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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 26.01.2005
Aktenzeichen: 8 S 722/04
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 136
BauGB § 142
BauGB § 154
BauGB § 156 a
Gegen die Erhebung eines sanierungsrechtlichen Ausgleichsbetrags kann grundsätzlich nicht mit Erfolg eingewandt werden, das Sanierungsgebiet sei unzweckmäßig abgegrenzt worden.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

8 S 722/04

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Ausgleichsbetrags

hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

hat der 8. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Stumpe sowie die Richter am Verwaltungsgerichtshof Schenk und Dr. Christ

am 26. Januar 2005

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 20. Februar 2004 - 6 K 4006/03 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf EUR 7.575,-- festgesetzt.

Gründe:

Die - zulässige - Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht abgelehnt, die aufschiebende Wirkung der unter dem Aktenzeichen - 6 K 4005/03 - anhängigen Klage des Antragstellers gegen den Ausgleichsbetragsbescheid der Antragsgegnerin vom 14.7.2003 und ihren Widerspruchsbescheid vom 15.9.2003 entgegen der gesetzlichen Grundregel in § 212 a Abs. 2 BauGB anzuordnen. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat vorliegend beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), gibt keine Veranlassung zu einer abweichenden Entscheidung.

1. Der Antragsteller macht darin zum einen geltend, das Sanierungsgebiet sei offensichtlich willkürlich festgelegt worden, weil ohne ersichtlichen Grund einzelne Gebäudegrundstücke (insbesondere das Grundstück der Kreissparkasse, Hirschplatz x) ausgeklammert und andere einbezogen worden seien. Dies stelle einen Verstoß gegen den sanierungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz dar. Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen.

Es spricht sehr vieles dafür, dass diese Rügen wegen Verfristung unbeachtlich sind. Das ergibt sich aus folgendem: Ob die Begrenzung eines Sanierungsgebiets zweckmäßíg i.S.d. § 142 Abs. 1 Satz 2 BauGB ist, unterliegt der Abwägung nach § 136 Abs. 4 Satz 3 BauGB bzw. § 1 Abs. 4 Satz 2 des im Zeitpunkt des Erlasses der Sanierungssatzung im Jahre 1978 geltenden Städtebauförderungsgesetzes (BVerwG, Beschluss vom 10.11.1998 - 4 BN 38.98 - NVwZ 1999, 420 = PBauE § 136 BauGB Nr. 2). Damit gelten auch die Planerhaltungsvorschriften gemäß § 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB i.V.m. § 244 Abs. 2 BauGB 1986 (BVerwG, Urteil vom 4.3.1999 - 4 C 8.98 - NVwZ 1999, 1336 = PBauE § 136 BauGB Nr. 3). Da davon auszugehen ist, dass die Antragsgegnerin der durch § 244 Abs. 2 Satz 2 BauGB 1986 statuierten Pflicht, durch öffentliche Bekanntmachung auf die zum 1.7.1987 eingeführte Sieben-Jahres-Frist für Abwägungsrügen hinzuweisen, nachgekommen ist, sind Abwägungsfehler, die älteren Satzungen anhaften, spätestens mit Ablauf des 30.6.1994 unbeachtlich geworden. Es ist aber weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Antragsteller vor diesem Zeitpunkt eine fehlerhafte Abgrenzung des Sanierungsgebiets gegenüber der Antragsgegnerin in der gehörigen schriftlichen Form geltend gemacht hätte.

Davon abgesehen lässt die Beschwerde nicht erkennen, in welcher Weise sich eine unzweckmäßige Abgrenzung des Sanierungsgebiets auf den vorliegend streitigen Ausgleichsbetrag nach § 154 BauGB ausgewirkt haben könnte. Dies ergibt sich auch nicht von selbst. Der Antragsteller geht offenbar davon aus, dass sich dieser Betrag bei einer Ausdehnung des Sanierungsgebiets, insbesondere einer Einbeziehung des Grundstücks der Kreissparkasse, vermindern würde. Das ist aber nicht der Fall. Denn im Gegensatz zum Erschließungsbeitrag, mit dem Grundstückseigentümer anteilsmäßig zu den Kosten von Erschließungsmaßnahmen herangezogen werden, weshalb der einzelne Beitrag bei einer Ausweitung des Kreises der Pflichtigen geringer wird, werden mit den sanierungsrechtlichen Ausgleichsbeiträgen keine Kosten verteilt, sondern Vorteile abgeschöpft, die dem einzelnen Grundstück durch die vorgenommene Sanierung des Gebiets zugeflossen sind. Auf die Höhe dieser Vorteile hat deshalb die Anzahl der Ausgleichspflichtigen grundsätzlich keinen Einfluss. Allenfalls dann, wenn die Gemeinde einen nach § 156 a BauGB auszukehrenden Überschuss erzielt hat, könnte die Anzahl der herangezogenen Grundstückseigentümer eine Rolle spielen, weil die auf die einzelnen Grundstücke entfallenden Anteile des Überschusses nach § 156 a Abs. 2 BauGB nicht nach dem Verhältnis der (abgeschöpften) Vorteile, sondern nach demjenigen der Anfangswerte der Grundstücke i.S.d. § 154 Abs. 2 BauGB zu bestimmen ist. Dafür, dass hier einer der seltenen Fälle einer Überschusserzielung (vgl. Dirnberger, in: Jäde/Dirnberger/Weiß, BauGB/BauNVO, 4. Aufl. 2005, § 156 a RdNr. 1) vorliegen könnte, spricht aber nichts. Auch der Antragsteller hat hierzu nichts vorgetragen. Im Übrigen beträfe dies auch nicht die Frage der Rechtmäßigkeit des Ausgleichsbetragsbescheids.

