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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 18.10.2002
Aktenzeichen: 8 S 2448/01
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 1 Abs. 3
Eine Gemeinde darf auch dann in außerhalb ihrer Kernstadt gelegenen Bereichen Fachmärkte ausschließen, die in unerwünschtem Ausmaß Kaufkraft von den zentral gelegenen Geschäftslagen absaugen würden, wenn in umliegenden Städten (große) Märkte vorhanden sind, die dasselbe Warensortiment anbieten.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

8 S 2448/01

Verkündet am 18.10.2002

In der Verwaltungsrechtssache

wegen

Versagung einer Baugenehmigung

hat der 8. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Prof. Dr. Schmidt sowie die Richter am Verwaltungsgerichtshof Schenk und Rieger auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 17. Oktober 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 26. Juli 2001 - 11 K 3777/00 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger erstrebt Baugenehmigungen (wahlweise) für die Neuerrichtung eines Elektrofachmarkts und die Erweiterung des bestehenden Elektrofachmarkts.

Ihm gehören die zusammen 7.238 m2 großen, etwa 300 m westlich der Innenstadt der Beklagten an der Stuttgarter Straße gelegenen Grundstücke Flst. Nrn. 4043/4 - /6. Auf ihnen wird seit 1983 ein Elektrofachmarkt ("Multi-Media-Markt") mit einer genehmigten Verkaufsfläche von etwa 990 m2 betrieben. Auf dem nördlich angrenzenden Grundstück Flst. Nr. 4049/2 befindet sich seit 1972 ein Verbrauchermarkt ("Marktkauf"), der - seit 1986 - eine Verkaufsfläche von etwa 4.500 m2 aufweist und alle Sortimentsbereiche abdeckt. Auf dem etwa 200 m weiter westlich gelegenen Grundstück Flst. Nr. 4064 wird seit 1989 ein Bau- und Heimwerkermarkt ("Hage-Baumarkt") mit einer Verkaufsfläche von 2.400 m2 (zuzüglich 430 m2 Gartenmarktbereich) betrieben.

Alle Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans "Siechenfeld", Planbereich 12/11, vom 26.9.1996. Der Plan weist das dem Kläger gehörende Areal als eingeschränktes Gewerbegebiet aus; nach den textlichen Festsetzungen sind u. a. "Fachmärkte mit einem Spezialsortiment, welche die zentrumstypischen Sortimentsbereiche Drogerieartikel, Textilien, Schuhe, Radio/TV/Unterhaltungselektronik und Spielwaren umfassen", unzulässig. Für den Bereich des "Marktkauf" setzt der Bebauungsplan ein Sondergebiet für großflächige Einzelhandelsbetriebe ("SO 1") fest, zulässig sind: "Einzelhandelsbetriebe, die als Warenhäuser, Kaufhäuser, Verbrauchermärkte und SB-Warenhäuser über ein Vollsortiment verfügen mit einer Geschoßfläche bis max. 6700 m2". Der Bereich des Hage-Baumarkts ist ebenfalls als Sondergebiet für großflächige Einzelhandelsbetriebe ("SO 2") ausgewiesen, in dem "Bau- und Heimwerkermärkte, Baustoffhandel, Handel mit Türen, Fenstern und Bauelementen mit einer Geschoßfläche bis max. 5500 m2" zulässig sind. Dem Bebauungsplan liegt die Einzelhandelsstrukturuntersuchung der Fa. ECON Consult vom März 1989 zugrunde, die in einer "Negativliste" insbesondere Vollsortimenter und Betriebe des Nahrungs- und Genussmittelsektors sowie mit den für das Areal des Klägers im Bebauungsplan ausgeschlossenen Sortimentsbereichen umfasst. Nach dem Gutachten sollten in peripherer Lage keine großflächigen Einzelhandelsbetriebe mit diesen Angebotspaletten zugelassen werden, weil sie die Geschäftsstruktur der Innenstadt nachteilig beeinflussen könnten. Andere Branchen, darunter Bau- und Heimwerkermärkte, Baustoffhandel, Handel mit Türen, Fenstern und Bauelementen, wurden dagegen als unkritisch angesehen. Empfohlen wurde, den in den Gewerbegebieten bereits ansässigen Einzelhandelsbetrieben auch aus Gründen möglicher Planungsschäden Bestandsschutz zu gewähren und sie durch entsprechende Festsetzungen abzusichern. Dieser Empfehlung sollte ausweislich der Begründung zum Bebauungsplan "Siechenfeld" durch die getroffenen Festsetzungen Rechnung getragen werden.

