Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 14.03.2001
Aktenzeichen: 8 S 2257/00
Rechtsgebiete: LBO, LBOVVO


Vorschriften:

LBO § 37 Abs. 1
LBO § 37 Abs. 2
LBOVVO § 2 Abs. 3
1. Die Baurechtsbehörde darf einen Bauantrag, der keine den Stellplatzbedarf berührenden Änderungen des bereits genehmigten Vorhabens zum Gegenstand hat, nicht zum Anlass nehmen, eine neue Stellplatzberechnung zu verlangen.

2. Die Anzahl der notwendigen Stellplätze eines Hotels bemisst sich nach der Anzahl der Gästezimmer, nicht nach der Bettenzahl.

3. Einem Hotel ist bei der Errechnung des Stellplatzbedarfs derselbe Bonus für eine günstige Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr zu gewähren wie einer in demselben Gebäude betriebenen Gaststätte.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

8 S 2257/00

Verkündet am 14.3.2001

In der Verwaltungsrechtssache

wegen

Baugenehmigung

hat der 8. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Prof. Dr. Schmidt sowie die Richter am Verwaltungsgerichtshof Schenk und Rieger auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 13. März 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 18. Juli 2000 - 6 K 3119/99 - geändert und die Auflage Nr. 685 in der Baugenehmigung der Beklagten vom 28. Juli 1998 sowie der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 2. Juli 1999 aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger wenden sich gegen eine Stellplatzauflage.

Sie sind seit 1990 Eigentümer des mit einem Hotel- und Gaststättenkomplex bebauten Grundstücks Flst. Nr. 1204 gegenüber dem Bahnhof der Beklagten. Sie hatten ursprünglich geplant, nach Abriss des bestehenden Gebäudes (Gasthaus "Frosch") im Erdgeschoss eine Gaststätte mit Biergarten und in den Obergeschossen Wohnungen zu errichten. Für dieses Vorhaben hatten sie am 19.9.1996 eine Baugenehmigung erhalten. Die Beklagte hatte unter Berücksichtigung der im Hinblick auf den öffentlichen Personennahverkehr günstigen Lage einen Bedarf von 28 Stellplätzen errechnet, von denen 22 auf dem Baugrundstück nachgewiesen und 6 abgelöst wurden. Die Kläger machten von dieser Baugenehmigung keinen Gebrauch, sondern entschlossen sich, anstelle der Wohnungen ein Hotel zu errichten. Sie reichten deshalb unter dem 25.11.1996 ein Änderungsgesuch ein, das - verteilt auf das 1. und 2. Obergeschoss sowie das Dachgeschoss - 30 zwischen 11,41 und 19,5 qm große Zimmer vorsah. In den Bauvorlagen war pro Zimmer ein etwa 1 m breites Bett eingezeichnet. Die Beklagte erteilte am 3.3.1997 die beantragte Baugenehmigung mit folgender Auflage:

"Für die beantragte Nutzung (Gaststätte und 31 Hotelbetten) werden 28 Stellplätze festgesetzt. Für den Fall, dass eine weitergehende oder andere Nutzung (z. B. zusätzliche Hotelbetten) erfolgt, behält sich die Baurechtsbehörde vor, weitere Stellplätze festzusetzen."

