Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 15.07.2003
Aktenzeichen: 8 S 630/03
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 10 Abs. 3 Satz 4
Ein Bebauungsplan wird bei einer Veröffentlichung im Amtsblatt an dessen Erscheinungstag wirksam.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

8 S 630/03

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Baugenehmigung

hat der 8. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Prof. Dr. Schmidt sowie die Richter am Verwaltungsgerichtshof Schenk und Rieger

am 15. Juli 2003

beschlossen:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12. November 2002 - 13 K 4577/01 - geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I. Der Senat entscheidet gem. § 130a VwGO durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für begründet hält. Die Sach- und Rechtslage lässt sich aufgrund der vorliegenden Akten und der Schriftsätze der Beteiligten abschließend beurteilen, so dass keine mündliche Verhandlung erforderlich ist.

Die nach der Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige Berufung hat Erfolg. Nach Behebung des vom Verwaltungsgericht gesehenen Mangels im Planaufstellungsverfahren durch die Beklagte steht dem Vorhaben der Klägerin der am 23.1.2003 beschlossene und am 30.1.2003 bekannt gemachte Bebauungsplan der Beklagten "Fasanenhof Ost/Heigelinstraße/ Schelmenwasenstraße (Mö 195)" entgegen, so dass ihr Verpflichtungsbegehren abzuweisen ist.

II. 1. Die Klägerin meint, der Änderungsbebauungsplan vom 23.1.2003 sei wegen eines Verstoßes gegen § 34 GemO nichtig, weil die Gemeinderäte nicht in angemessener Zeit die für eine Beschlussfassung über den Plan erforderlichen Informationen erhalten hätten. Dem kann nicht gefolgt werden. So spricht bereits wenig dafür, dass überhaupt ein Verstoß gegen § 34 GemO vorliegt, denn der zu beschließende Bebauungsplan war dem Gemeinderat aus dem vorangegangenen, gemäß § 215a BauGB wiederholten Verfahren bekannt, so dass selbst bei einer Tischvorlage der komprimierte Vortrag der Anregungen der Klägerin und der gleichfalls kurz gefassten, jedoch auf alle wesentlichen Gesichtspunke eingehenden Stellungnahme der Verwaltung der Gegenstand der Beschlussfassung von jedem Gemeinderat ohne Weiteres erfasst und zur Grundlage seiner Entscheidung beim Satzungsbeschluss gemacht werden konnte. Im Übrigen belegt auch die Niederschrift über die Gemeinderatssitzung am 23.1.2003, dass der Gemeinderat voll mit der Problematik vertraut war, denn die Fraktionsvorsitzenden von CDU und SPD haben sich jeweils fundiert zu den Kernproblemen des Plans geäußert.

Selbst wenn man jedoch insoweit einen Rechtsverstoß annehmen wollte, so könnte sich die Klägerin darauf nicht mit Erfolg berufen. Denn nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (Normenkontrollurt. v. 16.4.1999 - 8 S 5/99 - (NuR 2000, 154 = BWGZ 2000, 583 = UPR 2000, 77 <LS>) dient das in § 34 Abs. 1 GemO enthaltene Gebot der rechtzeitigen Mitteilung der Verhandlungsgegenstände nur den Interessen der Mitglieder des Gremiums. Stimmen diese ohne Beanstandung der Rechtzeitigkeit der ihnen zugeleiteten Informationen über den Verhandlungsgegenstand ab, so liegt darin der Verzicht auf eine längere Vorbereitungsfrist. Dies gilt auch dann, wenn nicht alle Gemeinderäte erschienen sind. Denn die Wirksamkeit eines stillschweigenden Verzichts auf eine längere Vorbereitungsfrist kann nicht von dem eher zufälligen Umstand abhängen, ob der Gemeinderat vollzählig erschienen ist, oder ob einzelne Mitglieder - entschuldigt oder nicht - abwesend sind. Das muss jedenfalls dann gelten, wenn - wie hier - keinerlei Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass ein Gemeinderat gerade wegen der von ihm als zu kurz empfundenen Vorbereitungszeit der Sitzung ferngeblieben ist (Senatsurt. v. 16.4.1999 a.a.O.).

