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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 03.04.2007
Aktenzeichen: 8 S 2090/06
Rechtsgebiete: EStG, BauGB, LVwVfG


Vorschriften:

EStG § 7h Abs. 1 Satz 1
EStG § 7h Abs. 2 Satz 1
BauGB § 11
BauGB § 177
LVwVfG § 48 Abs. 2 Satz 1
LVwVfG § 48 Abs. 4 Satz 1
1. Die Gemeinde darf Bescheinigungen nach § 7h Abs. 2 EStG über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 7h Abs. 1 Satz 1 EStG für erhöhte Absetzungen von den Herstellungskosten für Modernisierungsmaßnahmen und Instandsetzungsmaßnahmen in Sanierungsgebieten nur dann erteilen, wenn diese Maßnahmen auf der Grundlage eines städtebaulichen Gebots nach § 177 Abs. 1 BauGB oder einer konkreten vertraglichen Verpflichtung gegenüber der Gemeinde durchgeführt wurden.

2. Die Bescheinigung nach § 7h Abs. 2 EStG ist Grundlage für eine bezifferbare Steuervergünstigung und daher Voraussetzung für Geldleistungen im Sinne des § 48 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG.

3. Die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 LVwVfG beginnt zu laufen, wenn die zuständige Behörde die Rechtswidrigkeit des Verwaltungakts erkannt hat und ihr die für die Rücknahmeentscheidung außerdem erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sind (wie BVerwG Großer Senat, Beschl. vom 19.12.1984 - GrSen 1.84 und 2.84).

4. Ein nicht auf die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, sondern auf das Vorliegen der weiteren Rücknahmevoraussetzungen bezogener Rechtsirrtum hindert den Fristbeginn nicht.

5. Die Rücknahmefrist beginnt bereits dann zu laufen, wenn die zuständige Behörde zu erkennen gegeben hat, dass nach ihrer Rechtsauffassung der für eine Rücknahmeentscheidung erhebliche Sachverhalt keiner weiteren Klärung mehr bedarf und nicht erst dann, wenn ein bei zutreffender Anwendung der Rücknahmevoraussetzungen darüber hinausgehender Klärungsbedarf gedeckt ist.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

8 S 2090/06

Verkündet am 05.04.2007

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Rücknahme einer Bescheinigung nach § 7h EStG

hat der 8. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg auf Grund der mündlichen Verhandlung

am 03. April 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 7. August 2006 - 16 K 2707/05 - geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 15. März 2005 und deren Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 2005 werden aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme einer Bescheinigung nach § 7h EStG (in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung).

Er ist Eigentümer des Wohnbaugrundstücks xxxxxxxxxxxx xx (xxxxxxx. xxx) in Stuttgart, Gemarkung Zuffenhausen. Dieses Grundstück lag im räumlichen Geltungsbereich des Sanierungsgebiets "Zuffenhausen 3-Zehnthof"; die Sanierungssatzung wurde nach Abschluss der Sanierung am 29.07.1999 aufgehoben.

Auf Antrag des Klägers vom 31.08.1995 wurde mit Bescheid der Beklagten vom 21.12.1995 ein "Anbau und bauliche Änderungen am Wohnhaus" mit der Nebenbestimmung sanierungsrechtlich genehmigt, dass "Material und Farben der Balkone, des Vordaches der Garagentore und der Pergola sowie die Begrünung des Garagendachs vor Ausführung mit der Stadt abzustimmen" sind. Am 13.11.1997 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Bescheinigung nach § 7h EStG. Darin wird bestätigt, dass das Gebäude xxxxxxxxxx xx im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet liegt und es sich bei dem Anbau und den baulichen Änderungen um Maßnahmen nach § 177 BauGB gehandelt habe, die der Durchführung der Sanierung gedient hätten. Ergänzend dazu bescheinigte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 05.07.1999, dass sich die anerkannten Kosten der durchgeführten Baumaßnahmen auf 777.262,93 DM brutto für die Jahre 1995 bis 1998 belaufen hätten.

Mit Schreiben vom 15.03.2002 rügte das Finanzamt Stuttgart III gegenüber der Beklagten, dass die Bescheinigung nach § 7h EStG auf einer unzureichenden Prüfung des Sachverhalts beruhe. Die auf den Anbau entfallenden Kosten seien steuerlich nicht begünstigt; nach der vorläufigen Aufstellung des Architekten entfielen nur 160.000,-- DM auf die Sanierung. Außerdem seien Baumaßnahmen auch dann nicht begünstigt, wenn sie ohne vorherige Abstimmung mit der Fachbehörde oder ohne konkrete vertragliche Vereinbarungen auf freiwilliger Grundlage durchgeführt worden seien; das Finanzamt bitte um Mitteilung, ob und inwieweit die Baumaßnahmen vorher mit der Beklagten abgesprochen und ob sie gemäß diesen Absprachen durchgeführt worden seien. Mit Schreiben vom 22.05.2002 teilte die Beklagte dem Finanzamt Stuttgart III mit, über die Baumaßnahmen sei zwar keine Modernisierungsvereinbarung abgeschlossen worden, sie seien jedoch vor Baubeginn - u.a. auch im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens - mit ihr abgestimmt worden. Da es sich bei dem Anbau um eine untergeordnete Erweiterung der Bestandsfläche handle, könnten auch die hierfür entstandenen Neubaukosten als sanierungsbedingte Modernisierungs- und Instandhaltungskosten anerkannt werden.