Vor seinem Inkrafttreten am 16.1.1997 galt für alle Grundstücke der Bebauungsplan "Siechenfeld", Planbereich 12/4, vom 31.1.1974, der den östlichen Teil des dem Kläger gehörenden Areals (Flst. Nr. 4034/4) ebenso wie den Bereich des "Hage-Baumarkt" als eingeschränktes Gewerbegebiet und den westlichen Teil (Flst. Nrn. 4034/5 und /6) als Mischgebiet auswies. Die Fläche des nördlich angrenzenden "Marktkauf" war als Sondergebiet "Einkaufszentrum" festgesetzt. Hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung, der überbaubaren Grundstücksflächen, der Verkehrsflächen und weiterer Festsetzungen gilt dieser Bebauungsplan unverändert fort.

Unter dem 2.12.1998 beantragte der Kläger die Erteilung einer Baugenehmigung für den Abbruch der auf dem Grundstück Flst. Nr. 4043/6 vorhandenen Gebäude und die Errichtung eines neuen, um den Sortimentsbereich der sog. "weißen Ware" (Elektrohaushaltsgeräte) erweiterten Elektrofachmarkts mit einer Netto-Verkaufsfläche (ohne Flächen für Boxen-Vorführungen und ohne Verkehrsflächen im Eingangsbereich) von etwa 1.540 m2 sowie 135 Stellplätzen. Die Beklagte lehnte diesen Bauantrag unter Berufung auf die entgegenstehenden Festsetzungen des Bebauungsplans mit Bescheid vom 10.11.1999 ab. Das Regierungspräsidium Stuttgart wies den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 20.7.2000 zurück. Am 3.8.2000 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage mit dem Ziel erhoben, die Beklagte zur Erteilung der beantragten Baugenehmigung zu verpflichten.

Zuvor hatte er unter dem 21.12.1999 einen weiteren Bauantrag bei der Beklagten eingereicht, der eine Erweiterung des bestehenden Marktes um etwa 650 m2 zum Verkauf von sog. "weißer Ware" und die Anlegung von 135 Stellplätzen vorsah. Die Beklagte lehnte diesen Bauantrag mit Bescheid vom 24.3.2000 ab, das Regierungspräsidium Stuttgart wies den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 21.8.2000 zurück. Am 1.9.2000 hat der Kläger auch das mit diesem Bauantrag verfolgte Begehren zum Gegenstand seiner Klage beim Verwaltungsgericht Stuttgart gemacht.

Zur Begründung seiner Klagen hat er vorgetragen: Der Bebauungsplan "Siechenfeld", Planbereich 12/11, sei wegen eines Abwägungsfehlers nichtig, da seine Interessen als Eigentümer langfristig verpachteter Flächen nicht zutreffend gewichtet worden seien. Insbesondere habe die Beklagte durch die im Jahre 1982 erteilte Genehmigung eines großflächigen Einzelhandelsbetriebes, die bis 1988 mehrfach erweitert worden sei, einen Vertrauenstatbestand geschaffen, auf den er sich habe verlassen dürfen. Die in den 90er Jahren mit der Beklagten geführten Verhandlungen über die Neubebauung seines Areals hätten dieses Vertrauen bestärkt, zumal sie im Jahre 1995 zum Entwurf eines Vorhaben- und Erschließungsplans, der ein Sondergebiet vorgesehen habe, geführt hätten. Dies sei bei der Planabwägung nicht beachtet worden. Die Beklagte habe auch die Möglichkeit einer dynamisierten Bestandssicherung nach § 1 Abs. 10 BauNVO übersehen. Da der Bebauungsplan "Siechenfeld", Planbereich 12/11, somit nichtig sei, lebe der Bebauungsplan 12/4 aus dem Jahre 1974 auch hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung wieder auf, der den geplanten Vorhaben nicht entgegen stehe. Hinsichtlich der mit dem zweiten Bauantrag verfolgten Erweiterungsabsichten habe er einen Anspruch auf Baugenehmigung unter dem Gesichtspunkt des "überwirkenden Bestandsschutzes". Im Übrigen sei ihm - bei unterstellter Gültigkeit des Bebauungsplans 12/11 - Befreiung von den festgesetzten Sortimentsausschlüssen zu erteilen, weil die Abweichung städtebaulich vertretbar sei und die Grundzüge der Planung nicht berühre.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat geltend gemacht: Der Bebauungsplan "Siechenfeld", Planbereich 12/11, sei rechtsgültig. Insbesondere könnten die auf § 1 Abs. 9 BauNVO beruhenden Sortimentsausschlüsse nicht beanstandet werden. Der vorhandene Bestand sei in der Abwägung ordnungsgemäß berücksichtigt worden. Sie sei nicht verpflichtet gewesen, von dem Instrumentarium des § 1 Abs. 10 BauNVO Gebrauch zu machen. Nachdem der Kläger während der Auslegung des Bebauungsplanentwurfs 12/11 keine Anregungen und Bedenken vorgetragen habe, habe der Gemeinderat keine (weiteren) Interessen als die im - nicht zu Ende geführten - Planverfahren 12/12 vorgetragenen berücksichtigen können. Befreiungstatbestände seien nicht gegeben, im Übrigen stünden einer Befreiung die Grundzüge der Planung entgegen.

