Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 12.01.2005
Aktenzeichen: 8 S 2720/04
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 80a Abs. 3
Der Antrag eines Nachbarn auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen eine Baugenehmigung, der mit der verschattenden Wirkung des genehmigten Gebäudes begründet wird, ist wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, wenn das Gebäude bereits weitgehend errichtet ist.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

8 S 2720/04

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Anfechtung einer Baugenehmigung

hier: Antrag nach § 80a Abs. 3 VwGO

hat der 8. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Stumpe sowie die Richter am Verwaltungsgerichtshof Schenk und Dr. Christ

am 12. Januar 2005

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 20. Oktober 2004 - 6 K 2409/04 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf EUR 10.000,-- festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist überwiegend - hinsichtlich der errichteten Teile des Anbaus auf dem Grundstück des Beigeladenen - unzulässig und im übrigen - hinsichtlich der Stellplätze auf der Decke des Abstellraums - unbegründet.

Dem Antragsteller fehlt in Ansehung der hergestellten Gebäudeteile das auf jeder Stufe des Verfahrens erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Dieses ist u. a. dann (ausnahmsweise) nicht gegeben, wenn der Rechtsuchende mit seinem Begehren eine Verbesserung seiner Rechtsstellung nicht erreichen kann (BVerwG, Beschluss vom 11.3.1992 - 5 B 32.92 - Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 254 m.w.N.), d. h. wenn eine Inanspruchnahme des Gerichts sich als für seine subjektive Rechtsstellung nutzlos darstellt (BVerwG, Beschluss vom 28.8.1987 - 4 N 3.86 - BVerwGE 78, 85, 91). So liegt es insoweit hier: Dem vom Antragsgegnerin als Anlage A 40 mit Schriftsatz vom 29.9.2004 vorgelegten Lichtbild, das nach seinen eigenen Angaben den Baufortschritt nach dem Stand Mitte September 2004 wiedergibt, war der streitige Anbau schon damals, also noch vor der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts, bereits bis zur Oberkante der Erdgeschosswände gediehen. Den von der Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 29.9.2004 und damit praktisch zeitgleich mit der Beschwerdebegründung dem Senat überlassenen Aufnahmen lässt sich des weiteren entnehmen, dass der Rohbau einschließlich der Dacheindeckungen zum damaligen Zeitpunkt abgeschlossen war. Damit können die von diesen Baulichkeiten hervorgerufenen negativen Auswirkungen insbesondere auf die über seiner Garage angebrachte Terrasse, die der Antragsteller mit seinem Antrag abwehren will, durch eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines am 11.6.2004 eingelegten Widerspruchs gegen die dem Beigeladenen unter dem 18.5.2004 erteilte Baugenehmigung nicht mehr verhindert werden. Soweit sich der Antragsteller gegen die vom Baukörper des Anbaus als solchem (und nicht erst von seiner bestimmungsgemäßen Nutzung) ausgehenden Beeinträchtigungen wendet, ist sein Begehren auf Erlangung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes mangels fortbestehenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig geworden (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 15.2.1990 - 3 S 2/90 -; Beschluss vom 3.2.1989 - 3 S 99/89; Beschluss vom 11.11.1986 - 8 S 2528/86 - <alle in juris>; vgl. auch: OVG Schleswig, Beschluss vom 22.9.1994 - 1 M 16/94 - NVwZ-RR 1995, 252, 253).

Im übrigen spricht vieles dafür, dass das Verwaltungsgericht zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, die Abstandsflächenvorschriften der §§ 5 f. LBO seien nicht zulasten des Antragstellers verletzt.

Dessen Einwand, der südwestliche Teil des Anbaus werde nicht als Erker ausgeführt, sondern - ohne dazwischen liegende Nische - mit einer bis zum vorspringenden südöstlichen Teil des Anbaus geradlinig durchgezogenen Abschlusswand, mag berechtigt sein. Denn die Antragsgegnerin hat diesen Befund, der auch aus dem bereits erwähnten Lichtbild von Mitte September 2004 (Anlage A 40 zum Schriftsatz des Antragstellers vom 29.9.2004 an das Verwaltungsgericht) folgt, in ihrer Stellungnahme vom 8.10.2004 ausdrücklich bestätigt. Er gibt aber keinen Anlass, abweichend von § 212 a BauGB die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers anzuordnen. Denn diese Bauweise ist durch die erteilte Baugenehmigung, um deren sofortige Vollziehbarkeit es vorliegend geht, nicht gedeckt. Die Rüge des Antragstellers bezieht sich deshalb nicht auf einen eventuell zu beanstandenden Fehler dieser Genehmigung, sondern auf eine abweichende Bauausführung, die im Wege der Bauüberwachung durch die Antragsgegnerin gegebenenfalls zu korrigieren wäre.

