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Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 15.04.2008
Aktenzeichen: 8 S 98/08
Rechtsgebiete: BauGB, BGB
Vorschriften:
BauGB § 35 | |
BGB § 226 |
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil
Verkündet am 15.04.2008
In der Verwaltungsrechtssache
wegen Anfechtung einer Baugenehmigung
hat der 8. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 09. April 2008
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 3. Juli 2007 - 6 K 2666/07 - geändert. Die Baugenehmigung des Landratsamtes Ostalbkreis vom 7. Juni 2006 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 14. Februar 2007 werden aufgehoben.
Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen eine Baugenehmigung, die seinem Nachbarn, dem Beigeladenen, die Errichtung eines Schuppens gestattet.
Der Kläger ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus und einer Garage bebauten Grundstücks Flst. Nr. 178 (Hardtstraße 39) der Gemarkung Leinzell. Dem Beigeladenen gehört das nördlich angrenzende Anwesen Hardtstraße 41 (Flst. Nr. 177/5) und das westlich angrenzende, 3.146 m2 große Grünlandgrundstück Flst. Nr. 177. Dieses Grundstück erstreckt sich hinter den bebauten Grundstücken auf der Westseite der Hardtstraße vom Götzenbach im Nordwesten bis zum Grundstück Hardtstraße 37 (Flst. Nr. 178/1) im Südosten. Es fällt von Osten nach Westen zum Götzenbach hin leicht ab.
Der Beigeladene hat im südöstlichen Bereich dieses Grundstücks, gegenüber dem Wohnhaus des Klägers und in einem Abstand von 2,5 m zu der gemeinsamen Grundstücksgrenze, einen 12 m langen, 5 m breiten sowie zwischen 4 und 5 m hohen Geräte- und Brennholzschuppen mit einem Pultdach errichtet.
Die örtliche Situation stellt sich wie folgt dar:
Der Beigeladene reichte am 27.3.2006 einen entsprechenden Bauantrag ein. Der Kläger erhob Einspruch und machte geltend, unter dem Gesichtspunkt des Lichtzutritts und der Feuchtigkeit ergäben sich aus dem Bauvorhaben nicht unerhebliche Nachteile für sein Grundstück. Außerdem sei der Grenzabstand nicht eingehalten.
Unter dem 7.6.2006 erteilte das Landratsamt Ostalbkreis die beantragte Baugenehmigung und wies den Einspruch des Klägers mit im Wesentlichen folgender Begründung zurück: Das Baugrundstück liege im Außenbereich. Das Bauvorhaben des Beigeladenen sei als sonstiges Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB zulässig. Die beteiligten Stellen hätten eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange verneint. Der geplante Schuppen halte auch die erforderlichen Abstandsflächen ein.
Der Kläger legte hiergegen am 21.6.2006 Widerspruch ein. Er begründete diesen damit, das genehmigte Vorhaben verstoße zu seinen Lasten gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Der Schuppen solle unmittelbar an der Terrasse und vor dem Wohnzimmer seines Hauses errichtet werden. Dadurch werde die Lichtzufuhr zu diesen beeinträchtigt. Von dem Bauvorhaben gehe eine erdrückende Wirkung aus. Es verstoße ferner gegen Treu und Glauben und das Schikaneverbot, weil der Beigeladene die Möglichkeit habe, auf seinem großen Grundstück den Schuppen an einer Stelle zu errichten, die nicht an ein bestehendes Gebäude angrenze.
Am 2.8.2006 beantragte der Kläger beim Verwaltungsgericht Stuttgart mit derselben Begründung, seinem Widerspruch aufschiebende Wirkung beizumessen. Der Beigeladene führte in seiner Erwiderung auf diesen Antrag vier Gründe für die Wahl des Schuppenstandorts an: Zum einen habe er in den naturbelassenen Bachlauf mit altem Baumbestand nicht eingreifen wollen. Zum anderen könne er den Schuppen nicht an der Grenze zur "Parzelle 171 Josef Fuchs" (Südwesten) erstellen, weil es sich dabei um den tiefsten Teil des Geländes handele, das oft knöcheltief unter Wasser stehe. Das Gleiche gelte ferner für den Bereich an der Grenze zum "Flurstück Nr. 178/1 Herbst" (Südosten). Hier plane er zudem eine bepflanzte Sickergrube, die das Dachwasser des Schuppens aufnehmen solle. Schließlich sei der Bereich an der Grenze zum Grundstück des Klägers im Jahre 1964 mit Erdaushub aufgefüllt worden; das Gelände liege dort deshalb um etwa 1 bis 1,5 m höher. Ein Gebäude füge sich hier nahtlos in die Baulinie bestehender Gebäude ein.