Mit Urteil vom 26.7.2001 hat das Verwaltungsgericht Stuttgart die Klagen abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Gegen die Gültigkeit der die zentrumsrelevanten Sortimentsbereiche "Radio/TV/Unterhaltungselektronik" im eingeschränkten Gewerbegebiet ausschließenden textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans "Siechenfeld", Planbereich 12/11, bestünden keine rechtlichen Bedenken. Sie seien städtebaulich gerechtfertigt, weil sie den Belangen der Wirtschaft und ihrer mittelständischen Struktur im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung im Sinne von § 1 Abs. 5 S. 2 Nr. 8 BauGB dienten. Die Beklagte habe den Ausschluss bestimmter Einzelhandelsbetriebe mit einem speziellen Warensortiment zutreffend auf § 1 Abs. 5 und 9 BauNVO gestützt. Diese "Feingliederung" sei durch besondere städtebauliche Gründe gerechtfertigt, die sich aus dem Gutachten der Fa. ECON Consult ergäben, dem der Plan folge. Der Bebauungsplan verstoße auch nicht gegen das Abwägungsgebot, insbesondere seien die Belange des Klägers in der gebotenen Weise berücksichtigt worden. Die städtebauliche Motivation, Erweiterungswünsche von Bauherren zu steuern, um ein bestimmtes Konzept für die Ansiedlung zentrenrelevanter Nutzungen durchzusetzen, rechtfertige es, einen im Plangebiet bereits ansässigen Betrieb auf seinen Bestandsschutz zu reduzieren. Die Grundstücke des Klägers, der während der öffentlichen Auslegung des Planentwurfs keine Bedenken und Anregungen vorgetragen habe, könnten nach wie vor gewerblich genutzt werden. Auch Einzelhandelsbetriebe seien zulässig, sofern sie kein die Geschäftsstruktur der Innenstadt beeinträchtigendes Sortiment anböten. Die Beklagte sei auch nicht gezwungen gewesen, im Falle der Grundstücke des Klägers von der Ermächtigung des § 1 Abs. 10 BauNVO Gebrauch zu machen, da eine solche Ausnahme das Grundkonzept ihrer Planung in Frage gestellt hätte. Deshalb lägen auch die Voraussetzungen für eine Befreiung nicht vor. Daneben stehe einer Genehmigung der Vorhaben des Klägers § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BauNVO entgegen, weil sie auf die Schaffung großflächiger Einzelhandelsbetriebe abzielten, die sich auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nicht nur unwesentlich auswirken könnten.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat mit Beschluss vom 9.11.2001 - 8 S 2083/01 - zugelassene Berufung des Klägers, mit der er beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 26. Juli 2001 - 11 K 3777/00 - zu ändern und

1. den ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 10. November 1999 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20. Juli 2000 aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, ihm die unter dem 2. Dezember 1998 beantragte Baugenehmigung für den Abbruch des auf Grundstück Flst. Nr. 4043/6 in Schorndorf vorhandenen Elektrofachmarktes und für die Errichtung eines neuen Elektrofachmarkts mit 135 Stellplätzen auf dem genannten Grundstück und den Grundstücken Flst. Nrn. 4043/4 und 4043/5 zu erteilen;

2. den ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 24. März 2000 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 21. August 2000 aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, ihm die unter dem 21. Dezember 1999 beantragte Baugenehmigung für die Erweiterung des bestehenden Elektrofachmarkts sowie für die Errichtung von 135 Stellplätzen auf den Grundstücken Flst. Nrn. 4043/4 - /6 zu erteilen.