2. Die Klägerin hält den Bebauungsplan "Fasanenhof Ost" auch deswegen für unbeachtlich, weil er nicht ordnungsgemäß in Kraft gesetzt worden sei. Die Beklagte habe die beschlossene Rückwirkung auf den 8.2.2001 datiert. Dies sei deshalb fehlerhaft, weil der gemäß § 215a BauGB zu heilende Plan erst am Tag nach seiner Bekanntmachung, also am 9.2.2001 in Kraft getreten sei.

Auch diesen Einwand kann sich der Senat nicht zu eigen machen. Denn nach dem eindeutigen Wortlaut des § 10 Abs. 3 S. 4 BauGB tritt der Bebauungsplan mit der Bekanntmachung in Kraft. Die Klägerin beruft sich zur Begründung ihres gegenteiligen Standpunktes zu Unrecht auf Brügelmann/Gierke, BauGB, § 10 Rn. 345. Denn dort heißt es unter Bezugnahme auf BVerfGE 16, 6 ausdrücklich, dass der Plan bei einer Veröffentlichung im Amtsblatt am Erscheinungstag wirksam werde. Die der Ansicht der Klägerin zugrunde liegende Vorstellung von einem gestreckten Bekanntmachungsvorgang über den ganzen Tag hinweg und vor allem auch in den Nachtstunden kann sich der Senat nicht zu eigen machen.

Hinzu kommt schließlich noch, dass die einzige Konsequenz aus der Angabe eines unrichtigen Wirksamkeitsdatums darin liegen könnte, dass der Plan erst mit Rückwirkung am 9.2.2001 wirksam geworden wäre. Die fehlerhafte Angabe des Wirksamkeitszeitpunkts wäre unschädlich.

III. Auch die gegen den Inhalt des Änderungsbebauungsplans vorgetragenen Bedenken der Klägerin greifen nicht durch.

1. Die Klägerin ist der Ansicht, für die in dem genannten Plan enthaltene Festsetzung Ziff. 2.4, nach der Einzelhandelsbetriebe nur zur Versorgung des Gewerbegebiets Fasanenhof Ost mit Lebensmitteln und Drogeriewaren ausnahmsweise zulässig seien, fehle es an einer Rechtsgrundlage. Dies ist nicht überzeugend, denn es spricht nichts dagegen, auch die Beschäftigten eines Gewerbegebietes mit diesen Gütern zu versorgen. Hinzu kommt, dass - worauf die Beklagte gleichfalls zutreffend hinweist - das zu versorgende Gebiet nicht unbedingt mit dem Plangebiet identisch sein muss (vgl. BVerwG, Beschl. v. 3.9.1998 - 4 B 85.98 - NJW 1998, 3792 = PBauE § 4 BauNVO Nr. 16).

Auf diese Problematik ist jedoch nicht näher einzugehen, denn selbst wenn die Ansicht der Klägerin richtig wäre, so entfiele nicht etwa nur der Gebietsbezug - wie die Klägerin meint -, sondern die gesamte Ausnahmeregelung wäre nichtig. Dies muss vor allem deshalb gelten, weil beim Wegfall der Einschränkung auf die Versorgung des Gebiets ein Planungstorso verbliebe, der keinesfalls dem Willen des Gemeinderats entspräche. Dies würde zum andern aber auch zu in sich widersprüchlichen Festsetzungen führen, nämlich einerseits dem Ausschluss von Einzelhandel nach Ziff. 1 und dessen ausnahmsweise Zulassungsmöglichkeit nach Ziff. 2.4 andererseits.

