antragsgegners vom 8.6.2006 zum Neubau eines Lebensmittelmarktes mit Werbeanlagen anzuordnen, zu Recht abgelehnt. Auch der Senat ist der Auffassung, dass nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Überprüfung die angefochtene Baugenehmigung die Antragstellerin voraussichtlich nicht in ihren Rechten verletzt, da ein Verstoß gegen drittschützende Vorschriften des - im vorliegenden Zusammenhang allein in Betracht zu ziehenden - Bauplanungsrechts nach Aktenlage nicht festzustellen ist. Das Beschwerdevorbringen, auf das sich die Prüfung des Senats nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt, gibt - soweit es sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzt (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO) - keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Verwaltungsgericht das Vorhaben an den Bestimmungen des Bebauungsplans "Großer Acker I" der Beigeladenen zu 2 vom 30.7.1998 gemessen und festgestellt, dass das Vorhaben den dortigen Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung (GE) entspricht (vgl. § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO). Gegen die Übereinstimmung des Vorhabens mit der vorgeschriebenen Nutzungsart erhebt die Beschwerde keine Einwände; insbesondere wendet sich die Antragstellerin nicht gegen die der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu Grunde liegende Annahme, dass das Vorhaben eine Verkaufsfläche von 800 Quadratmetern nicht überschreitet und dass daher kein Fall des § 11 Abs. 3 BauNVO gegeben ist (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 24.11.2005 - 4 C 10/04 -, NVwZ 2006, 452). Auch der von der Beschwerde in anderem Zusammenhang vorgebrachte Einwand, dass die in dem Plangebiet insgesamt zulässigen Einzelhandelsbetriebe in ihrer Summierung möglicherweise zu einem völligen Kaufkraftabzug führen und daher die Schwelle der Rücksichtslosigkeit überschritten wird, ändert insoweit nichts. Denn hinsichtlich der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit von Einzelvorhaben ist in der Rechtsprechung - auch des erkennenden Gerichtshofs - bereits entschieden, dass eine Agglomeration mehrerer kleinerer, nicht-großflächiger Einzelhandelsbetriebe von § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO nicht erfasst wird; die Verkaufsflächen baulich und funktionell eigenständiger Betriebe können grundsätzlich nicht zusammengerechnet werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.2005 - 4 C 14/04 -, NVwZ 2006, 455; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 22.9.2005 - 3 S 1061/04 -, VBlBW 2006, 66; differenzierend in raumordnungsrechtlicher Hinsicht VGH Bad.-Württ., Normenkontrollurteil vom 27.9.2007 - 3 S 2875/06 -).

Bedenken gegen die Wirksamkeit des Bebauungsplans sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass ein auf einem möglicherweise gegebenen Verstoß gegen das interkommunale Abstimmungsgebot nach § 2 Abs. 2 BauGB a. F. beruhender Abwägungsmangel wegen des Fristablaufs nach § 215 Abs. 1 BauGB a. F. nicht mehr geltend gemacht werden kann. Ein Verstoß gegen § 2 Abs. 2 BauGB stellt zwar einen Abwägungsfehler i. S. von § 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB a. F. dar (vgl. Gaentzsch in Berliner Kommentar zum BauGB, § 2 Rn. 22; BVerwG, Urteil vom 15.12.1989 - 4 C 36/86 -, NVwZ 1990, 464). Ein solcher Mangel der Abwägung wird aber gemäß § 215 Abs. 1 BauGB in der (bis zum 19.7.2004 geltenden und hier anzuwendenden, vgl. § 233 Abs. 2 Satz 3 BauGB) Fassung des BauROG 1998 unbeachtlich, wenn er nicht innerhalb von sieben Jahren seit Bekanntmachung des Bebauungsplans schriftlich gegenüber der Gemeinde unter