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Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 19.01.2001
Aktenzeichen: 8 S 2121/00
Rechtsgebiete: VwGO, LVG, WG


Vorschriften:

VwGO § 71
LVG § 25 Abs. 3
WG § 17 a
1. Die höhere Wasserbehörde ist aufgrund des ihr gemäß § 25 Abs. 3 LVG zustehenden Weisungsrechts befugt, in einem über die Höhe des Wasserentnahmeentgelts geführten Widerspruchsverfahren den angefochtenen Bescheid zum Nachteil des Widerspruchsführers zu ändern.

2. Steht der angefochtene Bescheid unter dem Vorbehalt einer späteren Nachprüfung, kann die Widerspruchsbehörde ohne Verstoß gegen § 71 VwGO von einer vorherigen Anhörung des Widerspruchsführers absehen.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

8 S 2121/00

Verkündet am 19.1.2001

In der Verwaltungsrechtssache

wegen

Wasserentnahmeentgelt für die Veranlagungsjahre 1997 und 1998

hat der 8. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Prof. Dr. Schmidt sowie die Richter am Verwaltungsgerichtshof Schenk und Rieger auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 18. Januar 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 19. Juni 2000 - 12 K 2620/99 - geändert.

Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Höhe des von ihr für die Jahre 1997 und 1998 zu entrichtenden Wasserentnahmeentgelts.

Die am 1.10.1996 von der ESSO-AG sowie der Oberrheinischen Mineralölwerke GmbH (OMW GmbH) gegründete Klägerin betreibt in Karlsruhe die größte Mineralölraffinerie in Deutschland mit einer Verarbeitungskapazität von etwa 15 Millionen Tonnen Erdöl pro Jahr. Ihre Geschäftsführende Komplementärin ist die Mineralölraffinerie Oberrhein Verwaltungs-GmbH, deren Gesellschafter in den Jahren 1997 und 1998 die DEA Mineralöl-AG (32,25%), die ESSO-AG (25%), die Ruhröl-GmbH (24%) sowie die Conoco Inc. (18,75%) waren. Am Kapital der Klägerin sind als Kommanditisten die OMW GmbH mit 75% und die ESSO-AG mit 25% beteiligt. Die Gesellschafter der Komplementärin der Klägerin liefern dieser das von ihr zu verarbeitende Rohöl und verkaufen die Produkte der Klägerin, in erster Linie Benzin, Dieselkraftstoff, Flugzeugtreibstoff sowie leichtes Heizöl, über ihre Verkaufsorganisation sowie über die Tankstellen der Marken DEA, ESSO, ARAL und Jet. Bei der Produktion wird in großen Mengen Kühl- und Brauchwasser eingesetzt, das die Klägerin dem Grundwasser vor allem als Uferfiltrat entnimmt (1997: 37.125.128 cbm; 1998: 33.306.973 cbm). Für das Entnehmen und Zutagefördern von Grundwasser erhebt das Land Baden-Württemberg gemäß § 17 a Abs. 1 WG von dem Benutzer ein Entgelt.

Unter Hinweis darauf, dass das ungekürzte Wasserentnahmeentgelt mit 3.712.512,80 DM den Wert von 1% des Umsatzes (= 402.152,14 DM) bzw. den Wert von 3% des Roherlöses in Höhe von 1.056.994,13 DM weit übersteige, sodass eine wasserintensive Produktion gegeben sei, beantragte die Klägerin, das Entgelt für die Wasserentnahme im Jahr 1997 auf einen Betrag von 5% des Ergebnisses der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit festzusetzen. Bei einem Gewinn vor Steuern in Höhe von 14.226.194,96 DM errechne sich hieraus ein Betrag in Höhe von 711.309,75 DM (Ermäßigungssatz 80,84%). Mit Bescheid vom 8.5.1998 setzte das Regierungspräsidium Karlsruhe das Wasserentnahmeentgelt für das Jahr 1997 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 1.856.256,40 DM fest, wobei es von einer vorläufigen Ermäßigung in Höhe von 50% ausging. Die endgültige Entscheidung über die Ermäßigung werde erst zu einem späteren Zeitpunkt getroffen, wobei insbesondere die Feststellungen im Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 26.3.1998 zu berücksichtigen seien.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 5.6.1998 Widerspruch ein, soweit das Wasserentnahmeentgelt für 1997 auf mehr als 711.310 DM festgesetzt wurde. Zur Begründung brachte sie vor, dass sich bei einer Ermäßigung von lediglich 50% ihre Gestehungskosten so stark erhöhten, dass sie erheblich und nicht nur vorübergehend in ihrer Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt werde.

Mit Bescheid vom 30.3.1999 setzte die aufgrund der Änderung des Wassergesetzes durch das Wasserrechtsvereinfachungs- und -beschleunigungsgesetz vom 16.7.1998 zuständig gewordene Stadt Karlsruhe das Wasserentnahmeentgelt für das Jahr 1998 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 1.665.348,65 DM fest, wobei sie ebenfalls von einer vorläufigen Ermäßigung von 50% ausging. Auch in diesem Bescheid heißt es, dass die Entscheidung, ob und in welcher Höhe dem Antrag der Klägerin, das Wasserentnahmeentgelt auf 5% vom Gewinn vor Steuern, d. h. einen Betrag von 578.406,81 DM, festzusetzen, entsprochen werden könne, erst zu einem späteren Zeitpunkt getroffen werden könne. Aufgrund des Urteils des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 30.3.1998 habe das Regierungspräsidium Karlsruhe das Umwelt- und das Wirtschaftsministerium bezüglich der Ermäßigungsanträge der Klägerin um Entscheidungshilfe gebeten, die jedoch noch ausstehe.

