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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 16.08.2004
Aktenzeichen: 9 S 1794/04
Rechtsgebiete: GG, SchulG, VwGO


Vorschriften:

GG Art. 28 Abs. 2
SchulG § 28 Abs. 1
SchulG § 38 Abs. 1
SchulG § 40
SchulG § 48
VwGO § 42 Abs. 2
VwGO § 123
1. Die Regelungen in § 40 SchulG sind verfahrensrechtlicher Art, die die interne Mitwirkungsbefugnis des Schulträgers bei der Besetzung einer Schulleiterstelle zum Inhalt haben.

2. Verfahrensvorschriften durch die die Art und Weise geregelt wird, in der ein Dritter Rechte oder Interessen geltend zu machen hat oder diese von der Behörde zu ermitteln sind, bezwecken grundsätzlich allein den Schutz desjenigen materiellen Rechts, auf das sich das vorgeschriebene Verfahren bezieht. Sie begründen in aller Regel keine selbständig durchsetzbare verfahrensrechtliche Position des Mitwirkungsberechtigten (st. Rspr.).

3. Die Beteiligung des Schulträgers bei der Bestellung des Schulleiters einer Grund- und Hauptschule begründet - auch in Ansehung des Selbstverwaltungsrechts des kommunalen Schulträgers- keine einklagbare Rechtsposition der Gemeinde.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

9 S 1794/04

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Besetzung einer Schulleiterstelle

hier: Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz

hat der 9. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Schwan und die Richter am Verwaltungsgerichtshof Wiegand und Gaber

am 16. August 2004

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 29. Juli 2004 - 2 K 1606/04 - wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser auf sich behält.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin, der Schulträgerin für die Grund- und Hauptschule xxxxxxxxx, ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht den Antrag der Antragstellerin abgelehnt, dem Antragsgegner vorläufig zu untersagen, die Rektorenstelle der Grund- und Hauptschule xxxxxxxxx ohne vorherige Mitwirkung der Antragstellerin zu besetzen. Der Antragstellerin fehlt für den geltend gemachten Anspruch auf vorläufige Sicherung ihres aus § 40 Abs. 1 SchulG abgeleiteten Mitwirkungsrechts die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche Antragsbefugnis.

Das Gericht kann auf Antrag auch schon vor Klagerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Ein auf eine solche Sicherungsanordnung gerichteter Antrag ist im subjektiv rechtlich ausgestalteten Rechtsschutzsystem der Verwaltungsgerichtsordnung jedoch nur dann zulässig, wenn der Antragsteller antragsbefugt ist (§ 42 Abs. 2 VwGO analog; vgl. Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 123 RdNr. 107). Es muss um ein subjektives Recht des Antragstellers gehen, das infolge des Handelns oder Unterlassens des Antragsgegners möglicherweise verletzt wird (Happ in Eyermann, VwGO, 11. Aufl., § 123 RdNr. 41). Ein subjektives, mit einer verwaltungsgerichtlichen Klage verfolgbares und damit im einstweiligen Anordnungsverfahren sicherbares Recht auf Mitwirkung bei der Besetzung der Stelle eines Schulleiters bei einer Grund- und Hauptschule hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht.

Das Schulgesetz für Baden-Württemberg in seiner gegenwärtigen Fassung (Änderungsgesetz vom 01.04.2004; GBl. S. 178) räumt dem Schulträger bei der Besetzung der Schulleiterstellen ein Mitwirkungsrecht ein (§ 40 Abs. 1 Nr. 2 SchulG). Danach unterrichtet die obere Schulaufsichtsbehörde vor der Ernennung des Schulleiters den Schulträger über alle eingegangenen Bewerbungen und erteilt über alle Bewerber weitere für die Frage der Eignung sachdienliche Informationen (§ 40 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SchulG). Nach § 40 Abs. 3 SchulG ist der Schulträger berechtigt, Besetzungsvorschläge zu machen und die obere Schulaufsichtsbehörde hat sich nach Abs. 4 der Vorschrift mit dem Schulträger ins Benehmen zu setzen, falls sie seinem Vorschlag nicht entspricht. Auf Verlangen eines Beteiligten findet eine mündliche Erörterung statt und für den Fall, dass eine Einigung nicht zustande kommt, entscheidet die oberste Schulaufsichtsbehörde über die Besetzung der Schulleiterstellen (§ 40 Abs. 4 Sätze 2 und 3 SchulG).