Mit Beschluss vom 31.8.2006 lehnte das Verwaltungsgericht Stuttgart den Aussetzungsantrag des Klägers ab und führte zur Begründung aus: Der genehmigte Schuppen verstoße nicht gegen das Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme, da die Abstandsvorschriften der Landesbauordnung eingehalten seien. Es bestehe grundsätzlich kein schutzwürdiges Vertrauen eines Nachbarn, dass ein bisher unbebautes, im Außenbereich liegendes Grundstück auch künftig nicht bebaut werde. Dass der Blick auf den an der Grenze geplanten Schuppen den zuvor freien Blick auf die Landschaft beeinträchtige, begründe keine Verletzung des Rücksichtnahmegebots.
Der Senat wies die hiergegen eingelegte Beschwerde des Klägers mit Beschluss vom 6.12.2006 - 8 S 2184/06 - zum einen deshalb zurück, weil der Beschwerdebegründung zufolge der Schuppen schon bei ihrer Abfassung errichtet war. Zum anderen spreche vieles dafür, dass das Verwaltungsgericht zu Recht einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme verneint habe. Der Beigeladene habe gegenüber dem Verwaltungsgericht vier Gründe angeführt, die gegen eine Errichtung des Schuppens an anderer Stelle sprächen. Da die Beschwerde sich damit nicht auseinandersetze, habe der Senat von ihrer Stichhaltigkeit auszugehen.
Mit Bescheid vom 14.2.2007 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch des Klägers gegen die Baugenehmigung vom 7.6.2006 mit denselben Argumenten zurück, die das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 31.8.2006 verwendet hatte.
Am 15.3.2007 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage mit dem Antrag erhoben, die Baugenehmigung in der Gestalt des Widerspruchsbescheids aufzuheben. Er hat ausgeführt: Entgegen der Auffassung der Behörden liege eine erhebliche Beeinträchtigung seines Wohnhauses im Hinblick auf Belichtung, Belüftung und Besonnung vor. Von entscheidender Bedeutung sei jedoch, dass die Wahl des Schuppenstandorts schikanös sei, weil er an verschiedenen anderen Stellen auf dem Baugrundstück ohne Schwierigkeiten hätte errichtet werden können. Die vom Bauherrn angegebenen Gründe seien nicht nachvollziehbar. Die von ihm erwähnten Bäume stünden unmittelbar am Ufer und würden von der Errichtung des Schuppens nicht tangiert. Am Götzenbach befinde sich auch kein Gartenteich, vielmehr stünden dort bereits heute mehrere Schuppen. Bei dem Bereich entlang der Grenze zum Grundstück Flst. Nr. 171 handele es sich nicht um den tiefsten Teil des Geländes, vielmehr habe der Vater des Beigeladenen ihn mit Aushub aufgefüllt. Die Sickergrube entlang der Grenze zum Grundstück Flst. Nr. 178/1 führe zu einer zusätzlichen Belastung seines Hausgrundstücks. Diese hätte weiter nach unten verlagert werden können. Bei Aufstellung des Schuppens am Götzenbach hätte das Regenwasser im Übrigen unmittelbar in diesen eingeleitet werden können. Ferner habe der Beigeladene inzwischen den Bach mit Felsbrocken aufgestaut und leite das Bachwasser in die Sickergrube ein. Es könne keine Rede davon sein, dass hier Oberflächenwasser abgeführt werden solle. Richtig sei zwar, dass das Gelände auch entlang der Grenze zu seinem Grundstück aufgefüllt worden sei, was jedoch lediglich dazu führe, dass der Schuppen noch höher stehe und noch mehr Licht wegnehme. Von einer vorhandenen Baulinie könne keine Rede sein.
