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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 21.10.2003
Aktenzeichen: 9 S 2037/03
Rechtsgebiete: FahrlG, GewO


Vorschriften:

FahrlG § 21
GewO § 15
Im Einzelfall kann einem Fahrschulinhaber die Ausbildung von Fahrschülern an einer bestimmten Ausbildungsstätte untersagt werden, ohne dass der Widerruf der Fahrschulerlaubnis verfügt werden muss.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

9 S 2037/03

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Untersagung

hier: Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz

hat der 9. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Schwan, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Gaber und die Richterin am Verwaltungsgericht Wilke

am 21. Oktober 2003

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 12. August 2003 - 9 K 1456/03 - geändert.

Der Antrag des Antragstellers wird insgesamt abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert wird unter Änderung des Streitwertfestsetzungsbeschlusses des Verwaltungsgerichts für beide Rechtszüge auf jeweils EUR 3.125,-- festgesetzt.

Gründe:

I.

Das Landratsamt Waldshut erließ gegenüber dem 1942 geborenen Antragsteller, der seit 1972 in Besitz einer Fahrschulerlaubnis ist, am 06.08.2003 folgende Verfügung:

1. "Die Ausbildung von Fahrschülern durch sie selbst oder von ihnen beschäftigten Fahrlehrern am Standort xxxxxxxxxx, xxxxxxxxxx-xxxxxxxxxxxx, wird mit sofortiger Wirkung vorläufig untersagt. Dies umfasst die theoretische und praktische Ausbildung zum Erwerb einer Fahrerlaubnis der Klasse C und CE.

2. Die sofortige Vollziehung von Ziffer 1 dieser Verfügung wird angeordnet.

3. Sofern sie entgegen dieser Verfügung den Ausbildungsbetrieb fortsetzen drohen wir die Festsetzung eines Zwangsgelds in Höhe von EUR 5.000,-- an.

4. Unmittelbarer Zwang wird für den Fall angedroht, dass eine verfügte Zwangsgeldfestsetzung ohne Wirkung bleibt und sie der Verpflichtung aus Ziffer 1 weiter zuwiderhandeln.

5. Die Gebühr für diese Entscheidung wird auf EUR 180,-- festgesetzt."

Über den hiergegen fristgerecht eingelegten Widerspruch des Antragstellers ist noch nicht entschieden.

Seinem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat das Verwaltungsgericht hinsichtlich Nummern 1, 3 und 4 der Verfügung vom 06.08.2003 mit der Begründung entsprochen, es fehle an der erforderlichen Ermächtigungsgrundlage für die vorläufige Untersagung des Betriebs einer Fahrschule. Entfielen die in § 11 Abs. 1 FahrlG normierten Voraussetzungen für die Erteilung der Fahrschulerlaubnis nachträglich, so müsse die Fahrschulerlaubnis widerrufen werden. Geschehe dies - wie hier - nicht, so könne die Untersagung des Betriebes nicht verfügt werden, da die Ermächtigung zum Widerruf der Fahrschulerlaubnis (§ 21 Abs. 2) nicht auch die Schließung einer Ausbildungsstätte ermögliche. Infolge dessen seien auch die Zwangsmittelandrohungen rechtswidrig.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners.

II.

Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist begründet. Die Schliessung der Ausbildungsstätte des Antragstellers in xxxxxxxxxx, xxxxxxxxxxxx-xxxxxxxxxxxx, dürfte zu Recht erfolgt sein. Ihr sofortiger Vollzug liegt im überwiegenden öffentlichen Interesse, das die entgegenstehenden privaten Interessen des Antragstellers, vom Sofortvollzug der Maßnahme bis zur Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache verschont zu bleiben, überwiegt.