Nach allem könnte also ein etwaiger Rechtsverstoß dem Verpflichtungsbegehren der Klägerin nicht zum Erfolg verhelfen. Dies ergibt sich daraus, dass die Nichtigkeit von Ziff. 2.4 des Planes auf keinen Fall den Bebauungsplan insgesamt nichtig machen würde. Demgemäß würde also der dem Vorhaben der Klägerin entgegenstehende grundsätzliche Einzelhandelsausschluss in Ziff. 1 der textlichen Festsetzung weiterhin wirksam bleiben. Denn es ist offenkundig, dass der Wegfall der ausnahmsweisen Zulassungsmöglichkeit nach Ziff. 2.4 das Gesamtkonzept der Planung, nämlich die Schaffung eines "hochwertigen Gewerbegebiets" nicht in Frage stellen kann. Es handelt sich dabei um eine Randregelung, die gewissen Bedürfnissen nach gebietsnaher Versorgung Rechnung tragen soll, die aber erkennbar kein Grundelement und keinesfalls Voraussetzung für den mit dem Plan bezweckten Ausschluss von Einzelhandel sein sollte. Dass der Wegfall dieser Regelung nicht dem Willen des Gemeinderats entspricht - wie die Klägerin vorträgt -, ist selbstverständlich, denn andernfalls hätte er diese Festsetzung nicht in den Plan aufgenommen. Maßgebend ist jedoch allein, ob auch der verbleibende Rest vom Willen des Gemeinderats getragen ist. Daran aber hat der Senat angesichts der Plangeschichte und der Bekundungen der Vorsitzenden der Mehrheitsfraktionen im Gemeinderat in der Sitzung vom 23.1.2003, in der der Plan mit großer Mehrheit beschlossen wurde, keinen Zweifel. Denn dem Gemeinderat ging es nach dem daraus zu Entnehmenden ausdrücklich und vor allem darum, die gewerbliche und dienstleistungsmäßige Aufwertung des Viertels und die Schaffung eines "hochwertigen Gewerbegebiets" mit arbeitsplatzintensiven Nutzungen zu gewährleisten.

2. Schließlich liegt auch der von der Klägerin geltend gemachte Abwägungsmangel nicht vor. Es ist nicht erkennbar, warum das - mehrfach genannte - vorgegebene planerische Ziel mit dem Plan und seinen Festsetzungen deshalb nicht erreicht werden kann, weil abgesehen vom Einzelhandelsausschluss alle in § 8 Abs. 2 BauNVO genannten Gewerbebetriebe mit Ausnahme der ausdrücklich Ausgenommenen zulässig sind. Den Einwand der Klägerin, es seien also produzierende Gewerbebetriebe, soweit sie den Störgrad des Gewerbegebiets einhielten, statthaft, da der Plan keine Beschränkung auf "höherwertige Nutzungen" enthalte, ist die Beklagte im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht zu Recht mit dem Hinweis begegnet, dass es durchaus Betriebsarten gebe, in denen Produktion mit Dienstleistungen vereinbar sei, so z.B. die Anfertigung von Mustern oder speziellen Modulen im IT-Bereich, der Nanotechnik und der Biotechnologie. Mithin könnten also auch "höherwertige" Nutzungen Fertigungselemente beinhalten oder im Einzelfall sogar ganz darauf ausgerichtet sein. Dem ist nichts hinzuzufügen, abgesehen von dem Hinweis darauf, dass es die Beklagte in der Hand hat, mit dem Instrumentarium des § 15 BauNVO mit dem Gebietscharakter nicht vereinbare Ansiedlungen zu verhindern. Nichts anderes gilt in Ansehung der von der Klägerin in diesem Zusammenhang gleichfalls angesprochenen ausnahmsweisen Zulässigkeit von Vergnügungsstätten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Gründe für eine Zulassung der Revision sind nicht gegeben.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 70.000,-- EUR festgesetzt (§ 13 Abs. 1 S. 1 GKG). Der Senat schließt sich der von den Beteiligten nicht beanstandeten Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts an.

Ende der Entscheidung

Zurück