Gegen den Bescheid vom 30.3.1999 legte die Klägerin am 28.4.1999 Widerspruch ein, soweit das Wasserentnahmeentgelt für 1998 auf einen Betrag von mehr als 578.406,81 DM festgesetzt worden war. Zur Begründung brachte sie vor, der VGH Baden-Württemberg habe deutlich gemacht, dass die Behörden auch bei denjenigen Verfahren, die nicht im Katalog der Nr. 6.5.2 der Verwaltungsvorschrift Wasserentgelt aufgeführt seien und bei denen deshalb Einzelfallentscheidungen über die Ermäßigung des Wasserentnahmeentgelts getroffen werden müssten, nicht ohne vernünftigen Grund von den Kriterien abgewichen werden dürfe, die bei der Formulierung der Verwaltungsvorschrift herangezogen worden seien und nach denen nach ständiger Verwaltungspraxis zahlreichen Unternehmen Ermäßigungen gewährt würden. Ausgehend von diesen Kriterien und den Angaben in ihrer Bilanz sei das Wasserentnahmeentgelt zu ermäßigen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11.8.1999 wies das Regierungspräsidium Karlsruhe die Widersprüche der Klägerin zurück und setzte zugleich in Abänderung der Bescheide vom 8.5.1998 und 30.3.1999 das Wasserentnahmeentgelt für das Jahr 1997 auf 3.712.512,80 DM und für das Jahr 1998 auf 3.330.697,30 DM fest. Zur Begründung führte es aus, eine Ermäßigung des Wasserentnahmeentgelts scheide aus, weil die ungekürzte Erhebung des Entgelts nicht zu einer Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit der Klägerin führe. Zwar treffe es zu, dass das ungekürzte Wasserentnahmeentgelt für die Jahre 1997 und 1998 den Grenzwert "5 % vom Gewinn vor Steuern" übersteige. Die Erfüllung dieser Faustformel führe jedoch nicht automatisch zur Annahme einer Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit, da auch die Ertragslage, die Umsatzrendite, die Überwälzungsmöglichkeit des Entgelts, der Marktanteil sowie die Wettbewerbssituation zu in- und ausländischen Herstellern, die nicht mit dem Entgelt belastet seien, sowie die konjunkturelle Lage der Volkswirtschaft zu berücksichtigen seien. Eine Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit sei nur dann zu bejahen, wenn die durch das ungekürzte Wasserentnahmeentgelt erhöhten Kosten im Wettbewerb nicht weitergegeben werden könnten. Hierzu habe die Klägerin jedoch nichts vorgetragen. Der von allen Raffinerien beklagte Verfall der Durchschnittsmargen beruhe auf der Überproduktion und auf dem Absatzrückgang für Mineralölprodukte. Diese Faktoren träfen aber alle in- und ausländischen Hersteller, auch solche, die nicht mit einem Wasserentnahmeentgelt belastet seien. Hinsichtlich der Überwälzungsmöglichkeit sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin eine Gemeinschaftsraffinerie bedeutender Mineralölgesellschaften sei, die international an der Suche, die Gewinnung und dem Transport von Rohöl beteiligt seien und der Klägerin die benötigten Rohöle und Ersatzstoffe lieferten. Die Einkaufs- und Abgabepreise der Klägerin seien konzerninterne Verrechnungspreise, die von den Gesellschaftern festgelegt würden. Es sei davon auszugehen, dass die in der gesamten Bundesrepublik und auch im Ausland tätigen Gesellschafter in der Lage seien, auch die Kosten des ungekürzten Wasserentnahmeentgelts in den Verkaufspreisen weiterzugeben. Diese Frage bedürfe jedoch keiner weiteren Vertiefung, denn selbst wenn es nicht gelänge, das Wasserentnahmeentgelt ganz oder teilweise auf die Preise abzuwälzen, sei nicht anzunehmen, dass hierdurch die Wettbewerbsfähigkeit der Gesellschafter der Klägerin nachhaltig beeinträchtigt werde. Eine reformatio in peius sei im Widerspruchsverfahren zulässig. Unabhängig davon seien die angegriffenen Bescheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen, so dass sie jederzeit auch zu Ungunsten des Verpflichteten hätten abgeändert werden können. Der Widerspruchsbescheid wurde der Klägerin am 16.8.1999 zugestellt.