Das beklagte Land hat Klagabweisung beantragt und im Wesentlichen auf die Begründung der angefochtenen Bescheide verwiesen. Im Hinblick auf die Standortwahl hat es ausgeführt, auf die Frage, ob das Gebäude an anderer Stelle auf dem Baugrundstück errichtet werden könne, komme es nicht an.
Der Beigeladene hat zur Frage der Standortwahl wie folgt Stellung genommen: Der Baumbestand entlang der Bachgrenze sei etwa 10 bis 12 m breit; der Maschinenschuppen, auf den sich der Kläger berufe, stehe nicht am Bach. Der Bereich entlang der Grenze zur Parzelle 171 sei nicht mit Erdaushub aufgefüllt worden, dies sei lediglich entlang der Grenze zum Grundstück des Klägers geschehen. Dies werde durch ein Gerichtsurteil des Amtsgerichts Schwäbisch Gmünd vom 24.5.1966 bestätigt. Die Baugenehmigung sei vom Landratsamt erst nach dem Nachweis einer ordnungsgemäßen Entwässerung erteilt worden. Er habe eine Sickergrube gewählt, die zum Grundstück des Klägers einen Abstand von 8 m und zu den anderen angrenzenden Grundstücken einen solchen von mindestens 6 m aufweise. Das anfallende Regenwasser werde zudem zur Bewässerung eines neu geschaffenen Gemüsegartens genutzt. Eine Entwässerung in den Bach werde seit Mitte der siebziger Jahre nicht mehr akzeptiert. Für eine Wasserentnahme aus dem Bach bestehe keine Notwendigkeit. Es gebe deshalb auch keinen Grund, den Bach aufzustauen.
Mit Urteil vom 3.7.2007 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Es hat im Wesentlichen zur Begründung ausgeführt: Der genehmigte Schuppen verstoße nicht gegen das Rücksichtnahmegebot, da er keine für den Kläger unzumutbare Beeinträchtigungen zur Folge habe. Dies ergebe sich daraus, dass die Abstandsflächenbestimmungen eingehalten seien. Nicht entscheidungserheblich sei, ob der Beigeladene sein Bauvorhaben auch an einer anderen Stelle seines Grundstücks zulässigerweise errichten könnte.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat mit Beschluss vom 10.1.2008 - 8 S 1961/07 - zugelassene Berufung des Klägers, mit der er beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 3. Juli 2007 - 6 K 2666/07 - zu ändern und die Baugenehmigung des Landratsamtes Ostalbkreis vom 7. Juni 2006 sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 14. Februar 2007 aufzuheben.
Er macht geltend: Das Verwaltungsgericht habe die Grundsätze des Rücksichtnahmegebots verkannt und deshalb keine Abwägung der Empfindlichkeit und Schutzwürdigkeit des Begünstigten einerseits mit der Verständlichkeit und Unabweisbarkeit der mit dem Vorhaben verfolgten Interessen des Bauherrn andererseits vorgenommen. Der beigeladene Bauherr habe kein nachvollziehbares Interesse daran, das Gebäude unmittelbar vor sein (des Klägers) Anwesen zu platzieren. Vielmehr bringe dieser Standort nur Nachteile mit sich, weil der Schuppen vom Wohngebäude des Beigeladenen sehr weit entfernt sei. Demgegenüber habe er (der Kläger) eindeutig dargelegt, dass er durch das wuchtige Bauwerk und dessen erdrückende Wirkung erheblich beeinträchtigt werde. Er habe die Nutzungsbereiche seines Hauses so ausgerichtet, dass Schlafzimmer, Wohnzimmer und Terrasse in die bislang unbebaute Richtung wiesen. Der Beigeladene habe dagegen aus schikanösen Gründen gehandelt. Er habe zunächst geplant, in dem Bereich, in dem der Schuppen heute stehe, Nordmanntannen anzupflanzen. Er (der Kläger) habe den Beigeladenen damals darauf hingewiesen, dass er mit den Tannen einen Abstand von mindestens 8 m einzuhalten habe. Darauf hin habe der Beigeladene gegenüber einem Dritten erklärt, dass wenn der Kläger die Nordmanntannen nicht wolle, er eben einen Schuppen vor sein Haus setzen werde, was er schließlich auch getan habe.