2. Zum anderen wendet sich der Antragsteller gegen die Anwendung des "Modells Niedersachsen". Auch diese Rüge ist aber nicht berechtigt. Ihm ist zwar einzuräumen, dass die Übertragbarkeit dieses Modell, bei dem der Endwert ausgehend vom Anfangswert unter Berücksichtigung der festgestellten städtebaulichen Missstände i.S.d. § 136 Abs. 3 BauGB im Sanierungsgebiet und der durchgeführten Sanierungsmaßnahmen ermittelt wird, wobei die sanierungsbedingte Bodenwerterhöhung sich als Prozentsatz des Anfangswerts ergibt, auf andere Bundesländer in der Literatur in Zweifel gezogen wird (vgl. etwa: Kleiber, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 154 RdNr. 127). Die Kritik an diesem von Kanngießer entwickelten Modell bezieht sich aber darauf, dass es bei Bodenwerten von erheblich mehr als 400 DM/qm zu leicht (um 3 bis 4 %) überhöhten Steigerungsannahmen führen kann (vgl. Bartholomai, NVwZ 2001, 1377/1378). Die Anfangswerte der Grundstücke des Antragstellers wurden aber auf 380 bzw. 470 DM/qm taxiert, so dass Bedenken gegen die Anwendung dieses Modells kaum berechtigt sein dürften. Diese Feststellung genügt für das auf summarische Prüfung ausgerichtete Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, eine nähere Untersuchung muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

Auch gegen die konkrete Anwendung des Modells Kanngießer durch den Gutachterausschuss in den Gutachten vom 2.5.1995 (mit Fortschreibungen vom 6.5.2003) bestehen keine bereits im Eilverfahren durchschlagenden Bedenken. Er hat die sanierungsbedingte Bodenwerterhöhung nach der ebenfalls in der Fachwelt anerkannten (vgl. Bartholomäi, a.a.O.) Bodenstein'schen Formel ermittelt. Substantielle Einwände gegen die für die einzelnen Missstände bzw. Maßnahmen angenommenen Klassifikationswerte (aus einer Skala von 1 bis 10) hat der Antragsteller nicht erhoben. Der Senat muss deshalb davon ausgehen, dass die Einschätzungen des auf der Grundlage der §§ 192 ff. BauGB eigens für Grundstückswertermittlungen gebildeten, unabhängigen Ausschusses den ihm zustehenden Wertungsrahmen nicht überschreiten, wenn auch nicht zu übersehen ist, dass die ermittelten sanierungsbedingten Bodenwerterhöhungen von 11 bzw. sogar 16 % außergewöhnlich hoch sind. Auch insoweit muss aber eine weitergehende Prüfung (u. U. mithilfe von Sachverständigen) dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Eine solche würde den Rahmen des summarischen Charakters des vorliegenden Eilverfahrens sprengen. Erkennbar ist zwar - auch bei summarischer Prüfung -, dass dem Gutachterausschuss bezogen auf das Grundstück Hirschplatz x ein Rechenfehler unterlaufen ist, weil er das arithmetische Mittel der vier Einzelwerte für die Missstände mit 4,88 statt 4,75, wie es zutreffen würde, errechnet hat. Diese geringfügige Abweichung gibt aber keinen Anlass, dem Antrag stattzugeben und die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers entgegen der aus § 212 a Abs. 2 BauGB folgenden gesetzlichen Wertung anzuordnen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus den §§ 25 Abs. 2, 20 Abs. 3, 13 Abs. 2 GKG a. F. (vgl. ergänzend Nr. I.7. des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, VBlBW 2004, 467).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG a. F.).

Ende der Entscheidung

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