Die Klägerin hat am 15.9.1999 beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage erhoben mit dem Antrag, den Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 8.5.1998, den Bescheid der Stadt Karlsruhe vom 30.3.1999 sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 11.8.1999 aufzuheben, soweit darin für das Jahr 1997 ein Wasserentnahmeentgelt von mehr als 711.310 DM und für das Jahr 1998 ein Wasserentnahmeentgelt von mehr als 578.406,81 DM festgesetzt wurde, und zur Begründung ausgeführt: Der verbösernde Widerspruchsbescheid sei verfahrensfehlerhaft, weil entgegen § 71 VwGO keine Anhörung durchgeführt worden sei. Hinsichtlich der Frage, ob die ungekürzte Erhebung des Wasserentnahmeentgelts zu einer erheblichen und nicht nur vorübergehenden Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit führe, stehe der Behörde kein Beurteilungsspielraum zu. Die Argumentation im Widerspruchsbescheid hinsichtlich der Abwälzbarkeit der infolge des nicht ermäßigten Wasserentnahmeentgelts erhöhten Kosten im Wettbewerb sei nicht stichhaltig. Es sei nicht nachvollziehbar, wieso in der gleichmäßigen Belastung aller Mineralölraffinerien durch die allgemeinen Wettbewerbsverhältnisse ein Argument für die Überwälzungsmöglichkeit des besonderen Wasserentnahmeentgelts liegen könne. Im Unterschied zu der vom VGH Baden-Württemberg entschiedenen Konstellation bestehe bei ihr kein Konzerninternum, in dem durch die Manipulation konzerninterner Berechnungspreise die Möglichkeit bestehe, Gewinne und Verluste zu verlagern. Der im Widerspruchsbescheid vorgenommene "Durchgriff" auf ihre Gesellschafter sei unzulässig. Auch die Ermäßigung von 50 %, die das Regierungspräsidium bzw. die Stadt Karlsruhe in ihren Ausgangsbescheiden gewährt hätten, reiche nicht aus, um eine erhebliche Beeinträchtigung ihrer Wettbewerbsfähigkeit zu beseitigen. Der Verwaltungspraxis entspreche eine Ermäßigung des Entgelts bis zu einem Grenzwert von 5 % vom Gewinn vor Steuern.

Das beklagte Land sowie die Stadt Karlsruhe haben Klagabweisung beantragt und erwidert: In formaler Hinsicht könne zwar ein Verstoß gegen § 71 VwGO vorliegen. Da die Bescheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen seien, habe die Klägerin jedoch nicht darauf vertrauen können, dass es bei der vorläufig gewährten Ermäßigung bleibe. Der Rechtsgedanke des § 45 Abs. 2 VwVfG müsse auf das verwaltungsgerichtliche Verfahren übertragen werden, indem der Klägerin Gelegenheit gegeben werde, sich zu der vorgenommenen Verböserung zu äußern. Hinsichtlich des Merkmals "Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit" könne nicht allein auf die Situation der Klägerin abgestellt werden. Der Umstand, dass es sich bei der Klägerin um ein selbständig bilanzierendes Unternehmen nach den Vorschriften des GmbH-Rechts handele, hindere die Behörden nicht an einem Durchgriff auf die Gesellschafter der Klägerin. Tatsächlich trete die Klägerin nicht wie ein wirtschaftlich unabhängiges Unternehmen am Markt auf, das Rohprodukte erwerbe und nach Verarbeitung in den einzelnen Marktsektoren anbiete. Vielmehr erhalte die Klägerin Rohöl und Zusatzstoffe ausschließlich von ihren Gesellschaftern. Da auch die Produkte von den Gesellschaftern über ihre Verkaufsorganisationen und die Tankstellen verkauft wurden, bestimmten die- se maßgeblich die Kosten- und Preisgestaltungsstrategie. Hinsichtlich der Gesellschafter der Klägerin könne eine Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit nicht angenommen werden.