Im Zuge der Bauausführung kam es zu zwei weiteren Änderungsanträgen: Am 25.3.1998 beantragten die Kläger die Genehmigung einer geänderten Außenanlage, die es ihnen ermöglichte, einen 23. Stellplatz auf dem Baugrundstück nachzuweisen. Die Beklagte erteilte am 28.7.1998 die beantragte Änderungsgenehmigung. Unter dem 20.5.1998 reichten die Kläger einen weiteren Änderungsantrag mit Bauvorlagen ein, in denen lediglich Veränderungen an den Innenwänden farblich angelegt waren. Ohne farbliche Kennzeichnung waren in 20 Zimmern 1,80 m breite und in 10 Zimmern 1,20 m breite Betten eingezeichnet. Die Beklagte bat darauf hin um Vorlage einer Stellplatzberechnung. Dieser Bitte kam der Architekt der Kläger mit Schreiben vom 10.6.1998 nach. Er errechnete unter Zugrundelegung einer Größe des Gastraumes (ohne Thekenbereich) und des Nebenzimmers von 199 qm und einer Anzahl von 50 Betten für das Hotel einen Bedarf von 27,5 Stellplätzen und damit angesichts vorhandener 23 Parkplätze und abgelöster 6 Plätze ein "Guthaben" von 1,5 Stellplätzen. Die Beklagte ermittelte dagegen folgenden Stellplatzbedarf: Für 228,50 qm Gastraumfläche (einschließlich Thekenbereich) unter Berücksichtigung des ÖPNV-Bonus 20,3 Plätze und für 50 Hotelbetten, auf die dieser Bonus keine Anwendung finde, 12,5 Stellplätze. Bei dem so errechneten Bedarf von 32,5 Stellplätzen fehlten mithin noch vier Plätze.

Im Hinblick auf einen bevorstehenden Urlaub baten die Kläger mit Schreiben vom 30.7.1998 um einen Besprechungstermin, da sie auf einen endgültigen Abschluss des Vorhabens durch eine Baugenehmigung angewiesen seien. Am 31.7.1998 schlossen sie deshalb mit der Beklagten einen Vertrag, in dem sie sich verpflichteten, sich an der Herstellung von Parkeinrichtungen der Stadt mit vier Stellplätzen ohne Nutzungsrecht zu beteiligen und hierfür einen Geldbetrag von insgesamt 26.800 DM aufzubringen. Bereits unter dem 28.7.1998 war die beantragte Baugenehmigung mit u. a. folgender ausdrücklich als "Auflage (Nr. 685)" bezeichneten Nebenbestimmung ergangen:

"Für die veränderte Nutzung sind 33 Stellplätze erforderlich. Davon sind 23 Stellplätze angelegt und 6 Stellplätze bereits abgelöst. Für die restlichen 4 Stellplätze ist eine Vereinbarung über die Stellplatzablösung abzuschließen."

Gegen diese Auflage legten die Kläger am 27.8.1998 Widerspruch ein, zu dessen Begründung sie vortrugen, die Hotels im Gebiet der Beklagten seien im Jahresmittel nur zu 50 % belegt. Dieser Durchschnitt könne mit dem genehmigten Hotel nicht erreicht werden, da es als Neubau sich erst am Markt etablieren müsse. Im Übrigen sei es geradezu sachwidrig, die Anzahl der notwendigen Stellplätze danach zu bemessen, ob die Hotelzimmer Einzel- oder Doppelzimmer seien. Bei der Stellplatzberechnung der Beklagten sei ferner unberücksichtigt geblieben, dass sich das Hotel in unmittelbarer Nähe zum Bahnhof befinde. Viele Reisende würden deshalb die Bahn benutzen und gar keinen Stellplatz benötigen. Schließlich habe die Beklagte bei vergleichbaren, hinsichtlich der Stellplatzfrage aber weitaus problematischeren Bauvorhaben auch nicht zwischen Einzel- und Doppelzimmern differenziert.

Das Regierungspräsidium Stuttgart wies den Widerspruch mit Bescheid vom 2.7.1999 zurück. Übereinstimmend mit der im Vorlageschreiben der Beklagten geäußerten Ansicht, die Baugenehmigung sei nur bedingt wirksam, legte es die Stellplatzauflage als (aufschiebende) Bedingung aus, die keiner gesonderten Anfechtung unterliege. Die Baugenehmigung sei auch zu Recht von der Erfüllung dieser Bedingung abhängig gemacht worden. Die von der Beklagten vorgenommene Stellplatzberechnung sei nicht zu beanstanden.