Am 01.08.2003 leitete das Finanzamt Stuttgart III gegenüber der Beklagten - Amt für Stadterneuerung - auf Weisung des Rechnungsprüfungsamts und in Übereinstimmung mit der Oberfinanzdirektion Stuttgart ein Remonstrationsverfahren mit dem Ziel der Rücknahme der Bescheinigung vom 13.11.1997 ein. Zur Begründung wird ausgeführt: Gegenüber dem Kläger sei offenbar kein Modernisierungs- und Instandsetzungsgebot im Sinne des § 177 BauGB ausgesprochen worden. Ausweislich des Schreibens der Beklagten vom 22.05.2002 habe sich der Kläger auch nicht vertraglich gegenüber der Beklagten zur Durchführung solcher Maßnahmen verpflichtet; eine eventuelle Abstimmung im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens sei nicht geeignet, eine förmliche Vereinbarung über bestimmte Modernisierungsmaßnahmen zu ersetzen. Somit lägen die Voraussetzungen für eine Steuerbegünstigung nach § 7h EStG nicht vor; die Bescheinigung vom 13.11.1997 sei unrichtig und von der Beklagten zurückzunehmen.

Die Beklagte - Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung - führte mit Schreiben vom 23.09.2003 gegenüber dem Finanzamt Stuttgart III u.a. aus, ein förmliches Modernisierungs- und Instandsetzungsgebot habe ihr Gemeinderat bislang noch nie beschlossen. Vielmehr verpflichte sich der Eigentümer regelmäßig im Rahmen einer einvernehmlichen Modernisierungsabsprache gegenüber der Stadt zur Durchführung bestimmter Maßnahmen im Sinne des § 177 BauGB. Allerdings sei bis zum Erlass der gemeinsamen Bekanntmachung des Wirtschaftsministeriums und des Finanzministeriums vom 11.06.2001 (Bescheinigungsrichtlinie) eine (schriftliche) Modernisierungsvereinbarung nur dann geschlossen worden, wenn der Eigentümer eine Sanierungsforderung in Anspruch genommen habe. Seit Erlass der Bescheinigungsrichtlinie werde eine Modernisierungsvereinbarung auch ohne Inanspruchnahme eines Sanierungszuschusses dann geschlossen, wenn der Eigentümer eine Steuerbegünstigung nach § 7h EStG in Anspruch nehmen wolle. Da es sich hier um einen Altvorgang vor dem Juni 2001 ohne Gewährung eines Zuschusses aus Landesmitteln handle, sei folglich keine Modernisierungsvereinbarung geschlossen worden.

Mit Schreiben vom 08.10.2003 erwiderte das Finanzamt Stuttgart III, die Beklagte könne sich für die Änderung ihrer Praxis im Jahre 2001 nicht auf die damals ergangene Bescheinigungsrichtlinie berufen, die an den gesetzlichen Voraussetzungen für die Steuerbegünstigung nichts geändert habe. Danach habe jedoch stets die Notwendigkeit des Abschlusses einer Vereinbarung vor Beginn der Baumaßnahmen bestanden, wie sich bereits den Einkommenssteuerrichtlinien 1993 in R 83 a Abs. 6 und der Einkommenssteuerkommentierung von Schmidt in der 15. Aufl. (1996) entnehmen lasse. An der Forderung nach Rücknahme der Bescheinigung werde daher festgehalten.

Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 28.11.2003 an das Finanzamt Stuttgart III erneut ab. Das Bauvorhaben des Klägers sei, wie in Sanierungsgebieten üblich, vor Baubeginn mit dem Amt für Stadterneuerung abgestimmt worden. Dem Amt für Stadterneuerung seien die Anforderungen der Finanzverwaltung und insbesondere die Notwendigkeit einer konkreten vertraglichen Vereinbarung zwischen Eigentümer und Gemeinde als Voraussetzung für die Begünstigung nach § 7h EStG erst durch die Bekanntmachung der Bescheinigungsrichtlinie vom 11.06.2001 bewusst geworden. Bis dahin seien keine solchen Vereinbarungen geschlossen worden, was auch bei anderen Städten und Gemeinden so üblich gewesen und bis dahin von den Finanzbehörden auch akzeptiert worden sei. Man sehe sich daher außer Stande, die erteilte Bescheinigung zurückzunehmen.

Mit Schreiben vom 21.04.2004 bat das Finanzministerium Baden-Württemberg das Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg, die Beklagte zur Rücknahme der Bescheinigung zu veranlassen. Mit Schreiben vom 03.05.2004 teilte das Wirtschaftsministerium dem Regierungspräsidium Stuttgart mit, dass nach Auffassung der Finanzverwaltung die Voraussetzungen der §§ 177 BauGB, 7h EStG für die Erteilung der Bescheinigung nicht vorgelegen hätten und bat um weitere Veranlassung im Rahmen der Fach- und Rechtsaufsicht. Das Regierungspräsidium Stuttgart bat daraufhin die Beklagte mit Schreiben vom 18.08.2004, die dem Kläger erteilte Bescheinigung zurückzunehmen. Mit Schreiben vom 06.09.2004 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die Rücknahme der Bescheinigung sei beabsichtigt und gab Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von vier Wochen.

Nachdem sich der Kläger geäußert hatte, nahm die Beklagte die Bescheinigung vom 13.11.1997 mit Bescheid vom 15.03.2005 mit Wirkung für die Vergangenheit zurück. Die Bescheinigung hätte nur erteilt werden dürfen, wenn die Modernisierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen aufgrund einer konkreten vertraglichen Verpflichtung durchgeführt worden wären. Die Rücknahme sei angemessen. Sie sei das "mildeste Mittel", um die rechtswidrige Bescheinigung zu beseitigen und die Bindung des Finanzamts an dieselbe zu beenden. Das Interesse des Klägers an deren Aufrechterhaltung müsse demgegenüber zurücktreten. Die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 LVwVfG sei noch nicht abgelaufen. Sie sei nicht durch die Aufforderung zur Rücknahme mit Schreiben des Finanzamts Stuttgart III vom 30.07.2003 in Gang gesetzt worden. Denn sie selbst habe noch mit Schreiben vom 28.11.2003 dem Finanzamt mitgeteilt, dass die Bescheinigung für rechtmäßig gehalten werde und sie sich zur Rücknahme außer Stande sehe. Erst durch die Weisung zur Rücknahme mit Schreiben des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 18.08.2004 im laufenden Remonstrationsverfahren habe die Frist zu laufen begonnen. Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Bescheid vom 13.07.2005 aus den im Ausgangsbescheid genannten Gründen zurück.

