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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 19.03.2009
Aktenzeichen: 9 S 1413/08
Rechtsgebiete: GG, MPhG, HeilprG, 1. DVO HeilprG, PhysTh-APrV


Vorschriften:

GG Art 12 Abs. 1
MPhG § 1 Abs. 1 Nr. 2
MPhG § 8
HeilprG § 1 Abs. 1
HeilprG § 1 Abs. 2
1. DVO HeilprG § 2 Abs. 1i
PhysTh-APrV § 1 Abs. 1 Anl. 1
Der Erlaubniszwang aus § 1 Abs. 1 HeilprG findet für Behandlungen aus dem Aufgabenbereich eines Physiotherapeuten keine Anwendung, wenn sie von einer Person ausgeführt werden, der bereits eine Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 MPhG erteilt wurde.

Die Erteilung einer auf den Bereich der Physiotherapie beschränkten Heilpraktikererlaubnis kommt nicht in Betracht, weil insoweit ein hinreichend abgrenzbares und aus dem Bereich der allgemeinen Heilkunde ausdifferenziertes Gebiet nicht vorliegt (entgegen OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.11.2006 - 6 A 10271/06 -).


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

9 S 1413/08

Verkündet am 19.03.2009

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Erteilung einer gegenständlich beschränkten Heilpraktikererlaubnis

hat der 9. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 17. März 2009

am 19. März 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 10. April 2008 - 4 K 5891/07 - geändert. Es wird festgestellt, dass der Kläger für selbständige Behandlungen aus dem Aufgabenkreis der ihm nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 MPhG erteilten Erlaubnis, mit Ausnahme von Behandlungen zur Traktion der Wirbelsäule und der Durchführung von Thermalbädern inklusive Stangerbädern, einer Heilpraktikererlaubnis nicht bedarf.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen werden gegeneinander aufgehoben.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Rechtsstreit betrifft die Zulässigkeit der Erteilung einer gegenständlich beschränkten Heilpraktikererlaubnis für einen Physiotherapeuten sowie die Frage, ob ein Physiotherapeut nur nach und aufgrund ärztlicher Verordnung tätig werden darf.

Der Kläger hat im Jahr 1995 von der Bezirksregierung Weser-Ems die Erlaubnis erhalten, eine Tätigkeit unter der Berufsbezeichnung "Physiotherapeut" auszuüben und ist freiberuflich in eigener Praxis tätig. Mit Schreiben vom 24.03.2007 beantragte er die Erteilung der Heilpraktikererlaubnis, beschränkt auf den Bereich physikalischen Therapie und der Physiotherapie mit Ausnahme von Behandlungen zur Traktion der Wirbelsäule und der Durchführung von Thermalbädern als Vollbäder inklusive Stangerbäder, ohne weitere Eignungsprüfung und unter Freistellung von der Verpflichtung, die Berufsbezeichnung "Heilpraktiker" zu führen. Angesichts der Tatsache, dass die Erlaubnis auf ein Gebiet beschränkt sei, für das bereits eine staatliche Prüfung vorliege, müsse die Eignungsprüfung bei verfassungskonformer Berücksichtigung des Art. 12 Abs. 1 GG entfallen. Wie das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz durch Urteil vom 21.11.2006 zutreffend festgestellt habe, ergebe sich aus den abgelegten Prüfungen, dass von der Berufsausübung des Klägers keine Gefahr für die Volksgesundheit ausgehe.

Mit Bescheid vom 21.05.2007 lehnte das Landratsamt Heilbronn den Antrag ab; auch der hiergegen erhobene Widerspruch blieb erfolglos und wurde vom Regierungspräsidium Stuttgart mit Widerspruchsbescheid vom 05.11.2007 zurückgewiesen. Die Erteilung einer beschränkten Heilpraktikererlaubnis komme nach den Richtlinien des Sozialministeriums zur Durchführung des Heilpraktikergesetzes vom 21.11.2003 (GABl. S. 983 - Heilpr-RL -) nur für das Gebiet der Psychotherapie in Betracht; weitere Ausnahmen von der einheitlichen Berufsbezeichnung "Heilpraktiker" seien dort nicht geregelt. Für eine weitere Einschränkung der grundsätzlich unteilbaren Heilpraktikererlaubnis sei vorliegend auch kein Raum. Auf den Bereich der Physiotherapie könne die Heilpraktikererlaubnis bereits deshalb nicht beschränkt werden, weil eine gegenständliche Teilbarkeit wie im Falle der Psychotherapie nicht angenommen werden könne. Darüber hinaus belege die Ausbildung zum Physiotherapeut nicht zugleich die Eignung für die begehrte Tätigkeit als Heilpraktiker. Denn dieser werde selbständig und ohne vorgeschaltete Entscheidung eines Arztes tätig. Ein Absehen von der Eignungsprüfung komme daher angesichts der Unterschiedlichkeit der Tätigkeiten und im Interesse des Schutzgutes der Volksgesundheit nicht in Betracht.

Der am 21.11.2007 erhobenen Klage gab das Verwaltungsgericht Stuttgart durch Urteil vom 10.04.2008 statt und verpflichtete den Beklagten, dem Kläger ohne weitere Eignungsprüfung und unter Freistellung von der Verpflichtung, die Berufsbezeichnung "Heilpraktiker" zu führen, die Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung bezogen und beschränkt auf den Bereich der physikalischen Therapie und der Physiotherapie im Sinne von §§ 3 und 8 des Gesetzes zur Regelung der Berufe in der Physiotherapie (MPhG), mit Ausnahme von Behandlungen zur Traktion der Wirbelsäule und der Durchführung von Thermalbädern als Vollbäder inklusive Stangerbäder, zu erteilen. Angesichts der im MPhG enthaltenen Aufgabenabgrenzung erweise sich der Tätigkeitsbereich eines "Physiotherapeuten" als hinreichend genau beschränkbar. Wegen der vorhandenen, berufsqualifizierenden Ausbildung bedürfe es auch keiner Eignungsprüfung. Dies gelte auch im Hinblick auf die mit der Heilpraktikererlaubnis verbundene selbständige Tätigkeit, denn ausweislich der Ausbildungsvorschriften erlerne der Physiotherapeut auch Behandlungsindikationen und Kontraindikationen selbständig zu erkennen. Darüber hinaus sei nicht ersichtlich, warum der Physiotherapeut im Bereich der Differenzialdiagnose in seinem Tätigkeitsbereich über schlechtere Fähigkeiten verfügen solle, als ein Heilpraktiker. Schließlich habe der Kläger auch nicht die Verpflichtung, die Berufsbezeichnung "Heilpraktiker" zu führen, weil dies für den Absolventen einer qualifizierten heilkundlichen Berufsausbildung diskriminierend sein könne.

