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Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 26.10.2005
Aktenzeichen: 9 S 2343/04
Rechtsgebiete: HPG, HPG-DV, Heilpraktikerrichtlinie 1997
Vorschriften:
HPG § 1 Abs. 1 | |
HPG § 1 Abs. 2 | |
HPG-DV § 2 Abs. 1i | |
Heilpraktikerrichtlinie 1997 Nr. 4.4.2 |
2. Die Festlegung einer absoluten Bestehensgrenze im Antwort-Wahl-Verfahren (hier: 75 % von 60 Fragen) ist angesichts der Zielsetzung des Heilpraktikergesetzes und der dazu ergangenen Ersten Durchführungsverordnung unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Anzahl der Wiederholung an der Kenntnisüberprüfung nicht beschränkt ist, zulässig.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil
Verkündet am 26.10.2005
In der Verwaltungsrechtssache
wegen Heilpraktikererlaubnis
hat der 9. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Schwan, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Wiegand und die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Neu aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. Oktober 2005
am 25. Oktober 2005
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17. April 2003 - 4 K 4954/02 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der 1958 geborene Kläger begehrt die Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (Heilpraktikererlaubnis).
Der Kläger ist der Ansicht, die von der Beklagten vor der Erteilung der Heilpraktikererlaubnis geforderte Kenntnisprüfung sei rechtswidrig. Er hat deshalb am 18.07.2001 - ohne zuvor einen Antrag auf Erteilung der Heilpraktikererlaubnis zu stellen - beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben. Dieses Verfahren war mit Beschluss vom 05.10.2001 zum Ruhen gebracht worden.
Am 09.11.2001 beantragte der Kläger die Heilpraktikererlaubnis und führte dabei unter anderem aus: "Falls das Gesundheitsamt auf meiner Teilnahme an der schriftlichen Multiple-Choice-Prüfung besteht, werde ich zu dieser Prüfung unbeschriebenes Papier mitbringen und mehrdeutige bzw. in meinen Augen ungerechtfertigte Fragen entsprechend kommentieren. Ich möchte eigens darauf aufmerksam machen, dass sich die anderen Prüflinge eventuell irritiert fühlen könnten, wenn ich in der schriftlichen Prüfung nicht nur Kreuze setze, sondern auch einen Aufsatz schreibe."
Die schriftliche Prüfung fand am 20.03.2002 statt. Es wurden im Antwort-Wahl-Verfahren (Multiple-Choice) insgesamt 60 Fragen gestellt, bei denen jeweils 5 Antworten zur Auswahl gestellt waren, von denen eine als zutreffend zu kennzeichnen gewesen ist. Von diesen beantwortete der Kläger 44 nicht und nach Ansicht der Beklagten 6 falsch und 10 richtig. Zu seinen Prüfungsantworten führte der Kläger in der Prüfung u. a. schriftlich aus: "Die Fragen Nr. 5, 10, 13, 15, 19, 22, 23, 24, 28, 41, 42, 43, 44, 50, 51, 54 sind für die Feststellung der Tatsache, ob die Ausübung der Heilkunde durch mich eine Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellt, nicht von Belang". "Die Fragen Nr. 1, 3, 5, 6, 7, 9, 11, 12, 17, 20, 21, 25, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 38, 39, 48, 52, 55, 60 können bei Bedarf leicht nachgeschlagen werden".
Mit Bescheid vom 30.04.2002 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, die Überprüfung der Kenntnisse des Klägers habe ergeben, dass diese nicht ausreichend seien. Die Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung durch ihn würde für die Gesundheit von Patienten eine Gefahr bedeuten.
Im Rahmen des dagegen vom Kläger eingeleiteten Widerspruchsverfahrens wurde der gemeinsame Gutachterausschuss mit dem Widerspruchsvorbringen befasst und hierbei 4 Fachgutachten eingeholt. Der Gutachterausschuss kam im Schreiben vom 08.07.2002 zu dem Ergebnis, der Kläger erfülle die Voraussetzungen zur Erteilung der Heilpraktikererlaubnis eindeutig nicht. Es sei die Annahme gerechtfertigt, dass die Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung durch ihn eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeute.
