Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 29.10.2002
Aktenzeichen: 9 S 2062/01
Rechtsgebiete: RAVWS


Vorschriften:

RAVWS § 29 Abs. 1
RAVWS § 25 Abs. 1 S. 2
1. Berufsunfähigkeit im Sinne von § 21 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung des Rechtsanwaltsversorgungswerkes Baden-Württemberg liegt vor, wenn das Mitglied infolge körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, den Beruf eines Rechtsanwalts in einem Umfang auszuüben, der zur Sicherung seiner Lebensgrundlage ausreicht. Bei der so anzustellenden Prüfung einer Berufsunfähigkeit ist eine Prognose aus der Sicht ex ante anzustellen.

2. Der Anspruch auf Witwenrente ist - unter anderem - ausgeschlossen, wenn die Ehe nach Eintritt der Berufsunfähigkeit des Mitglieds geschlossen und nicht mindestens drei Jahre bestanden hat (§ 25 Abs. 1 S. 2 RAVWS). Auch hier liegt Berufsunfähigkeit nur vor, wenn die auf den Zeitpunkt der Eheschließung bezogene Prognose ergibt, dass der Rechtsanwalt infolge körperlichen Gebrechens etc. auf nicht absehbare Zeit seinen Beruf nicht in einem existenzsichernden Umfang wird ausüben können.

3. Die Satzung des Versorgungswerks für Rechtsanwälte regelt abschließend den Ausschluss eines Anspruchs auf Witwengeld für die Fälle, in denen das Mitglied eines natürlichen Todes binnen weniger als drei Jahre nach der Eheschließung verstorben ist.

Der Anspruch ist daher selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn ein beträchtlicher Altersunterschied zwischen den Eheleuten bestand (hier 32 Jahre) und eine eheliche Lebensgemeinschaft nicht begründet wurde.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

9 S 2062/01

In der Verwaltungsrechtssache

wegen

Bewilligung einer Witwenrente

hat der 9. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Schwan, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Prof. Dr. Rennert und den Richter am Verwaltungsgericht Reimann auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 29. Oktober 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom xxxxxxxxxxx2001 - xxxxxxxxxxx - wird zurückgewiesen.

Das beklagte Versorgungswerk trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Bewilligung von Witwenrente.

Die am xxxxxx1978 geborene Klägerin schloss am xxxxxx1998 die Ehe. Ihr am xxxxxx1946 geborener Ehemann, ein Rechtsanwalt, verstarb am 06.03.1999.

Er war seit xxxxxx1985 Mitglied des Beklagten und litt zumindest seit 1989 an Hämochromatose (Eisenspeicherkrankheit), einer Erkrankung, die mit einem gehäuften Auftreten von hepatozellulären Karzinomen im mittleren Lebensalter einhergeht. Am 16.02.1998 rief er vormittags von Südfrankreich aus bei seinem Hausarzt wegen akuter Oberbauchschmerzen an. Dieser riet zu einem Arztbesuch in Frankreich. Am Abend desselben Tages meldete sich der Ehemann der Klägerin wiederum und teilte mit, es sei die Diagnose eines unklaren Gallenblasenleidens gestellt worden. Der Hausarzt riet daraufhin zur Rückkehr nach Deutschland. Die bei dem Hausarzt am 19.02.1998 vorgenommene Sonografie ergab den Verdacht auf einen Lebertumor; zur weiteren Abklärung erfolgte noch am gleichen Tag die Einweisung ins Kreiskrankenhaus. Am 20.02.1998 wurde dort ein hepatozelluläres Karzinom (Leberkrebs) diagnostiziert.

Am xxxxxx1998 erfolgte ohne vorherige Aufgebotsfrist die Eheschließung.

Vom 02.03. bis 06.03.1998 befand sich der Ehemann der Klägerin stationär im xxxxxxxxxxxxxxxx xxxxxx. Ausweislich des Arztbriefes vom 06.03.1998 ergaben die dabei durchgeführten Evaluierungsuntersuchungen keine Kontraindikationen hinsichtlich einer geplanten Lebertransplantation, sodass eine Meldung als potentieller Organempfänger erfolgen konnte. Eine Medikation erfolgte in jenem Zeitpunkt nicht. Vom 09.04. bis 01.05.1998 befand er sich zur Durchführung der Lebertransplantation im xxxxxxxxxxxxxxxxxxxx der xxxxxxxxxxxxxxxxxxx xxxxxx. Ausweislich des Berichts vom 12.05.1998 gestaltete sich der postoperative Verlauf weitgehend unauffällig. Vom 12.05. bis 09.06.1998 befand sich der Ehemann der Klägerin in der xxxxxxxxxxx xxxxxxxxxx xxx xxx. Am 31.07.1998 wurde der Verdacht auf ein Tumorrezidiv gestellt, der sich in der Folge bestätigte.