Der Beklagte hat hiergegen die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und zur Begründung insbesondere vorgetragen, die prüfungslose Erteilung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis für Physiotherapeuten sei nach geltender Rechtslage nicht möglich. Anders als für den vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Bereich der Psychotherapie seien auf dem Gebiet der Allgemeinmedizin keine Teilbereiche eigenständig ausdifferenziert und abgegrenzt. Jedenfalls die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Beschränkung auf den Bereich der physikalischen Therapie könne nicht erfolgen, weil sie bereits im Tätigkeitsfeld des Orthopäden enthalten sei. Insbesondere aber verkenne das Verwaltungsgericht, dass das im MPhG geregelte Berufsbild des Physiotherapeuten nur einen unselbständigen Heilhilfsberuf umfasse, nicht aber die selbständige Tätigkeit. Dementsprechend sei weder die Tätigkeit noch die Ausbildung darauf ausgerichtet, eine selbständige Diagnosetätigkeit durchzuführen. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, bereits die Ausbildung zum Physiotherapeuten reiche für die Annahme aus, dieser könne auch selbständig gefahrlos Heilkunde betreiben, verkenne daher den grundlegenden Charakter der Heilhilfsberufe. Die Ausübung der eigenständigen Heilkunde ohne jede ärztliche Vordiagnose setze insbesondere voraus, dass andere Krankheiten ausgeschlossen und ein sicherer Befund erstellt werden könne. Hiefür reiche die Kenntnis für die in der Physiotherapie auftauchenden Krankheitsbilder des Bewegungsapparates nicht aus; vielmehr bedürfe es eines "Rundumblicks" und dementsprechend breit angelegter Grundkenntnisse. Auch das vom Kläger benannte Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 21.11.2006 erweise sich daher als falsch.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 10. April 2008 - 4 K 5891/07 - zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise festzustellen, dass der Kläger für selbständige Behandlungen aus dem Aufgabenkreis der ihm nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 MPhG erteilten Erlaubnis, mit Ausnahme von Behandlungen zur Traktion der Wirbelsäule und der Durchführung von Thermalbädern inklusive Stangerbädern, einer Heilpraktikererlaubnis nicht bedarf.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor, der Grundsatz der Unteilbarkeit der Heilpraktikererlaubnis sei vom Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich aufgegeben worden. Der Beklagte verkenne, dass sich das eigenständig abgrenzbare Berufsbild des Physiotherapeuten aus dem MPhG ergebe und in § 124 Abs. 1 SGB V, den Heilmittelrichtlinien sowie weiteren Rechtsvorschriften auf die physikalische Therapie als eigenständiger Tätigkeitsbereich verwiesen werde. Es sei daher kein Grund dafür ersichtlich, eine sektorale Heilpraktikererlaubnis nicht auf den Bereich der physikalischen Therapie zu beschränken. Angesichts der Ausbildungsinhalte verfüge ein Physiotherapeut auch über ausreichende differenzialdiagnostische Fähigkeiten, um in seinem Aufgabenbereich selbständig Patienten zu behandeln. Eine allumfassende Diagnose- und Behandlungskompetenz sei angesichts der gegenständlichen Beschränkung der beantragten Erlaubnis hierzu nicht erforderlich. Im Übrigen sei die Ausbildung des Physiotherapeuten in seinem Bereich jedenfalls gründlicher als diejenige des Heilpraktikers; dies gelte auch für das Erkennen möglicher Kontraindikationen. Die Annahme, gravierende medizinische Fehlvorstellungen könnten trotz der staatlich anerkannten Berufszulassung als Physiotherapeut bestehen, sei mit der Zielsetzung des MPhG nicht zu vereinbaren.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten einschließlich des bereits vom Verwaltungsgericht zugezogenen Sachverständigengutachten Prof. Dr. Pförringer vom 27.02.2008 und des vom Regierungspräsidium im Berufungszug vorgelegten Sachverständigengutachten Prof. Dr. Eisenmenger vom 02.06.2008, die beigezogenen Behördenakten des Beklagten sowie die aus Parallelverfahren stammenden Sachverständigengutachten von Prof. Dr. Schürer vom 13.05.2008 sowie von Prof. Dr. Bittmann vom 18.07.2008 verwiesen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht und den Beteiligten vorab übersandt worden sind.

Entscheidungsgründe:

Die vom Verwaltungsgericht zugelassene und den Anforderungen des § 124a Abs. 3 VwGO entsprechende Berufung hat teilweise Erfolg. Die Klage ist hinsichtlich des Hauptantrages zwar zulässig (I.); das Verwaltungsgericht hätte die Klage aber abweisen müssen, da dem Kläger der geltend gemachte Anspruch auf Erteilung einer gegenständlich beschränkten Heilpraktikererlaubnis nicht zusteht (II.). Der im Berufungsverfahren zulässiger Weise geltend gemachte Feststellungs-Hilfsantrag dagegen ist begründet (III.)

I. Die Klage ist im Hauptantrag zulässig.

Für den vom Kläger begehrten Erlass eines begünstigenden Verwaltungsakts ist die erhobene Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO statthafte Klageart. Auch die hierfür vorgeschriebenen Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt; insbesondere ist die Klagebefugnis gegeben, weil die Anspruchsgrundlage aus §§ 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 des Gesetzes über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (Heilpraktikergesetz) vom 17.02.1939 (RGBl. I S. 251, BGBl. III 2122-2; zuletzt geändert durch Gesetz vom 23.10.2001, BGBl. I S. 2702 - HeilprG -) i.V.m. § 2 Abs. 1 lit. i der Ersten Durchführungsverordnung zum Gesetz über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung vom 18.02.1939 (RGBl. I S. 259; zuletzt geändert durch Verordnung vom 14.12.2002, BGBl. I S. 4456 - 1. DVO-HeilprG -) ein Recht auf Erlaubniserteilung vermittelt, sofern ein gesetzlich normierter Versagungsgrund nicht vorliegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.01.1993 - 3 C 34/90 -, BVerwGE 91, 356).