Mit seiner am 17.08.2005 beim Verwaltungsgericht Stuttgart erhobenen Klage hat der Kläger beantragt, den Bescheid der Beklagten über die Rücknahme der Bescheinigung nach § 7h EStG und deren Widerspruchsbescheid vom 13.07.2005 aufzuheben. Die Beklagte hat Abweisung der Klage beantragt.

Mit Urteil vom 07.08.2006 - 16 K 2707/05 - hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Verwaltungsrechtsweg sei zwar gegeben. Die Klage sei jedoch nicht begründet. Die Rücknahme der Bescheinigung für die Vergangenheit sei rechtmäßig. § 7h Abs.1 EStG 1997 beziehe sich nicht nur auf § 177 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 BauGB, in denen näher umschrieben werde, was Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen seien, sondern auf die gesamte Vorschrift. Daher setze eine Bescheinigung nach § 7h Abs. 1 EStG voraus, dass steuerlich zu fördernde Maßnahmen auf einem entsprechenden städtebaurechtlichen Gebot der Gemeinde nach § 177 Abs. 1 BauGB beruhten. Da solche Anordnungen in der Praxis nur geringe Bedeutung besäßen, stehe der hoheitlichen Anordnung eines solchen Gebots ein dieses Gebot ersetzender städtebaulicher Vertrag gleich. Solche Verträge bedürften indes der Schriftform. Die hier zwischen dem Kläger und der Beklagten getroffenen mündlichen Absprachen über die Beseitigung von Missständen und Mängeln am Wohngebäude reichten daher nicht aus. Die Beklagte sei im Rahmen des Ermessens auch zutreffend davon ausgegangen, dass das öffentliche (fiskalische) Interesse an der Beseitigung nicht gerechtfertigter Steuerbegünstigungen das Vertrauen des Klägers in deren Fortbestand überwiege. Maßgebend hierfür sei der Umstand, dass die Baumaßnahmen zum Zeitpunkt der Erteilung der Bescheinigung bereits abgeschlossen gewesen seien. Zur Frage der wirtschaftlichen Bedeutung der Rücknahme der Bescheinigung habe der Kläger vor deren Erlass nichts vorgetragen. Im Übrigen gebe es auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger die Baumaßnahmen deshalb mit der Beklagten abgesprochen habe, um eine Steuervergünstigung zu erreichen. Dagegen spreche, dass die Beklagte in allen Fällen, in denen die Baumaßnahmen - wie hier - nicht mit Sanierungsmitteln bezuschusst worden seien, die Bescheinigung bis zum Erlass der Richtlinien vom 11.06.2001 nicht davon abhängig gemacht habe, dass ein Gebot oder ein städtebaulicher Vertrag vorgelegen habe. Auch aus den der Baugenehmigung beigefügten Nebenbestimmungen könne nicht hergeleitet werden, dass es eine Absprache gegeben habe. Denn diese Nebenbestimmungen seien ordnungsrechtlicher Natur. Die Jahresfrist für die Rücknahme sei gewahrt. Sie beginne erst zu laufen, wenn die Behörde die Rechtswidrigkeit erkannt habe und ihr die für die Rücknahmeentscheidung erheblichen Tatsachen vollständig bekannt seien. Zu den entscheidungserheblichen Tatsachen gehörten auch alle Umstände, die für die Beurteilung der Frage von Bedeutung seien, ob der Begünstigte in schutzwürdiger Weise auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut habe. Es könne offen bleiben, ob die Jahresfrist danach erst mit Ablauf der dem Kläger mit Schreiben vom 06.09.2004 gesetzten Frist für eine Stellungnahme zur geplanten Rücknahme zu laufen begonnen habe. Denn jedenfalls habe sie frühestens in dem Zeitpunkt begonnen, in dem das Regierungspräsidium Stuttgart als Rechtsaufsichtsbehörde die Beklagte mit Schreiben vom 18.08.2004 zur Rücknahme der Bescheinigung vom 13.11.1997 aufgefordert habe. Somit sei die Rücknahme mit Bescheid vom 15.03.2005 noch innerhalb der Jahresfrist erfolgt. Das Urteil wurde dem Kläger am 15.08.2006 zugestellt.

Am 29.08.2006 hat der Kläger die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Er beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 07. August 2006 - 16 K 2707/05 - zu ändern und den Rücknahmebescheid der Stadt Stuttgart vom 15. März 2005 sowie deren Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 2005 aufzuheben.