Am 12.7.1999 haben die Kläger beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben mit dem Ziel der Aufhebung der weitergehenden Stellplatzverpflichtung in der Baugenehmigung vom 28.7.1998. Die darin gestatteten Änderungen hätten keinen erhöhten Stellplatzbedarf ausgelöst. Dass ihr Architekt seiner Stellplatzberechnung einmal 31 Betten und ein anderes Mal 50 Betten zugrunde gelegt habe, sei belanglos. Die Bettenkapazität sei bereits im Rahmen der Baugenehmigung vom 3.3.1997 zu prüfen gewesen. Schon damals sei angesichts der unterschiedlichen Größe der Fremdenzimmer erkennbar gewesen, dass manche als Doppel- und andere als Einzelzimmer genutzt werden sollten. Ihre Möblierung sei nicht Gegenstand der Baugesuche gewesen.

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt und ausgeführt, die Kläger könnten ihr eigentliches Klageziel, den Ablösebetrag in Höhe von 26.800 DM nicht entrichten zu müssen, in diesem Verfahren nicht erreichen, weil sie sich zur Zahlung dieses Betrages vertraglich verpflichtet hätten.

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 18.7.2000 die Klagen mit der Begründung abgewiesen, sie seien unzulässig. Den Klägern fehle das Rechtsschutzbedürfnis, weil auch ein Obsiegen ihnen keine rechtlichen oder tatsächlichen Vorteile bringen könne. Denn sie blieben auch dann aufgrund des Vertrages vom 31.7.1998 verpflichtet, den vereinbarten Ablösungsbetrag zu entrichten.

Auf die Anträge der Kläger hat der Senat mit Beschluss vom 11.10.2000 - 8 S 2188/00 - die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 18. Juli 2000 - 6 K 3119/99 - zu ändern und die Auflage Nr. 685 in der Baugenehmigung der Beklagten vom 28. Juli 1998 sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 2. Juli 1999 aufzuheben.

Sie machen geltend: Die Klagen seien zulässig, mit ihrem Erfolg würde die Geschäftsgrundlage des Ablösungsvertrages entfallen und könne deshalb Ansprüchen aus diesem Vertrag der Bereicherungseinwand entgegengesetzt werden. Sie seien auch begründet, da die am 28.7.1998 genehmigten geringfügigen Änderungen der Bauausführung keinen Anlass für weitergehende Stellplatzanforderungen abgegeben hätten. Es könne nicht angehen, die in Bauvorlagen eingezeichnete Möblierung der Gästezimmer zum Gegenstand einer Stellplatzberechnung zu machen. Ferner sei die Annahme lebensfremd, die Benutzer von Doppelzimmern würden mit verschiedenen Kraftfahrzeugen anreisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

Sie erwidert: Eine isolierte Anfechtungsklage gegen die "Auflage 685" der Baugenehmigung vom 28.7.1998 sei unzulässig, weil es sich bei dieser Nebenbestimmung in Wahrheit um eine aufschiebende Bedingung handle. Die Erteilung der Baugenehmigung sei auch zu Recht von der Ablösung weiterer vier Stellplätze abhängig gemacht worden. Denn nach der zu erwartenden Gästezahl seien nach Maßgabe der VwV Stellplätze vom 16.4.1996 und der im vorliegenden Fall gegebenen örtlichen Verhältnisse 33 Parkplätze notwendig. Dabei habe angenommen werden dürfen, dass sich durch die Umwandlung von Einzel- in Doppelzimmer der Stellplatzbedarf erhöhe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die dem Senat vorliegenden, das Vorhaben der Kläger betreffenden Bauakten und die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nach ihrer Zulassung im Beschluss des Senats vom 11.10.2000 - 8 S 2188/00 - statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere sind die Begründungsanforderungen des § 124 a Abs. 3 VwGO erfüllt. Sie hat auch in der Sache Erfolg, das Verwaltungsgericht hätte den zulässigen Klagen stattgeben und die angefochtene Auflage aufheben müssen, weil sie rechtswidrig ist und die Kläger in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