Das beklagte Land beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Es erwidert: Das Gebot der Rücksichtnahme werde durch den genehmigten Schuppen nicht verletzt. Deshalb könne eine Interessenabwägung unterbleiben, weil der Kläger keine wehrfähige Position besitze. Ein Nachbar könne unter dem Gesichtspunkt der Sicherstellung einer ausreichenden Belichtung, Belüftung und Besonnung seines Grundstücks grundsätzlich keine Rücksichtnahme verlangen, die über den Schutz des bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenrechts hinausgehe, weil diese landesrechtlichen Grenzabstandsvorschriften ihrerseits eine Konkretisierung des Gebots zur nachbarlichen Rücksichtnahme darstellten. Dies gelte allerdings nur "grundsätzlich", was bedeute, dass Ausnahmen möglich sein müssten, da Bundesrecht nicht zur Disposition des Landesgesetzgebers stehe. Im vorliegenden Fall lägen Besonderheiten, die unter den genannten Gesichtspunkten eine Ausnahme vom angeführten Grundsatz geböten, nicht vor. Der Kläger könne sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass seine Aussicht in die freie Landschaft beeinträchtigt werde. Ebenso unbeachtlich sei seine Einlassung, er habe sein Haus so ausgerichtet, dass die Wohnbereiche in die unbebaute Richtung wiesen. Denn eine Baugenehmigung verleihe demjenigen, der sich seine Bauwünsche erfülle, nicht die Rechtsmacht, durch die Art und Weise der Bauausführung unmittelbaren Einfluss auf die Bebaubarkeit der Nachbargrundstücke zu nehmen. Selbst wenn Tatsachen vorlägen, die eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots zulasten des Klägers begründen könnten, müssten sie in der Abwägung hinter die Interessen des Beigeladenen zurücktreten. Denn diesem stünden berechtigte Belange zur Seite, sein Bauvorhaben genau an der streitgegenständlichen Stelle zu errichten. Andere denkbare Standorte seien überschwemmungsgefährdet oder hätten eine Gefahr für den naturbelassenen Bachlauf mit altem Baumbestand mit sich gebracht. Zudem liege das erstellte Bauwerk in einer günstigen Entfernung zum schon bestehenden Wohnhaus. Selbst wenn schließlich die Interessen des Klägers und des Beigeladenen als gleichwertig eingestuft würden, müsse der Beigeladene seine berechtigten Belange nicht zurückstellen, um gleichwertige fremde Belange des Klägers zu schonen.
Der Beigeladene stellt keinen eigenen Antrag, Er trägt vor: Durch den Bau des Schuppens habe der Kläger nicht beeinträchtigt oder gar schikaniert werden sollen. Ausschlaggebend für den gewählten Standort seien die Topografie des Geländes, das Einfügen in die Baulinie bestehender Gebäude und die erforderlichen Baukosten gewesen. Das Baugrundstück sei zwar relativ groß, aber er habe versucht, mit der zur Verfügung stehenden Fläche sorgsam und platzsparend umzugehen. Bei mehreren Ortsterminen mit der Baubehörde sei der Standort als ideal erkannt worden. Letztlich habe auch die räumliche Nähe (18 m) zu seinem neu errichteten Wohnhaus und der Umstand eine Rolle gespielt, dass der Bereich an der gemeinsamen Grundstücksgrenze im Jahre 1964 mit Erdaushub aufgefüllt worden sei und wegen dieser Erhöhung um etwa 1 m von Überschwemmungen verschont bleibe.