Er trägt zur Begründung vor: Die ihm erteilte Bescheinigung nach § 7h EStG sei nicht rechtswidrig. Der Gesetzgeber verweise in § 7h EStG nicht auf das Modernisierungs- und Instandsetzungsgebot nach § 177 Abs. 1 BauGB, sondern allein auf die in § 177 Abs. 2 und 3 BauGB umschriebenen Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen. Zweck der Verweisung sei die Beschränkung der steuerlichen Begünstigung auf die städtebaulich, sozialpolitisch und denkmalpflegerisch erwünschte Beseitigung von Missständen und Mängeln. Für diese Auslegung spreche auch, dass Gebäudemodernisierungen in Sanierungsgebieten ohnehin stets aufgrund von Absprachen mit den Kommunen erfolgten, welche gemäß §§ 144, 145 BauGB die "Durchführungsverantwortung" für die Gestaltung des Sanierungsgebiets und seiner Gebäude hätten, und zwar unabhängig davon, ob eine förmliche Modernisierungsvereinbarung getroffen worden sei oder nicht. Solche förmlichen Modernisierungsvereinbarungen seien nur dann notwendig, wenn die Kommune einen Zuschuss zu den Maßnahmen zahle. Auch nach Auffassung der Finanzverwaltung sei die Gewährung der Steuervergünstigung nicht daran geknüpft, dass ein solcher Zuschuss bezahlt worden sei. Aus der Regelung des § 7h Abs. 1 Satz 2 EStG sei nicht zu folgern, dass die Steuerbegünstigung nur im Falle einer vertraglichen Verpflichtung zur Vornahme von Modernisierungsmaßnahmen gegenüber der Gemeinde zu gewähren sei. Denn hier handle es sich um eine Erstreckung der Steuervergünstigung auf denkmalbezogene Maßnahmen, die über Maßnahmen zur Modernisierung hinausgingen und für die schon aus kompetenzrechtlichen Gründen von vornherein kein Modernisierungsgebot nach § 177 Abs. 1 BauGB in Betracht käme. Die hier in Rede stehenden Maßnahmen seien auch in Absprache mit der Beklagten durchgeführt worden. Vertreter des Amtes für Stadterneuerung der Beklagten hätten ihm zunächst die sanierungsrechtlichen Verpflichtungen und Möglichkeiten zur Modernisierung und Instandsetzung seines Wohngebäudes erläutert. Er habe daraufhin seine Bereitschaft hierzu bekundet. Die Vertreter der Beklagten hätten ihn zwar darauf hingewiesen, dass keine Kostenerstattung nach § 177 Abs. 4 BauGB erfolgen werde, hätten ihm indes zugesichert, die Bescheinigung nach § 7h EStG zu erteilen. Er habe die Ergebnisse des Gesprächs in seinem Baugesuch und seinem Antrag auf Erteilung der sanierungsrechtlichen Genehmigung absprachegemäß umgesetzt. Mit Erteilung der Baugenehmigung und der sanierungsrechtlichen Genehmigung habe die Beklagte zumindest konkludent die geplanten Baumaßnahmen gebilligt; zudem habe sie ausdrücklich gefordert, dass "Material und Farben der Balkone, des Vordachs der Garagentore und der Pergola sowie die Begrünung des Garagendaches mit der Stadt abzustimmen" seien. Sein Antrag und die Bewilligung durch die Beklagte stellten somit der Sache nach eine schriftliche Modernisierungsabsprache dar. In einer gesondert formulierten Modernisierungsabsprache hätte nichts weiter geregelt werden können, zumal keine Kostenerstattung erfolgt sei. Auch vor diesem Hintergrund sei die Bescheinigung nach § 7h EStG zu Recht ergangen. Außerdem sei die Bescheinigung erst nach Ablauf der Jahresfrist zurückgenommen worden. Die Beklagte sei durch das Schreiben des Finanzamts Stuttgart III vom 30.07.2003 auf die Rechtswidrigkeit der Bescheinigung hingewiesen worden, habe diese jedoch erst mit Bescheid vom 15.03.2005 zurückgenommen. Sie könne sich nicht darauf berufen, dass sie diesen Rechtsstandpunkt erst auf der Grundlage der fachaufsichtlichen Weisung des Regierungspräsidiums akzeptiert habe. Denn sie hätte sich innerhalb eines Jahres nach dem Schreiben des Finanzamts Klarheit über die Rechtslage verschaffen müssen. Schließlich hätte die Bescheinigung auch deshalb nicht zurückgenommen werden dürfen, weil er auf deren Fortbestand habe vertrauen dürfen und dieses Vertrauen schutzwürdig gewesen sei. Er habe die Bauinvestitionen in vollem Vertrauen auf die von der Beklagten zugesagten Steuervergünstigungen nach § 7h EStG und in Absprache mit der Beklagten vorgenommen. Das fiskalische Interesse an der Beseitigung der Steuerbegünstigung wiege demgegenüber nicht schwer. Dabei sei zu berücksichtigen, dass bei Kenntnis der Rechtsauffassung der Finanzverwaltung eine förmliche Modernisierungsvereinbarung zwischen ihm und der Beklagten abgeschlossen worden wäre. Für die Jahre 1997 bis 1999 habe er die steuerliche Vergünstigungen erhalten; sie seien jedoch von der Finanzverwaltung wieder "zurückgefordert" worden. Er habe gegen alle Steuerbescheide seit 1997 Einsprüche eingelegt, über die wegen des vorliegenden Verfahrens noch nicht entscheiden worden sei.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert: Die dem Kläger erteilte Bescheinigung nach § 7h EStG sei von Anfang an rechtswidrig gewesen. § 7h Abs. 1 Satz 1 EStG verweise nach seinem Wortlaut auf die gesamte Vorschrift des § 177 BauGB und damit auch auf Abs. 1, in dem der Erlass von Modernisierungs- und Instandsetzungsgeboten geregelt sei. Zwar stehe der hoheitlichen Anordnung eines solchen Gebotes eine schriftliche Modernisierungsvereinbarung gleich, in der sich der Eigentümer gegenüber der Gemeinde verpflichte, im einzelnen umschriebene Maßnahmen zur Behebung von Missständen und Mängeln vorzunehmen. Die schriftliche Antragstellung des Klägers und die schriftliche Genehmigung der Baumaßnahmen erfüllten diese Voraussetzungen nicht. Die Jahresfrist habe erst mit Aufforderung des Regierungspräsidiums zur Rücknahme der Bescheinigung mit Schreiben vom 18.08.2004 zu laufen begonnen, weil der Behörde erst zu diesem Zeitpunkt die Rechtswidrigkeit derselben bewusst geworden sei. Das öffentliche Interesse in Gestalt des Interesses an der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Beseitigung ungerechtfertigter Steuervergünstigungen überwiege das Vertrauen des Klägers in den Fortbestand der ihm erteilten Bescheinigung. Auch gebe es kein milderes Mittel, um die Bindung der Finanzbehörden an die Bescheinigung als Grundlagenbescheid für die Gewährung der Steuervergünstigung zu beseitigen und rechtmäßige Zustände herzustellen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakten sowie die Akten des Verwaltungsgerichts und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthaft und auch sonst zulässig. Sie ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hätte den Bescheid der Beklagten vom 15.03.2005 über die Rücknahme der dem Kläger nach § 7h Abs. 2 Satz 1 EStG erteilten Bescheinigung und deren Widerspruchsbescheid vom 13.07.2005 aufheben müssen, weil sie rechtswidrig sind und den Kläger in seinen Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Allerdings teilt der Senat die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die § 7h-Bescheinigung vom 13.11.1997 rechtswidrig ist. Denn sie bestätigt zu Unrecht - mit Bindungswirkung gegenüber dem Finanzamt -, dass die vom Kläger an seinem Gebäude xxxxxxxxxxxxx xx durchgeführten Modernisierungsmaßnahmen die Voraussetzungen des § 7h Abs. 1 Satz 1 EStG erfüllen. Nach dieser Vorschrift können bei Gebäuden in Sanierungsgebieten erhöhte Absetzungen von den Herstellungskosten für Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen im Sinne des § 177 BauGB vorgenommen werden. Entgegen der Auffassung des Klägers ist § 7h Abs. 1 Satz 1 EStG nicht einschränkend dahingehend auszulegen, dass die Voraussetzungen für die steuerliche Förderung bereits dann gegeben sind, wenn am Gebäude Mängel oder Missstände im Sinne des § 177 Abs. 2 und 3 BauGB vorlagen und diese behoben wurden. Denn § 7h Abs. 1 Satz 1 EStG verweist nach seinem Wortlaut auf die Vorschrift des § 177 BauGB im Ganzen und damit auch auf dessen Absatz 1, der die Gemeinden ermächtigt, die Modernisierung und Instandsetzung von Gebäuden in Sanierungsgebieten durch entsprechende Anordnungen durchzusetzen. Anstelle solcher Gebote schließen die Gemeinden in der Praxis meist städtebauliche Verträge nach § 11 BauGB mit den Eigentümern, in denen diese sich zur Durchführung näher bestimmter Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen verpflichten (vgl. Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 8. Aufl., § 177 Rn. 21). Diese Vorgehensweise trägt dem Kooperationsgedanken Rechnung, von dem das Sanierungsrecht geprägt ist (vgl. § 175 Abs. 1 BauGB), und erfüllt daher ebenfalls die Voraussetzungen für eine steuerliche Förderung (vgl. Einkommenssteuerrichtlinien 2005, BStBl. I Sondernr. 1 R 7h (6); Gemeinsame Bekanntmachung des Wirtschaftsministeriums und des Finanzministeriums vom 11.06.2001 - Bescheinigungsrichtlinie - GABl. 2001, 793, TZ 3.1; vgl. auch BFH, Beschluss vom 06.12.2002 - 9 B 109/02 -, BFH/NV 2003, 469). Demgegenüber stellen freiwillige Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen auch dann keine Maßnahmen im Sinne des § 7h Abs. 1 Satz 1 EStG dar, wenn sie in Absprache mit der Gemeinde erfolgen und der Beseitigung von Mängeln und Missständen im Sinne von § 177 Abs. 2 und 3 BauGB dienen, sondern nur dann, wenn sie auf der Grundlage eines Gebots nach § 177 Abs. 1 BauGB oder einer vertraglichen Verpflichtung gegenüber der Gemeinde durchgeführt wurden. Der Senat schließt sich damit der bislang von der obergerichtlichen Rechtsprechung und Kommentarliteratur vertretenen Auffassung an (vgl. OVG Niedersachsen, Urteil vom 24.04.1997 - 6 L 2067/96 - und OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 08.06.2004 - 3 L 64/02 -, NVwZ 2005, 835; Blümich, EStG, Bd. 1, § 7h Rn. 23 f.; Kirchhof, EStG, 2001, § 7h RdNr. 3; Schmidt, EStG, 25. Aufl. § 7h Rn. 3).