Rechtsgrundlage des Fahrschulausbildungsverbots in der genannten Betriebsstätte ist § 21 Abs. 2 FahrlG i.V.m. § 15 Abs. 2 GewO. Danach ist die Fahrschulerlaubnis u.a. zu widerrufen, wenn nachträglich eine der in § 11 Abs. 1 Nr. 6 genanten Voraussetzungen weggefallen ist, wenn also der Bewerber den erforderlichen Unterrichtsraum nicht zur Verfügung hat (§ 11 Abs. 1 Nr. 6 FahrlG). Wie das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat (Beschluss vom 19.12.1989 - 1 B 147/89 -, Buchholz 451.28 Fahrlehrer Nr. 13), kommt es hierbei nicht darauf an, ob der Fahrschulinhaber die Räume tatsächlich nutzt, sondern allein darauf, ob sie ihm zur Verfügung stehen, also darauf, ob er sie nutzen darf. Einen Nachweis darüber, dass er berechtigt ist, die Räume in xxxxxxxxxx rechtlich, verbindlich für seine Fahrschulausbildung nach seiner Disposition nutzen zu dürfen, hat der Antragsteller nicht erbracht. Einen Miet-, Pacht- oder sonstigen Nutzungsvertrag, der ihm die Befugnis einräumt unabhängig von gleichzeitigen Nutzungsmöglichkeiten anderer die Räume für den theoretischen Fahrunterricht zu belegen, hat er nicht vorgelegt. Nach dem Akteninhalt spricht vielmehr alles dafür, dass seine Nutzungsmöglichkeit vom Wohlwollen anderer abhängig ist, insbesondere vom Technischen Hilfswerk, das seinen Mitarbeitern die Möglichkeit eines theoretischen Fahrschulunterrichts gewähren will.

Nun hat der Antragsgegner indes nicht den Widerruf der Fahrschulerlaubnis ausgesprochen, sondern lediglich das Verbot an einem bestimmten Ort Fahrschüler auszubilden. Dies führt - entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts Freiburg - nicht zur Rechtswidrigkeit der angegriffenen Verfügung.

Das Fahrlehrergesetz vom 25. August 1969 (BGBl. I S. 1336, zuletzt geändert durch Gesetz vom 15.12.2001, BGBl. I S. 3762) enthält, anders als die Gewerbeordnung (dort § 15 Abs. 2 GewO), keine Regelungen über die Schliessung von Betriebsstätten oder von Unterrichtsräumen. Es begnügt sich mit Regelungen über die Rücknahme und den Widerruf der Fahrschulerlaubnis und des Widerrufs der Zweigstellenerlaubnis (§ 21 FahrlG), sowie dem Ruhen und Erlöschen der Fahrschulerlaubnis (§ 20 FahrlG). Dies schließt indes einen Rückgriff auf Regelungen, die allgemein für gewerbliche Betätigungen gelten, nicht aus (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 1.12.1992 - 14 S 2038/91 - DÖV 1993, 203). Das Gewerberecht enthält in § 15 GewO den allgemeinen gewerberechtlichen Grundsatz, dass die zuständige Behörde die Befugnis hat, ein Gewerbe zu dessen Ausübung eine Erlaubnis, Genehmigung, Konzession oder Bewilligung erforderlich ist, zu verhindern, wenn es ohne diese Zulassung betrieben wird (vgl. auch OVG Thüringen, Beschluss vom 06.06.2002 - 2EO 80/01- DÖV 2003, 87). Demgemäss (§ 15 Abs. 2 Satz 1 GewO) kann die zuständige Behörde jemandem, der ohne die erforderliche Fahrschulerlaubnis (§ 10 Abs. 1 FahrlG) eine Fahrschule betreibt, den Betrieb untersagen (vgl. BVerwG Beschluss vom 29.11.1982 - 5 B 62/82 - DÖV 1983, 735). Zwar besitzt der Antragsteller eine Fahrschulerlaubnis, doch dürfte diese seine Tätigkeit in xxxxxxxxxx nicht abdecken.