Mit Vollmacht vom 11.03.1998 hatte der Ehemann der Klägerin die Rechtsanwälte xxxxxx und xxxxxx bevollmächtigt, sämtliche Angelegenheiten seiner Kanzlei einschließlich Terminswahrnehmung und Zahlungsverkehr während seiner krankheitsbedingten Abwesenheiten in eigener Verantwortung zu übernehmen. Am 15.09.1998 stellte er für Frau xxxxxxxxx xxxxxxx - die Mutter der Klägerin - eine Vollmacht aus, ihn in allen Angelegenheiten ohne Einschränkung zu vertreten und für ihn rechtsverbindliche Entscheidungen zu treffen. Diese beantragte daraufhin mit vom 06.12.1998 datierten Schreiben rückwirkend ab dem 15.09.1998 Berufsunfähigkeitsrente für ihren Schwiegersohn. Mit Verfügung vom 30.12.1998 widerrief der Präsident des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf entsprechenden Antrag die Zulassung des Ehemanns der Klägerin zur Rechtsanwaltschaft. Durch Bescheid vom 29.01.1999 wurde für die Zeit ab 01. Januar 1999 Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von DM 2.665,11 monatlich bewilligt. In dem Bescheid heißt es u.a.: "Nachrichtlich sei mitgeteilt, dass die Erstattung der Beiträge für die Zeit ab 01. Oktober 1998 (Beginn der Berufsunfähigkeit im September 1998) eingeleitet ist ...".

Mit Schreiben vom 10.03.1999 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, ihr Ehemann sei am xxxxxx1999 verstorben und beantragte Witwenrente. Am xxxxxx1999 erklärte sie beim Amtsgericht xxxxx die Ausschlagung der Erbschaft. In der hierüber aufgenommenen Niederschrift ist ausgeführt, der Nachlass sei "wahrscheinlich" überschuldet. Handschriftlich ist ergänzt: "Näheres ist nicht bekannt, ich lebte von dem Erblasser getrennt".

Mit Bescheid vom 07.04.2000 wurde die Bewilligung einer Witwenrente abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, die Ehe sei nur zum Schein und auch erst nach Eintritt der Berufsunfähigkeit geschlossen worden.

Am 05.05.2000 legte die Klägerin gegen diesen Bescheid Widerspruch ein.

Mit Bescheid vom 21.07.2000 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, man sei der Überzeugung, dass die Ehe so gut wie ausschließlich geschlossen worden sei, um in den Genuss einer Hinterbliebenenrente zu gelangen. Eine echte familienrechtliche Beziehung zwischen der Klägerin und dem verstorbenen Mitglied habe nicht entstehen sollen. Weiter wurde auf den großen Altersunterschied abgestellt sowie ausgeführt, um den Kläger habe sich während der Krankheit nicht dessen Ehefrau, sondern deren Mutter gekümmert. Zudem sei das Mitglied im Zeitpunkt der Eheschließung bereits berufsunfähig gewesen. Er sei vor der Eheschließung arbeitsunfähig krank geworden und habe sich von dieser Krankheit nicht mehr erholt, vielmehr habe sich der Krankheitszustand immer mehr verschlechtert, sodass auch keine weitere Berufstätigkeit mehr habe aufgenommen werden können. Die Arbeitsunfähigkeit habe seit dem 20.02.1998 auch mehr als 90 Tage lang angedauert, so dass nach der Satzung von Berufsunfähigkeit auszugehen sei.

Am xxxxxx2000 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht xxxxxxxxx Klage erhoben.

Durch Urteil vom xxxxxx2001 hat das Verwaltungsgericht xxxxxxxxx die ablehnenden Bescheide aufgehoben und das beklagte Versorgungswerk verpflichtet, der Klägerin eine Witwenrente für die Zeit ab 01.04.1999 in Höhe von DM 1.599,07 monatlich, für die Zeit ab 01.01.2000 in Höhe von DM 1.626,24 monatlich zu gewähren. Der Anspruch ergebe sich aus § 25 Satz 1 der Satzung des Versorgungswerks. Danach erhalte nach dem Tod des Mitglieds die Witwe eine Witwenrente. Der Ehemann der Klägerin sei verstorben und diese sei mit ihm rechtsgültig verheiratet gewesen, so dass sie seine Witwe geworden sei. Die Voraussetzungen der Ausschlussvorschrift des § 25 Abs. 1 Satz 2 RAVWS lägen nicht vor. Danach bestehe kein Anspruch auf Rente, wenn die Ehe nicht mindestens drei Jahre bestanden habe und erst nach Vollendung des 60. Lebensjahres oder nach Eintritt der Berufsunfähigkeit des Mitglieds geschlossen worden sei. Beides sei nicht der Fall; letzteres deshalb nicht, weil der verstorbene Ehemann der Klägerin zum Zeitpunkt der Eheschließung nicht berufsunfähig gewesen sei. Ein anderer Ausschlussgrund, etwa ein allgemeines Rechtsmissbrauchsverbot greife nicht ein. Ein solches sei in der Satzung nicht normiert, §§ 41, 42 Abgabenordnung seien nicht anwendbar.

Am 02.03.2001 hat das beklagte Versorgungswerk die Zulassung der Berufung beantragt. Durch Beschluss vom xxxxxx2001 - 9 S xxxxxx - hat der Senat die Berufung zugelassen.