Für diese Auffassung spricht neben der uneingeschränkten Verweisung auf § 177 BauGB in § 7h Abs. 1 Satz 1 EStG auch Satz 2 dieser Vorschrift, welcher die steuerliche Förderung auf denkmalbezogene Maßnahmen unter der Voraussetzung erstreckt, dass sich der Eigentümer hierzu gegenüber der Gemeinde verpflichtet hat. Eine entsprechende ausdrückliche Regelung ist hinsichtlich der sanierungsbezogenen Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen entbehrlich, weil deren verpflichtender Charakter bereits durch die umfassende Verweisung auf § 177 BauGB - und damit auch auf dessen Absatz 1 - in § 7h Abs. 1 Satz 1 EStG zur Voraussetzung für die steuerliche Begünstigung gemacht wird. Demgegenüber ermächtigt § 177 BauGB nicht zur Anordnung städtebaulicher Gebote hinsichtlich der in § 7h Abs. 1 Satz 2 EStG genannten denkmalbezogenen Maßnahmen. Dieser Auslegung kann auch nicht entgegen gehalten werden, dass sich freiwillige Modernisierungsmaßnahmen, die in Absprache mit der Gemeinde realisiert werden, nicht von den auf Grundlage vertraglicher Verpflichtungen durchzuführenden Maßnahmen unterscheiden, wie der Kläger meint. Abgesehen davon, dass die Gemeinden keine Möglichkeit haben, mündliche Absprachen über Modernisierungsmaßnahmen gegebenenfalls zwangsweise durchzusetzen, kann vom Eigentümer nur dann verlangt werden, sich vertraglich zur Durchführung im einzelnen bezeichneter Modernisierungsmaßnahmen in einem bestimmten Zeitraum (vgl. § 177 Abs. 1 Satz 3 BauGB) als Ersatz für eine ansonsten mögliche einseitige Anordnung von Geboten nach § 177 Abs. 1 BauGB (vgl. Battis/Krautzberger/Löhr, a.a.O., § 177 Rn. 34) zu verpflichten, wenn gemäß § 175 Abs. 2 BauGB die alsbaldige Durchführung der Maßnahmen aus städtebaulichen Gründen erforderlich ist. Mit der Anknüpfung der steuerlichen Begünstigung an Modernisierungsmaßnahmen verpflichtenden Charakters wird daher zugleich erreicht, dass diese auf Maßnahmen mit städtebaulicher Dringlichkeit beschränkt wird. Hier hat der Kläger die Modernisierungsmaßnahmen nicht aufgrund einer vertraglichen Verpflichtung gegenüber der Beklagten, sondern freiwillig durchgeführt. Daran ändert nichts, dass er sie unter Beachtung mündlicher Absprachen mit Mitarbeitern der Beklagten gemäß der ihm erteilten Baugenehmigung und der darin enthaltenen sanierungsrechtlichen Auflagen realisiert hat. Denn hierzu war der Kläger nicht verpflichtet. Somit ist die ihm erteilte Bescheinigung rechtswidrig.