Dem Kläger kommt auch ein Rechtsschutzbedürfnis für den geltend gemachten Anspruch zu, obwohl ihm bereits nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über die Berufe in der Physiotherapie vom 26.05.1994 (BGBl. I S. 1084; zuletzt geändert durch Gesetz vom 30.09.2008, BGBl. I S. 1910 - MPhG -) die Erlaubnis erteilt wurde, die Berufsbezeichnung "Physiotherapeut" zu führen. Einerseits ist nach gegenwärtiger Rechtslage bereits unsicher, ob mit dieser Erlaubnis auch die Berechtigung verbunden ist, entsprechende Behandlungen selbständig und ohne vorherige ärztliche Verordnung durchzuführen. Andererseits begehrt der Kläger mit der Erteilung einer Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz eine Erweiterung des ihm bislang zugesprochenen Rechtskreises.

II. Die Klage ist hinsichtlich der beantragten Erteilung einer beschränkten Heilpraktikererlaubnis aber nicht begründet.

Dem Kläger kommt der geltend gemachte Anspruch aus §§ 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 HeilprG i.V.m. § 2 Abs. 1 lit. i 1. DVO-HeilprG nicht zu. Die begehrte Heilpraktikererlaubnis kann bereits deshalb nicht erteilt werden, weil sich das Erfordernis der Heilpraktikererlaubnis aus systembedingten Gründen nicht auf die bereits durch § 1 Abs. 1 Nr. 2 MPhG erlaubten Tätigkeiten erstreckt und eine zusätzliche Heilpraktikererlaubnis für die Ausübung des gegenständlich beschränkten Tätigkeitsbereichs eines Physiotherapeuten daher nicht erforderlich ist (1.). Darüber hinaus fehlt es für die beantragte Teilerlaubnis an einer gegenständlichen Abgrenzbarkeit und an hinreichenden Rechtfertigungsgründen, um von einer eigenständigen Heilpraktikerüberprüfung abzusehen (2.).

1. Für die beabsichtigte, selbständige Berufsausübung als Physiotherapeut bedarf der Kläger keiner Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 HeilprG.

a) Voraussetzung für die Erteilung der begehrten Heilpraktikererlaubnis ist zunächst, dass die vom Kläger begehrte Tätigkeit eine Ausübung der Heilkunde darstellt; nur diese unterliegt der Erlaubnispflicht aus § 1 Abs. 1 HeilprG.

Nach der in § 1 Abs. 2 HeilprG enthaltenen Legaldefinition ist die Ausübung der Heilkunde jede berufs- und gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen, auch wenn sie im Dienste von anderen ausgeübt wird. Diese, sehr weite Begriffsbestimmung ist vom Bundesverwaltungsgericht indes im Hinblick auf das traditionelle Verständnis der Heilkunde und um die mit dem Erlaubniszwang verbundene Beschränkung der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht unverhältnismäßig auszudehnen, eingeschränkt worden. Ein wesentlicher Bestandteil des Begriffs "Ausübung der Heilkunde" ist demnach, dass die betreffende Behandlung ärztliche (oder heilkundliche) Fachkenntnisse erfordert (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.01.1966 - 1 C 73/64 -, BVerwGE 23, 140) und dass die Behandlung gesundheitliche Schäden verursachen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.11.1993 - 3 C 45/91 -, BVerwGE 94, 269; BVerfG, Urteil vom 24.10.2002 - 2 BvF 1/01 -, BVerfGE 106, 62 [106f.]). Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, so rechtfertigt der Gesetzeszweck, der Bevölkerung einen ausreichenden Rechtsschutz gegenüber Gesundheitsgefährdungen durch Unberufene zu geben, das Erfordernis der Erlaubniserteilung nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.06.1970 - 1 C 53/66 -, BVerwGE 35, 308). Dabei ist nach ständiger Rechtsprechung ein nur geringfügiges Gefahrenmoment nicht ausreichend, um die Erlaubnispflicht auszulösen; diese Rechtsfolge wäre für Verrichtungen, die keine nennenswerten Gesundheitsgefahren zur Folge haben können, unverhältnismäßig.

Heilhilfstätigkeiten, zu denen das Bundesverwaltungsgericht den Funktionsbereich der "medizinischen Masseure" ausdrücklich gezählt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.06.1970 - 1 C 53/66 -, BVerwGE 35, 308), erfüllen danach den Tatbestand der "Ausübung der Heilkunde" nicht. Die Berufsausübung erfordert hier nur eingeschränkt spezifisch heilkundlichen Fachkenntnisse und die Risiken durch die Behandlung eines auf die bestimmte Verrichtung spezialisierten Masseurs sind abschätzbar. Auch die selbständige Berufsausübung des Masseurs und medizinischen Bademeisters ohne ärztliche Anweisung unterfällt der Erlaubnispflicht nach dem Heilpraktikergesetz daher nicht (vgl. dazu Senatsurteil vom 19.03.2009 - 9 S 2518/08 - sowie Schnitzler, Das Recht der Heilberufe, 2004, S. 103 f. m.w.N.).

Anders erweist sich die Situation indes in Bezug auf die hier fragliche Tätigkeit eines Physiotherapeuten nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 MPhG. Hierfür bedarf es zunächst der in einer dreijährigen Ausbildung vermittelten Fachkunde (vgl. § 9 Satz 1 MPhG), die ausweislich der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Physiotherapeuten vom 06.12.1994 (BGBl. I S. 3786; zuletzt geändert durch Gesetz vom 02.12.2007, BGBl. I S. 2686 - PhysTh-APrV -) in erheblichem Umfang auch spezifisch heilkundliche Kenntnisse betrifft (vgl. Anlage 1 zu § 1 Abs. 1 PhysTh-APrV sowie die in § 12ff. MPhG aufgeführten Prüfungsfächer). Darüber hinaus sind mit der Ausübung physiotherapeutischer Behandlungstechniken auch nicht unbeträchtliche Gesundheitsgefahren verbunden (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 25.06.1970 - I C 53/66 -, BVerwGE 35, 308 für die Ausübung der Chiropraktik), deren Risiken nicht im einzelnen abschätzbar sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.11.1993 - 3 C 45/91 -, BVerwGE 94, 269), so dass bereits im Hinblick auf die unmittelbar tätigkeitsbezogenen Gesundheitsgefahren der Heilkundebereich im Sinne des § 1 Abs. 2 HeilprG bejaht werden muss.