Zur Begründung seiner Berufung trägt das Versorgungswerk vor, zwar sei die Ehe zivilrechtlich wirksam. Dies bedeute jedoch nicht, dass der Gesichtspunkt der Scheinehe keine Rolle spielen könne. Es seien in Literatur und Rechtsprechung Fallgruppen anerkannt worden, in denen eine Ehe trotz zivilrechtlicher Wirksamkeit bestimmte Wirkungen nicht habe. Dies gelte etwa für das Ausländerrecht. Ehen, die zwar zivilrechtlich rechtsgültig seien jedoch nur "zur Abwendung des Aufenthaltsverbotes eingegangen" würden, genössen keinen verwaltungsrechtlichen Schutz. Daran habe auch die Neufassung des § 1314 Abs. 2 Nr. 4 BGB nichts geändert. Dieser ermögliche zwar, dass eine Scheinehe auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde aufgehoben werden könne. Die Folgerung, dass eine Scheinehe im ausländerrechtlichen Sinne bis zur Aufhebung beachtlich wäre, sei hieraus gleichwohl nicht gezogen worden. Dies belege, das die verwaltungsrechtliche Wirkung der Ehe von deren zivilrechtlicher Wirksamkeit abgekoppelt sei. Auch das Rechtsanwaltsversorgungswerk werde hoheitlich tätig. Daraus folge, dass die Ehe nur anerkannt werden könne, wenn sie auch im Sinne einer öffentlich-rechtlichen Betrachtungsweise Anerkennung finden könne. Auch im Falle einer Versor-gungsehe enthalte die Ehe nicht alle Rechtsfolgen, die mit ihr üblicherweise verbunden seien. So regele etwa § 19 Abs. 1 Beamtenversorgungsgesetz den Ausschluss von Versorgungsansprüchen. Die Annahme einer Versorgungsehe liege insbesondere dann nahe, wenn die Ehepartner einen deutlichen Altersunterschied aufwiesen und einer der Partner pflegebedürftig sei. Auch sei typischerweise in diesen Fälle die Ehezeit kurz. Zwar könne bei einer sogenannten Pflegeehe in der Regel nicht davon ausgegangen werden, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gewesen sei, der Witwe eine Versorgung zu verschaffen. Weitere Voraussetzung für das Vorliegen einer Pflegeehe sei jedoch, dass das Ableben des Gepflegten aufgrund seines Gesundheitszustandes zur Zeit der Eheschließung nicht in absehbarer Zeit zu erwarten und dass die Eheleute die eheliche Lebensgemeinschaft tatsächlich aufgenommen hätten. Auch der Umstand allein, dass ein Beamter bei der Eheschließung schwer krank sei bedeute nicht schon allein, dass der Versorgungszweck alleiniger oder überwiegender Grund der Heirat gewesen sei. Es müssten jedoch in einem solchen Fall objektiv erkennbare Umstände vorliegen, wonach ein anderer Zweck der Eheschließung zumindest ebenso wahrscheinlich sei, wie der Versorgungszweck. Vorliegend sprächen alle Indizien für eine Scheinehe, insbesondere der Altersunterschied von 32 Jahren, der Umstand, dass der Verstorbene nicht mit der Klägerin, sondern deren Mutter zusammengelebt und mit der Klägerin die eheliche Lebensgemeinschaft nicht hergestellt habe. Ferner sei zu beachten, dass im Zeitpunkt der Eheschließung die Erkrankung diagnostiziert und die kurze Lebenserwartung bekannt gewesen sei. Es sei mit Händen zu greifen, dass man einem im Zeitpunkt der Eheschließung "gerade einmal 19 Jahre alten Mädchen eine lebenslange Versorgung zuschanzen wollte".

Weiter wird ausgeführt, der Verstorbene sei im Zeitpunkt der Eheschließung berufsunfähig gewesen. Dass die Eheschließung habe stattfinden können, erlaube nicht den Schluss auf das Vorliegen der Berufsfähigkeit. Dass der Ehemann der Klägerin einfache Arbeiten noch habe erledigen können, sei eine Spekulation des Verwaltungsgerichts. Nach der Mitteilung der xxxxxx Ersatzkasse sei er vom 16.02. bis 15.09.1998 durchgehend arbeitsunfähig gewesen. Man müsse daher davon ausgehen, dass die Voraussetzungen für den Krankengeldbezug tatsächlich vorgelegen hätten; der Beruf also nicht ausgeübt worden sei. Besonders sei zu beachten, dass der Ehemann der Klägerin ab dem 16.02.1998 bis zur Lebertransplantation durchgängig in ärztlicher Behandlung gewesen sei. Die xxxxxxx habe ihn arbeitsunfähig entlassen. Schon sieben Wochen später sei der Verdacht auf ein Tumorrezidiv aufgekommen, weshalb dann sogar die Chemotherapie eingestellt worden sei. Entscheidend sei, dass er ab dem 16.02.1998 durchgängig und mindestens bis zu seiner Entlassung aus der Rehabilitation am 08.06.1998 nicht in der Lage gewesen sei, irgendeine Rechtsanwaltstätigkeit auszuüben. Das sei ein größerer Zeitraum als der sogenannte 90-Tage-Zeitraum, somit liege Berufsunfähigkeit vor.