In seinem Schreiben vom 06.08.2002 an das Regierungspräsidium Stuttgart nahm der Kläger zu den Äußerungen des gemeinsamen Gutachterausschusses Stellung und bekräftigt seine Auffassung der Verfassungswidrigkeit des Antwort-Wahl-Verfahrens. Nach seiner Ansicht müsse die Prüfung wie folgt gestaltet sein: "In der schriftlichen Prüfung werden mehrere (tatsächliche) Krankengeschichten vorgestellt und zur Erarbeitung übergeben. Die Heilpraktikeranwärter wählen sich diejenigen Patienten aus, die sie in ihrer späteren Praxis behandeln würden, und schreiben in einem Aufsatz, wie sie dabei vorgehen. Wer unter den vorgestellten Krankengeschichten keinen Patienten findet, der für seine spätere Arbeitsweise in Frage kommt, schreibt einen Aufsatz über seine Arbeitsweise und die Zielgruppe, die er im Auge hat".
Mit Bescheid vom 04.11.2002 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück.
Am 06.11.2002 hat der Kläger das beim Verwaltungsgericht ruhende Verfahren wieder angerufen und zuletzt beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 30.04.2002 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 04.11.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm die Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung zu erteilen.
Dem Antrag der Beklagten folgend hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 17.04.2003 die Klage abgewiesen. Zur Begründung wird ausgeführt, nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (HPG) bedarf, wer Heilkunde ohne Bestallung ausüben will, der Erlaubnis. In § 2 Abs. 1 der Ersten Durchführungsverordnung zum Heilpraktikergesetz (DV-HPG) würden gesetzliche Versagungsgründe, die der Erteilung einer Erlaubnis entgegenstünden, normiert. Vorliegend stehe der Versagungsgrund des § 2 Abs. 1i DV-HPG der Erteilung der Heilpraktikererlaubnis entgegen. Danach wird die Erlaubnis nicht erteilt, wenn sich aus einer Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Antragstellers durch das Gesundheitsamt ergibt, dass die Ausübung der Heilkunde durch den Betreffenden eine Gefahr für die Volksgesundheit bedeuten würde. Dies läge hier vor. Die von der Beklagten unter Einbeziehung des Gesundheitsamts als sachkundige Behörde durchgeführte Kenntnisprüfung in Form des Antwort-Wahl-Verfahrens sei nicht zu beanstanden. Die vom Kläger in der Prüfung gelieferten Ergebnisse rechtfertigten nicht die Annahme, dass er keine Gefahr für die Volksgesundheit darstellen würde.
Zur Begründung seiner vom Senat mit Beschluss vom 01.10.2004 zugelassenen Berufung trägt der Kläger vor, die Kenntnisprüfung dürfe nicht in einem Multiple-Choice-Verfahren erfolgen. Die gestellten Prüfungsfragen seien nicht geeignet dem Prüfungsziel Rechnung zu tragen. Eine Vorbereitung auf die Prüfung mit objektiven und jedermann zugänglichen Lernmitteln sei nach der bisherigen Prüfungspraxis nicht möglich. Die Konzentration der Fragen auf nur 60 erschwere die Prüfung unverhältnismäßig, zumal eine starre Quote von 75 % an vermeintlich richtig beantworteten Fragen vorausgesetzt wird. Hiermit werde ein Prüfungsniveau erreicht, das nahezu ein Medizinstudium voraussetze. Die Heilpraktikererprüfung dürfe nur auf die Überprüfung der Abgrenzung des Heilpraktikerberufs zum Arztberuf ausgerichtet sein und diesem Ziel sei durch die Aneignung oder schematische Prüfung von medizinischem Fachwissen nicht gedient. Die Gefahr, dass der Heilpraktiker die eigenen medizinischen Kenntnis überschätze werde eher vergrößert, wenn seine Prüfung einseitig auf medizinisches Fachwissen von Ärzten ausgerichtet bleibe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17.04. 2003 - 4 K 4954/02 - zu ändern, den Bescheid der Beklagten vom 30.04.2002 sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 04.11.