Das Verwaltungsgericht hat den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 11.8.1999 mit Urteil vom 19.6.2000 aufgehoben, soweit darin für das Jahr 1997 ein Wasserentnahmeentgelt von mehr als 1.856.256,40 DM und für das Jahr 1998 ein Wasserentnahmeentgelt von mehr als 1.665.348,65 DM festgesetzt wurde, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Soweit es der Klage stattgegeben hat, hat es zur Begründung ausgeführt: Die vom Regierungspräsidium Karlsruhe im Widerspruchsbescheid vorgenommene Erhöhung des Wasserentnahmeentgelts sei rechtswidrig, weil der Behörde hierfür die Zuständigkeit gefehlt habe. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts folge die Zulässigkeit einer "reformatio in peius" im Widerspruchsverfahren nicht bereits aus den §§ 68 ff., 73 VwGO; maßgeblich sei vielmehr das jeweils anzuwendende materielle Bundes- und Landesrecht einschließlich der Zuständigkeitsvorschriften. Zwar habe der VGH Baden-Württemberg für den Bereich des Ausbildungsförderungsrechts aus dem bestehenden fachaufsichtlichen Weisungsrecht ohne weiteres auf die Zuständigkeit der Widerspruchsbehörde zur Verböserung einer Rückforderung nach dem BAföG geschlossen. Nach Ansicht der Kammer könne diese Rechtsprechung jedoch nicht auf die Erhebung des Wasserentnahmeentgelts übertragen werden. Jedenfalls im Bereich der Eingriffsverwaltung, wozu die Erhebung des Wasserentnahmeentgelts durch Verwaltungsakt zu rechnen sei, bedürfe die Begründung der Zuständigkeit einer Behörde eines Rechtssatzes, d. h. eines Gesetzes oder einer aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung erlassenen Rechtsverordnung. § 25 Abs. 3 LVG sei hinsichtlich der Frage der Zuständigkeit des Regierungspräsidiums zur Festsetzung des Wasserentnahmeentgelts nicht als ein die Zuständigkeit begründendes Gesetz im Sinn von Art. 70 Abs. 1 Satz 1 Landesverfassung anzusehen. Denn diese Vorschrift treffe lediglich eine Regelung über die Ermächtigung der übergeordneten Behörde zum Erlass von Weisungen gegenüber der der Fachaufsicht unterworfenen Behörde und beschränke sich damit auf das Innenverhältnis der öffentlichen Verwaltung. Gegen eine Zuständigkeit des Regierungspräsidiums zum Erlass eines verbösernden Bescheids spreche auch, dass die Zuständigkeit für die Erhebung des Wasserentnahmeentgelts durch das Gesetz vom 16.7.1998 gerade auf die unteren Wasserbehörden übertragen worden sei. Dieser gesetzgeberischen Entscheidung über die Zuständigkeitsverlagerung von der höheren auf die unteren Wasserbehörde würde es widersprechen, wenn dem Regierungspräsidium die Zuständigkeit zuerkannt würde, im Widerspruchsverfahren verbösernde (Widerspruchs-)Bescheide zu erlassen. Die Entscheidung des Gesetzgebers für eine Verlagerung der Zuständigkeit für die Erhebung des Wasserentnahmeentgelts komme auch in Art. 6 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes vom 16.7.1998 zum Ausdruck, wonach sich die sachliche Zuständigkeit in den bei Inkrafttreten des Gesetzes anhängigen Verfahren nach § 96 WG n.F. richte. Obwohl die Erhebung von Erschließungsbeiträgen nach dem Kommunalabgabengesetz hinsichtlich des Weisungsrechts nicht mit der Erhebung des Wasserentnahmeentgelts zu vergleichen sei, könne schließlich auf die vor Einfügung des § 3 Abs. 1 Nr. 7 KAG ergangene Rechtsprechung verwiesen werden. Die Regelung in § 117a Abs. 1 WG entspreche hinsichtlich der Verweisung auf Bestimmungen der Abgabenordnung weitgehend dieser Vorschrift. Im Unterschied zu § 3 Abs. 1 KAG fehle aber in § 117a Abs. 1 WG ein Verweis auf die Bestimmung des § 367 Abs. 2 Satz 2 AO, der die Widerspruchsbehörde zum Erlass einer verbösernden Entscheidung ermächtige. Hieraus könne mittelbar der Schluss gezogen werden, dass der Widerspruchsbehörde die Befugnis fehle, einen Bescheid über die Erhebung von Wasserentnahmeentgelt zum Nachteil des Widerspruchsführers zu verändern. Diese Ausführungen gälten auch für das Jahr 1997, da dem Regierungspräsidium auch insoweit wegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes vom 16.7.1998 die Zuständigkeit gefehlt habe.

Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts richtet sich die vom Senat mit Beschluss vom 19.9.2000 zugelassene Berufung des beklagten Landes, mit der es beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 19. Juni 2000 - 12 K 2620/99 - zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Das beklagte Land macht geltend: Das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht der Ansicht, dass das Regierungspräsidium für die verbösernde Widerspruchsentscheidung nicht zuständig gewesen sei. Der VGH Baden-Württemberg habe in seinem Beschluss vom 6.3.1996 auch für den Bereich der Eingriffsverwaltung die reformatio in peius durch die Widerspruchsbehörde als fehlerfrei angesehen. In seinem Urteil vom 29.8.1986 habe ferner das BVerwG auch für den Bereich des nordrhein-westfälischen Landesorganisationsgesetzes die Ableitung der Befugnis zur reformatio in peius für die Widerspruchsbehörde aus der Fachaufsicht und dem daraus resultierenden Weisungsrecht gebilligt. Zu Recht weise schließlich das OVG Koblenz in seinem Urteil vom 2.10.1991 darauf hin, dass es sich bei dem Widerspruchsverfahren nicht lediglich um ein Rechtsschutzverfahren handele, sondern dass es auch der Entlastung der Verwaltungsgerichte und insbesondere der Selbstkontrolle der Verwaltung diene, die gem. Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden sei. Die Regelung in Art. 1 Nr. 39 des Gesetzes vom 16.7.1998 spreche nicht gegen die Zuständigkeit des Regierungspräsidiums. Das Gesetz habe den Zweck, die Zuständigkeit für die Erhebung des Wasserentnahmeentgelts in eine Hand, nämlich die der unteren Wasserbehörde, zu legen. Auch die Übergangsregelung in Art. 6 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes vom 16.7.1998 rechtfertige keine andere Betrachtungsweise. Soweit das Verwaltungsgericht damit argumentiere, dass in § 117a Abs. 1 WG ein Verweis auf § 367 Abs. 2 Satz 2 AO fehle, lasse es außer Acht, dass es sich bei der Anwendung des KAG um eine Selbstverwaltungsangelegenheit handele, bei der die Aufsichtsbehörde gerade nicht über das Fachaufsichtsrecht verfüge, sondern lediglich Rechtsaufsicht ausüben könne. Für den Gesetzgeber habe daher keine Veranlassung bestanden, über die reformatio in peius eine besondere Regelung zu treffen, da er davon habe ausgehen können, dass eine solche im Bereich der Fachaufsicht entsprechend den überwiegend anerkannten Regeln auch weiterhin zulässig sein werde.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert: Das Verwaltungsgericht habe es zu Recht abgelehnt, die Befugnis der Widerspruchsbehörde zur reformatio in peius aus der ihr durch § 25 LVG zugewiesenen Fachaufsicht abzuleiten, da die Bedeutung der Vorschrift sich auf das innerstaatliche Organisationsrecht beschränke. Wollte man der Widerspruchsbehörde die Befugnis zur reformatio in peius eröffnen, liefe dies zudem dem im Gesetz vom 16.7.1998 verfolgten Ziel zuwider. Das Verwaltungsgericht habe auch zu Recht darauf hingewiesen, dass § 117 a Abs. 1 WG die entsprechende Anwendung der Verböserungsvorschrift des § 367 Abs. 2 S. 23 AO nicht anordne. Unabhängig davon sei die Berufung jedenfalls insoweit unbegründet, als es um die Verböserung des Bescheids vom 8.5.1998 gehe, da sich der von ihr, der Klägerin, eingelegte Widerspruch nur gegen die Ablehnung einer über 50 % hinaus gehenden Ermäßigung gerichtet habe. Soweit ihrem Antrag entsprochen worden sei, sei daher kein Devolutiveffekt eingetreten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die vorliegenden Behördenakten sowie die Akten des Verwaltungsgerichts und die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht statt gegeben, soweit das Regierungspräsidium Karlsruhe in seinem Widerspruchsbescheid vom 11.8.1999 für das Jahr 1997 ein Wasserentnahmeentgelt von mehr als 1.856.256,40 DM und für das Jahr 1998 ein Wasserentnahmeentgelt von mehr als 1.665.348,65 DM festgesetzt hat. Das Regierungspräsidium war nicht daran gehindert, im Zusammenhang mit der ihm obliegenden Entscheidung über die Widersprüche der Klägerin die angefochtenen Bescheide zu deren Ungunsten zu ändern. Die von ihm vorgenommene Erhöhung des Wasserentnahmeentgelts ist auch inhaltlich nicht zu beanstanden.