Da der Kläger ausdrücklich selbständige und eigenverantwortliche Behandlungen durchführen will, kann auch nicht auf den bloßen Hilfscharakter entsprechender Verrichtungen verwiesen werden; die für eine derartige Annahme erforderliche Anordnung und Beaufsichtigung durch einen Arzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.06.1970 - I C 53/66 -, BVerwGE 35, 308) besteht gerade nicht.

b) Der Erlaubniszwang aus § 1 Abs. 1 HeilprG findet für Behandlungen aus dem Aufgabenkreis eines Physiotherapeuten aber keine Anwendung, wenn sie von einer Person ausgeführt werden, der bereits eine Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 MPhG erteilt wurde.

aa) Mit dem Erfordernis einer vorherigen Erlaubnis greift § 1 Abs. 1 HeilprG in die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsfreiheit ein. Dieser Erlaubniszwang ist angesichts des verfolgten Zwecks, die Patienten keinen ungeeigneten Heilbehandlern auszuliefern, nicht zu bestanden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.05.1988 - 1 BvR 482/84 u.a. -, BVerfGE 78, 179). Die Schutzwirkung des Grundrechts ist indes auch bei Auslegung und Anwendung der Vorschriften im Einzelfall zu berücksichtigen, um eine unverhältnismäßige Beschränkung der grundrechtlichen Freiheiten zu vermeiden. Der den Erlaubniszwang auslösende Begriff "Ausübung der Heilkunde" muss daher gegebenenfalls verfassungskonform restriktiv ausgelegt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 07.08.2000 - 1 BvR 254/99 -, NJW 2000, 2736).

Erweist sich die Erlaubnispflicht im Einzelfall als nicht geeignet oder erforderlich, um den mit dem Heilpraktikergesetz erstrebten Zweck des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung zu erreichen, oder ist die Beschränkung im Einzelfall als unverhältnismäßig zu bewerten, muss dem durch die Verwaltung und die Gerichte Rechnung getragen werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 02.03.2004 - 1 BvR 784/03 -, NJW-RR 2004, 705).

bb) Eine derartige Einschränkung des Anwendungsbereichs der Heilpraktikererlaubnis ist hier bereits aus Gründen der Systemgerechtigkeit geboten. Denn dass ein Physiotherapeut in seinem Tätigkeitsbereich über eine ausreichende Eignung verfügt, ist durch die Erteilung der Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 MPhG bereits festgestellt. Das Erfordernis einer zusätzlichen Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz erweist sich daher für Tätigkeiten, die bereits dem Aufgabenfeld des MPhG unterliegen, als nicht erforderlich (vgl. auch Dünisch/Bachmann, Das Recht des Heilpraktikerberufs und der nicht ärztlichen Heilkundeausübung, Stand: November 2000, § 1 HeilprG RdNr. 6.3.5; Stellungnahme des Saarländischen Ministeriums für Justiz, Gesundheit und Soziales vom 31.08.2007, Az. F 4; Bay.VG München, Urteil vom 22.03.2005 - M 16 K 03.1270 -).

Mit dem Erlass des MPhG sowie zahlreicher weiterer Spezialgesetze zu einzelnen Heilberufen hat der Gesetzgeber der Tatsache Rechnung getragen, dass sich im Feld der Heilberufe zahlreiche neue Berufsbilder ausdifferenziert haben, denen jeweils ein eigenständiges Aufgaben- und Tätigkeitsfeld mit dazugehörigen Fachkenntnissen zugeordnet werden kann. Die Weiterentwicklung und Spezialisierung der Heilkundebereiche bringt es dabei mit sich, dass auch in sog. Heilhilfsberufen Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt werden, die in der Ausbildung zum Arzt oder Heilpraktiker nicht zwingend enthalten sind. § 4 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über den Beruf der Hebamme und des Entbindungspflegers vom 04.06.1985 (BGBl. I S. 902 - HebG -) bestimmt daher, dass selbst Ärztinnen und Ärzte verpflichtet sind, dafür Sorge zu tragen, dass bei einer Entbindung eine Hebamme oder ein Entbindungspfleger zugezogen wird. Auch ohne derartige gesetzliche Vorbehaltsbestimmungen kann sich aus einer spezialgesetzlichen Berufszulassung - wie etwa derjenigen des Physiotherapeuten nach dem MPhG - aber ergeben, dass dem Erlaubnisinhaber ein bestimmter Tätigkeitsbereich als "spezialisierter Heilhilfsberuf" zugewiesen ist. Angesichts der Komplexität und Vielgestaltigkeit der unterschiedlichen Therapieformen eines Physiotherapeuten etwa liegt auf der Hand, dass die Ausübung in diesem Funktionsbereich dem Physiotherapeuten zugeordnet sein soll. Dementsprechend setzt auch die Zulassung entsprechender Leistungen im System der gesetzlichen Krankenversicherung eine entsprechende Ausbildung voraus (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 1 SGB V).

Dies gilt nach Auffassung des Senats im Falle des Physiotherapeuten auch für selbständige Tätigkeiten - also bei Behandlungen ohne vorherige ärztliche Verordnung. Der Senat teilt die vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (Urteil vom 21.11.2006 - 6 A 10271/06 -, MedR 2007, 496) vertretene Meinung nicht, das Berufsbild des MPhG umfasse nur Verrichtungen nach Maßgabe einer ärztlichen Diagnose. Weder dem MPhG selbst noch einer anderen ersichtlichen Rechtsbestimmung kann eine Beschränkung der Berufsausübung auf unselbständige, erst nach ärztlicher Verordnung zulässige Maßnahmen entnommen werden. Dies gilt auch für die in § 8 MPhG enthaltene Bestimmung, wonach die Ausbildung u.a. dazu befähigen soll, "Hilfen" zur Entwicklung, zum Erhalt oder zur Widerherstellung aller Funktionen im somatischen und psychischen Bereich zu geben (a.A. aber von der Twer, Die Rechtsstellung des Physiotherapeuten, 2001, S. 46). Denn die - vom Regelungsgehalt ohnehin nur das Ausbildungsziel betreffende - Bestimmung enthält nur eine Beschreibung des unterstützend angelegten Funktionsbereichs, nicht aber eine Einschränkung, die eine Berufsausübung im Einzelfall je von der Anweisung und Überwachung eines Arztes erforderlich machen würde. Selbständige Tätigkeiten sind damit zwar typischerweise Kennzeichen der akademischen Heilberufe, dies bedeutet indes nicht, dass dies für alle entsprechenden Berufe und Verrichtungen der Fall sein müsste. Beispielhaft sei erneut auf die Geburts-"Hilfe" verwiesen, die gemäß § 4 Abs. 1 HebG unstreitig von Hebammen und Entbindungspflegern selbständig erbracht werden darf. Ausschlaggebend ist damit nicht die Einordnung des Berufsfeldes in die - ohnehin wenig aussagekräftige - Kategorie der Heilhilfsberufe, sondern die jeweilige Ausgestaltung im Einzelfall.