Der Senat hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 9.4.2008 einen Augenschein eingenommen. Hinsichtlich der dabei getroffenen Feststellungen wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift verwiesen. Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten auf die Verwaltungs- und Gerichtsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist nach ihrer Zulassung im Beschluss des Senats vom 10.1.2008 statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben und die angefochtene Baugenehmigung aufheben müssen, denn sie ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), weil das genehmigte Bauvorhaben nicht die gebotene Rücksicht auf seine nachbarlichen Rechte nimmt, sondern sich ihm gegenüber als schikanös darstellt.
Der durch die Baugenehmigung zugelassene Schuppen des Beigeladenen hält zwar zum Grundstück des Klägers - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - die nach den bauordnungsrechtlichen Vorschriften des § 5 LBO gebotenen Abstandsflächentiefen ein, was grundsätzlich indiziert, dass im Hinblick auf diese Belange auch das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot eingehalten ist, weil diese landesrechtlichen Abstandsflächenvorschriften ihrerseits eine Konkretisierung des Gebots nachbarlicher Rücksichtnahme darstellen (BVerwG, Beschluss vom 6.12.1996 - 4 B 215.96 - ZfBR 1997, 227; Beschluss des Senats vom 12.10.2004 - 8 S 1661/04 - VBlBW 2005, 74). Dies gilt aber nur "grundsätzlich", was bedeutet, dass Ausnahmen möglich sein müssen, zumal das bauplanungsrechtliche Bundesrecht nicht zur Disposition des Landesgesetzgebers steht (BVerwG, Beschluss vom 11.1.1999 - 4 B 128.98 - BauR 1999, 615; Urteil vom 31.8.2000 - 4 CN 6.99 - BVerwGE 112, 41; Beschluss des Senats vom 12.10.2004, a. a. O.).
Eine solche Ausnahme greift hier, denn der genehmigte Schuppen verstößt trotz Einhaltung der Abstandsflächenvorschriften der Landesbauordnung gegen das Schikaneverbot (§ 226 BGB) und verletzt damit das Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme zulasten des Klägers. Dieses Gebot schützt nach seinem objektivrechtlichen Gehalt die Nachbarschaft vor unzumutbaren Einwirkungen, die von einem Vorhaben ausgehen (BVerwG, Urteil vom 13.3.1981 - 4 C 1.78 - BRS 38 Nr. 186; Beschluss vom 11.12.2006 - 4 B 72.06 - BauR 2007, 674). Eine besondere gesetzliche Ausformung hat es für Vorhaben im Außenbereich wie dem vorliegend streitigen in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB mit dem Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen gefunden. Es greift jedoch auch als in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB unbenannter öffentlicher Belang in Fällen Platz, in denen sonstige nachteilige Wirkungen in Rede stehen (BVerwG, Urteile vom 21.1.1983 - 4 C 59.78 - BRS 40 Nr. 199 und vom 18.11.2004 - 4 C 1.04 - UPR 2005, 150). Dazu zählt die Rechtsprechung etwa "optisch bedrängende" Wirkungen, die von einem Bauvorhaben auf bewohnte Nachbargrundstücke ausgehen (vgl. BVerwG, Urteile vom 13.3.1981 - 4 C 1.78 - a. a. O. und vom 23.5.1986 - 4 C 34.85 - BRS 46 Nr. 176; Beschluss vom 11.12.2006 - 4 B 72.06 - a. a. O.). Rücksichtslos kann aber auch ein Bauvorhaben sein, das zulasten des betroffenen Nachbarn das auch im öffentlichen Recht geltende Schikaneverbot (vgl. etwa: OVG Saarland, Urteil vom 30.3.1993 - 2 R 17/92 - BRS 55 Nr. 158; Beschluss vom 23.2.2000 - 2 W 2/00 - BRS 63 Nr. 132; OVG NRW, Beschluss vom 12.6.1995 - 7 E 1130/94 - NVwZ-RR 1996, 126) verletzt.