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Heilpraktikerprüfung des Klägers - bis zum Tätigwerden des Gesetz- bzw. Verordnungsgebers - unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts durchzuführen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angegriffene Urteil und führt aus: Die Kenntnisprüfung, die aus einem schriftlichen und mündlichen Teil bestehe, stütze sich auf die Richtlinien des Sozialministeriums Baden-Württemberg zur Durchführung des Gesetzes für die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung. Diese Richtlinien seien zum Vollzug des Heilpraktikergesetzes und der Ersten Durchführungsverordnung zum Heilpraktikergesetz ergangen. Ihre Zielsetzung sei, neben der Schaffung einer Handlungsgrundlage zur Sicherstellung seiner landesweiten Gleichbehandlung der Heilpraktikeranwärter bei der schriftlichen Überprüfung, insbesondere die berufliche Zuverlässigkeit der Heilpraktiker zu gewährleisten. Dabei dürfe das Antwort-Wahl-Verfahren angewandt werden. Die Auswahl der Fragen erfolge nach einem mit anderen Ländern abgestimmten Verfahren. Die Länder Baden-Württemberg und Bayern hätten sich darüber abgestimmt, dass das Gesundheitsamt Ansbach/ Bayern federführend für die Koordination und für die Erstellung der Fragen zuständig sei. Von dort werde aus einem Fragenpool ein Vorschlag von ca. 90 Fragen zusammengestellt und an die überprüfenden Gesundheitsämter in Baden-Württemberg versandt. Dem hätten sich inzwischen insgesamt 12 Bundesländer angeschlossen. In einem gemeinsamen Treffen von Vertretern der Gesundheitsämter würden aus dem Vorschlag 60 Fragen ausgewählt und das Ergebnis anschließend nach Ansbach zurückgesandt. Von dort würden in der Folge die ausgesuchten 60 Fragen in einem Überprüfungsbogen zusammengestellt, der den beteiligten Gesundheitsämtern zur Überprüfung zugeleitet werde. Prüfungstermine seien landeseinheitlich jeweils der 3 Mittwoch im März und der 2 Mittwoch im Oktober eines Jahres. Der Fragenkatalog bestehe aus 1/3 Fragen früherer Prüfungen, 1/3 geänderter Fragen aus alten Prüfungen und 1/3 neuer Fragen. Die gestellten Prüfungsfragen erfüllten den gesetzgeberischen Zweck. An der schriftlichen Überprüfung im März 2002 hätten 32 Bewerber teilgenommen, wovon nur 3 Personen, darunter der Kläger, den schriftlichen Teil der Kenntnisüberprüfung nicht bestanden hätten. Bei der Kenntnisprüfung handele es sich nicht um eine Fachprüfung. Es gehe um eine präventive Kontrolle, die nicht nur die fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten, sondern auch die Eignung für den Heilberuf im Allgemeinen erfasse.
Dem Senat liegen die einschlägigen Akten des Beklagten und des Verwaltungsgerichts Stuttgart vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf diese Akten und die im Berufungszulassungs- und Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Beteiligten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach Zulassung des Senats statthafte und auch ansonsten zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 30.04.2002 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 04.11.2002 sind rechtmäßig und verletzen daher den Kläger nicht in seinen Rechten. Deshalb scheidet eine Verpflichtung der Beklagten, den Kläger erneut zur Überprüfung seiner Kenntnisse - unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts - im Erlaubnisverfahren zuzulassen, aus.
Zur Klarstellung und um etwaige Missverständnisse beim Kläger zu beseitigen, ist nochmals darauf hinzuweisen, dass Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits nicht die Rechtmäßigkeit oder Ordnungsgemäßheit des Kenntnisüberprüfungsverfahrens im Rahmen der Erteilung der Heilpraktikererlaubnis als solche ist, sondern die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Erlaubnisversagungsbescheides der Beklagten. Nur im Rahmen dieser Überprüfung kann die Art und Weise der Durchführung des Kenntnisüberprüfungsverfahrens Bedeutung gewinnen.