Eine Einengung des Berufsfeldes des Physiotherapeuten auf unselbständige Tätigkeiten entspräche aber weder der Funktionsabgrenzung von Physiotherapeut und Arzt - der angesichts der erforderlichen Spezialkenntnisse die Verrichtungen eines Physiotherapeuten praktisch gar nicht kontrollieren kann (vgl. Sachverständigengutachten Prof. Dr. Bittmann vom 18.07.2008, S. 12 und 14) - noch dem Ausbildungscurriculum für Physiotherapeuten. Dies ergibt sich zunächst bereits aus der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Physiotherapeuten vom 06.12.1994 (BGBl. I S. 3786; zuletzt geändert durch Gesetz vom 02.12.2007, BGBl. I S. 2686 - PhysTh-APrV -), die - wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat - auch einen Unterricht von mindestens 100 Stunden in physiotherapeutischen Befund- und Untersuchungstechniken vorschreibt (vgl. Ziffer 15 der Anlage 1 zu § 1 Abs. 1 PhysTh-APrV). Der Physiotherapeut wird damit in seinem Tätigkeitsfeld auch zur eigenständigen Befunderhebung befähigt und hat diese Kenntnis im Rahmen des praktischen Teils der Prüfung unter Beweis zu stellen (vgl. § 14 Abs. 1 Nr. 3 PhysTh-APrV).

Die eigenständige Handlungsbefugnis entspricht überdies dem tatsächlichen Bild der Zusammenarbeit zwischen Arzt (oder Heilpraktiker) und Physiotherapeuten. Denn aus der ärztlichen Verordnung ergibt sich regelmäßig lediglich das Leitsymptom oder der Ort der Beschwerden, in der Praxis wird darüber hinaus vielfach von unspezifischen und wenig aussagekräftigen Diagnosen berichtet (vgl. etwa Richter, Vergleichsstudie zu Möglichkeiten der Einführung des Prinzips "First-Contact Practitioner bei deutschen Heilmittelerbringern, Diplomarbeit der Fachhochschule Nordhessen, 2007, S. 11 ff.; zur bloßen Zuordnung nach Indikationen auch § 92 Abs. 6 Nr. 2 SGB V). Eine eigenständige Befundung durch den nachfolgend agierenden Physiotherapeuten ist daher auch im Falle der vorangegangenen Tätigkeit eines Arztes oder Heilpraktikers regelmäßig erforderlich; schon um die konkret erfolgversprechende Therapieform und -intensität herausfinden zu können (vgl. Sachverständigengutachten Prof. Dr. Bittmann vom 18.07.2008, S. 3). Die Annahme, selbständige Tätigkeiten, die mit einer eigenständigen Diagnose verbunden sind, seien dem Berufsfeld des Physiotherapeuten fremd, entspricht daher nicht der in der Praxis anzutreffenden Lebenswirklichkeit. Die Entwicklung des jeweiligen Behandlungskonzepts setzt vielmehr eigenständige Entscheidungen des Physiotherapeuten voraus, in die eine Vielzahl von differentialdiagnostischen Erwägungen einfliesen (vgl. Sachverständigengutachten Prof. Dr. Schürer vom 13.05.2008, S. 7). Für die Entscheidung über die richtige physikalische Behandlungsweise dürfte dem Arzt oder Heilpraktiker im Übrigen auch die Fachkunde fehlen, weil hierfür kein Heilkundewissen, sondern spezielle Erkenntnisse aus dem Bereich der Physiotherapie erforderlich sind. Die vom Beklagten angenommene Überwachung und Verantwortung der Hilfstätigkeiten dürfte daher fiktiv sein (vgl. auch Sachverständigengutachten Prof. Dr. Bittmann vom 18.07.2008, S. 12 und 14).

cc) Das Erfordernis einer ärztlichen Verordnung ergibt sich daher nicht aus dem Berufsrecht, es entstammt vielmehr dem Leistungsrecht der Krankenversicherungen. Das System der gesetzlichen Krankenversicherung sieht nach §§ 15 Abs. 1 Satz 2, 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V eine Erstattung für die Behandlung durch einen Physiotherapeuten nur vor, wenn sie vom Arzt (oder Zahnarzt) angeordnet und von ihm verantwortet worden ist. Diesem Ansatz folgt grundsätzlich auch das Leistungsrecht der privaten Krankenversicherung (und damit korrespondieren regelmäßig auch das Beihilferecht), allerdings mit dem Unterschied, dass hier grundsätzlich auch eine Verordnung durch den Heilpraktiker für ausreichend erklärt wird (vgl. § 4 Abs. 3 der Musterbedingungen des Verbandes der privaten Krankenversicherung MB/KK). Die Einbeziehung des Physiotherapeuten in das Erstattungssystem der Krankenversicherung setzt daher eine vorherige Verordnung durch einen Arzt (oder Heilpraktiker im Falle der privaten Krankenversicherung) voraus.

Die Vorschriften des SGB V und die Richtlinien zur Erstattungsfähigkeit von Heilbehandlungskosten enthalten indes keine Aussagen zur Gefährlichkeit entsprechender Behandlungen ohne vorherige ärztliche Verordnung; sie regeln vielmehr nur das Rechtsverhältnis zwischen der Krankenversicherung und dem Versicherten und bezwecken vorrangig eine Kostenkontrolle (vgl. § 92 Abs. 1 Satz 1 SGB V: "ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten"). Der Regelungszweck der im SGB V enthaltenen Leistungskataloge ist daher maßgeblich von finanzwirtschaftlichen Erwägungen geprägt (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 06.12.2005 - 1 BvR 347/98 -, BVerfGE 115, 25), so dass den Vorschriften - und damit auch dem dort angeordneten Erfordernis einer vorherigen Anordnung durch einen Arzt oder Heilpraktiker - für die hier ausschlaggebende Fragestellung der Gefahrenabwehr keine Aussagekraft zukommt.