Das beklagte Rechtsanwaltsversorgungswerk beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts xxxxxxxxx vom xxxxxx2001 - x x xxxxxxx - zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie wiederholt im Wesentlichen das bisherige Vorbringen und führt namentlich aus, das Problem der Scheinehe sei rechtlich irrelevant, da § 25 S. 2 RAVWS die Ausschlusstatbestände abschließend regele und diese vorliegend nicht eingriffen. Die Frist von drei Jahren deute darauf hin, dass man die lange Frist gewählt habe, um auf das Tatbestandsmerkmal "Versorgungsehe" verzichten zu können. Der Ehemann der Klägerin sei bei der Eheschließung nicht berufsunfähig gewesen. Auch nach bekannt werden der Erkrankung habe er seinen Beruf ausgeübt, etwa während des Krankenhausaufenthaltes in xxxxxxxx. Er habe Korrespondenz erledigt und die Vertretung organisiert. Er habe die Klinik am Tag vor der Eheschließung verlassen, der nächste Klinikaufenthalt sei erst am 10.04.1998 gewesen. Auch nach der Transplantation sei er als Anwalt tätig gewesen, soweit die Gesundheit dies erlaubt habe. Das Schreiben der xxxxxx Ersatzkasse sage nichts gegenteiliges, da die Krankenkasse nur von Arbeitsunfähigkeit betroffen sei, nicht jedoch von Berufsunfähigkeit. Der ärztliche Entlassbericht, auf den sich das beklagte Versorgungswerk stütze, verwende korrekt den Begriff "Arbeitsunfähigkeit" und meine die vorübergehende wegen der Transplantation.

Dem Senat liegen die einschlägigen Akten des Beklagten und des Verwaltungsgerichts vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf diese Akten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, und die im Berufungszulassungs- und Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die ablehnenden Bescheide aufgehoben und das beklagte Versorgungswerk zur Bewilligung einer Witwenrente verpflichtet.

Die Anspruchsgrundlage für die Witwenrente findet sich in §§ 24 Abs. 2 und 25 Abs. 1 S. 1 der Satzung des Versorgungswerks der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg in der Fassung vom 01.01.1999 (Rechtsanwaltsversorgungswerksatzung - RAVWS -). Nach § 24 Abs. 2 RAVWS werden Hinterbliebenenrenten gewährt, wenn das Mitglied zum Zeitpunkt des Todes bzw. der Todeserklärung Anspruch oder Anwartschaft auf Altersrente oder auf Berufsunfähigkeitsrente hatte. Nach § 25 Abs. 1 S. 1 RAVWS erhält die Witwe nach dem Tode des Mitglieds eine Witwenrente. Die Voraussetzungen dieses Anspruchs liegen vor. Der verstorbene Ehemann der Klägerin hatte im Zeitpunkt des Todes einen Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente, diese war ihm sogar bewilligt. Die Ehe war über ein Jahr vor dem Tod des Rechtsanwalts geschlossen worden. Eine Nichtehe (vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 60. Aufl. Einführung vor § 1313 Rdnr. 6) liegt nicht vor. Ob der Aufhebungsgrund einer Scheinehe (§ 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB) eingreift, ist ohne Belang. Auch diese lässt die Wirksamkeit der Ehe unberührt, solange die Ehe nicht deshalb und durch Urteil aufgehoben wurde (§ 1313 BGB). Dritte - hier der Beklagte - können sich auf das Vorliegen von Aufhebungsgründen nicht berufen (Brudermüller a.a.O. Rdnr. 3). Damit ist die Frage, ob die Ehe nur geschlossen wurde, damit im Falle des Todes des Ehemannes die Klägerin einen Versorgungsanspruch enthält, für die Frage der Wirksamkeit der Ehe ohne Belang. Diese lässt sich - entgegen der Ansicht des Beklagten - auch nicht damit in Frage stellen, dass beispielsweise im Ausländerrecht nach §§ 17 ff. AuslG das formale Band der Ehe nicht ausreicht, um die dort damit verbundenen Berechtigungen zu erwerben. Der Satzung der Beklagten ist nicht zu entnehmen, dass nur die tatsächlich bestehende und gelebte eheliche Gemeinschaft über den formalen Ehebestand hinaus vorgelegen haben muss, um von einer Ehe im Sinne des § 25 Abs. 1 S. 2 RAVWS ausgehen zu können. Der Anspruch auf Witwenrente stellt schon vom Wortlaut her nicht auf die eheliche Lebensgemeinschaft, sondern auf die Auflösung der Ehe durch Tod eines Ehegatten ab und hat auch nichts mit dem Schutz vor einem Eingriff eines Hoheitsträgers in ein Grundrecht zu tun. Es geht um eine Rentenleistung, deren Voraussetzung durch das (Pflicht)Mitglied des Beklagten begründet und die von seiner Witwe in Anspruch genommen wird.

Der Anspruch ist auch nach § 25 Abs. 1 S. 2 RAVWS nicht ausgeschlossen. Dieser lautet wie folgt:

"Bestand die Ehe nicht mindesten drei Jahre und wurde sie erst nach Vollendung des 60. Lebensjahres oder nach Eintritt der Berufsunfähigkeit des Mitglieds geschlossen, besteht kein Anspruch auf Rente".