I. Die seitens des Senats in der mündlichen Verhandlung angeregte Fassung der Klagebegehrens als Anfechtungsklage entspricht und entsprach von Anfang an dem wahren Klageziel der Kläger, das darauf gerichtet ist, die in der "Auflage 685" geforderte Ablösung von vier weiteren Stellplätzen zu vermeiden. Das hat auch die Beklagte in ihrer Berufungserwiderung ausdrücklich hervorgehoben. Mit diesem Inhalt sind die Anfechtungsklagen zulässig. Es kann dahinstehen, ob dies schon daraus folgt, dass gegen belastende Nebenbestimmungen eines Verwaltungsakts immer die Anfechtungsklage der gegebene Rechtsbehelf ist (BVerwG, Urteil vom 22.11.2000 - 11 C 2.00 -), wozu der Senat nicht neigt (vgl. zum Meinungsstand: J. Schmidt, NVwZ 1996, 1188 f.; Pietzcker, NVwZ 1995, 15 ff.; Kuchler, LKV 1997, 349 ff.). Denn die streitige Nebenbestimmung stellt schon deshalb eine selbständig anfechtbare Auflage i.S.d. § 36 Abs. 2 Nr. 4 LVwVfG dar, weil sie als solche bezeichnet wurde, so dass jeder Adressat sie als tauglichen Gegenstand einer Anfechtungsklage verstehen durfte, und - entgegen dem Vortrag der Beklagten - keinerlei Verknüpfung mit der Wirksamkeit der Baugenehmigung vorgenommen wurde. Im Übrigen entspräche es auch nicht Sinn und Zweck von Nebenbestimmungen bezüglich der notwendigen Stellplätze, sie als Bedingung zu behandeln, weil sie dann nicht selbständig durchsetzbar wären. Es kann aber nicht im Interesse der Baurechtsbehörden liegen, anstelle einer vollziehbaren Auflage nur darauf verweisen zu können, die Baugenehmigung sei wegen Nichteintritts der aufschiebenden Bedingung nicht wirksam geworden. Denn bei einem - wie hier - bereits errichteten, infolge des Nichteintritts der Bedingung aber ungenehmigten Gebäude könnten sie dann nur noch mit Bußgeldern reagieren, nicht aber ihre Forderung durchsetzen.

Der Senat setzt sich mit dieser Einstufung der "Auflage 685" nicht in Widerspruch zu dem Urteil des 5. Senats des erkennenden Gerichtshofs vom 5.5.1994 (- 5 S 2644/93 - VBlBW 1995, 29). Denn in dieser Entscheidung wird lediglich festgehalten, dass der Nachweis der notwendigen Stellplätze zur Bedingung einer Baugenehmigung gemacht werden kann und dass dies in der konkreten Baugenehmigung, die zur Beurteilung stand, geschehen sei. Ferner berufen sich die Beklagte und das Regierungspräsidium Stuttgart zur Begründung ihrer Ansicht, die fragliche Stellplatzauflage sei als Bedingung i.S.d. § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG anzusehen, zu Unrecht auf den Beschluss des Senats vom 30.3.1994 (- 8 S 769/94 - NVwZ-RR 1995, 378; ebenso: VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 7.4.1994 - 5 S 764/94 - BRS 56 Nr. 129; Beschluss vom 17.6.1991 - 3 S 1356/91 -), wonach mit dem Nachweis der Stellplätze die gesamte Baugenehmigung "steht und fällt". Denn diese Entscheidungen befassten sich mit der Frage, ob Stellplätze und Garagen an der sofortigen Vollziehbarkeit von Baugenehmigungen für Wohngebäude nach § 10 Abs. 2 BauGB-MaßnahmenG teilhaben. Aussagen zur rechtlichen Qualität entsprechender Nebenbestimmungen enthalten sie dagegen nicht.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts fehlt den Klägern auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis, weil sie unabhängig vom Ausgang dieses Verfahrens aufgrund des am 31.7.1998 geschlossenen Ablösungsvertrages in jedem Falle zur Zahlung des vereinbarten Betrages verpflichtet blieben. Denn Geschäftsgrundlage dieser Vereinbarung ist, dass die Festsetzung der für das Vorhaben der Kläger notwendigen Zahl an Stellplätzen in der angefochtenen Auflage 685 korrekt ist. Wird diese aufgehoben, fällt die Geschäftsgrundlage weg und die Kläger können die Aufhebung dieses Vertrages verlangen (vgl. § 60 Abs. 1 LVwVfG; vgl. auch Senatsurteil vom 9.3.1999 - 8 S 2877/98 - NVwZ-RR 2000, 206 und Senatsbeschluss vom 26.10.1998 - 8 S 2581/98 - VBlBW 1999, 140, die andere Konstellationen betreffen).