Die Rücknahme der Bescheinigung mit Bescheid vom 15.03.2005 erfolgte jedoch nicht innerhalb der Rücknahmefrist nach § 48 Abs. 4 LVwVfG und ist daher ihrerseits rechtswidrig.

Nach dieser Vorschrift ist die Rücknahme ab dem Zeitpunkt, in dem die Behörde von Tatsachen Kenntnis erhält, welche die Rücknahme des rechtswidrigen Verwaltungsakts rechtfertigen, nur innerhalb eines Jahres zulässig. Die Jahresfrist beginnt, sobald die Rücknahmebehörde die Rechtswidrigkeit des erlassenen Verwaltungsakts erkannt hat und ihr die für die Rücknahmeentscheidung außerdem erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sind. Dazu gehören die Umstände, deren Kenntnis es der Behörde objektiv ermöglicht, ohne weitere Sachaufklärung unter sachgerechter Ausübung ihres Ermessens über die Rücknahme zu entscheiden. Denn § 48 Abs. 4 LVwVfG ist nicht im Sinne einer "Bearbeitungsfrist" zu verstehen, die mit der Kenntnis der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes zu laufen beginnt und der Behörde ein Jahr Zeit lässt, um hinsichtlich des Vorliegens der weiteren Rücknahmevoraussetzungen Entscheidungsreife herbeizuführen. Eine solche "Bearbeitungsfrist" wäre nicht sachgerecht, weil es nicht allein vom Willen der Behörde abhängt, ob die Sache in diesem Zeitraum tatsächlich entscheidungsreif gemacht werden kann; vielmehr kann sich die Aufklärung der entscheidungserheblichen Tatsachen aus den unterschiedlichsten Gründen verzögern (zum Beispiel Zeugenvernehmung oder Einholung von Sachverständigengutachten). Nach Sinn und Zweck der Regelung handelt es sich daher um eine "Entscheidungsfrist", die grundsätzlich mit dem Zeitpunkt des Eintritts der Entscheidungsreife zu laufen beginnt (grundlegend BVerwG Großer Senat, Beschl. vom 19.12.1984 - GrSen 1.84, GrSen 2.84 -, BVerwGE 70, 356; vgl. auch Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., § 48 Rn. 219 ff.). Hingegen vermag ein auf die weiteren Rücknahmevoraussetzungen bezogener Rechtsirrtum der Behörde - anders als ein Rechtsirrtum in Bezug auf die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts - den Fristbeginn nicht zu hindern. Denn andernfalls wäre die Entscheidungsreife abhängig von der rechtlichen Erkenntnisfähigkeit der handelnden Behörde; je geringer diese ausgeprägt ist, desto großzügiger wäre die zur Verfügung stehende Rücknahmefrist. Eine solche Auslegung wäre nicht vereinbar mit dem Zweck der Jahresfrist, Rechtssicherheit hinsichtlich des Bestandes von Verwaltungsakten herbeizuführen. Sie würde ferner die in § 48 Abs. 4 LVwVfG normierte Beschränkung der Kenntnis auf "Tatsachen" "ins Leere laufen" lassen (vgl. BVerwG, Urt. vom 05.08.1996 - 5 C 6.95 -, NWVBl. 1997, 293 unter Hinweis darauf, dass ein Rechtsirrtum über die Erforderlichkeit von Ermessenserwägungen den Beginn der Jahresfrist nicht hinausschiebt mit der Folge, dass ein Rücknahmebescheid, welcher einen fristgerecht erlassenen ersten Rücknahmebescheid ersetzt, verfristet sein kann; vgl. auch BVerwG, Urt. vom 19.12.1995 - 5 C 10.94 -, BVerwGE 100, 199; ebenso mit eingehender Begründung BSG, Urt. vom 27.07.1989 - 11/7 RAr 115/87 -, BSGE 65, 221 und Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 141). Ausgehend davon wurde die dem Kläger erteilte Bescheinigung nach § 7h EStG erst nach Ablauf der Ausschlussfrist des § 48 Abs. 4 LVwVfG zurückgenommen.