Darlegung des Sachverhalts, der den Mangel begründen soll, geltend gemacht wird. Diese Frist war - wie das Verwaltungsgericht richtig ausgeführt hat - zum Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung vom 8.6.2006 abgelaufen, ohne dass seitens der Antragstellerin der in ihren Augen gegebene Verstoß gegen das interkommunale Abstimmungsgebot geltend gemacht worden wäre. Zwar ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die Antragstellerin im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens nicht förmlich i. S. von § 4 BauGB beteiligt worden ist. Eine derartige förmliche Beteiligung ist jedoch nach dem Wortlaut des § 215 Abs. 1 BauGB a. F. nicht Voraussetzung für den Fristbeginn. Angeknüpft wird insoweit vielmehr ausschließlich an die Bekanntmachung des Bebauungsplans. Für die Berechnung der Frist, also insbesondere deren Beginn und Ende, gelten die §§ 187 bis 193 BGB entsprechend (vgl. § 31 Abs. 1 LVwVfG; s. a. Lemmel in Berliner Kommentar zum BauGB, § 215 Rn. 23). Da bei der Bekanntmachung des Inkrafttretens des Bebauungsplans auf die Voraussetzungen für die Geltendmachung von Mängeln der Abwägung sowie deren Rechtsfolgen hingewiesen worden ist (vgl. § 215 Abs. 2 BauGB a. F.), bestehen vorliegend auch sonst keine Bedenken gegen den regelmäßigen Fristbeginn. Dem Abstellen auf einen anderen Zeitpunkt, beispielsweise den der positiven Kenntnisnahme der Antragstellerin vom Inkrafttreten des Bebauungsplans "Großer Acker I" oder den der Realisierung des Bebauungsplans, steht somit schon der Wortlaut der Vorschrift entgegen. Der Senat sieht auch keinen Anlass zu einer davon abweichenden Auslegung des § 215 Abs. 1 BauGB a. F. Das würde mit Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung nicht übereinstimmen, wonach die Folgen von Fehlern begrenzt und die gerichtliche Kontroll- und Verwerfungskompetenz beschränkt werden sollen (vgl. Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 10. Aufl. 2007, Vorbemerkung zu den §§ 214 bis 216, Rn. 1). Aus Gründen der Rechtssicherheit muss bei der Rechtsanwendung über die Gültigkeit des Bebauungsplans Sicherheit bestehen (vgl. Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Kommentar, § 215 Rn. 79). Diese Sicherheit würde in ihr Gegenteil verkehrt und die Wirksamkeit der Regeln über die Rügefristen würde unterlaufen, wenn jeder Prüfung zunächst die Ermittlung vorausgehen müsste, ob der Betroffene Kenntnis von der Bekanntmachung hatte oder billigerweise hätte haben können. Damit würde auch dem erheblichen öffentlichen Interesse an der Bestandskraft der Pläne (Planerhaltung) nicht hinreichend Rechnung getragen. Demgegenüber spielt der Aspekt des Adressatenschutzes nur eine nachgeordnete Rolle, was sich beispielsweise auch darin zeigt, dass die gesetzlichen Rügefristen selbst für denjenigen gelten, der erst nach ihrem Ablauf Grundstückseigentum im Planbereich erworben hat (vgl. Lemmel in Berliner Kommentar zum BauGB, § 215 Rn. 37). Die Situation ist daher insoweit nicht vergleichbar mit der des Einwendungsausschlusses (Präklusion) in Planfeststellungsverfahren und den dazu von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.8.1995 - 11 A 2/95 -, NVwZ 1996, 267: "Anstoßwirkung"), bei denen es im wesentlichen um eine Frage der Verfahrensbeschleunigung geht (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 73 Rn. 81). Dementsprechend kommt in diesen Verfahren bei einer Versäumnis der Einwendungsfrist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O. Rn. 82), während dies im Falle der Ausschlussfrist des § 215 Abs. 1 BauGB a. F. nicht möglich ist (vgl. Battis/Krautzberger/Löhr, a.a.O., § 215, Rn. 6).

Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht erwogen, ob die Frist ausnahmsweise dann nicht zu laufen beginnt, wenn ein besonders schwerer Abwägungsmangel gegeben ist (vgl. insoweit BVerwG, Urteil vom 2.1.2001 - 4 BN 13/00 -, BauR 2001, 1888 = ZfBR 2001, 418). Dem braucht jedoch im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht weiter nachgegangen zu werden. Denn auch das Bundesverwaltungsgericht stellt in der genannten Entscheidung seine dahingehenden Überlegungen unter den Vorbehalt, dass ein besonders schwerer Abwägungsmangel vorliegt. Ein solcher schwerer Mangel ist vorliegend aber ersichtlich nicht gegeben. Denn die Festsetzung eines Gewerbegebiets, die nicht-großflächigen Einzelhandel zulässt, begegnet schon deshalb keinen schwerwiegenden rechtlichen Bedenken, weil eine derartige Festsetzung auch bei förmlicher Beteiligung der Antragstellerin im Rahmen der Bauleitplanung und bei hinreichender Berücksichtigung ihrer Belange (interkommunale Abstimmung) als Abwägungsergebnis nicht von vornherein rücksichtslos und damit abwägungsfehlerhaft wäre (vgl. dagegen das Beispiel für einen besonders schweren Mangel des Abwägungsergebnisses bei Gaentzsch, a.a.O. § 215 Rdnr. 80: Wohngebietsfestsetzung für eine Fläche mit gesundheitsschädlichen Altlasten). Kein besonders schwerer Mangel in diesem Sinne ergibt sich entgegen dem Vorbringen der Beschwerde daraus, dass der Gemeinderat der Beigeladenen zu 2 bei der Beschlussfassung über den Bebauungsplan die Ansiedlung von nicht-großflächigem Einzelhandel nicht in den Blick genommen hätte. Denn dafür gibt es nach Aktenlage und dem bisherigen Streitstand keine hinreichenden konkreten Anhaltspunkte; vielmehr spricht schon die Formulierung im Textteil des Bebauungsplans, wonach "die in § 8 Abs. 2 und 3 BauNVO ausgewiesenen Nutzungen" zulässig sind, als Ergebnis der Beschlussfassung eher für die gegenteilige Annahme. Damit sind ersichtlich auch Einzelhandelsbetriebe als "Gewerbebetriebe aller Art" zulässig. Dass dies nicht dem Willen des beschließenden Gemeinderats entsprochen hätte, ist eine Annahme, für die es an greifbaren Hinweisen fehlt und wovon auszugehen daher im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes bei der allein gebotenen summarischen Prüfung auch kein Anlass besteht. Das Verwaltungsgericht hat darüber hinaus mit zutreffenden Ausführungen verneint, dass der Gemeinderat Festsetzungsauswirkungen der in § 11 Abs. 3 BauNVO aufgeführten Art hätte erwägen müssen. Denn entgegen der Beschwerde ist davon auszugehen, dass Einzelhandelsbetriebe der nach § 8 BauNVO in Gewerbegebieten zulässigen Art grundsätzlich das Beeinträchtigungspotenzial nach § 11 Abs. 3 BauNVO nicht haben. Dies entspricht nicht nur der sich aus der Systematik der Verordnung erschließenden Absicht des Verordnungsgebers, sondern auch der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, das mit dem Merkmal der Großflächigkeit diejenige Schwelle umschrieben hat, ab der die Prüfung i. S. von § 11 Abs. 3 BauNVO vorzunehmen ist (vgl. Urteil vom 24.11.2005 - 4 C 10/04 -, a.a.O.). Da diese Schwelle aber bei nicht-großflächigem Einzelhandel nicht überschritten wird, besteht für dahingehende Erwägungen jedenfalls solange kein Anlass, wie Konflikte mit Nachbargemeinden weder greifbar vorgezeichnet noch geltend gemacht worden sind (vgl. VGH Bad.-Württ., Normenkontrollurteil vom 27.9.2007 - 3 S 2875/06 -), was vorliegend nicht der Fall ist. Allerdings muss auch diese Frage im gegebenen Zusammenhang nicht abschließend entschieden werden, da ein etwaiges Defizit im Abwägungsvorgang jedenfalls zu keinem schweren Mangel im Abwägungsergebnis im o. g. Sinn führen würde.

Ist somit schon aufgrund von § 215 BauGB a.F. von der Gültigkeit des Bebauungsplans "Großer Acker I" auszugehen, kommt es auf den von der Antragstellerin angenommenen gesetzlich intendierten Bedeutungszuwachs einer funktionierenden verbrauchernahen Versorgung und die Änderung der Gesetzeslage im Sinne einer Stärkung der Position der Nachbargemeinde zu ihren Gunsten - unbeschadet des bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung zugrunde zu legenden maßgeblichen Zeitpunkts - nicht entscheidungserheblich an.