Er macht geltend: Der Bebauungsplan "Siechenfeld", Planbereich 12/11, sei wegen Missachtung seiner Belange nichtig, weil dem Gemeinderat der Beklagten bei der Beschlussfassung nicht bewusst gewesen sei, dass er damit den auf seinen Grundstücken bestehenden Betrieb auf den Bestandsschutz zurücksetze; denn ihm sei in der Beschlussvorlage mitgeteilt worden, dass dafür ein gesonderter Bebauungsplan "Siechenfeld", Planbereich 12/12 aufgestellt worden sei, der seinen seit langem bekannten Erweiterungswünschen Raum lasse. Abweichendes sei auch dem Gutachten der Fa. ECON-Consult vom 4.4.1989 nicht zu entnehmen gewesen, da dieses lediglich die Empfehlung ausgesprochen habe, keine zusätzlichen Einzelhandelsbetriebe mit zentrumstypischen Sortimenten zuzulassen. Der Gemeinderat sei auch nicht darüber unterrichtet worden, dass er (der Kläger) sich mietvertraglich zur Errichtung eines Neubaus verpflichtet habe, und die Verwaltung der Beklagten habe fälschlicherweise behauptet, der bestehende Markt sei ohnehin schon an der ohne Sondergebietsausweisung zulässigen Flächengrenze angelangt. Gegenüber seinen danach nur unzutreffend erkennbaren privaten Interessen sei den öffentlichen Interessen am Schutz der Innenstadt der Vorzug eingeräumt worden, obwohl sie sich als objektiv geringfügig erwiesen und mit den Mitteln des Planungsrechts nicht zu verwirklichen seien. Denn der Verkauf "weißer Ware" in peripher gelegenen Geschäftslagen seien für die Geschäfte in der Innenstadt unproblematisch. Darüber hinaus würden interessierte Käufer solcher Artikel durch die Planung nicht daran gehindert, sie in anderen umliegenden Städten zu kaufen, wo sie preiswerter zu erhalten seien. Ferner indiziere das Außerachtlassen der Standortsicherungen ermöglichenden Vorschrift des § 1 Abs. 10 BauNVO einen Abwägungsfehler. Schließlich habe die Beklagte den Gleichheitssatz dadurch missachtet, dass sie die beiden anderen im Plangebiet ansässigen großflächigen Einzelhandelsbetriebe mit Sondergebieten beplant, den auf seinen Grundstücken vorhandenen Betrieb dagegen auf den Bestandsschutz beschränkt habe.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