Der Antragsteller hat ausweislich seiner eidesstattlichen Versicherung vom 07.08.2003 und des von ihm unterzeichneten Schreibens vom 29.07.2003 an das Landratsamt xxxxxxxx und die Stadt xxxxxxxx seine bisherigen Schulungsräume von xxxxxxxx nach xxxxxxxxxx verlegt. Eine "Verlegung der Fahrschule" von xxxxxxxx nach xxxxxxxxxx (vgl. § 17 Nr. 1 FahrlG) wird von ihm ebenso wenig eidesstattlich versichert, wie deren Stilllegung oder Schließung in xxxxxxxxx. Verlegt aber der Antragsteller seine Fahrschule nicht in den Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners, so kann dieser die Fahrschulerlaubnis nicht widerrufen. Denn in Angelegenheiten der Fahrschulerlaubnis ist die Erlaubnisbehörde des Sitzes der Fahrschule örtlich zuständig (§ 32 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 FahrlG). Es ist, soweit dies im summarischen Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes aufklärbar ist, nicht fehlerhaft, wenn der Antragsgegner von einem Sitz der Fahrschule in xxxxxxxx ausgeht.

Fehlt der Antragsgegnerin - möglicherweise - die örtliche Zuständigkeit für den Widerruf einer Fahrschulerlaubnis, so kann sie eine in ihrem Zuständigkeitsbereich ausgeübte Fahrschulausbildung dann untersagen, wenn die materiell-rechtlichen Voraussetzungen des Widerrufs einer Fahrschulerlaubnis vorliegen.

Die für den theoretischen Fahrschulunterricht vorgesehenen Räume stehen voraussichtlich nicht in der Verfügungsbefugnis des Antragstellers. Dies rechtfertigt das Verbot der Ausbildung von Fahrschülern an dem genannten Ort. Entsprechendes gälte, wenn die Tätigkeit in xxxxxxxxxx als Betrieb einer Zweigstelle der Fahrschule des Antragstellers angesehen wird, weil er die hierfür erforderliche Genehmigung nicht besitzt (vgl. § 14 FahrlG). Im Übrigen spricht manches dafür, dass der Antragsteller nicht "Inhaber" einer Fahrschule oder einer Zweigstelle, sondern Angestellter, Mitarbeiter oder Strohmann einer "xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx GmbH" ist, die ihrerseits zwar damit wirbt, vom Fahrlehrer-Fachverband empfohlen zu sein (vgl. Internet-Auftritt der xxxxxxxxxxx), wohl aber nicht über eine Fahrschulerlaubnis verfügt. Diese Gesellschaft berühmt sich, durch Vertragsfahrschulen den Mitgliedern des THW, DRK, Feuerwehr und ähnlicher Organisationen in deren Räumlichkeiten theoretischen Fahrunterricht erteilen zu können. Der Geschäftführer dieser Gesellschaft ist vorliegend mehrfach für den Antragsteller aufgetreten. In diesem Falle rechtfertigte sich die Untersagung des Fahrschulbetriebs an dem genannten Ort auch deshalb, weil es an der Inhaberschaft des Antragstellers an einem genehmigten Fahrschulbetrieb fehlen könnte.

Der Antragsgegner wird im Widerspruchsverfahren der Frage weiter nachgehen müssen, ob der Antragsteller seine Fahrschule in xxxxxxxx aufgegeben und nach xxxxxxxxxx verlegt hat und bejahendenfalls dann die Voraussetzungen des Widerrufs der Fahrschulerlaubnis zu prüfen haben. Liegen die Widerrufsvoraussetzungen vor, so muss der Widerruf der Fahrschulerlaubnis erfolgen; dem Antragsgegner steht insoweit kein Ermessen zu (BVerwG, Beschluss vom 25.10.1996 - 1 B 199/96 - GewArch 1997, 72).