Die Rechtswidrigkeit der nach allem plankonformen Baugenehmigung vom 8.6.2006 könnte daher allenfalls mit der Regelung des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO begründet werden. Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO sind die in den §§ 2 bis 14 BauNVO aufgeführten Anlagen unter anderem dann unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind. Diese Vorschrift erfasst jedoch den vorliegenden Fall nicht: Denn die von der Antragstellerin ins Zentrum ihrer Argumentation gestellten Auswirkungen des Vorhabens durch den Entzug von Kaufkraft auf die Versorgung der Bevölkerung mit Gütern des täglichen Bedarfs sind keine "Belästigungen oder Störungen" i. S. v. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO, da hierdurch die Nutzbarkeit anderer Grundstücke in bebauungsrechtlicher Hinsicht nicht beeinträchtigt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 3.2.1984 - 4 C 17/82 -, BVerwGE 68, 369). § 15 BauNVO steht im Ersten Abschnitt der Baunutzungsverordnung über die Art der baulichen Nutzung der Grundstücke und bietet ein Instrumentarium für die Lösung eines planerisch unbewältigten Konflikts im Einzelfall (vgl. u. a. BVerwG, Urteil vom 11.3.1988 - 4 C 56/84 -, NVwZ 1989, 659). Dabei geht es um die bebauungsrechtlich zulässige Nutzung der Grundstücke auch im Verhältnis zueinander. Darauf beruft sich die Antragstellerin jedoch nicht. Vielmehr ist sie der Meinung, dass die Baugenehmigung sie in ihrer gemeindlichen Planungshoheit verletzt. Dabei handelt es sich aber nicht um ein grundstücksbezogenes, von § 15 BauNVO erfasstes Abwehrrecht (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.3.1988, a. a. O.). Der Rechtswahrung der Planungshoheit der Antragstellerin dient das interkommunale Abstimmungsgebot nach § 2 Abs. 2 BauGB, das jedoch regelmäßig im Planaufstellungsverfahren bzw. ggf. im Normenkontrollverfahren zur Geltung zu bringen ist.

Die Möglichkeit, sich gegenüber der Genehmigung von Einzelvorhaben direkt auf eine Verletzung von § 2 Abs. 2 BauGB zu berufen, wurde durch das Bundesverwaltungsgericht dementsprechend auch nur in den Fällen anerkannt, in denen ein Planungsakt fehlte (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.1989 - 4 C 36/86 -, NVwZ 1990, 464; offen gelassen: Urteil vom 11.2.1993 - 4 C 15/92 -, NVwZ 1994, 285; Urteil vom 1.8.2002 - 4 C 5/01 -, NVwZ 2003, 86) bzw. unter Missachtung des § 2 Abs. 2 BauGB, beispielsweise durch die Erteilung des Einvernehmens nach § 36 BauGB, dem Bauinteressenten ein Zulassungsanspruch verschafft wurde (vgl. Urteil vom 11.2.1993 a.a.O.; Urteil vom 1.8.2002, a.a.O.). Dagegen stellt § 2 Abs. 2 BauGB keine eigenständige, unabhängig von den Zulassungsregelungen der §§ 29 ff. BauGB zu beurteilende Zulassungsschranke für die Verwirklichung von Vorhaben dar (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.2.1993, a.a.O.; Senatsbeschluss vom 3.4.2007 - 8 S 2835/06 -; Uechtritz, Interkommunales Abstimmungsgebot und gemeindliche Nachbarklage, NVwZ 2003,176). Vorliegend ist - wie ausgeführt - von der Wirksamkeit des Bebauungsplans auszugehen, so dass sich die Prüfung der planungsrechtlichen Erteilungsvoraussetzungen an § 30 Abs. 1 BauGB zu orientieren hat. Es liegt somit ein kommunaler Planungsakt vor; es kann auch nicht davon gesprochen werden, dass der Beigeladenen zu 1 unter Missachtung des § 2 Abs. 2 BauGB, beispielsweise durch die Erteilung des Einvernehmens nach § 36 BauGB, ein Zulassungsanspruch verschafft wurde. Die unterbliebene interkommunale Abstimmung kann in diesem Zusammenhang entsprechend der gesetzlichen Regelung des § 215 Abs. 1 BauGB a. F. nicht mehr geltend gemacht werden (vgl. auch Stock a.a.O., § 215 Rn. 1).

Die Antragstellerin wird durch die erteilte Baugenehmigung somit voraussichtlich nicht in ihren Rechten verletzt, so dass die dagegen gerichtete Klage erfolglos bleiben wird. Es besteht daher auch keine Veranlassung, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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