Der Widerspruchsbescheid ist nicht bereits deshalb rechtswidrig, weil das Regierungspräsidium der Klägerin vor dessen Erlass keine Möglichkeit gegeben hat, zu der beabsichtigten Erhöhung des Wasserentnahmeentgelts Stellung zu nehmen. Nach § 71 VwGO soll zwar der Betroffene vor Erlass des Abhilfe- oder des Widerspruchsbescheids gehört werden, wenn die Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts erstmalig mit einer Beschwer verbunden ist. Die Vorschrift begründet damit - abgesehen von atypischen Sachverhalten - die Pflicht, den Betroffenen vor Erlass des Widerspruchsbescheides von der beabsichtigten Verböserung zu unterrichten. Dies gilt nach der Neufassung des § 71 VwGO nicht nur für den Fall der Heranziehung neuer Tatsachen, sondern auch für die aufgrund bekannter Tatsachen erfolgende rechtliche Neubewertung (BVerwG, Beschl. v. 19.5.1999 - 8 B 61.99 - NVwZ 1999, 1218, 1219; Dolde in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 71 Rn. 5 und 8). Im vorliegenden Fall besteht jedoch die Besonderheit, dass die Ausgangsbescheide jeweils unter dem ausdrücklichen Vorbehalt einer Nachprüfung ergangen waren und die Klägerin darauf aufmerksam gemacht worden war, dass die endgültige Entscheidung über die von ihr beanspruchte Ermäßigung erst zu einem späteren Zeitpunkt getroffen werde. Sie musste deshalb auch ohne einen besonderen Hinweis durch das Regierungspräsidium mit einer Abänderung der Bescheide zu ihren Ungunsten rechnen, so dass von einer vorherigen Anhörung abgesehen werden konnte.

2. Das Verwaltungsgericht hat den Widerspruchsbescheid aufgehoben, soweit das Regierungspräsidium das von der Klägerin zu zahlende Wasserentnahmeentgelt gegenüber den Ausgangsbescheiden erhöht und die Bescheide damit zu Ungunsten der Klägerin geändert hat, da ihm nach seiner Ansicht für ein solches Vorgehen die Zuständigkeit gefehlt habe. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.

Die auf § 73 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bzw. - für das Jahr 1997 - auf Abs. 1 S. 2 Nr. 2 VwGO beruhende Zuständigkeit des Regierungspräsidiums zur Entscheidung über die von der Klägerin eingelegten Widersprüche steht außer Frage. Zweifelhaft kann daher nur sein, ob mit dieser Zuständigkeit die Befugnis verbunden ist, die angefochtenen Bescheide auch zum Nachteil des Widerspruchsführers zu verändern. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts ist diese Frage zu bejahen.