Eine Schikane im Sinne des § 226 BGB liegt vor, wenn die Geltendmachung eines Rechts keinen anderen Zweck haben kann als die Schädigung eines anderen, wenn der Rechtsausübung kein schutzwürdiges Eigeninteresse zugrunde liegt oder wenn das Recht nur geltend gemacht wird, um ein unlauteres Ziel zu erreichen (BGH, Beschluss vom 9.7.2007 - II ZR 95/06 - juris m. w. N.). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Nach den Feststellungen, die der Senat beim Augenschein im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 9.4.2008 getroffen hat, hat der Beigeladene mit der Errichtung des Schuppens unmittelbar vor dem Wohnhaus des Klägers in einer Entfernung zur gemeinsamen Grundstücksgrenze, die lediglich der abstandsflächenrechtlich vorgeschriebenen Mindestentfernung entspricht, nur dessen Schädigung bezweckt, ohne damit auch nur entfernt ein eigenes Interesse zu verfolgen. Im Einzelnen ergibt sich dies aus folgendem:
Der Beigeladene beruft sich zum einen darauf, die räumliche Nähe zu seinem Wohnhaus habe für den gewählten Schuppenstandort gesprochen. Diese Darstellung ist aber kaum nachvollziehbar. Denn wenn er das Ziel verfolgt hätte, den Schuppen - etwa wegen des darin zu lagernden Brennholzes - möglichst nahe an seinem Wohngebäude zu platzieren, so hätte es sich aufdrängen müssen, einen Standort in zentraler Lage des großen Baugrundstücks, z. B. in westlicher Fortsetzung des neben seinem Wohnhaus stehenden (blauen) Containers in dem Bereich zu wählen, in dem heute ein aus dem früheren Dachgiebel seines alten Wohnhauses bestehender Holzschuppen steht. Unter dem Gesichtspunkt seiner Erreichbarkeit auf möglichst kurzem Wege erscheint die nach Südosten abgerückte Situierung des Schuppens dagegen wenig plausibel. Es kommt hinzu, dass seine Ausrichtung in Nord-Süd-Richtung, wodurch er sich riegelartig vor den Wohn- und Terrassenbereich des Klägers stellt, für den Beigeladenen ersichtlich keinerlei Vorteile bietet. Denn schon eine leichte Verschiebung nach Norden und Drehung des Baukörpers, was einen Zugang von Norden her ermöglicht hätte, hätte die Zugangsentfernung vom Wohnhaus des Beigeladenen deutlich verkürzt und zugleich den Wohnbereich des Klägers vor einer den Blick in die freie Landschaft abschottenden Wirkung bewahrt.
Einer solchermaßen die Belange des Klägers schonende und den geltend gemachten Wünschen des Beigeladenen entgegen kommende Anordnung des Schuppens steht auch nicht die Topografie entgegen. Denn das Gelände fällt zum einen von der Hardtstraße nach Westen nicht so stark ab, dass eine Anordnung des Schuppens im unmittelbaren westlichen oder südlichen Anschluss an den vorhanden Zufahrtsbereich über das Wohngrundstück des Beigeladenen (Flst. Nr. 177/5) eine zu steile Rampe erforderlich gemacht hätte. Im Übrigen hätten es die Platzverhältnisse ohne weiteres erlaubt, die Zufahrt geschwungen anzulegen, um zusätzlich Höhe abzubauen. Die Topografie des Geländes hätte bei einer Errichtung des Schuppens hinter dem (blauen) Container des Beigeladenen oder westlich der Garage des Klägers auch keine Mehrkosten erfordert. Insbesondere trägt das Argument des Beigeladenen nicht, hierzu wären erhebliche Abgrabungen und Aufschüttungen erforderlich gewesen. Denn nach den im Augenschein getroffenen Feststellungen des Senats mussten auch zur Errichtung des vorhandenen Schuppens Abgrabungen bis zu einer Höhe von etwa 1,20 m vorgenommen werden. Umfänglicherer Abtragungen hätte es auch bei einer anderen Situierung nicht bedurft.