Diese Vorschrift normiert zwei Ausschlussgründe: Zum einen ist ein Rentenanspruch dann ausgeschlossen, wenn die Ehezeit nicht mindestens drei Jahre beträgt und die Ehe erst nach Vollendung des 60. Lebensjahres abgeschlossen wurde. Der andere Ausschlusstatbestand verlangt, dass die Ehe nach Eintritt der Berufsunfähigkeit des Mitgliedes geschlossen wurde, und als weitere, kumulative Voraussetzung, dass die Ehe nicht mindestens drei Jahre bestand. Zwar erscheint nach dem Wortlaut des § 25 Abs. 1 S. 2 RAVWS zunächst offen, ob sich das Merkmal der dreijährigen Ehebestandszeit nur auf den Tatbestand der Heirat nach Vollendung des 60. Lebensjahres bezieht oder auch auf den der Heirat nach Eintritt der Berufsunfähigkeit des Mitgliedes. Indessen zeigt schon die grammatikalische Auslegung, dass das Tatbestandsmerkmal der mindestens dreijährigen Ehedauer sozusagen "vor die Klammer" gezogen wurde und sich jeweils - kumulativ - auf die anderen Tatbestandselemente bezieht. Anderenfalls müsste der Wortlaut der Vorschrift lauten: "Bestand die Ehe nicht mindestens drei Jahre und wurde sie erst nach Vollendung des 60. Lebensjahres oder wurde sie nach Eintritt der Berufsunfähigkeit des Mitgliedes geschlossen, besteht kein Anspruch auf Rente". Diese schon nach dem Wortlaut gebotene Auslegung ist erst recht im Hinblick auf Sinn und Zweck der Vorschrift angezeigt. Wollte man § 25 Abs. 1 S. 2 RAVWS so verstehen, dass der Rentenanspruch bei Eheschließung während bestehender Berufsunfähigkeit ausgeschlossen ist, ohne dass die Ehedauer eine Rolle spielt, würde in der Tat das bereits vom Verwaltungsgericht erkannte Problem auftauchen, dass ein Rentenanspruch dann ausgeschlossen wäre, wenn der Rechtsanwalt im Zeitpunkt der Eheschließung zwar berufsunfähig ist, später jedoch seinen Beruf - u. U. auf Jahre - wieder ausübt. Ein solcher gänzlicher Anspruchsausschluss erschiene unbillig und mit dem Sinn der Versorgungssatzung schwerlich vereinbar. Verlangt man statt dessen das Merkmal der mindestens dreijährigen Ehedauer als weiteres Tatbestandsmerkmal, endet in dem gebildeten Beispielsfall die "Versorgungslücke" der Ehefrau mit Ablauf dieser drei Jahre.

Die erste Variante des § 25 Abs. 1 S. 2 RAVWS greift nicht ein, da der verstorbene Ehemann der Klägerin im Zeitpunkt der Eheschließung das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte.

Aber auch die zweite Variante der Ausschlussvorschrift liegt nicht vor. Der Ehemann der Klägerin war im Zeitpunkt der Eheschließung nicht berufsunfähig im Sinne der Satzung.

Die Regelungen über die Witwenrente (§ 25 RAVWS), die eine Hinterbliebenenrente ist (§ 24 Abs. 1 Nr. 1 RAVWS), enthalten selbst keine Definition des Begriffs der "Berufsunfähigkeit". Dem Regelungszusammenhang ist lediglich zu entnehmen, dass der Ausschlusstatbestand (§ 25 Abs. 1 S. 2 RAVWS) nicht erst dann eingreift, wenn im Zeitpunkt der Eheschließung das Mitglied Berufsunfähigkeitsrente erhalten hat, da ansonsten die Regelung in § 24 Abs. 2 RAVWS keinen Sinn ergäbe, wonach Hinterbliebenenrente u.a. bereits dann gewährt wird, wenn das Mitglied zum Zeitpunkt des Todes eine "Anwartschaft" auf Berufsunfähigkeitsrente hat. Es ist deshalb auf die Regelung zurückzugreifen, die die Berufsunfähigkeitsrente selbst normiert, also auf § 21 Abs. 1 Nr.1 RAVWS. Dieser lautet wie folgt:

Berufsunfähigkeitsrente erhält das Mitglied, das

infolge körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche seine körperlichen oder geistigen Kräfte zur Ausübung des Berufes eines Rechtsanwalts, eines Patentanwalts, eines selbständigen Notars oder eines Rechtsbeistandes auf nicht absehbare Zeit, mindestens 90 Tage, unfähig ist.

Indes lässt sich die Frage, wann eine Berufsunfähigkeit vorliegt, nicht aus § 21 Abs. 1 Nr. 1 RAVWS allein herleiten. Dieser enthält zwar die Anforderung, dass die Berufsunfähigkeit durch körperliche Gebrechen bzw. Schwäche der körperlichen oder geistigen Kräfte herbeigeführt sein muss, beantwortet jedoch noch nicht die Frage, was unter Berufsunfähigkeit zu verstehen ist. Bei der Beantwortung dieser Frage schließt der Senat an seine Rechtsprechung zum Begriff der Berufsunfähigkeit bei sonstigen Freiberuflern, namentlich den Ärzten, an. Danach ist der Begriff der Berufsunfähigkeit bei Freiberuflern eigenständig und orientiert sich nicht an dem der Berufsunfähigkeit in der gesetzlichen Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten. Wegen der Unterschiede in den Strukturprinzipien beider Versorgungssysteme liegt eine Berufsunfähigkeit vielmehr erst dann vor, wenn der Teilnehmer eine die Existenz sichernde Berufstätigkeit nicht mehr ausüben kann (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.12.1996 - 9 S 3284/94 - zur Versorgung der Ärzte in Baden-Württemberg, m.w.N.). Daher liegt Berufsunfähigkeit im Sinne von § 21 Abs. 1 Nr. 1 RAVWS vor, wenn das Mitglied "infolge körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche seine körperlichen oder geistigen Kräfte" außer Stande ist, den Beruf eines Rechtsanwaltes in einem Umfang auszuüben, der zur Sicherung seiner Lebensgrundlage ausreicht.