Nach ständiger Rechtsprechung ergibt sich die Befugnis der Widerspruchsbehörde, den angefochtenen Verwaltungsakt zum Nachteil des Widerspruchsführers abzuändern ("reformatio in peius") nicht schon aus den §§ 68 ff., 73 VwGO, sondern richtet sich nach dem jeweils anzuwendenden materiellen Bundes- oder Landesrecht einschließlich seiner Zuständigkeitsvorschriften (vgl. BVerwG, Beschl. v. 17.6.1996 - 1 B 100.96 - NVwZ-RR 1997, 26; Beschl. v. 29.8.1986 - 7 C 51.84 - NVwZ 1987, 215; Urt. v. 18.5.1982 - 7 C 42.80 - BVerwGE 65, 313, 319; Urt. v. 12.11.1976 - 4 C 34.75 - BVerwGE 51, 310, 313 f.). Im Anschluss an diese Rechtsprechung hat der VGH Baden-Württemberg in einem Fall, in dem der Kläger zur Rückzahlung von Leistungen nach dem BAföG verpflichtet worden war, die Zulässigkeit einer reformatio in peius im Widerspruchsverfahren mit der Begründung bejaht, dass das für die Entscheidung über den Widerspruch zuständige Landesamt für Ausbildungsförderung nach § 1 S. 2 des Baden-Württembergischen Ausführungsgesetzes zum BAföG die Fachaufsicht über die Ämter für Ausbildungsförderung ausübe und ihm daher gemäß § 25 Abs. 3 LVG ein unbeschränktes Weisungsrecht zustehe. Unter diesen Umständen bedürfe es keines darüber hinaus gehenden Selbsteintrittsrechts, um die Befugnis der Widerspruchsbehörde zu begründen, die Rückforderung zum Nachteil des Auszubildenden zu erhöhen. Vielmehr dürfe die gemäß §§ 68, 73 VwGO mit der Sache befasste Widerspruchsbehörde sich diesen Umstand zunutze machen und statt einer bindenden Weisung an die Erstbehörde selbst der Rechtslage Rechnung tragen, indem sie nicht nur den Widerspruch zurückweise, sondern selbst die weitergehende Rücknahme des zuvor ergangenen Bewilligungsbescheids verfüge (Urt. 9.10.1989 - 7 S 571/89 - ESVGH 41, 76 <nur Leitsatz>). In derselben Weise hat der VGH in einem Fall argumentiert, in der es um die Verschärfung einer Gewerbeuntersagung im Widerspruchsverfahren ging, und die Befugnis der Widerspruchsbehörde zu einem solchen Vorgehen ebenfalls damit begründet, dass sie zugleich die Fachaufsicht über die Ausgangsbehörde ausübe (Beschl. v. 6.3.1996 - 14 S 2976/95 -). Die vom Kläger in diesem Verfahren eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom BVerwG mit der Begründung zurückgewiesen, dass eine derartige Argumentation aus der Sicht des Bundesrechts nicht zu beanstanden sei. Insbesondere sei nichts dagegen einzuwenden, wenn das Landesrecht daran anknüpfe, dass die Widerspruchsbehörde bereits mit der Angelegenheit befasst sei, die Sache also nicht erst aufgrund eines Selbsteintritts an sich zu ziehen brauche. Eines Selbsteintrittsrechts bedürfe es nicht, da die Zuständigkeit der Widerspruchsbehörde ihre Grundlage in den §§ 68, 73 VwGO habe. Diese Vorschriften stellten die kompetenzrechtliche Grundlage zur Verfügung, wenn Landesrecht die zur Entscheidung über den Widerspruch zuständige Behörde auch zur Verböserung ermächtige (Beschl. v. 17.6.1996 - 1 B 100.96 - NVwZ-RR 1997, 26).

Der Senat sieht keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Soweit die zuständige Widerspruchsbehörde zugleich Fachaufsichtsbehörde ist und die Ausgangsbehörde deshalb dazu anweisen kann, den im Widerspruchsverfahren zur Überprüfung stehenden Verwaltungsakt auch zum Nachteil des Widerspruchsführers zu ändern, ist nicht einzusehen, wieso ihr nicht die Befugnis zustehen sollte, die für erforderlich gehaltene Änderung der von der Ausgangsbehörde getroffenen Regelung selbst vorzunehmen, wenn die Angelegenheit mit dem gegen den Verwaltungsakt eingelegten Widerspruch an sie heran getragen worden ist. Die Interessen des Widerspruchsführers werden davon nicht berührt, da es aus seiner Sicht keinen Unterschied machen kann, von welcher Behörde und in welchem Verfahren die mit dem angefochtenen Verwaltungsakt getroffene Regelung zu seinem Nachteil geändert wird. Da § 25 Abs. 3 LVG dem Regierungspräsidium gegenüber der für die Festsetzung des Wasserentnahmeentgelts zuständigen und dabei seiner Fachaufsicht unterliegenden Stadt Karlsruhe ein unbeschränktes Weisungsrecht einräumt, war es demnach berechtigt, die angefochtenen Bescheide durch Festsetzung eines höheren Entgelts auch zu Ungunsten der Klägerin zu ändern.

Das Verwaltungsgericht wendet dagegen zu Unrecht ein, dass es im Bereich der Eingriffsverwaltung, zu der die Erhebung des Wasserentnahmeentgelts zu rechnen sei, für die Begründung der Zuständigkeit einer Behörde eines Rechtssatzes, d. h. eines Gesetzes oder einer aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung erlassenen Rechtsverordnung bedürfe. Soweit es in Bezug hierauf einen Unterschied zu dem von ihm zitierten Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 9.10.1989 sieht, lässt es außer Betracht, dass es in diesem Fall ebenfalls um einen Eingriffsakt ging, nämlich - wie bereits erwähnt - um die Rückforderung von Leistungen nach dem BAföG. Allein der Umstand, das dieser Eingriffsakt im Bereich der Leistungsverwaltung ergangen ist, rechtfertigt es nicht, in einem solchen Fall an die Befugnis der Widerspruchsbehörde zu einer reformatio in peius andere Maßstäbe anzulegen. Der Einwand ist unabhängig davon auch sachlich nicht begründet, da sich die vom Verwaltungsgericht vermisste gesetzliche Regelung der Zuständigkeit aus den §§ 68, 73 VwGO ergibt, sofern man, wie dies der Senat für richtig hält, annimmt, dass das Landesrecht, indem es der Widerspruchsbehörde ein unbeschränktes Weisungsrecht gegenüber der Ausgangsbehörde einräumt, auch zu einer "Verböserung" des angefochtenen Verwaltungsakts im Widerspruchsverfahrens ermächtigt. Für nicht überzeugend hält der Senat auch das Argument, dass § 25 Abs. 3 LVG lediglich die übergeordnete Behörde zum Erlass von Weisungen gegenüber der der Fachaufsicht unterworfenen Behörde ermächtige und sich damit auf das Innenverhältnis der öffentlichen Verwaltung beschränke. Im Grundsatz ist das zwar sicher richtig. Das schließt jedoch nicht aus, der Vorschrift, soweit es um die Befugnis der Fachaufsichtsbehörde zu einer reformatio in peius im Widerspruchsverfahren geht, auch eine hierauf beschränkte Außenwirkung beizulegen.

Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts lässt sich gegen die Befugnis des Regierungspräsidiums zu einer Erhöhung des von der Klägerin zu zahlenden Wasserentnahmeentgelts auch nicht ins Feld führen, dass ein solches Vorgehen der gesetzgeberischen Entscheidung widerspreche, mit der die Zuständigkeit für die Erhebung des Wasserentnahmeentgelts von der höheren auf die untere Wasserbehörde verlagert worden ist. Nach der Regelung in § 96 Abs. 2 WG in seiner früheren Fassung war die höhere Wasserbehörde für die Festsetzung des Wasserentnahmeentgelts zuständig, wenn das entnommene Wasser zwei Millionen Kubikmeter im Jahr übersteigt. Durch das Wasserrechtsvereinfachungs- und -beschleunigungsgesetz vom 16.7.1998 wurde diese Regelung geändert, indem in § 96 Abs. 1 bestimmt wurde, dass für die Erhebung des Wasserentnahmeentgelts generell die untere Wasserbehörde zuständig ist. Als Grund für diese Änderung wird in der Begründung des Gesetzentwurfs (LT-Drs. 12/2846, S. 64) angegeben, dass mit der Novelle weitere Entscheidungskompetenzen auf die unteren Wasserbehörden verlagert würden und die Vorhaltung der Verwaltungskraft für einige wenige Erhebungsfälle bei den Regierungspräsidien und dem Ministerium unverhältnismäßig wäre. Aus dieser Zielrichtung der Novelle kann nicht geschlossen werden, dass die höhere Wasserbehörde nicht das Recht haben soll, einen Wasserentnahmeentgeltbescheid auch zu Lasten des Beitragspflichtigen zu ändern, wenn sie mit der Sache im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens befasst ist. Auch die in Art. 6 S. 1 des Gesetzes vom 16.7.1998 enthaltene Übergangsregelung, nach der sich die Zuständigkeit in den bei Inkrafttreten dieses Gesetzes anhängigen Verfahren nach § 96 WG in seiner Neufassung bestimmt, gibt für eine solche Annahme nichts her.

Die Befugnis des Regierungspräsidiums zu einer reformatio in peius ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil in § 117 a Abs. 1 WG eine Verweisung auf § 367 Abs. 2 AO fehlt. Für das Verfahren zur Festsetzung des Wasserentnahmeentgelts gilt gemäß § 17 c Abs. 5 WG die Regelung in § 117 a Abs. 1 WG entsprechend, der für das Verfahren zur Festsetzung der Abwasserabgabe eine Reihe von Bestimmungen der Abgabenordnung für entsprechend anwendbar erklärt. Nicht genannt wird dort § 367 Abs. 2 AO, nach dessen Satz 2 die Finanzbehörde, die über einen Einspruch entscheidet, diesen auch zum Nachteil des Einspruchsführers abändern kann, wenn jener auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung unter Angabe von Gründen hingewiesen und ihm Gelegenheit gegeben worden ist, sich hierzu zu äußern. Aus dem ursprünglichen Fehlen einer solchen Verweisung in § 3 Abs. 1 KAG a. F., der auf die Erhebung von Kommunalabgaben ebenfalls eine Reihe von Bestimmungen der Abgabenordnung für entsprechend anwendbar erklärt, hat der VGH Baden-Württemberg in seinem Urt. vom 30.3.1988 - 2 S 1858/86 -(bestätigt durch Urt. v. 30.11.1989 - 2 S 1987/87 -) gefolgert, dass der Widerspruchsbehörde die Befugnis fehle, einen Kommunalabgabenbescheid zum Nachteil des Widerspruchsführers zu ändern. Dieses Urteil ist jedoch auf die Festsetzung des Wasserentnahmeentgelts nicht übertragbar, da zwischen Kommunalabgaben und dem vom Land Baden-Württemberg aufgrund der §§ 17 a ff. WG erhobenen Entgelt ein für die vorliegende Fragestellung entscheidender Unterschied besteht. Dieser liegt darin, dass es sich bei der Erhebung von Kommunalabgaben um eine Selbstverwaltungsaufgabe der Gemeinden handelt, so dass diese insoweit nur der Rechtsaufsicht unterliegen. Ein unbeschränktes Weisungsrecht der Widerspruchsbehörde besteht deshalb - anders als bei der Erhebung des Wasserentnahmeentgelts - nicht. Das beklagte Land macht daher zu Recht geltend, dass der Gesetzgeber keine Veranlassung gehabt hat, die Befugnis der Widerspruchsbehörde zur reformatio in peius durch Verweisung auf § 367 Abs. 2 AO klarzustellen, da er davon ausgehen konnte, dass diese im Bereich der Fachaufsicht ohnehin zulässig ist. Aus dem Fehlen einer solchen Verweisung lässt sich danach nicht schließen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die Widerspruchsbehörde nicht befugt sein solle, einen Wasserentnahmeentgeltbescheid auch zum Nachteil des Widerspruchsführers zu ändern.