Auch soweit der Antragsteller unter Berufung auf die Stellungnahme des Architekten Berger vom 20.3.2003 geltend macht, die Antragsgegnerin und das Verwaltungsgericht hätten der Berechnung der erforderlichen Abstandsflächentiefen falsche Voraussetzungen zugrunde gelegt, indem sie insbesondere im straßennahen östlichen Bereich des Bauvorhabens des Beigeladenen von einem zu hohen Niveau des natürlichen Geländes ausgegangen seien, dürfte seinem Vorbringen nicht zu folgen sein. Denn zum einen bezieht sich die Äußerung des Architekten Berger auf Geländeschnitte aus dem Jahre 1958 und es gibt Anhaltspunkte dafür, dass damals bereits das gewachsene Gelände verändert worden war. Denn der Fotomappe zur Ortsbesichtigung vom 13.5.2004 (/20 der Verfahrensakte) ist zu entnehmen, dass die Betonfundamente für die Garage des Antragstellers und ihre Zufahrt auf Felsgestein gegründet wurden, das höher ansteht als die in den Plänen vom Mai 1958 verzeichnete Geländeoberkante. Im übrigen ist der Antragsteller darauf hinzuweisen, dass sowohl die Baurechtsbehörde als auch das Verwaltungsgericht bei den angestellten Abstandsflächenberechnungen am westlichen, tiefsten Punkt mit - 4,52 (unter EFH) von der für den Beigeladenen denkbar schlechtesten Annahme ausgegangen sind. Legt man dagegen den ebenfalls in den Bauvorlagen vermerkten Geländeverlauf der Pläne aus dem Jahre 1955 zugrunde, der ein um etwa 1,80 m höher gelegenes Niveau an der südwestlichen Gebäudeecke aufweist, wäre die Beanstandung des Antragstellers, der geltend macht, die südöstliche Gebäudeecke rage um 1,85 m höher aus dem natürlichen Gelände heraus als von der Behörde und dem Verwaltungsgericht angenommen, nahezu vollständig kompensiert.

Soweit sich der Antragsteller gegen die Anlegung von Stellplätzen entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze auf der Decke des dort bereits errichteten Abstellraums wendet, fehlt es seinem Vorbringen zwar nicht an dem erforderlichen Rechtsschutzinteresse, denn insoweit macht er keine von der Bausubstanz ausgehenden Beeinträchtigungen geltend, sondern erhebt Einwendungen gegen die erst noch aufzunehmende und damit im Aussetzungsverfahren noch verhinderbare Nutzung. Es ist dem Verwaltungsgericht aber darin zu folgen, dass mit diesen Stellplätzen keine Abstandsflächen eingehalten werden müssen und sie auch in den Abstandsflächen des Gebäudes bzw. seiner einzelnen Teile zulässig sind (vgl. §§ 5 Abs. 9 und 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO). Daraus folgt, dass der Gesetzgeber Stellplätze entlang von Grundstücksgrenzen generell als für die Nachbarn zumutbar einstuft. Dafür, dass im vorliegenden Fall Besonderheiten vorlägen, die Grund zu der Annahme geben könnten, die beiden geplanten offenen Stellplätze könnten zu für den Antragsteller unzumutbaren Belästigungen führen, ist nichts ersichtlich, zumal seine eigene Garage einschließlich des davor liegenden, ausgedehnten Zufahrtsbereichs unmittelbar angrenzen. Daran ändert auch die mit einer Überhöhung von etwa 0,85 m bis zur Grenze reichende Terrasse auf dieser Garage nichts. Denn der Antragsteller musste stets - auch unter Berücksichtigung der bestehenden Baulast - damit rechnen, dass unmittelbar angrenzend abstandsflächenneutrale Nutzungen - wie Stellplätze - aufgenommen würden.

Nach allem ist die Beschwerde mit der Kostenfolge aus den §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO zurückzuweisen.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG n. F. Der Senat sieht trotz der Erhöhung des Auffangstreitwerts in § 52 Abs. 2 GKG n. F. gegenüber der vom Verwaltungsgericht zu berücksichtigenden Rechtslage davon ab, einen höheren Streitwert als dieses festzusetzen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 4, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG n. F.).

Ende der Entscheidung

Zurück