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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 05.01.2009
Aktenzeichen: 8 S 2673/08
Rechtsgebiete: BauGB, LBOVVO


Vorschriften:

BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 1
LBOVVO § 7
Zur Beantwortung der Frage, ob die Haltung von Rindern dem Schutzanspruch benachbarter Wohnnutzungen gerecht wird, kann auf die Ergebnisse der Geruchsfahnenbegehungen an Rinderställen der Bayerischen Landesanstalt für Landtechnik der Technischen Universität München - Weihenstephan (veröffentlicht als Gelbes Heft 63 der Landtechnischen Berichte aus Praxis und Forschung des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten) als Orientierungshilfe zurückgegriffen werden.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

8 S 2673/08

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Baugenehmigung

hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

hat der 8. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg

am 05. Januar 2009

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 3. September 2008 - 2 K 1965/08 - wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf EUR 7.500,-- festgesetzt.

Gründe:

Die - zulässige - Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht und mit überzeugender Begründung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden kann, abgelehnt, dem Widerspruch der Antragstellerin gegen die dem Beigeladenen unter dem 12.10.2007 erteilte Baugenehmigung für einen Liegeboxenstall und eine Güllegrube entgegen der gesetzlichen Grundregel des § 212 a Abs. 1 BauGB aufschiebende Wirkung beizumessen. Die Darlegungen in der Beschwerdebegründung, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, geben lediglich Anlass zu folgenden ergänzenden Bemerkungen:

Die Antragstellerin zieht zu Unrecht in Zweifel, dass das genehmigte Vorhaben einem landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB dient. Dass es sich bei der Hofstelle des Beigeladenen, der etwa 32 ha eigene und mehr als 40 ha langfristig hinzu gepachtete Acker- und Wiesenflächen bewirtschaftet, um einen landwirtschaftlichen Haupterwerbsbetrieb handelt, kann keinen ernsthaften Bedenken begegnen. Es gibt auch keinen Grund für die Annahme, das Vorhaben "diene" diesem Betrieb nicht, weil das Futter nicht überwiegend auf den zum Betrieb gehörenden landwirtschaftlichen Flächen erzeugt werden kann. Denn das mit den Gegebenheiten des landwirtschaftlichen Betriebs des Beigeladenen vertraute Landwirtschaftsamt beim Landratsamt Schwäbisch Hall hat in seiner Stellungnahme vom 23.1.2008 (/52 der Verwaltungsakten) ausdrücklich festgestellt, dass der Grundfutterbedarf zu 100 % auf der selbst bewirtschafteten Fläche produziert werde und auch das Kraftfutter nur teilweise zugekauft werden müsse. Von einer fehlenden Privilegierung kann danach - entgegen der Auffassung der Antragstellerin - nicht die Rede sein.

Sie kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, die Verfahrensvorschrift des § 7 LBOVVO sei verletzt, weil die Bauvorlagen keine Baubeschreibung enthielten. Denn dem Bauantrag des Beigeladenen vom 7.5.2007 ist eine Baubeschreibung entsprechend Anlage 5 der Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums über Vordrucke im baurechtlichen Verfahren vom 30.5.1996 (GABl. S. 492), zuletzt geändert durch Verwaltungsvorschrift vom 23.10.2003 (GABl. S. 639) - VwV LBO-Vordrucke - beigefügt. Der Vorlage einer zusätzliche Angaben für gewerbliche Anlagen enthaltenden Baubeschreibung nach § 7 Abs. 2 LBOVVO entsprechend Anlage 7 der VwV LBO-Vordrucke bedurfte es nicht. Denn landwirtschaftliche Anlagen sind keine gewerblichen Anlagen, wie nicht zuletzt daraus folgt, dass § 7 Abs. 2 LVOVVO zu verwendende und zu lagernde "Rohstoffe" erwähnt (in den Nrn. 4 und 5), die gerade nicht typisch sind für die landwirtschaftliche Urproduktion.

Warum die vorgelegten Bauzeichnungen keinen hinreichenden Aufschluss über das Bauvorhaben des Beigeladenen geben sollen, wie die Antragstellerin geltend macht, ist nicht nachvollziehbar. Denn sie entsprechen ersichtlich den in § 6 LBOVVO formulierten Anforderungen. Insbesondere ergibt sich aus dem Plan "Schnitt, Grundriß, Gruben" die von ihr vermisste "konkrete Ausgestaltung" der Güllegrube. Die Nutzung dieser Grube kann - entgegen der Beanstandung der Antragstellerin - in Bauzeichnungen nicht dargestellt werden. Soweit sie in diesem Zusammenhang moniert, die Häufigkeit des Entleerens der Grube und der zeitliche Rahmen der dadurch zerstörten Schwimmdecke werde nicht erkennbar, nimmt sie zum einen nicht hinreichend zur Kenntnis, dass nach der fachlichen Stellungnahme des Landwirtschaftsamtes vom 23.1.2008 die Schwimmdecke nur unmittelbar vor den jeweiligen Ausbringungsterminen innerhalb der Vegetationszeit zerstört werden muss und dass deshalb an wenigen Tagen im Jahr höhere Immissionsbelastungen der Nachbarn auftreten werden. Zum anderen setzt sie sich nicht mit der Argumentation des Verwaltungsgerichts auseinander, aus der im Auftrag des Umweltbundesamtes erstellten Kurzfassung der Tagungsbeiträge (Kloster Banz Dezember 2001) des Kuratoriums für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (im Internet abrufbar unter: http://www.umweltdaten.de/publikationen/fpdf-l/2336.pdf, dort S. 35) ergebe sich, dass bei Rindergülle durch weitere Abdeckungsmaßnahmen keine wesentlich höheren Minderungseffekte erzielt werden könnten, und die Antragstellerin müsse die an wenigen Tagen des Jahres auftretenden erhöhten Geruchsbelästigungen hinnehmen, weil ihr Grundstück aufgrund seiner Lage am Rande eines Dorfgebietes oder sogar im Außenbereich mit der potentiellen Ansiedlung von im Außenbereich privilegierten - auch emittierenden - Betrieben vorbelastet sei. Die Beschwerdebegründung zeigt keine Besonderheiten auf, die es rechtfertigten, von diesem regelhaften Befund abzuweichen.