II. Die Klagen sind auch begründet, denn die Beklagte hätte die am 20.5.1998 beantragte (zweite) Änderungsbaugenehmigung nicht zum Anlass nehmen dürfen, erneut einen Stellplatznachweis zu fordern (nachfolgend 1.), ferner entspricht die von ihr vorgenommene Stellplatzberechnung nicht den rechtlichen Vorgaben des § 37 Abs. 1 Satz 2 LBO (nachfolgend 2.).

1. Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 LBO sind bei Änderungen oder Nutzungsänderungen von Anlagen Stellplätze oder Garagen in solcher Zahl herzustellen, dass die infolge der Änderung zusätzlich zu erwartenden Kraftfahrzeuge aufgenommen werden können. Voraussetzung für das Erfordernis eines "Stellplatznachschlags" ist damit, dass die Änderung überhaupt einen erhöhten Abstellbedarf für Kraftfahrzeuge erwarten lässt. Das ist bei der mit dem Bauantrag der Kläger vom 20.5.1998 zur Genehmigung gestellten Änderung nicht der Fall. Denn er bezog sich ausweislich der vorgelegten Bauvorlagen, insbesondere der Angaben in den Bauzeichnungen gemäß § 6 Abs. 3 Nr. 3 und Abs. 4 LBOVVO (v. 13.11.1995, GBl. S. 794), ausschließlich auf brandschutztechnische Maßnahmen und geringfügige Verschiebungen von Innenwänden. Eine Erhöhung der Anzahl der Gästezimmer oder der Fläche der anderen Gasträume lässt sich den genehmigten Plänen dagegen nicht entnehmen.

Die Beklagte kann ihre Forderung einer (neuen) Stellplatzberechnung im Schreiben vom 2.6.1998 auch nicht auf § 2 Abs. 3 Nr. 1 LBOVVO stützen. Danach kann die Baurechtsbehörde weitere Unterlagen verlangen, wenn diese zur Beurteilung des Vorhabens erforderlich sind. Die Erforderlichkeit in diesem Sinne war nach ihrer Ansicht zum einen dadurch gegeben, dass im Gastgeberverzeichnis Ellwanger Seenland, Ausgabe 1998, für das "Hotel am Bahnhof" eine Anzahl von 60 Betten angegeben wurde. Darauf kann sie sich aber schon deshalb nicht berufen, weil diese Bettenzahl - unwidersprochen - nicht auf Angaben der Kläger beruht und im Übrigen ihr eigenes Fremdenverkehrsamt Herausgeber dieses Verzeichnisses ist. Zum anderen hat die Beklagte offensichtlich die Veränderung der Größe der in den Bauvorlagen eingezeichneten Gästebetten zum Anlass genommen, einen neuen Stellplatznachweis zu fordern. In der Tat sind in zwanzig Zimmern die Betten gegenüber den am 3.3.1997 genehmigten Planzeichnungen um etwa 80 cm "gewachsen", in zehn kleineren um etwa 20 cm. Die Kläger weisen aber zu Recht darauf hin, dass weder die Möblierung der Zimmer noch die Anordnung und Größe der Einrichtungsgegenstände von einer Baugenehmigung umfasst werden kann. Deren Eintragung in Bauvorlagen ist ebenso wie die von Wohnungseinrichtungen und die bei vielen Architekten landesweit übliche Einzeichnung bestimmter PKW-Typen in Garagen und auf Stellplätzen lediglich ein Vorschlag an die Bauherrn, um Nutzungsmöglichkeiten zu illustrieren. Dem kann die Beklagte nicht mit Erfolg entgegenhalten, solche Einzeichnungen würden - obgleich sie nicht der Kennzeichnung des Genehmigungsgegenstandes dienten - das für die Stellplatzfrage entscheidende Kriterium der Bettenkapazität erkennbar machen. Denn zum einen kann allein aus einer schemenhaft eingezeichneten Bettenbreite, die nur eine mögliche Raumausnutzung aufzeigen soll, nicht unmittelbar auf die Anzahl der Schlafplätze geschlossen werden. Zum anderen macht das Gesetz die Anzahl der notwendigen Stellplätze nicht von Kapazitätsberechnungen, sondern von der Menge der zu erwartenden Kraftfahrzeuge abhängig.