Der Irrtum der Beklagten über die Rechtmäßigkeit ihrer Praxis, Bescheinigungen nach § 7h EStG auch bei freiwilligen Modernisierungsmaßnahmen ohne konkrete vertragliche Verpflichtungen auszustellen, war nach eigenem Bekunden mit Bekanntmachung der verbindlichen Vorgaben zur Auslegung und Anwendung unter anderem des § 7h EStG in der Bescheinigungsrichtlinie des Wirtschafts- und Finanzministeriums vom 11.06.2001 (a.a.O.) behoben. Bezogen auf das vorliegende Verfahren war der entsprechende Rechtsirrtum bei der zuständigen Behörde spätestens im November 2003 entfallen. Denn das Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung hat im Rahmen des Remonstrationsverfahrens, das der streitgegenständlichen Rücknahme vorangegangen war, mit Schreiben vom 28.11.2003 gegenüber dem Finanzamt Stuttgart III ausdrücklich angegeben, ihm sei aufgrund der Bescheinigungsrichtlinie bewusst geworden, dass die Begünstigung nach § 7h EStG eine konkrete vertragliche Vereinbarung zwischen Eigentümer und Gemeinde voraussetze. Damit hat die zuständige Behörde zu erkennen gegeben, dass sie nunmehr von der Rechtswidrigkeit ihrer früheren Verwaltungspraxis ausgeht. Zwar hat das Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung in diesem Schreiben weiter ausgeführt, dass es sich - gleichwohl - außerstande sehe, die dem Kläger erteilte Bescheinigung zurückzunehmen, weil bis zum Erlass der Bescheinigungsrichtlinie keine konkreten vertraglichen Vereinbarungen zwischen Eigentümer und Stadt abgeschlossen worden seien und diese - auch bei anderen Gemeinden übliche - Vorgehensweise von der Finanzbehörde bis dahin akzeptiert worden sei. Diese Aussage relativiert jedoch nicht die zuvor geäußerte Feststellung zur Rechtswidrigkeit der früheren Verwaltungspraxis in Bezug auf die dem Kläger erteilte Bescheinigung. Denn mit der Bescheinigungsrichtlinie hinsichtlich der Frage der Notwendigkeit konkreter vertraglicher Modernisierungspflichten sind nicht etwa Konsequenzen aus einer Rechtsänderung gezogen worden. Vielmehr ist der steuerrechtliche Begünstigungstatbestand hinsichtlich der umfassenden Verweisung auf § 177 BauGB seit Erteilung der Bescheinigung im November 1997 unverändert geblieben. Damit war für die Beklagte klar, dass auch die Praxis vor Erlass der Bescheinigungsrichtlinie rechtswidrig gewesen war. Ihre Annahme, die dem Kläger erteilte Bescheinigung trotz erkannter Rechtswidrigkeit nicht zurücknehmen zu können, bezieht sich daher auf das Fehlen weiterer Rücknahmevoraussetzungen. Offenbar war sie der Auffassung, dass ein Vertrauenstatbestand vorliege, hinter dem das öffentliche Interesse an der Rücknahme zurücktreten müsse; an dieser Rechtsauffassung hat sie dann in der Folgezeit festgehalten, bis sie vom Regierungspräsidium mit Schreiben vom 18.08.2004 zur Rücknahme der dem Kläger erteilten Bescheinigung angewiesen wurde. Wie ausgeführt, kommt es daher für den Beginn der Rücknahmefrist nicht darauf an, ob die zuständige Behörde hinsichtlich solcher weiterer Rücknahmevoraussetzungen einem Rechtsirrtum unterlegen ist oder nicht.

Im vorliegenden Fall begann nach alledem die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 LVwVfG Ende November 2003 zu laufen, als das Amt für Stadtplanung bezogen auf das konkrete Verfahren (spätestens) Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der Bescheinigung erlangt und zugleich angenommen hat, die weiteren Rücknahmevoraussetzungen lägen nicht vor. Dies hat zur Folge, dass die "Entscheidungsfrist" des § 48 Abs. 4 LVwVfG bei Erlass des Rücknahmebescheids am 15. März 2005 bereits abgelaufen war. Zwar trifft die von der Beklagten zunächst vertretene Auffassung, die vor Erlass der Bescheinigungsrichtlinie rechtswidrig erteilten Bescheinigungen könnten mit Blick auf die damalige, von der Finanzverwaltung akzeptierte Praxis generell nicht zurückgenommen werden, nicht zu; vielmehr war dies von einer einzelfallbezogenen Würdigung insbesondere unter Vertrauensschutzgesichtspunkten abhängig. Auch spricht viel dafür, dass bei zutreffender Anwendung der Rücknahmevoraussetzungen der Sachverhalt im Zeitpunkt der Kenntnis der Rechtswidrigkeit der Bescheinigung noch nicht hinreichend geklärt war. Insbesondere war der zuständigen Behörde damals noch nicht bekannt, ob der Kläger die ihm bereits gewährten Steuervergünstigungen im Sinne des § 48 Abs. 2 Satz 2 LVwVfG verbraucht hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.04.1997 - 3 C 3.95 -, BVerwGE 104, 289 zur Anwendbarkeit des § 48 Abs. 2 VwVfG auf Verwaltungsakte, die Grundlage für eine bezifferbare Steuerverschonung sind; vgl. BVerwG, Urteil vom 28.01.1993 - 2 C 15.91 -, DVBl. 1993, 947 zum Leistungsverbrauch). Ein solcher Klärungsbedarf hindert jedoch den Fristbeginn hier nicht. Denn mit Blick auf den Zweck der Ausschlussfrist des § 48 Abs. 4 LVwVfG als "Entscheidungsfrist" kommt es allein darauf an, ob aus Sicht der Behörde Entscheidungsreife gegeben ist. Hat diese - wie hier - zu erkennen gegeben, dass sie eine Rücknahme des rechtswidrigen Verwaltungsakts von vornherein - ohne Klärung konkreter Vertrauensschutzaspekte - für unzulässig hält, beginnt die Jahresfrist auch dann zu laufen, wenn diese Rechtsauffassung unzutreffend ist und eine Rücknahme bei hinreichender Aufklärung des Sachverhalts in Betracht kommt. Denn ein auf die weiteren Rücknahmevoraussetzungen bezogener Rechtsirrtum hat - wie oben dargelegt - keine fristhemmende Wirkung. Käme es für die Frage der Entscheidungsreife nicht auf die Rechtsauffassung der Rücknahmebehörde, sondern auf die zutreffende Anwendung der Rücknahmevoraussetzungen an, wäre es von den Rechtskenntnissen der Behörde abhängig, ob und wann sie die zur Herbeiführung der Entscheidungsreife notwendige Sachaufklärung vornimmt. Die zur Verfügung stehende Rücknahmefrist wäre also um so länger bemessen, je geringer die Rechtskenntnisse der jeweiligen Behörde sind. Dies wäre aber mit dem Zweck der Jahresfrist, Rechtssicherheit und Rechtsklarheit im Hinblick auf den Bestand von Verwaltungsakten zu gewährleisten, nicht zu vereinbaren. Im Übrigen läge auch treuwidriges Verhalten vor, wenn sich eine Rücknahmebehörde, die zu erkennen gegeben hatte, dass aus ihrer Sicht Entscheidungsreife vorlag, später hinsichtlich des Fristablaufs auf die Notwendigkeit weiterer Sachaufklärung beriefe. Somit beginnt die Jahresfrist zu laufen, wenn der Behörde alle Tatsachen bekannt sind, die nach ihrer Rechtsauffassung für die Entscheidung über eine Rücknahme des - als rechtswidrig erkannten - Verwaltungsakts erheblich sind. Wie ausgeführt, bestand hier für die Beklagte im Zeitpunkt der Kenntnis der Rechtswidrigkeit der Bescheinigung kein Anlass für weitere Sachaufklärung, weil sie deren Rücknahme unabhängig von den konkreten Einzelfallumständen für unzulässig hielt, so dass die Jahresfrist (spätestens) im November 2003 zu laufen begann.