Die vorhandenen Sachverständigengutachten Prof. Dr. Pförringer vom 27.02.2008, Prof. Dr. Schürer vom 13.05.2008 und Prof. Dr. Bittmann vom 18.07.2008 belegen indes, dass ein nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 MPhG zugelassener Physiotherapeut über ausreichende Sachkunde und Befähigungsnachweise verfügt, um eigenständige Behandlungen vornehmen zu können. Jedenfalls bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme einer Gefahrenlage, die das Erfordernis eine zusätzlichen Präventiverlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz rechtfertigen könnte. Die für das beschränkte Tätigkeitsspektrum erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten waren vielmehr bereits Gegenstand einer staatlichen Zulassungsprüfung (vgl. dazu auch BVerwG, Urteil vom 21.12.1995 - 3 C 24/94 -, BVerwGE 100, 221), mit deren erfolgreichem Abschluss der Erlaubnisinhaber nachgewiesen hat, dass er den beruflichen Anforderungen in Theorie und Praxis gewachsen ist. Es ist daher bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise der Schluss gerechtfertigt, dass der Patient durch die Behandlung eines Physiotherapeuten selbst unmittelbar keinen Schaden nimmt (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.12.1993 - 3 C 45/91 -, BVerwGE 94, 269).

Aus dem im Berufungsverfahren vorgelegten Sachverständigengutachten Prof. Dr. Eisenmenger vom 02.06.2008 ergibt sich nichts anderes. Dies folgt zunächst schon daraus, dass der Gegenstand dieser Begutachtung nur die Tätigkeit eines Masseurs und medizinischen Bademeisters betraf (vgl. S. 1 des Gutachtens). Insbesondere aber sind die Ausführungen auch inhaltlich nicht auf die selbständige Tätigkeit im Anwendungsbereich des MPhG, sondern auf die sektorale Ausübung der Heilkunde bezogen. Die in dem Gutachten aufgeworfenen Fragen hinsichtlich der Qualifikation für operative Eingriffe, Injektionen und Narkosen sind daher für die vorliegend relevante Fragestellung nicht einschlägig.

Schließlich ist auch nicht zu verkennen, dass der praktisch relevante Anwendungsfall eigenständiger Verrichtungen durch einen Physiotherapeuten in der Konstellation liegen dürfte, dass die zunächst von einem Arzt verordnete Behandlung angesichts der Budgetierung der Krankenversicherung nach zweimaliger Verschreibung nicht mehr verlängert wird. Insoweit wird der Physiotherapeut zwar hinsichtlich der nunmehrigen Behandlungen selbständig und ohne vorherige ärztliche Verordnung tätig; die Diagnose und der Ausschluss möglicher Kontraindikationen sind aber gleichwohl vorab - im Rahmen der vorangegangen Verordnungen - durch einen Arzt gestellt und geprüft worden.

dd) Das zusätzliche Erfordernis einer Heilpraktikererlaubnis lässt sich indes auch nicht durch die Gefahr mittelbarer Gesundheitsgefährdungen begründen, die sich dadurch ergeben könnten, dass eine umfassende heilkundliche Begutachtung vor der eigenständigen Verrichtung eines Physiotherapeuten fehlt.

Bei Ausübung eines Heilberufes durch Nichtärzte sind stets die Gefahren im Auge zu behalten, die sich daraus ergeben können, dass ein Patient medizinisch gebotene Hilfe nicht oder nicht rechtzeitig in Anspruch nimmt. Die Abwehr mittelbarer Gesundheitsgefahren verlangt daher von denjenigen, die einen nichtärztlichen Heilberuf ausüben, dass sie im Fall von Erkrankungen, die eine ärztliche Behandlung erforderlich machen, dieser nicht im Wege stehen (vgl. Senatsbeschluss vom 02.10.2008 - 9 S 1782/08 -, NJW 2009, 458). Hierzu ist zwar nicht erforderlich, dass sie alle in ihrem Tätigkeitsfeld in Betracht kommenden Krankheiten präzise diagnostizieren können; wohl aber, dass sie über ausreichende Symptomkenntnisse verfügen, um Erkrankungen, deren Behandlung außerhalb ihres Betätigungsfeldes liegt, erkennen und einer ärztlichen Untersuchung zuführen können. Maßstab, um eine Verhinderung oder Verzögerung fachgerechter medizinischer Behandlungen sicherstellen zu können, ist daher, dass der Erstbehandler ernsthafte Krankheiten erkennen und aus dem eigenen Behandlungsspektrum herausfiltern kann. Die Zuordnung zu einem bestimmten Krankheitsbegriff und die Unterscheidung von anderen Erkrankungen dagegen obliegt dem Arzt (der hierfür ggf. selbst an spezialisierte Fachärzte überweisen muss).

Angesichts der mit der Zulassung zum Physiotherapeuten nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 MPhG verbundenen Fachausbildung ist der Senat davon überzeugt, dass staatlich geprüfte Physiotherapeuten dazu in der Lage sind, berufsfeldrelevante Leitsymptome zu erkennen. Dies wird durch die Lehr- und Prüfungsinhalte der PhysTh-APrV und die vorliegenden Sachverständigengutachten bestätigt. Es ist auch davon auszugehen, dass ein verantwortungsbewusster Physiotherapeut bei Vorliegen unklarer oder von ihm nicht zuordenbarer Beschwerden seinen Patienten zunächst an einen Arzt zur weiteren Abklärung verweist. Anhaltspunkte dafür, dass außerhalb des physiotherapeutischen Behandlungsbereichs liegende Beschwerden tendenziell falsch zugeordnet und eigenständig behandelt werden könnten, sind nicht ersichtlich. Es erscheint vielmehr plausibel, dass entsprechend symptomatisch auftretende Beschwerden gerade durch die Berufserfahrung eines Physiotherapeuten aufgedeckt und einer ärztlichen Untersuchung zugeführt werden können (vgl. Sachverständigengutachten Prof. Dr. Bittmann vom 18.07.2008, S. 6 sowie BVerfG, Beschluss vom 07.08.2000 - 1 BvR 254/99 -, NJW 2000, 2736 für die Tätigkeit eines Augenoptikers).