Zum anderen will der Beigeladene mit seinem Hinweis auf die Topografie wohl geltend machen, alle anderen denkbaren Standorte für den Schuppen auf dem Grundstück Flst. Nr. 177 seien von Überschwemmungen bedroht. Diesem Vorbringen vermag der Senat aus mehreren Gründen nicht zu folgen: Hätte er einen näher zu seinem Wohnhaus hin gelegenen Standort gewählt, hätte sich wegen des ansteigenden Geländes die Überschwemmungsgefahr von selbst verringert. Im Übrigen wird diese Gefahr ersichtlich nur vorgeschützt. Denn einerseits stehen in unmittelbarer Nähe des Götzenbaches auf einem tiefer liegenden Terrain als dasjenige des Beigeladenen die beiden Schuppen der Landwirte Waibel und Fuchs und es spricht nichts dafür, dass diese dort errichtet worden wären, würde tatsächlich ihre Überflutung drohen. Sie wurden zudem zu einer Zeit errichtet, als noch keine Hochwasserrückhaltemaßnahmen am Götzenbach getroffen worden waren und demgemäß eine Überschwemmungsgefahr - so sie denn bestünde - weit höher gewesen wäre. Andererseits belegen die seitens des Klägers vorgelegten Fotos, dass der Beigeladene am Bachlauf, auf den am tiefsten gelegenen Bereichen des Baugrundstücks selbst umfängliche Holzlagerungen vorgenommen und Maschinen (Kompressor) abgestellt hatte, was er ebenfalls nicht getan hätte, hätte er damit rechnen müssen, dass das Holz fortgeschwemmt und der Kompressor beschädigt werde.
Auch die weiteren Gründe, die der Beigeladene dafür anführt, dass der gewählte Standort für den Schuppen ideal sei, entsprechen ersichtlich nicht der Realität. Das Ziel der Erhaltung des naturbelassenen Bachlaufs mit seinem Baumbestand spricht keinesfalls für die Entscheidung, den Schuppen - zumal mit seiner ganzen Breitseite - exakt vor den Wohnbereich des Klägers zu platzieren. Denn das Baugrundstück grenzt nur mit seiner Nordwestseite an den Götzenbach. Seine gesamte Tiefe hätte damit für die Errichtung des Bauwerks zur Verfügung gestanden. Ferner ist nicht zu erkennen, dass die "Sickergrube", die der Beigeladene südlich des Schuppens angelegt hat, für dessen Situierung eine Rolle gespielt haben kann. Denn sie hätte neben jedem anderen Schuppenstandort ebenso angelegt werden können. Auch die Aufnahme- und Durchleitungsfähigkeit des Untergrunds für das anfallende Dachwasser kann keine Rolle gespielt haben. Denn tatsächlich handelt es sich nicht um eine Anlage, die der Versickerung des Niederschlagswassers dient, sondern um ein Überlaufbecken, in dem das Dachwasser zunächst zurückgehalten wird. Schließlich ist das Vorbringen des Beigeladenen, er habe den Schuppen in die Baulinie bestehender Gebäude einfügen wollen, nicht nachvollziehbar. Denn eine (faktische) Baulinie, die den Schuppenstandort mit umfasst, existiert offensichtlich nicht. Eine solche lässt sich weder den vorliegenden Plänen entnehmen, noch hat der Senat bei der Einnahme des Augenscheins eine derartige Linie feststellen können.
Nach allem ist davon auszugehen, dass die Anordnung des streitigen Schuppens unmittelbar vor dem Wohnhaus des Klägers unter Einhaltung (lediglich) des bauordnungsrechtlich einzuhaltenden Minimalabstandes zur gemeinsamen Grundstücksgrenze keinem anderen Zweck dient als der Schädigung des Klägers und ihr kein schutzwürdiges Eigeninteresse des Beigeladenen zugrunde liegt. Sie verstößt damit zulasten des Klägers gegen das Schikaneverbot und damit zugleich gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot. Unter Abänderung des angefochtenen Urteils ist deshalb der Klage stattzugeben und die für diesen Schuppen erteilte Baugenehmigung mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO aufzuheben.
Gründe für eine Zulassung der Revision (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO) sind nicht gegeben.
Beschluss
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß den §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 63 Abs. 2 GKG in Anlehnung an Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2004 (VBlBW 2004, 467, 469) auf EUR 7.500,-- festgesetzt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Ende der Entscheidung
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