Die Beklagte ist schließlich auch in der Folgezeit bis zum Ablauf der Jahresfrist davon ausgegangen, dass sie ohne weitere Sachverhaltsaufklärung über die Frage einer Rücknahme der Bescheinigung entscheiden könne. Das Schreiben des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 18.08.2004, mit dem sie zur Rücknahme der dem Kläger erteilten Bescheinigung angewiesen wurde, hat daran nichts geändert. Denn diese Weisung wurde nicht von einer Würdigung der Einzelfallumstände abhängig gemacht, sondern galt unbedingt. Dementsprechend finden sich im Rücknahmebescheid und im Widerspruchsbescheid der Beklagten auch keine auf die konkreten Umstände bezogenen Ermessenserwägungen. Die Anhörung des Klägers mit Schreiben vom 07.09.2004 im Anschluss an die Weisung des Regierungspräsidiums stellt sich vor diesem Hintergrund lediglich als formelle Wahrung des rechtlichen Gehörs dar und war nicht auf weitere Sachaufklärung gerichtet.

Unabhängig davon ist die Rücknahme der Bescheinigung auch wegen fehlender Ermessenserwägungen rechtswidrig. Im Rücknahmebescheid der Beklagten vom 15.03.2005 und in deren Widerspruchsbescheid vom 13.07.2005 wird zwar ausgeführt, dass das Interesse des Klägers an der Aufrechterhaltung der Bescheinigung gegenüber dem Interesse am rechtmäßigen Verwaltungshandeln zurücktreten müsse. Als Begründung wird jedoch lediglich angegeben, dass es kein "milderes Mittel" gebe, um den rechtswidrigen Bescheid und damit die Bindung des Finanzamts an die Bescheinigung des Vorliegens der Voraussetzungen für die steuerliche Begünstigung zu beseitigen. Für die Rücknahmeentscheidung war demnach allein ausschlaggebend, dass die Bindung der Finanzverwaltung an die Bescheinigung als Grundlagenbescheid für die steuerliche Begünstigung nicht auf andere Weise aufgehoben werden kann; auf eine konkrete Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse am rechtmäßigen Verwaltungshandeln und dem privaten Interesse des Klägers an der Aufrechterhaltung der steuerlichen Begünstigung kam es der Beklagten erkennbar nicht an.

Dieser "Nichtgebrauch" des Ermessens ist mit § 48 LVwVfG nicht vereinbar. Gemäß § 48 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG ist die Vorschrift auch auf solche Verwaltungsakte anzuwenden, die - wie hier die Bescheinigung nach § 7h EStG -Voraussetzung für die Gewährung von Geldleistungen sind. Das Rücknahmeermessen ist demnach nicht erst von der Finanzverwaltung im Rahmen der Entscheidung darüber auszuüben, ob bereits gewährte steuerliche Vergünstigungen zurückgefordert werden sollen. Davon abgesehen stellt die Bescheinigung auch die Grundlage für die Bewilligung noch nicht gewährter steuerlicher Vergünstigungen dar. Hier bestand auch Anlass, den konkreten Sachverhalt im Rahmen der Ermessensausübung zu würdigen. Das gilt einmal mit Blick auf das öffentliche Interesse an der Beseitigung zu Unrecht erlangter Steuerbegünstigungen. Dessen Gewicht hängt u.a. wesentlich davon ab, ob bei Kenntnis der zutreffenden Auslegung des § 7h Abs. 1 Satz 1 EStG eine verpflichtende Modernisierungsvereinbarung über die abgesprochenen und tatsächlich auch ausgeführten baulichen Maßnahmen getroffen worden wäre. In diesem Fall wären die vom Kläger vorgenommenen Modernisierungsmaßnahmen der Sache nach steuerlich förderungswürdig gewesen, was den fehlenden Vertragsschluss im Nachhinein als eher formalen Mangel erscheinen ließe und das Gewicht des fiskalischen Interesses minderte. Ferner hat der Kläger angegeben, dass er die Modernisierungsmaßnahme nur deshalb durchgeführt habe, weil Mitarbeiter der Beklagten ihm die Erteilung der Bescheinigung nach § 7h EStG mündlich zugesichert hätten. Dieser Umstand kann zwar nicht mit den in § 48 Abs. 2 LVwVfG genannten Vertrauenstatbeständen gleichgesetzt werden, welche eine Rücknahme begünstigender Verwaltungsakte ausschließen; für die ermessensgerechte Berücksichtigung des Vertrauensschutzes ist er aber durchaus von Belang. Schließlich war nicht im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu klären, ob die eben genannten ermessensrelevanten Umstände vorliegen. Denn die Beklagte hat diesbezüglich überhaupt keine Ermessenserwägungen angestellt. Das Gericht kann jedoch eine unterbliebene Ermessensausübung nicht anstelle der Behörde nachholen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14.08.1989 - 4 NB 24.88 -, DVBl. 1989, 1105 m.w.N.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Beschluss vom 03. April 2007

Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf 50.000,-- EUR festgesetzt.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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