Hinreichende Rechtfertigungsgründe dafür, warum der gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 MPhG zugelassene Physiotherapeut zur selbständigen Ausübung seines Berufs zusätzlich einer Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz bedarf, sind damit nicht ersichtlich, sodass sich die Erlaubnispflicht als unverhältnismäßige Beschränkung der Berufsausübung darstellt. Dies gilt umso mehr, als nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei lediglich mittelbaren Gefahren für die zu schützenden Gemeinwohlbelange der Gesundheit der Bevölkerung Eingriffe in die Berufswahlfreiheit nur unter strengen Verhältnismäßigkeitserwägungen zulässig sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.06.2004 - 2 BvR 1802/02 -, BVerfGK 3, 234). Davon, dass die Gefahr einer sachgemäßen und den eigenen Tätigkeitsbereich überschreitenden Behandlung von Physiotherapeuten hinlänglich wahrscheinlich wäre und dass gerade das Mittel der zusätzlichen Heilpraktikererlaubnis eindeutig erfolgversprechend sein könnte, kann nach gegenwärtiger Erkenntnislage indes nicht ausgegangen werden. Vielmehr steht nicht zu erwarten, dass die Heilpraktikerprüfung dazu führt, dass der Physiotherapeut die Funktionsgrenzen seines Aufgabengebietes besser erkennt und einhält. Dies zu gewährleisten ist eine Aufgabe der Physiotherapeutenausbildung.

In Anbetracht dieser Sachlage geht der Senat deshalb davon aus, dass der Erlaubniszwang aus § 1 Abs. 1 HeilprG für Behandlungen aus dem Aufgabenkreis eines Physiotherapeuten keine Anwendung findet, wenn sie von einer Person ausgeführt werden, der bereits eine Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 MPhG erteilt wurde.

2. Soweit - unabhängig von der selbständig bestehenden Befugnis, Tätigkeiten im Aufgabenfeld des Physiotherapeuten verrichten zu dürfen - die Erteilung einer Heilpraktikererlaubnis begehrt wird, sind die Zulassungsvoraussetzungen nicht erfüllt.

a) Dies ergibt sich bereits daraus, dass eine gegenständliche oder sektorale Abgrenzung der Heilkunde auf "den Bereich der physikalischen Therapie im Sinne des § 8 MPhG" nicht möglich erscheint.

Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht die Erteilung einer auf das Gebiet der Psychotherapie beschränkten Heilpraktikererlaubnis für zulässig und erforderlich erachtet (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.01.1993 - 3 C 34/90 -, BVerwGE 91, 356). Die hierfür maßgeblichen Erwägung, dass sich die Psychotherapie als spezielle und eigenständige heilkundliche Tätigkeit erst nachträglich ausdifferenziert habe, lässt sich auf die vorliegende Fallgestaltung indes nicht übertragen (vgl. auch Erdle/Becker, Recht der Gesundheitsfachberufe und Heilpraktiker, Stand: Mai 2008, § 1 HeilprG RdNr. 10; VG Koblenz, Urteil vom 06.02.2006 - 3 K 855/05 -; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 22.08.2007 - 7 K 2003/05 - sowie Stellungnahme des Bundesministeriums für Gesundheit vom 04.12.2007, Az. 316-4334-0/1). Denn das in Rede stehende Tätigkeitsfeld des Physiotherapeuten ist in gegenständlicher Hinsicht nicht hinreichend abgrenzbar und aus dem allgemeinen Feld der Heilkunde ausdifferenziert (vgl. zu diesem Maßstab auch OVG Bremen, Urteil vom 20.12.2005 - 1 A 260/04 -, NordÖR 2006, 171; OVG Nordhrein-Westfalen, Urteil vom 13.08.1998 - 13 A 1781/96 -, DVBl 1999, 1052).

Anders als im Falle des Psychotherapeuten geht es nicht um spezielle heilkundliche Bereiche, für welche die allgemeinen heilkundlichen Grundkenntnisse einschließlich der Kenntnisse im Bereich der Anatomie, Physiologie, Pathologie und Arzneimittelkunde in der Praxis nicht erforderlich oder verwertbar sind (wie dies das Bundesverwaltungsgericht für den Psychotherapeuten angenommen hat). Ein Blick auf die Ausbildungs- und Prüfungsinhalte des MPhG verdeutlicht vielmehr, dass die genannten Kenntnisse auch für Physiotherapeuten von erheblicher Bedeutung sind und mit hohem Zeitaufwand geschult und unterrichtet werden. Unstreitig gehört das Aufgabenfeld der Physiotherapeuten auch grundsätzlich zur allgemeinen Heilkunde, so dass insoweit von einer speziellen Ausgliederung nicht ausgegangen werden kann. Im Gegensatz zu der in Bezug genommenen Entwicklung im Bereich des Psychotherapeuten hat sich daher in der Praxis kein "selbständiger Zweig" der Heilkunde ausdifferenziert, der mit der Erteilung einer beschränkten Heilpraktikererlaubnis nachvollzogen werden könnte.

Selbst wenn man eine derartige Abspaltung vornehmen wollte, ließe sich diese jedenfalls nicht auf den beantragten Bereich der physikalischen Therapie nach § 8 MPhG begrenzen. Denn in heilkundlicher Hinsicht gehört die Mehrzahl der Tätigkeiten aus diesem Aufgabenbereich zum Fachbereich der Orthopädie (vgl. Sachverständigengutachten Prof. Dr. Pförringer vom 27.02.2008, S. 3; Richter, Vergleichsstudie zu Möglichkeiten der Einführung des Prinzips "First-Contact Practitioner bei deutschen Heilmittelerbringern, Diplomarbeit der Fachhochschule Nordhessen, 2007, S. 39), so dass allenfalls eine auf dieses Gebiet beschränkte Spezialerlaubnis denkbar erscheint (vgl. auch Senatsurteil vom 25.07.1997 - 9 S 558/97 -). Dass hierfür aber mit der Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 MPhG nicht notwendig alle erforderlichen Kenntnisse vermittelt sind, liegt angesichts des über den Bereich der physikalischen Therapie hinausgehenden Heilkunde-Teilbereichs auf der Hand.