§ 40 SchulG stellt somit eine verfahrensrechtliche Vorschrift dar, die die interne Mitwirkungsbefugnis u.a. des Schulträgers bei der Besetzung der Schulleiterstelle zum Inhalt hat (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 11.11.1993 - 4 S 2400/93 -, IÖD 1994, 60). Ob diese Regelung, wie die Antragstellerin vorträgt und die Antragsgegnerin bestreitet, nicht nur für den Fall der Ernennung eines Schulleiters und dem Vorhandensein mehrerer Bewerber um dieses Amt, sondern auch - wie hier - bei der Versetzung eines Schulleiters Platz greift, muss nicht entschieden werden (ebenso offen gelassen in VGH Bad.Württ., Beschluss vom 25.01.1994 - 4 S 3054/93 -). Allerdings spricht manches dafür, auch die Besetzung der Schulleiterstelle durch einen Versetzungsbewerber - ohne Auswahlverfahren - der Mitwirkung von Schulkonferenz und Schulträger zu unterwerfen. Der Wortlaut der Regelung legt dies nahe. So spricht sowohl die Überschrift des § 40 SchulG von der Mitwirkung der Schulkonferenz und des Schulträgers bei der Besetzung der Schulleiterstelle und diese Formulierung wird in Absatz 1 der Bestimmung wiederholt. Wie diese Mitwirkung im einzelnen gestaltet ist, wird in den folgenden Absätzen näher geregelt. Wenn dort die Formulierung gewählt wird, "vor der Ernennung des Schulleiters", so muss darunter - entgegen der Ansicht des Antragsgegners - nicht zwingend eine beamtenrechtliche Ernennung im Sinne des § 9 LBG verstanden werden. Auch wenn § 40 Abs. 2 Satz 2 SchulG die obere Schulaufsichtsbehörde verpflichtet, sachdienliche Informationen "über alle Bewerber" zu erteilen, so setzt dies nicht zwangsläufig voraus, dass es mehrere Bewerber geben muss, denn Sinn und Zweck der Regelung des § 40 SchulG kann auch darin gesehen werden, dem Schulträger zu ermöglichen, sich auch zur Person eines einzigen Bewerbers oder zu dem von der Schulaufsichtsbehörde in den Blick genommenen zu versetzenden Beamten zu äußern. Dies kann je nach Sachlage zu einer anderweitigen Entscheidung der Schulaufsichtsbehörde oder zu einer Ausschreibung oder Neuausschreibung der Stelle führen. Auch die Entstehungsgeschichte der Mitwirkungsregelung, die in ihrer jetzigen Gestalt 1993 geschaffen wurde, lässt ihre Anwendung auf den Versetzungsfall zu. In der amtlichen Begründung der Zielsetzung des Gesetzes heißt es (Drucksache 11/1759 S. 1 A 1.), die Mitwirkungsrechte der am Schulleben Beteiligten sollen gestärkt werden. Diesem Ziel dienen insbesondere die Einräumung von mehr Mitsprachemöglichkeiten der Schulkonferenz bei der Gestaltung der Schule als Lebensraum, die Stärkung der Beteiligungsrechte der Schulkonferenz und des Schulträgers bei der Schulleiterbestellung und die Einführung eines Landesschülerbeirats. Begründet hat der Gesetzgeber die Änderung in § 40 SchulG (Landtagsdrucksache a.a.O. S. 12/13 A. II) u.a. damit, dass nach dem Grundgesetz und der Landesverfassung die Letztentscheidung über die Schulleiterbestellung beim Dienstherrn bleiben muss. Ferner nach Art. 33 Abs. 2 GG und dem Beamtenrecht der am besten geeignete Bewerber zum Schulleiter zu bestellen ist, im Rahmen dieser Vorgaben (aber) die Beteiligungsrechte der Schulkonferenz und des Schulträgers gestärkt werden sollen, was u.a. dadurch geschehe, dass die obere Schulaufsichtsbehörde alle eingegangenen Bewerbungen mitteile, ohne, wie bisher, darauf hinzuweisen, wen sie für den Geeignetsten halte, da dies häufig als Vorentscheidung angesehen worden sei. Dies spricht dafür, dass keine Vorfestlegung der Schulaufsichtsbehörde in Bezug auf die Stellenbesetzung gegenüber der Schulkonferenz und dem Schulträger verlautbart wird. Dies könnte nahe legen, auch bei einem Versetzungsbewerber die Mitwirkungsregelung anzuwenden.