Aber selbst wenn man annehmen wollte, die Beklagte habe diese Vorschläge und die daraus ersichtliche mögliche Bettengröße zum Anlass nehmen dürfen, der Frage nachzugehen, ob sich die Anzahl der notwendigen Stellplätze dadurch erhöht, hätte sie keine neue Berechnung verlangen dürfen. Wenn auch bei einer Bettenbreite von 1,80 m die Vermutung nicht ganz fern liegt, dass es sich um Doppelzimmer handelt, ergab sich daraus gleichwohl keine Berechtigung zu einer Nachforderung gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 1 LBOVVO. Denn die Kenntnis der Anzahl der Schlafplätze pro Gästezimmer war zur Beurteilung des Stellplatzbedarfs für das Hotel nicht erforderlich. Zwar knüpft auch Nr. 6.4 des Anhangs B der Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums über die Herstellung notwendiger Stellplätze (vom 16.4.1996, GBl. S. 289) - VwV Stellplätze - bei Hotels, Pensionen, Kurheimen und anderen Beherbergungsbetrieben an die Anzahl der angebotenen Betten an (1 Stellplatz je 2 - 6 Betten). Die dieser Regelung in bezug auf eine Differenzierung von Einzel- und Doppelzimmer offensichtlich zugrunde liegende Vorstellung, die in einem Doppelzimmer gemeinsam übernachtenden Gäste könnten einen erhöhten Stellplatzbedarf begründen, weil sie in zwei Kraftfahrzeugen anreisen, ist aber lebensfremd. Realistisch ist vielmehr nur, dass wer gemeinsam übernachtet in der Regel auch gemeinsam anreist. Doppelzimmer können deshalb in Ansehung des Stellplatzbedarfes nicht anders behandelt werden als Einzelzimmer. Demgemäss hätte die Beklagte den von ihr in Ansatz gebrachten Mittelwert von vier Betten, die rechnerisch einen Stellplatz notwendig machen, bei den Zimmern, die eine Mehrfachbelegung zulassen, so anwenden müssen, als werde in ihnen nur eine Übernachtungsmöglichkeit geboten. Daraus hätte sich für das Hotel anstelle eines Bedarfs von 12,5 notwendigen Stellplätzen ein solcher von 7,5 ergeben. Die Kläger hätten danach ihre Pflicht zur Herstellung bzw. Ablösung solcher Parkplätze längst erfüllt.