Bei der so anzustellenden Prüfung einer Berufsunfähigkeit ist eine Prognose aus der Sicht ex ante anzustellen. Dies ergibt sich aus dem in § 21 Abs. 1 Nr. 1 RAVWS weiter enthaltene Tatbestandsmerkmal, dass die Unfähigkeit zur Berufsausübung "auf nicht absehbare Zeit" bestehen muss.

Zwar geht die Satzung des Beklagten auch davon aus, dass der Bezug einer Berufsunfähigkeitsrente für einen zeitlich begrenzten Zeitraum möglich ist. § 21 Abs. 7 Nr. 1 RAVWS regelt, dass die Berufsunfähigkeit mit dem Monat endet, in dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht mehr erfüllt sind, bzw. nach Ziffer 2 der Vorschrift, wenn eine Nachuntersuchung ergeben hat, dass keine Berufsunfähigkeit besteht. Dies könnte zu dem Schluss verleiten, eine Berufsunfähigkeitsrente könne auch bei bloß vorübergehender Berufsunfähigkeit bewilligt werden. Damit würde jedoch verkannt, dass die genannten und in § 21 Abs. 7 RAVWS geregelten Fallgruppen solche sind, in denen sich im Nachhinein zeigt, dass eine Berufsunfähigkeit nicht mehr besteht. Diese Vorschrift trägt somit dem Umstand Rechnung, dass der Zustand der Berufsunfähigkeit ein vorübergehender sein kann, wenn sich der Gesundheitszustand - sei es durch ärztliche Behandlung, sei es ohne eine solche - wieder bessert und der Rechtsanwalt seine Berufstätigkeit wieder aufzunehmen kann.

Damit ist jedoch nicht die Frage beantwortet, ob eine Berufsunfähigkeitsrente auch dann bewilligt werden kann, wenn bei der Prognose ex ante davon auszugehen ist, die Berufsunfähigkeit sei nur vorübergehend. Diese Frage ist zu verneinen. § 21 Abs. 1 Nr. 1 RAVWS verlangt für das Eintreten der Berufsunfähigkeitsrente die auf körperlichen Gebrechen o.ä. beruhende Unfähigkeit, den Beruf auf nicht absehbare Zeit auszuüben. Die Vorschrift hält damit die Abgrenzung zwischen bloßer Krankheit, die zu einer vorübergehenden Unfähigkeit dem Beruf nachzugehen führt, und der dauernden Berufsunfähigkeit aufrecht. Diese Trennung entspricht auch dem Willen des Satzungsgebers. Dieser wollte, was schon die in § 19 RAVWS enthaltene Zusammenstellung der Leistungen zeigt, die Risiken des Alters und der Berufsunfähigkeit abdecken.

Dass darüber hinaus auch die aus vorübergehender Krankheit sich ergebenden Risiken übernommen werden sollten, ist der Satzung nicht zu entnehmen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Satzung in § 21 Abs. 1 Nr. 1 RAVWS nicht starr die Unfähigkeit zur Berufsausübung auf nicht absehbare Zeit verlangt, sondern die Unfähigkeit für "mindestens 90 Tage" genügen lässt. Mit dieser Tatbestandsvariante ist das grundsätzliche Erfordernis einer Unfähigkeit der Berufsausübung auf nicht absehbare Zeit nicht ausgeschlossen. Die 90-Tage-Frist trägt vielmehr allein dem Umstand Rechnung, dass sich die ex-ante-Prognose einer dauernden Berufsunfähigkeit als unzutreffend erweisen kann. Ihre Bedeutung erschöpft sich darin, dass die (später nicht bestätigte) Prognose dauernder Berufsunfähigkeit den Rentenbezug dann deckt, wenn die Berufsunfähigkeit für mindestens 90 Tage andauerte. Die Berufsunfähigkeit auf "mindestens 90 Tage" stellt mithin gleichsam den Behaltensgrund für die Rentenleistung dar. Daraus ergibt sich weiter, dass auch die Tatbestandsvariante der Berufsunfähigkeit auf "mindestens 90 Tage" dem Anwalt kein Wahlrecht zwischen der Fortsetzung der Berufsausübung und dem Wechsel in die Berufsunfähigkeitsrente in den Fällen gibt, in denen er krankheitsbedingt zwar mehr als 90 Tage seinen Beruf nicht (hinreichend) ausüben kann, jedoch (ex ante) davon auszugehen ist, er werde ihn danach wieder in vollem Umfang aufnehmen. Vielmehr verlangt die Geltendmachung der Berufsunfähigkeitsrente durch das Mitglied, dass prognostisch davon ausgegangen werden muss, die Berufsunfähigkeit werde auf nicht absehbare Zeit bestehen.

Für die Auslegung des Berufsunfähigkeitsbegriffes in § 25 Abs. 1 S. 2 RAVWS gilt nichts anderes. Auch hier muss im Anschluss an § 21 Abs. 1 Nr. 1 RAVWS verlangt werden, dass die infolge körperlichen Gebrechens etc. bestehende Unfähigkeit der Berufsausübung im Zeitpunkt der Eheschließung - prognostisch - auf nicht absehbare Zeit bestehen muss.