Sie erwidert: Der Bebauungsplan "Siechenfeld", Planbereich 12/11, leide an keinen Abwägungsfehlern, insbesondere sei der vorhandene Bestand an Einzelhandelsbetrieben im Plangebiet mit dem ihm zukommenden Gewicht in die Abwägung eingestellt worden. Ihrem Gemeinderat seien auch die Erweiterungsabsichten der Fa. Multi-Media bekannt gewesen, denn er sei in der Vorlage zum Satzungsbeschluss detailliert darüber informiert worden. Sie seien sogar Auslöser und städtebauliche Motivation für die Planung gewesen. Der Gemeinderat habe sich bewusst auf eine Sondergebietsausweisung für den Elektrofachmarkt ausgesprochen und ihn auf den Schutz des vorhandenen Bestandes verwiesen. Er sei daran nicht deshalb gehindert gewesen, weil er im Jahre 1993 einen Aufstellungsbeschluss gefasst habe, der ein Sondergebiet für den Multi-Media-Markt vorgesehen habe; denn er sei an seine frühere Auffassung, die sich nachträglich als unzutreffend erwiesen habe, nicht gebunden gewesen. Im Übrigen habe der Kläger während der öffentlichen Auslegung des Planentwurfs 12/11 vom 15.7. bis 15.8.1996 keine Bedenken und Anregungen erhoben, obwohl seine Grundstücke einbezogen gewesen seien. Der Gemeinderat sei durch die Äußerung des Baubürgermeisters, der Multi-Media-Markt sei flächenmäßig an der Grenze des gerade noch Zulässigen angelangt, auch nicht über die wahre Rechtslage getäuscht worden. Denn sie habe sich auf den jeweiligen Bebauungsplanentwurf und damit auf den Rechtsstand nach § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BauNVO 1990 bezogen. Danach habe der Markt mit einer genehmigten Verkaufsfläche von 990 m2 zumindest die Schwelle zur Großflächigkeit erreicht. Die Beklagte sei durch § 1 Abs. 10 BauNVO nicht gezwungen gewesen, eine Dynamisierung des Bestandsschutzes vorzusehen, denn dadurch wäre ihre planerische Konzeption, zur Vermeidung einer Verödung der Innenstadt keine Erweiterungen von Einzelhandelsgeschäften mit zentrenrelevanten Sortimenten in Randlagen zuzulassen, zunichte gemacht worden. Schließlich wende der Kläger zu Unrecht eine angebliche Ungleichbehandlung gegenüber den beiden anderen Märkten im Plangebiet ein. Denn Planungsziel sei es gewesen, den beim Satzungsbeschluss vorgefundenen Bestand an Einzelhandelsbetrieben festzuschreiben. Deshalb seien für den "Marktkauf" und den "Hage-Baumarkt", die schon damals eindeutig großflächige Einzelhandelsbetriebe gewesen seien, zur Standortsicherung Sondergebiete festgesetzt worden. Der Fachmarkt auf den Grundstücken des Klägers sei dagegen als Grenzfall eines sondergebietspflichtigen Einzelhandelsbetriebes eingestuft und entsprechend der Empfehlung der Fa. ECON Consult mit Sortimentsausschlüssen belegt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die dem Senat vorliegenden Verwaltungsakten und die in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die - aufgrund ihrer Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige - Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat dessen Klagen zu Recht abgewiesen, da er keinen Anspruch auf die begehrten Baugenehmigungen hat. Denn seinem Vorhaben stehen von der Baurechtsbehörde zu prüfende öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegen (§ 58 Abs. 1 LBO), nämlich die Festsetzung über die im Plangebiet zulässige Art der baulichen Nutzung im - nur darauf bezogenen - Bebauungsplan "Siechenfeld", Planbereich 12/11, vom 26.9.1996. Die ablehnenden Bescheide der Beklagten und des Regierungspräsidiums Stuttgart sind danach rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Der Kläger zieht die Gültigkeit dieses Bebauungsplans zu Unrecht in Zweifel; dieser leidet weder an einer hinreichenden städtebaulichen Rechtfertigung, noch sind der Beklagten bei seiner Beschlussfassung durchgreifende Abwägungsfehler unterlaufen. Insoweit kann zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf die ausführlichen und in allen Punkten mit der vom Verwaltungsgericht angeführten Rechtsprechung des BVerwG und des VGH Baden-Württemberg übereinstimmenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen werden. Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen des Klägers ist lediglich ergänzend auf folgendes hinzuweisen:

Der Plan entbehrt nicht deshalb der städtebaulichen Erforderlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB, wie der Kläger meint, weil er von vornherein ungeeignet wäre, die im Stadtzentrum gelegenen Geschäfte der Branchen Radio/TV/Unterhaltungselektronik zu schützen und damit die Attraktivität der Kernstadt zu erhalten, da die Kunden durch keine planerischen Maßnahmen davon abgehalten werden könnten, die entsprechenden Artikel in den (großen) Märkten der umliegenden Städte einzukaufen. Denn in Ansehung der nach den zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts in § 1 Abs. 3 BauGB enthaltenen Ermächtigung der Beklagten, eine eigene Städtebaupolitik zu betreiben, kann nicht beanstandet werden, dass sie das Ziel verfolgt, jedenfalls an der Peripherie des eigenen Gemeindegebiets keine Märkte zuzulassen, die in unerwünschtem Ausmaß Kaufkraft von den zentral gelegenen Geschäftslagen absaugen würden. Würde man der Auffassung des Klägers folgen, müssten Städte und Gemeinden im Umland eines Oberzentrums (wie etwa Stuttgart) vor der Dominanz der dort bestehenden Einkaufsmöglichkeiten planerisch kapitulieren, weil sie keine vergleichbar attraktiven Citylagen aufrechterhalten oder schaffen können. Andererseits wäre die Beklagte auch nicht, wovon der Kläger wohl ausgeht, machtlos, sollte sich abzeichnen, dass auf der auf dem Gelände des "Marktkauf" vorhandenen Flächenreserve sich zusätzlich ein Fachmarkt wie der vom Kläger geplante ansiedeln will. Denn sie könnte dann mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln des Bauplanungsrechts reagieren und müsste dies auch tun, will sie ihr Konzept der Belebung der Innenstadt durch Verhinderung von Geschäften mit zentrumsrelevanten Sortimenten in Randlagen nicht preisgeben.