Das öffentliche Interesse an der sofortigen Einstellung der Ausbildung von Fahrschülern am Standort xxxxxxxxxx überwiegt das entgegenstehende Interesse des Antragstellers, mit der Durchführung von Fahrschulkursen für Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks finanzielle Einkünfte zu erzielen. Der Antragsteller kann nach wie vor seine Fahrschule betreiben. Dass seine wirtschaftliche Existenz davon abhängen soll, in eng begrenzten Zeiträumen ganz bestimmte Personengruppen auf die Führerscheinprüfung vorzubereiten, ist nicht zur Überzeugung des Senats dargetan. Demgegenüber hat das öffentliche Interesse daran, dass Fahrschulunterricht nur von eigenverantwortlichen, selbständig tätigen Fahrschulinhabern - oder von ihnen überwachten Fahrlehrern - in ordnungsgemäß ausgestatteten und ihnen in rechtlich gesicherter Hinsicht zur Verfügung stehenden Unterrichtsräumen abgehalten und auch nur die Ausbildung von Fahrschülern am Sitz der Fahrschule bzw. einer zugelassenen Zweigstelle durchgeführt wird, größeres Gewicht. Hinzu kommt, dass ein Fahrschulinhaber, der weder am Sitz der Fahrschule noch an demjenigen einer erlaubten Zweigstelle (vgl. § 14 FahrlG) Fahrschüler ausbildet, sich einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil gegenüber solchen Fahrschulinhabern verschafft, die die rechtlichen Vorgaben befolgen. Auch dies mit sofortiger Wirkung zu verhindern, begründet das besondere rechtliche Interesse am Sofortvollzug der hier erlassenen Verfügung.

Die kraft Gesetzes sofort vollziehbare Zwangsgeldandrohung (Nr. 3 der Verfügung vom 06.08.2003) ist nicht zu beanstanden. Deren gesetzlichen Voraussetzungen liegen vor (vgl. § 2 Nr. 2, § 19 Abs. 1 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG), insbesondere kann die Zwangsgeldandrohung mit dem für sofortvollziehbar erklärten Verwaltungsakt verbunden werden (§ 20 Abs. 2 LVwVfG). Die angedrohte Höhe des Zwangsgelds hält sich im gesetzlichen Rahmen (§ 23 LVwVfG).

Auch die kraft Gesetzes sofort vollziehbare Androhung unmittelbaren Zwangs für den Fall, dass eine verfügte Zwangsgeldfestsetzung ohne Wirkung bleibt und dem Verbot der Ausbildung von Fahrschülern zuwider gehandelt wird (Nr. 4 der Verfügung), genügt den gesetzlichen Anforderungen. Zwar werden in der Verfügung vom 06.08.2003 mehrere Zwangsmittel angedroht, nämlich Zwangsgeld und unmittelbarer Zwang. Dies ist jedoch zulässig, da die Reihenfolge, in welcher sie angewandt werden sollen, bestimmt ist (vgl. § 20 Abs. 3 Satz 2 LVwVfG). Eine Frist zur Erfüllung der Verpflichtung, die mit den Zwangsmitteln durchgesetzt werden soll, musste dem Antragsteller nicht eingeräumt werden, weil von ihm lediglich ein Unterlassen gefordert wird (vgl. § 20 Abs. 1 Satz 2 LVwVfG).

Die Streitwertfestsetzung unter Änderung des Streitwertbeschlusses des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 12.08.2003 beruht auf § 25 Abs. 2, § 20 Abs. 3, § 14, § 13 Abs. 1 GKG, § 5 ZPO. Wie das Verwaltungsgericht hält auch der Senat in Anlehnung an den Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, der für die Untersagung eines ausgeübten Gewerbes EUR 10.000,-- als Streitwert vorschlägt, hiervon 1/4, also EUR 2.500,-- für angemessen, da nicht die Fahrschulerlaubnis des Antragstellers widerrufen wurde, sondern lediglich der Betrieb einer Fahrschulausbildungsstätte und es sich um ein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutz handelt. Zu diesem Wert ist allerdings derjenige der Zwangsgeldandrohung zu addieren (vgl. § 5 ZPO). Hierbei hält der Senat im vorläufigen Rechtsschutzverfahren 1/8 des angedrohten Zwangsgelds von EUR 5.000,-- (vgl. I Nrn. 7 und 8 des Streitwertkatalogs, abgedruckt Anhang 1 in Eyermann, VwGO, 11. Aufl.) und somit von EUR 625,--, für zutreffend, so dass sich der festgesetzte Gesamtstreitwert von EUR 3.125,-- errechnet.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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