Bereits daraus folgt zugleich, dass das Vorhaben des Beigeladenen ferner nicht zulasten der Antragstellerin gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstößt. Darüber hinaus sind aber auch ihre unter diesem Gesichtspunkt vor allem gegen die Güllegrube erhobenen Einwände nicht berechtigt.

Sie beanstandet zunächst, das Verwaltungsgericht sei einem Sachverhaltsirrtum unterlegen, indem es davon ausgegangen sei, ihr Grundstück sei von der Grube 75 m entfernt. Den als Bauvorlagen eingereichten Lageplänen sei jedoch zu entnehmen, dass ihr Grundstück (Flst. Nr. 161, Lindlein 33) nur einen Abstand von etwa 30 m zum genehmigten Standort der Güllegrube aufweise. Dabei verwechselt sie aber ersichtlich infolge einer zufälligen Nummerngleichheit zwei Grundstücke. Nach dem Lageplan scheint zwar in der Tat ein Grundstück mit der Bezeichnung "33" nur etwa 30 m südöstlich des Grubenstandorts zu liegen. Indessen handelt es sich dabei um das Grundstück mit der Flurstücknummer 33. Das Anwesen der Antragstellerin mit der Adressenbezeichnung Lindlein 33 befindet sich dagegen, wie sie selbst zu Recht anführt, auf dem Grundstück mit der Flurstücknummer 161 und ist damit weiter nach Osten abgerückt. Gegen die Feststellung der Behörden und des Verwaltungsgerichts, der Abstand betrage 75 m, ist danach nichts einzuwenden.

Die Antragstellerin bemängelt des Weiteren, die vom Verwaltungsgericht herangezogenen Ergebnisse von Geruchsfahnenbegehungen (im Internet abrufbar unter: http://www.lfl.bayern.de/ilt/umwelttechnik/03551/linkurl_0_28_0_0.pdf) seien im vorliegenden Fall nicht aussagekräftig, maßgeblich sei allenfalls die GIRL. Damit verkennt sie aber zum einen, dass diese Begehungen auch diese Richtlinie berücksichtigen. Zum anderen übersieht sie, dass diese Studie bereits mehrfach in der Rechtsprechung als taugliche Grundlage für die Beantwortung der Frage herangezogen worden ist, ob die Haltung von Rindern dem Schutzanspruch benachbarter Wohnnutzungen gerecht wird (NdsOVG, Beschluss vom 11.3.2006 - 1 ME 166/06 - NVwZ 2007, 478; Beschluss vom 30.8.2004 - 1 LA 277/03 - NVwZ-RR 2005, 455; BayVGH, Urteil vom 3.1.1995 - 2 B 91.2878 - BayVBl. 1995, 347; Urteil vom 23.11.2004 - 25 B 00.366 - NVwZ-RR 2005, 605; VG München, Urteil vom 13.12.2007 - M 11 K 06.4621 - juris, jeweils m. w. N.). Auf beides hat das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss hingewiesen. Die Antragstellerin ist dem nicht substantiiert entgegen getreten, weshalb auch der Senat keine Veranlassung sieht, in diesem summarischen Verfahren weitergehende Schritte zu unternehmen.

Ferner beanstandet die Antragstellerin, das Verwaltungsgericht habe zu den bestehenden Geruchsimmissionen keinerlei Ermittlungen angestellt. Dieser Vorwurf ist - soweit er sich auf den geplanten Stall und die angeschlossene Güllegrube beziehen sollte - unverständlich. Denn diese Anlagen sind noch nicht vorhanden und können demgemäß (noch) keine Emissionen verursachen. Sollte dieser Einwand den bestehenden landwirtschaftlichen Betrieb des Beigeladenen in den Blick nehmen, fehlen Ausführungen dazu, unter welchen Aspekten Ermittlungen des Verwaltungsgerichts angezeigt gewesen wären. Im Übrigen ist auf die Stellungnahmen des Landwirtschaftsamtes beim Landratsamt Schwäbisch-Hall und die seitens des Verwaltungsgerichts herangezogenen, bereits erwähnten Studien und Tagungsbeiträge zu verweisen.

Schließlich ist der Antragstellerin auch darin nicht zu folgen, dass das Verwaltungsgericht mit seiner Annahme, bei dennoch entstehenden unzumutbaren Immissionen könne diesen noch später durch Auflagen zur Baugenehmigung im Hauptsacheverfahren Rechnung getragen werden, verkannt habe, dass derartigen Belastungen am besten durch eine Standortverschiebung der Güllegrube begegnet werden könne. Denn zum einen gibt es keinen Grundsatz des Inhalts, dass ein Bauherr unter allen Umständen für eine emittierende Anlage einen Standort wählen muss, der für einen einzelnen Nachbarn optimal ist. Zum anderen können nachträgliche Einschränkungen - auch wenn sie unwahrscheinlich sein mögen - auch auf anderem Wege - etwa durch eine nachträgliche Beschränkung der Tierzahl - getroffen werden.

Nach allem ist die Beschwerde mit der Kostenfolge aus den §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO zurückzuweisen. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus den §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 und 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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