Selbst wenn § 40 SchulG die Mitwirkung des Schulträgers bei der Bestellung des Schulleiters einer Grund- und Hauptschule im Wege der Versetzung fordern sollte, so besteht gleichwohl insoweit keine selbständig durchsetzbare verfahrensrechtliche Position der Antragstellerin.

Von einer derartigen verfahrensrechtlichen Schutzfunktion kann nur dort ausgegangen werden, wo der der Rechtsnorm zugrundeliegende Schutzzweck gerade in der Wahrung der Anhörungs- oder Mitwirkungsrechte selbst liegt. Für den Regelfall ist dagegen anzunehmen, dass Verfahrensvorschriften durch die Regelung von Art und Weise, in der der Betroffene Rechte oder Interessen geltend zu machen hat oder von der Behörde zu ermitteln sind, den Schutz allein desjenigen materiellen Rechts bezwecken, auf das sich das vorgeschriebene Verfahren bezieht (so schon BVerwG, Urteil vom 20.10.1972 - IV C 107.67 -, BVerwGE 41, 58; vgl. auch Wahl/Schütz in Schoch a.a.O. § 42 RdNr. 73). Die Beteiligung des Schulträgers bei der Besetzung der Schulleiterstelle ist nichts weiter als ein der Verwaltung vorgeschriebenes Mittel, sich eine möglichst breite Grundlage für die Entscheidung zu beschaffen, den nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung geeignetsten Bewerber zu bestellen (vgl. § 11 LBG). Da zur Aufgabe eines Schulleiters, wie die Antragstellerin zu Recht hervor hebt, auch in vielfältiger Weise die Zusammenarbeit mit dem Schulträger gehört (vgl. §§ 41 Abs. 1 Satz 3, Abs. 3; 48 Abs. 2 Satz 2 und 51 Satz 2 SchulG), ist es angemessen und sinnvoll, dem Schulträger ein Mitwirkungsrecht bei der Bestellung des Schulleiters einzuräumen. Das Mitwirkungsrecht dient aber nicht der Verwirklichung eines dem Schulträger - unabhängig von der Verfahrensbeteiligung - eingeräumten materiellen Rechts bei der Bestellung des Schulleiters. Dieses Recht steht allein dem Land als Dienstherr der beamteten Lehrer zu (§ 38 SchulG). Lediglich die Bediensteten, die nicht im Dienst des Landes stehen, bestellt der Schulträger (§ 48 Abs. 2 Satz 1 SchulG).

Das Mitwirkungsrecht bei der Bestellung des Schulleiters erstarkt auch nicht deshalb zu einer subjektiven wehrfähigen Rechtsposition der Antragstellerin, weil ihr als Gemeinde die Schulträgerschaft als Pflichtaufgabe obliegt (§ 48 Abs. 1 SchulG). Die Antragstellerin sieht hierin eine Einschränkung ihrer in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleisteten kommunalen Selbstverwaltungsgarantie, die sie unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (nur) dadurch als ausgeglichen erachtet, dass ihr Mitwirkungsrecht bei der Bestellung des Schulleiters als wehrfähige Position anerkannt wird. Der Senat lässt hier ausdrücklich offen, wie weit die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung im Bereich des Schulwesens und der Schulorganisation reicht (vgl. Niehues, Schul- und Prüfungsrecht Band 1 Schulrecht 3. Aufl. RdNr. 140 ff.). Fest steht, dass die Personalhoheit des Landes über die Lehrer, seien sie beamtet oder in einem sonstigen Dienstverhältnis stehend, nicht das Selbstverwaltungsrecht der Kommunen beeinträchtigt (vgl. Niehues a.a.O. RdNr. 144 m.w.N.) und es somit keiner Kompensation einer Rechtsbeeinträchtigung der Gemeinde bedarf, die dadurch erreicht werden müsste, dass § 40 SchulG dem Schulträger eine selbständig durchsetzbare verfahrensrechtliche Position einräumt.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG n.F..

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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