3. Das Urteil des Verwaltungsgerichts stellt sich auch nicht aus einem anderen Grund als im Ergebnis richtig dar.

a) Die Klägerin hält die im Widerspruchsbescheid vorgenommene Erhöhung des Wasserentnahmeentgelts unabhängig von der Befugnis der Widerspruchsbehörde zur reformatio in peius jedenfalls insoweit für rechtswidrig, als es um das Entgelt für das Jahr 1997 geht, da sich der gegen den Bescheid vom 8.5.1998 eingelegte Widerspruch nur gegen die Ablehnung einer über 50 % hinaus gehenden Ermäßigung gerichtet habe. Soweit ihrem Antrag entsprochen worden sei, sei daher kein Devolutiveffekt eingetreten. Dem kann nicht gefolgt werden.

Die Entscheidungsbefugnis der Widerspruchsbehörde ist allerdings auf den durch den Widerspruch begrenzten Rahmen begrenzt. Die Widerspruchsbehörde darf deshalb nicht einen Widerspruch zum Anlass nehmen, weitere rechtlich selbständige Regelungen zu treffen, die über den Inhalt des angefochtenen Verwaltungsakts hinausgehen (vgl. BayVGH, Urt. v. 19.3.1981 - 2 B 80 A.989 - NJW 1982, 460). In den Fällen, in denen ein Verwaltungsakt mehrere rechtlich selbständige Entscheidungen enthält, gilt Entsprechendes. Beschränkt der Widerspruchsführer seinen Widerspruch auf einen Teil des Verwaltungsakts, ist die Widerspruchsbehörde nicht berechtigt, den nicht angefochtenen Teil zu verschärfen, da insoweit ihre Entscheidungszuständigkeit durch den Widerspruch nicht begründet worden ist (Pietzner/Ronellenfitsch, Das Assessorexamen im Öffentlichen Recht, 10. Aufl., § 40 Rn. 19). Ein solcher Fall ist hier jedoch nicht gegeben. Zwar hat die Klägerin gegen den Bescheid vom 8.5.1998 nur teilweise Widerspruch eingelegt, nämlich insoweit, als das Regierungspräsidium das für 1997 zu zahlende Wasserentnahmeentgelt auf mehr als 711.310 DM festgesetzt hatte. Daraus, dass die Klägerin ihre Zahlungspflicht in dieser Höhe anerkannt hat und der angefochtene Bescheid insoweit bestandskräftig geworden ist, ergeben sich für die Befugnis der Widerspruchsbehörde, das zu zahlende Wasserentnahmeentgelt auf einen gegenüber dem angefochtenen Bescheid höheren Betrag festzusetzen, keine Beschränkungen.

b) Die Heraufsetzung des von der Klägerin zu zahlenden Entgelts auf die im Widerspruchsbescheid genannten Beträge ist auch in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden.

Die Höhe des Wasserentnahmeentgelts bestimmt sich gemäß § 17 a Abs. 3 S. 2 WG nach dem dem Gesetz anliegenden Verzeichnis. Für das Zutagefördern von Grundwasser ist danach ein Entgelt von 0,10 DM je Kubikmeter zu bezahlen. Da von der Beklagten im Jahr 1997 37.125.128 cbm und im folgenden Jahr 33.306.973 cbm Grundwasser gefördert wurden, errechnet sich daraus für 1997 ein ungekürztes Wasserentnahmeentgelt von 3.712.512,80 DM und für 1998 ein solches von 3.330.697,30 DM. Nach § 17 d Abs. 1 Satz 1 WG in der Fassung der Änderung vom 16.7.1998 kann allerdings die Wasserbehörde im Einzelfall das Wasserentnahmeentgelt auf Antrag um bis zu 90 v.H. des sich aus § 17 a Abs. 3 WG ergebenden Betrags ermäßigen, wenn der Entgeltpflichtige für gewerbliche, landwirtschaftliche oder forstwirtschaftliche Zwecke in unverhältnismäßig großem Umfang Wasser benötigt (wasserintensive Produktion) und sich bei ungekürzter Erhebung des Entgelts seine Gestehungskosten so stark erhöhen würden, dass er erheblich und nicht nur vorübergehend in seiner Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt wäre. Das Verwaltungsgericht hat das Vorliegen der zweiten Voraussetzung verneint und die Klage deshalb abgewiesen, soweit sie das in den Ausgangsbescheiden festgesetzte Entgelt betrifft. Das nur von dem beklagten Land angegriffene Urteil ist insoweit rechtskräftig. Zwischen den Beteiligten steht damit fest, dass von der Klägerin eine Ermäßigung des zu zahlenden Wasserentnahmeentgelts nicht beansprucht werden kann. Insoweit hat die Klägerin auch im Berufungsverfahren keine Einwendungen mehr erhoben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 13 Abs. 2 GKG auf 3.521.605,15 DM festgesetzt.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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