Soweit der Kläger im Berufungsverfahren seine die Ordnungsgemäßheit der dem Bebauungsplan zugrunde liegenden Abwägungsentscheidung betreffenden Einwände aufrecht erhält, kann dies seinem Begehren nicht zum Erfolg verhelfen. Soweit er meint, der Gemeinderat sei zu Unrecht davon ausgegangen, für den "Multi-Media-Markt" sei eine Sondergebietsausweisung vorgesehen und die Verwaltung der Beklagten habe durch die mehrfach gegebene Darstellung, dieser Betrieb sei ohnehin schon an der außerhalb eines Sondergebiets zulässigen Flächengrenze angekommen, die Rechtslage unzutreffend wiedergegeben, nimmt er nicht hinreichend die eingehenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts auf den S. 15 ff. des angefochtenen Urteils zur Kenntnis. Danach kann aber kein Zweifel bestehen, dass sich der Gemeinderat der Tragweite seiner Entscheidung auch im Hinblick auf die diesen Markt betreffenden Erweiterungsabsichten bewusst war. Ferner ist mit dem Verwaltungsgericht davon auszugehen, dass die Äußerungen zur bereits erreichten Flächengrenze sich auf den Rechtszustand nach Maßgabe der seit 1977 geltenden Fassungen der BauNVO bezogen. Denn sie erfolgten jeweils im Zusammenhang mit dem mehrfach im Technischen Ausschuss und im Gemeinderat behandelten Entwurf seines Vorhaben- und Erschließungsplans, der das Areal des Klägers als Sondergebiet ausweisen sollte, aber nicht zur Planreife geführt wurde. Davon abgesehen wäre ein im Zusammenhang mit diesen Fragen unterstellter Mangel im Abwägungsvorgang unbeachtlich. Denn nach § 214 Abs. 3 S. 2 BauGB ist ein solcher Fehler nur dann erheblich, wenn er offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen ist. Davon kann aber angesichts des zentralen Motivs der Beklagten für die Neuplanung, ausgehend von der "Negativliste" im Gutachten der Fa. ECON Consult aus dem Jahre 1989, weitere Handelsbetriebe mit zentrenschädlichen Sortimentsbereichen in Randlagen zu verhindern, nicht ausgegangen werden. Denn daraus ergab sich zwangsläufig, dass vorhandene Betriebe dieser Art auf den ihnen zukommenden Bestandsschutz beschränkt werden mussten.

Daraus ergibt sich zugleich die Antwort auf die im Beschluss des Senats über die Zulassung der Berufung vom 9.11.2001 - 8 S 2083/01 - vornehmlich problematisierte Frage, welche städtebaulichen Gründe die Ungleichbehandlung des auf den Grundstücken des Klägers vorhandenen Elektrofachmarkts, der auf den passiven Bestandsschutz beschränkt wird, gegenüber dem "Marktkauf" auf dem Grundstück Mittlere Uferstraße 5 rechtfertigen, für den ein Sondergebiet für großflächige Einzelhandelsbetriebe, auch für Vollsortimenter, mit einer maximalen Geschossfläche von 6.700 m2 ausgewiesen wird. Denn dieser Verbrauchermarkt ist auf einer Fläche entstanden, die schon im Bebauungsplan "Siechenfeld", Planbereich 12/4, vom Januar 1974 als Sondergebiet "Einkaufszentrum" ausgewiesen war. Das dem Kläger gehörende Areal war dagegen in diesem - hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung - Vorgängerplan zum streitigen Planbereich 12/11 als eingeschränktes Gewerbegebiet bzw. sogar als Mischgebiet festgesetzt. Das von der Beklagten verfolgte Konzept einer Beschränkung der ansässigen Betriebe auf den Bestand konnte deshalb folgerichtig nur zu der im Bebauungsplan getroffenen Differenzierung führen. Andererseits ist der "Hage-Baumarkt" in der Siechenfeldstraße 23 schon deshalb nicht mit dem "Multi-Media-Markt" vergleichbar, weil ihm kein negativer Einfluss auf den Geschäftsbesatz in der Innenstadt der Beklagten zukommt; denn derartige Baumärkte erwartet dort niemand.