Nach allem ist im vorliegenden Falle eine Prognose zum Zeitpunkt der Eheschließung anzustellen, ob davon ausgegangen werden musste, der Rechtsanwalt könne auf nicht absehbare Zeit wegen der Krankheit seinen Beruf nicht mehr - hinreichend - ausüben. Diese Prognose führt angesichts der vorliegenden Unterlagen dazu, dass zum Zeitpunkt der Eheschließung von einer Berufsunfähigkeit auf nicht absehbare Zeit nicht ausgegangen werden kann. Zwar war in diesem Zeitpunkt eine schwere Erkrankung bekannt, die eine komplizierte Behandlung - Lebertransplantation - erforderlich machte. Indes bestand in jenem Zeitpunkt wie auch während der späteren Klinikaufenthalte die Möglichkeit und Erwartung, dass die Behandlung erfolgreich sein werde. Wäre die Behandlung erfolgreich gewesen, wäre die Arbeitsfähigkeit des Ehemanns der Klägerin uneingeschränkt wieder hergestellt worden. Es handelte sich vorliegend nicht um eine Erkrankung, bei der auch dann, wenn das Leben erhalten werden könnte, die Ausübung des Berufes gleichwohl unmöglich bleiben würde. Allein der Umstand, dass eine Krebserkrankung regelmäßig einen lebensbedrohlichen Verlauf nehmen kann, erlaubt nicht die Prognose, der Ehemann der Klägerin sei voraussichtlich dauerhaft berufsunfähig. Wäre vielmehr die Behandlung erfolgreich gewesen, hätte sie zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit geführt. Dies änderte sich erst mit dem Tumorrezidiv im September 1998.

Die Ausschlussvorschrift des § 25 Abs. 1 S. 2 RAVWS greift sonach nicht ein.

Auch mit einer analogen Anwendung anderer Vorschriften - wie etwa der von dem Beklagten genannten §§ 41, 42 AO - ist ein Anspruchsausschluss nicht begründbar. Vielmehr enthält § 25 Abs. 1 S. 2 RAVWS jedenfalls für die Fallgruppe des natürlichen Todes durch Alter oder Krankheit eine abschließende Regelung des Anspruchsausschlusses. Dies ergibt sich aus folgendem:

Die Satzung des Beklagten regelt in § 25 Abs. 1 S. 2 ausdrücklich zwei Fälle, in denen ein Anspruch auf Witwenversorgung ausgeschlossen ist: Zum einen hohes Alter (60 Jahre) des Teilnehmers verbunden mit einer kurzen Ehebestandszeit (drei Jahre) und zum anderen Berufsunfähigkeit des Teilnehmers und kurze Ehebestandszeit (drei Jahre). Hinzu kommt ein weiterer Versorgungsausschluss, wenn nicht mindestens 36 Monate Beiträge gezahlt worden sind (vgl. § 25 Abs. 2 RAVWS). Die Regelung dient erkennbar dem Zweck, die Solidargemeinschaft der Versorgungswerkteilnehmer davor zu schützen, dass Beitragsmittel für Versorgungen aufgewendet werden müssen, die - naturgemäß - nicht dem Teilnehmer selbst, sondern einem Hinterbliebenen zufließen, ohne dass hierfür ein anzuerkennender Grund vorhanden ist. Als Grund in diesem Sinne ist die Ehe anzusehen; aus ihr ergeben sich Rechte und Pflichten der Eheleute, insbesondere Unterhaltsansprüche. Verkürzt dargestellt erscheint die Witwenrente als Ersatz für den ausgefallenen Unterhaltsanspruch; auch dafür, dass die Beitragsleistungen während der Ehezeit erfolgt sind und damit die Ehefrau hieran - zumindest mittelbar - beteiligt gewesen ist. Dies rechtfertigt es, dass das Versorgungswerk einen Anspruch auf Witwengeld in den oben genannten Fällen ausschließt. Ob darüber hinaus weitere Ausschlusstatbestände einer ausdrücklichen Regelung bedurft hätten, bedarf hier keiner Entscheidung. Sinn und Zweck der Vorschrift ist jedenfalls, dass mit ihr der Fall der sogenannten "Versorgungsehe" bezüglich des natürlichen Todes durch Alter oder Krankheit abschließend geregelt werden soll.

