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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 09.08.2002
Aktenzeichen: 9 S 1573/02
Rechtsgebiete: ÄAppO


Vorschriften:

ÄAppO § 18
Ist dem Prüfer vor Beginn der mündlichen Prüfung die Erkrankung des Prüflings offensichtlich, so muss er die Frage der Prüfungsfähigkeit von sich aus ansprechen; er muss den Prüfling - gegebenenfalls nochmals - über die Möglichkeit des Rücktritts belehren und ihm deutlich machen, dass das Rücktrittsrecht verloren geht, wenn er sich der Prüfung gleichwohl unterzieht.
9 S 1573/02

VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

In der Verwaltungsrechtssache

wegen

Rücktritt von der ärztlichen Vorprüfung

hier: Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz

hat der 9. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Schwan, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Gerstner-Heck und den Richter am Verwaltungsgerichtshof Prof. Dr. Rennert

am 09. August 2002

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 04. Juli 2002 - 1 K 1068/02 - wird zurückgewiesen.

Der Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für beide Rechtszüge - für den ersten Rechtszug insoweit in Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts - auf jeweils 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Mit Recht hat das Verwaltungsgericht es abgelehnt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Antragstellerin - vorläufig - am mündlichen Teil der Ärztlichen Vorprüfung erneut teilnehmen zu lassen. Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, einen Anspruch auf Genehmigung des erklärten Rücktritts von diesem Prüfungsteil zu haben (§ 123 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO).

Allerdings durfte die Antragstellerin ihren Rücktritt auf den mündlichen Teil der Ärztlichen Vorprüfung beschränken (vgl. hierzu BVerwG, Urt. vom 06.09.1995 - 6 C 16.93 -, BVerwGE 99, 172 <178>). Der Rücktritt bedarf jedoch der Genehmigung des Antragsgegners, die nur zu erteilen ist, wenn für den Rücktritt wichtige Gründe vorliegen und wenn der Rücktritt unverzüglich erklärt wurde (vgl. § 18 Abs. 1 ÄAppO). Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass für ihren Rücktritt wichtige Gründe vorlagen. Sie hat jedoch nicht glaubhaft gemacht, den Rücktritt unverzüglich erklärt zu haben. Vielmehr hat sie den Rücktritt erst nach dem Ende der mündlichen Prüfung erklärt, obwohl ihr ihre Erkrankung bereits vor Beginn der Prüfung bekannt und ihre Prüfungsunfähigkeit bewusst war. Damit hat sie sich der Prüfung im Bewusstsein des damit verbundenen Risikos unterzogen. Ein späterer Rücktritt von der Prüfung war dann aber nicht mehr möglich.

Das hat das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt; hierauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Ergänzend bemerkt der Senat lediglich, dass sich auch aus der Fürsorgepflicht des Prüfers nichts anderes ergibt. Allerdings muss ein Prüfling vor Beginn der Prüfung auf seine Obliegenheit hingewiesen werden, etwa bestehende Prüfungshindernisse zu offenbaren, andernfalls er mit späteren Rügen ausgeschlossen ist. Der Senat lässt offen, ob die Prüfungsbehörde dieser Belehrungspflicht in allen Fällen schon dadurch genügt, dass dem Prüfling mit der Ladung zur Prüfung ein dahingehendes Merkblatt zugestellt wird. Der vorliegende Fall liegt deshalb besonders, weil den Prüfern - beides Ärzte - nach eigenem Bekunden die Erkrankung der Antragstellerin vor Beginn der Prüfung "offensichtlich" war. Jedenfalls in solchen Fällen muss der Prüfer die Frage der Prüfungsfähigkeit vor der Prüfung von sich aus ansprechen; er muss den Prüfling - gegebenenfalls nochmals - über die Möglichkeit des Rücktritts belehren und ihm deutlich machen, dass das Rücktrittsrecht verloren geht, wenn der Prüfling sich der Prüfung gleichwohl unterzieht. Das gebietet seine Fürsorgepflicht für den Prüfling. Diesen Anforderungen wurde im vorliegenden Fall jedoch genügt. Ausweislich der Stellungnahme der Prüfer hat die Antragstellerin vor Beginn der Prüfung erklärt, dass sie Antibiotika genommen habe und "die Prüfung durchziehen wolle". Damit wurde die Frage ihrer Erkrankung und die Möglichkeit, die Prüfung jetzt nicht zu absolvieren, ausdrücklich angesprochen.

Erstmals mit der Beschwerde macht die Antragstellerin geltend, erst während der Prüfung prüfungsunfähig geworden zu sein. Zwar sei sie schon zu Beginn der Prüfung krank gewesen; doch habe dies ihre Prüfungsunfähigkeit allenfalls beeinträchtigt, aber noch nicht beseitigt. Erst im Verlaufe der Prüfung habe sich ihr Zustand plötzlich verschlechtert, so dass sie nunmehr prüfungsunfähig gewesen sei. Das hat sie jedoch nicht glaubhaft gemacht. Aus den vorliegenden Attesten ergibt sich hierfür nichts. Dabei besteht Anlass zu der Bemerkung, dass kein Fall des Eintritts der Prüfungsunfähigkeit während der laufenden Prüfung vorliegt, wenn der kranke Prüfling zu Beginn der Prüfung die Dauer seiner Konzentrationsfähigkeit lediglich überschätzt. Wer sich in Kenntnis der eigenen Erkrankung einer Prüfung unterzieht, trifft eine bewusste Risikoentscheidung; das schließt das Risiko ein, dass die Konzentrationsfähigkeit infolge der Erkrankung während der Prüfung abnimmt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 25 Abs. 2, § 20 Abs. 3, § 14, § 13 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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