Schließlich hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung zutreffend darauf hingewiesen, dass die Annahme einer gegenständlich abgrenzbaren Heilpraktikererlaubnis dazu führt, dass eine eigenständige Heilpraktikerüberprüfung für diese Teilerlaubnis eingerichtet und angeboten werden müsste. Denn wenn die Heilpraktikererlaubnis sektoral aufgespalten werden kann, gilt dies grundsätzlich unabhängig von der nach dem Heilpraktikergesetz gerade nicht maßgebenden, zuvor erworbenen Berufsqualifikation. Für die Fälle, in denen eine Gefahr für die Volksgesundheit nicht bereits durch das Vorhandensein einer entsprechenden staatlichen Abschlussprüfung verneint werden kann, wäre daher eine reduzierte Heilpraktikerüberprüfung für den gegenständlich begrenzten Tätigkeitsbereich erforderlich - wie dies gegenwärtig bereits im Bereich der Psychotherapie durch den Beklagten praktiziert wird. Die weitere Aufsplitterung der Heilpraktikererlaubnis führte daher im Ergebnis zur Einführung oder jedenfalls Ausdehnung der sektoralen "Kurierfreiheit", was dem Anliegen des Heilpraktikergesetzes diametral entgegensteht und mit dem Standard anderer europäischer Staaten kaum in Einklang gebracht werde kann.

b) Unabhängig hiervon ist auch nicht ersichtlich, warum der Kläger für die von ihm beantragte Heilpraktikererlaubnis von der in § 2 Abs. 1 lit. i 1. DVO-HeilprG hierfür vorgeschriebenen Überprüfung freizustellen sein sollte.

Zwar hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Forderung einer eigenständigen Heilpraktikerprüfung unangemessen erscheinen kann, wenn eine solche Prüfung mit der Tätigkeit, die der Beschwerdeführer auszuüben beabsichtigt, kaum noch in einem erkennbaren Zusammenhang steht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.06.2004 - 2 BvR 1802/02 -, BVerfGK 3, 234). Davon, dass die geforderten Kenntnisse in Anatomie, Physiologie, Pathologie, Diagnostik und Therapie bei der Berufstätigkeit des Klägers nicht verwertet werden könnten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 02.03.2004 - 1 BvR 784/03 -, NJW-RR 2004, 705) kann im Falle des Physiotherapeuten indes nicht die Rede sein. Anders als in den vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fällen des "Geistheilers" oder Psychotherapeuten besteht vorliegend ein ausreichender Zusammenhang zum beabsichtigten Tätigkeitsfeld des Klägers, sodass von einer Unzumutbarkeit der Prüfung nicht ausgegangen werden kann. Vielmehr berühren die in Nr. 4.3 Heilpr-RL geforderten Kenntnisse und Fähigkeiten die beabsichtigte Tätigkeit unmittelbar (vgl. dazu auch Senatsbeschluss vom 10.07.2006 - 9 S 519/06 -).

Umgekehrt ist im Sachverständigengutachten Prof. Dr. Eisenmenger vom 02.06.2008 zu Recht auf die Problematik hingewiesen worden, dass ein Heilpraktiker in seinem Tätigkeitsfeld, abgesehen von den dem ärztlichen Beruf vorbehalten Tätigkeiten, die gesamte Heilkunde ausüben darf und damit grundsätzlich auch befugt ist, Injektionen zu verabreichen, operative Eingriffe vorzunehmen und Narkosen durchzuführen. Weder hinsichtlich der hierfür erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten noch im Hinblick auf die für derartige Eingriffe erforderliche Diagnosetätigkeit liegen mit der Ausbildung zum Physiotherapeuten aber ausreichende Nachweise vor, die eine Heilpraktikerüberprüfung als überflüssig oder unzumutbar erscheinen lassen könnten.

Will ein Physiotherapeut also sein durch die Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 MPhG bereits bestehendes Berufsfeld erweitern, so ist ihm im Interesse der Volksgesundheit auch zumutbar, sich der für das angestrebte Tätigkeitsfeld erforderlichen Überprüfung zu unterziehen. Dass hierfür bereits bestehende Nachweise berücksichtigt werden können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.05.1988 - 1 BvR 482/84 u.a. -, BVerfGE 78, 179; dazu auch Horn, NdsVBl 2003, 201), steht vorliegend nicht im Streit. In Abgrenzung zu der vom Kläger herangezogenen Fallgruppe der Psychotherapeuten ist indes auch nicht zu übersehen, dass diese ein abgeschlossenes Hochschulstudium und eine nachfolgende Therapeutenausbildung von mindestens 3 Jahren absolviert haben (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 PsychThG), während Voraussetzung für die Erlaubnis, die Berufsbezeichnung Physiotherapeut zu führen, lediglich eine nach Realschulabschluss durchgeführte Ausbildung von 3 Jahren ist (vgl. §§ 9 Satz 1, 10 Nr. 2 MPhG).

III. Das mit dem Hilfsantrag verfolgte Feststellungsbegehren ist zulässig und begründet.

Der in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht erstmals gestellte Hilfsantrag bewirkt zwar eine Änderung des Streitgegenstands, diese ist gemäß §§ 125 Abs. 1 Satz 1, 91 Abs. 1 VwGO indes auch noch im Berufungsverfahren zulässig, weil der Beklagte ausdrücklich in sie eingewilligt und sich auf die geänderte Klage eingelassen hat. Im Übrigen hält der Senat die Klageänderung auch für sachdienlich, da sie zur endgültigen Erledigung des Streitstoffes beiträgt und die Bescheidung neue Rechts- oder Tatsachenfragen nicht aufwirft. Auch das erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben, weil der Kläger sich bei selbständiger Behandlung ohne vorherige ärztliche Verordnung dem Risiko einer Strafbarkeit aus § 5 HeilprG aussetzt.

Die Klage ist auch begründet. Wie unter Gliederungsziffer II.1 bereits dargelegt, findet der Erlaubniszwang aus § 1 Abs. 1 HeilprG für Behandlungen aus dem im Tenor benannten Aufgabenkreis eines Physiotherapeuten keine Anwendung, wenn sie von einer Person ausgeführt werden, der bereits eine Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 MPhG erteilt wurde.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Die Revision wird zugelassen, weil die angenommene Entbehrlichkeit einer Heilpraktikererlaubnis für bereits nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 MPhG zugelassene Physiotherapeuten ebenso wie die Frage der gegenständlichen Teilbarkeit einer Heilpraktikererlaubnis grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat.

Beschluss vom 19. März 2009

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 15.000,-- EUR festgesetzt (vgl. §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 14.1 des Streitwertkatalogs 2004 der Verwaltungsgerichtsbarkeit).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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