2. Davon abgesehen entspricht die von der Beklagten vorgenommene Stellplatzberechnung unter mehreren Gesichtspunkten nicht dem Gesetz und den tatsächlichen Gegebenheiten. Nach § 37 Abs. 1 Satz 2 LBO sind bei der Errichtung sonstiger (nicht dem Wohnen dienender) baulicher Anlagen und anderer Anlagen, bei denen ein Zu- und Abfahrtsverkehr zu erwarten ist, notwendige Stellplätze in solcher Zahl herzustellen, dass sie für die ordnungsgemäße Nutzung der Anlagen unter Berücksichtigung des öffentlichen Personennahverkehrs ausreichen. Die VwV Stellplätze gibt hierzu insbesondere in ihren Anhängen A und B interpretierende Hinweise. Unter Zugrundelegung des Kriterien-Punktesystems ihres Anhangs A hat die Beklagte den Klägern wegen der günstigen Lage des Hotels unmittelbar am Bahnhof und wegen der dort verkehrenden Buslinien einen Bonus von 6 Punkten gewährt und diesen in Form einer 20 %igen Ermäßigung (vgl. Anhang 2 der VwV Stellplätze) auf die für die Gasträume im Erdgeschoss des Gebäudes zu errechnenden notwendigen Stellplätze entsprechend Nr. 6.1 des Anhangs B angewandt. Dagegen hat sie diese Ermäßigung dem Hotelbereich nicht zugute kommen lassen, weil die Hotels und ähnliche Einrichtungen betreffende Nr. 6.4 des Anhangs B der VwV Stellplätze mit einem Sternchen versehen ist und deshalb nach Anhang 1 Satz 2 der VwV Stellplätze eine Bewertung "funktionsbedingt" unterbleiben soll. Diese unterschiedliche Behandlung von Gaststätten und Hotels ist aber sachlich nicht begründbar und widerspricht der ausdrücklichen und uneingeschränkten Anordnung im Gesetz, den öffentlichen Personennahverkehr zu berücksichtigen (vgl. LT-Drs. 11/5337, S. 99). Zudem lässt sich die Annahme, Gaststätten würden häufiger mit öffentlichen Verkehrsmitteln aufgesucht als Hotels oder Pensionen, auch mit der Lebenswirklichkeit nicht in Einklang bringen, zumal wenn sie - wie vorliegend - in ein und demselben Gebäude in unmittelbarer Nachbarschaft des Bahnhofs und mehrerer Bushaltestellen untergebracht sind. Hätte die Beklagte diesen Umstand berücksichtigt und auch für den Hotelbereich eine Ermäßigung um 20 % vorgenommen, wäre sie zu einem Bedarf von lediglich sechs notwendigen Stellplätzen für die Gastzimmer gelangt.

Den aus der Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr sich ergebenden besonderen Lagevorteil des Hotels hätte die Beklagte, wenn sie sich an die Vorgaben der VwV Stellplätze gebunden sah, jedenfalls dadurch berücksichtigen können und müssen, dass sie nicht den ortsüblichen Mittelwert von einem Stellplatz pro vier Betten ansetzte, sondern einen für die Kläger günstigeren Teiler. Denn der in Anhang B der Verwaltungsvorschrift vorgegebene Rahmen (1 Stellplatz je 2 - 6 Betten) darf nicht unbesehen auf alle Hotels und vergleichbaren Einrichtungen im gesamten Stadtgebiet ohne Rücksicht auf die jeweilige Standortgunst mit einem Einheitswert angewandt werden. Im vorliegenden Fall hätte es sich der Beklagten aufdrängen müssen, dass ein Bahnhofshotel den 300 m-Radius des Erreichbarkeitskriteriums des Anhangs A der VwV Stellplätze bei weitem unterschreitet und deshalb nicht nach demselben Teiler wie ein abseits aller Bahn- und Buslinien gelegenes Hotel beurteilt werden darf.

Nach allem kann die Beklagte von den Klägern über den im Rahmen des am 3.3.1997 abgeschlossenen Baugenehmigungsverfahrens ermittelten Stellplatzbedarf hinaus keine Herstellung oder Ablösung weiterer Parkplätze verlangen. Die angefochtene Auflage war deshalb aufzuheben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Gründe für die Zulassung der Revision (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO) sind nicht gegeben.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 26.800,-- DM festgesetzt (§§ 13 Abs. 2, 25 Abs. 2 S. 1 GKG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

Zurück