Diesem Konzept der planerischen Bestandssicherung vorhandener Betriebe unter Vermeidung zentrenschädlicher Erweiterungsmöglichkeiten, soweit sie nicht - wie beim "Marktkauf" - schon im bisherigen Planrecht angelegt waren, hätte es schließlich widersprochen, wenn die Beklagte, wie vom Kläger gewünscht, von der Ermächtigung des § 1 Abs. 10 BauNVO Gebrauch gemacht und den Bestandsschutz außerhalb der Sondergebiete vorhandener Einzelhandelsbetriebe "dynamisiert" hätte. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass diese Vorschrift den Gemeinden nur das Instrumentarium zu entsprechenden Festsetzungen der "Feinsteuerung" an die Hand gibt, sie aber keineswegs zu ihrer Anwendung verpflichtet.

Von alledem abgesehen spricht alles dafür, dass dem Kläger auch dann die erstrebten Baugenehmigungen nicht erteilt werden könnten, wenn die Nichtigkeit des Bebauungsplans "Siechenfeld", Planbereich 12/11, unterstellt würde. Denn in diesem Falle würden die Festsetzungen des Bebauungsplans 12/4 aus dem Jahre 1974 über die zulässige Art der baulichen Nutzung "wieder aufleben", die das Areal des Klägers als eingeschränktes Gewerbegebiet bzw. Mischgebiet auf der Grundlage der BauNVO 1968 ausweisen. Entgegen seiner Auffassung wären Märkte wie die von ihm geplanten danach aber nicht ohne weiteres zulässig. Denn nach § 11 Abs. 3 BauNVO 1968 waren Einkaufszentren und Verbrauchermärkte, die außerhalb von Kerngebieten errichtet werden sollten und die nach Lage, Umfang und Zweckbestimmung vorwiegend der übergemeindlichen Versorgung dienen sollten, als Sondergebiete festzusetzen. Der Begriff des Verbrauchermarkts im Sinne dieser Vorschrift entspricht aber im Wesentlichen dem des großflächigen Einzelhandelsbetriebs im Sinne der neueren Fassungen der BauNVO ab dem Jahre 1977 ohne Rücksicht auf die Zusammensetzung des Warenangebots (Urteil des Senats vom 10.5.2002 - 8 S 435/02 - = PBauE § 11 BauNVO Nr. 32). Dem zufolge wäre ein Elektrofachmarkt wie der vorhandene und erst recht die angestrebten Erweiterungen in einem Gewerbe- oder Mischgebiet auch nach diesem Rechtsstand nicht zulässig, weil eine Ausrichtung auf die übergemeindliche Versorgung vorläge. Denn der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung eingehend geschildert, dass der Fachmarkt, dessen Geschäftsführer er jahrelang war, nicht zuletzt aufgrund Warenversendungen Kunden aus der ganzen Region (bis nach Stuttgart und darüber hinaus) bediente. Seine Ausführungen können nur so verstanden werden, dass durch die geplante Erweiterung oder Neuerrichtung diese Marktstellung wieder zurückgewonnen werden soll. Dann läge aber ein auch nach den Vorschriften der BauNVO 1968 in einem Gewerbe- oder Mischgebiet unzulässiger Verbrauchermarkt vor und die Klagen hätten auch bei unterstellter Nichtigkeit des Bebauungsplans 12/11 keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Eine Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten für die Vorverfahren durch den Kläger (§ 162 Abs. 2 S. 2 VwGO) erübrigt sich, da aufgrund seines Unterliegens keine Kostenerstattung zu seinen Gunsten stattfindet (Eyermann/Jörg Schmidt, VwGO, 11. Aufl. 2000, § 162 RdNr. 12).

Gründe für eine Zulassung der Revision (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO) sind nicht gegeben.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird in Anlehnung an Nr. I.7.1.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Eyermann, VwGO, Anhang 1) ausgehend von den mit beiden streitgegenständlichen Bauanträgen zusammen angestrebten Verkaufsflächen von etwa 2.190 m2 auf 219.000,-- EUR festgesetzt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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