Jeder Träger einer Versorgungseinrichtung sieht sich mit dem Problem der Versorgungsehe konfrontiert. Regelungsbedarft besteht zum einen hinsichtlich des Tatbestandes, der zum Ausschluss des Versorgungsanspruchs führen soll, und zum anderen hinsichtlich der Nachweislast des Tatbestandes. Bei einer Versorgungsehe soll der Ausschluss typischerweise daran anknüpfen, dass die Ehe ausschließlich oder überwiegend aus dem Grund geschlossen wird, dem Ehepartner eine Versorgung zukommen zu lassen. Einen Ausschlusstatbestand auf diese innere Motivation zu stützen, würde jedoch dazu führen, dass bei der Anwendung einer so konstruierten Vorschrift die Lebensumstände der Eheleute nach dem Tod eines Ehegatten zu ermitteln wären. Diesen Weg sind Gesetz- oder Satzungsgeber, soweit ersichtlich, nicht gegangen. Vielmehr werden die Ausschlussregelungen "verobjektiviert", d.h. es wird auf äußere Umstände abgestellt, die typischerweise einen Rückschluss darauf zulassen, ob die Ehe als Versorgungsehe geschlossen wurde. Nach § 46 Abs. 2a SGB VI etwa haben Witwen oder Witwer keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. § 19 Abs. 1 S. 2 Beamtenversorgungsgesetz enthält für die Beamtenversorgung eine entsprechende Regelung. Diese Ausschlussregelungen sind vom Bestreben getragen, den Träger der Versorgung nicht "zu unerfreulichen und im Ergebnis unsicheren Ausforschungen im Bereich der privaten Lebenssphäre zu nötigen", was die Billigung der Rechtsprechung gefunden hat (vgl. BVerwG, Urteil v. 30.10.1969 - II C 46.68 -, BVerwGE 34, 149, 153 und BSG, Urteil v. 03.09.1986 - 9 a RV 8/84 - m.w.N.). In diesem "Regelungsmodell" wird gleichsam die (einjährige) Ehedauer als Nachweis für die Ernsthaftigkeit der Ehe gewertet, bei einer kürzeren Ehezeit wird die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe begründet. Indes ist die rechtliche Konstruktion einer Kombination von (relativ kurzer) Ehebestandszeit mit gesetzlicher Vermutung nicht die allein denkbare oder zulässige, vielmehr hat der Gesetz- oder Satzungsgeber einen Gestaltungsspielraum, wie er einen Anspruchsausschluss bei einer Versorgungsehe regelt.

Von diesem Spielraum hat das beklagte Versorgungswerk mit § 25 Abs. 1 S. 2 RAVWS Gebrauch gemacht und eine Regelung der Versorgungsehe geschaffen: Der Satzungsgeber hat zwei - aus Sicht des Versicherers besonders risikobehaftete - Fallgruppen geregelt, nämlich die des "alten" und des berufsunfähigen Versicherungsnehmers. Beide zeichnen sich dadurch aus, dass bei normalem Geschehensablauf ein baldiger Eintritt des Versorgungsfalles möglich erscheint; es sind mithin Fallgruppen, bei denen die Annahme einer "Versorgungsehe" in Betracht kommt. Tritt der Versorgungsfall vor Ablauf von drei Jahren seit der Eheschließung ein, so entfällt der Versorgungsanspruch, ohne dass es noch auf zusätzliche Umstände ankommt, namentlich auch ohne dass der Gegenbeweis, es sei keine "Versorgungsehe" beabsichtigt gewesen, zulässig wäre. Umgekehrt wird bei längerer Ehedauer unwiderleglich vermutet, die Ehe sei nicht aus Versorgungsgründen geschlossen worden. Besteht die Ehe länger als drei Jahre, wird vermutet, dass sie nicht aus Versorgungsgründen geschlossen wurde.

Damit hat der Satzungsgeber die Versorgungsehe jedenfalls für die Fallgruppe des natürlichen Todes - durch Alter oder Krankheit - abschließend geregelt. Dafür, dass die Regelung insofern als abschließende anzusehen ist, spricht der Aspekt der Rechtssicherheit für das Mitglied und seinen Ehegatten. Auszugehen ist davon, dass der Ausschluss einer Altersversorgung für den Betroffenen von erheblicher Bedeutung ist. Die gesamte Lebensplanung der Eheleute wird auch davon abhängen, ob ein Ehegatte beim Tod des anderen Versorgungsleistungen beziehen kann oder ob er auf den Aufbau einer eigenen Altersversorgung angewiesen ist. Ausgehend hiervon ist an Regelungen, die Versorgungsleistungen ausschließen, die Anforderung zu stellen, dass für die Betroffenen hinreichend klar ersichtlich sein muss, ob bzw. inwieweit sie von dem Ausschluss erfasst sind oder nicht. Dies jedoch verbietet eine Auslegung des § 25 Abs. 1 S. 2 RAVWS dahin, für die Fälle des natürlichen Todes durch Alter oder Krankheit gebe es neben den geregelten Ausschlusstatbeständen noch weitere. Für eine analoge Anwendung anderer Ausschlussvorschriften ist damit kein Raum. Ob für Fälle eines unnatürlichen Todes anderes gilt, lässt der Senat offen.

Der Senat verkennt nicht, dass mit dieser Auslegung der Vorschrift ein im Einzelfall nicht billigenswerter Leistungsbezug nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann. Dies ist jedoch in der Vorschrift des § 25 Abs. 1 S. 2 RAVWS angelegt und muss im Interesse der Rechtssicherheit in Kauf genommen werden. Der Satzungsgeber mag davon ausgegangen sein, dass die Angehörigen der bei ihm versicherten Berufsgruppe typischerweise Personen sind, bei denen nicht zu besorgen ist, sie würden Leistungen des Versorgungswerkes missbräuchlich in Anspruch nehmen oder anderen missbräuchlich "zuschanzen". Er wird indes bei einer Neuregelung - die der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung angedeutet hat - zu beachten haben, dass Ausschlusstatbestände für den Betroffenen überschaubar und beurteilbar sein müssen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 43.943,59 EUR festgesetzt ( § 25 Abs. 2, § 14, § 13 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 17 Abs. 3 und 4 GKG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

Zurück