Gemäß § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (Heilpraktikergesetz - im Folgenden: HPG -) vom 17.02.1939 (RGBl. I S. 251), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23.10.2001 (BGBl. I S. 2702, 2705), bedarf der Erlaubnis, wer die Heilkunde ohne Bestallung als Arzt ausüben will. Nach § 1 Abs. 2 HPG ist Ausübung der Heilkunde im Sinne dieses Gesetzes jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen, auch wenn sie im Dienste von Anderen ausgeübt wird. Die Erlaubnis wird nach § 2 Abs. 1i der Ersten Durchführungsverordnung zum Gesetz über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung vom 18.02.1939 (RGBl. I S. 259; im folgenden: DV-HPG ), zuletzt geändert durch Verordnung vom 04.12.2002 (BGBl. I S. 4458), nicht erteilt, wenn sich aus einer Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Antragstellers durch das Gesundheitsamt ergibt, dass die Ausübung der Heilkunde durch den Betreffenden eine Gefahr für die Volksgesundheit bedeuten würde. Diese subjektive Berufszulassungsschranke ist verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. zuletzt BVerfG, 2. Senat 3. Kammer, Beschluss vom 03.06.2004 - 2 BvR 1802/02 - ArztR 2005, 102). Sie rechtfertigt sich daraus, dass es sich bei der Gesundheit der Bevölkerung um ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut handelt, zu dessen Schutz das Erfordernis aufgestellt werden darf, dass heilkundliche Tätigkeit grundsätzlich nicht erlaubnisfrei sein soll. Dabei geht es hier um eine präventive Kontrolle, die nicht nur die fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten, sondern auch die Eignung für den Heilkundeberuf im Allgemeinen erfasst (so schon BVerfG, Beschluss vom 10.05.1988 - 1 BvR 482/84 -, BVerfGE 78, 179 < 194>.).
In welcher Form und in welchem Umfang die Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Heilpraktikeranwärters zu erfolgen hat und wie seine "Eignung für den Heilkundeberuf im Allgemeinen" festzustellen ist, ist weder dem Heilpraktikergesetz noch der Durchführungsverordnung unmittelbar zu entnehmen. Sie ergibt sich aus der Zielsetzung des Heilpraktikergesetzes und insbesondere der Versagungsnorm selbst.
Der Heilpraktiker übt die Heilkunde aus, ohne als Arzt bestallt zu sein. Er steht damit aber im Behandlungsansatz einem Arzt nahe; anders als etwa Geistheiler (vgl. hierzu BVerfG, 2. Senat 2. Kammer, Beschluss vom 02.03.2004 - 1 BvR 784/03 -, MedR 2005, 35) oder Wunderheiler (BVerfG, 1. Senat 2. Kammer, Beschluss vom 03.06.2004, a.a.O.). Wer einen Heilpraktiker aufsucht, wird großteils einen Arzt für entbehrlich halten, weil ein Teil der ärztlichen Funktion vom Heilpraktiker übernommen werden darf. Deshalb muss bei den Heilpraktikern das Vorliegen gewisser medizinischer Kenntnisse geprüft und für die Erteilung der Erlaubnis vorausgesetzt werden. Die Heilpraktikererlaubnis bestärkt den Patienten in gewisser Hinsicht in der Erwartung, sich in die Hände eines nach heilkundlichen Maßstäben Geprüften zu begeben. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass für den Heilpraktikerberuf eine bestimmte fachliche Ausbildung nicht vorgeschrieben ist.
Das Kenntnisüberprüfungsverfahren muss nach Art und Umfang geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sein, um die Feststellung tragen zu können, die Ausübung der Heilkunde durch den Erlaubnisbewerber gefährde die Volksgesundheit oder gefährde sie nicht. Diesen Anforderungen entspricht das von der Beklagten durchgeführte schriftliche Überprüfungsverfahren im allgemeinen. Auch die Anwendung im Fall des Klägers zeigt keinen die Rechtswidrigkeit des Versagungsbescheides begründenden Fehler.
Die Beklagte führte die Überprüfung anhand der "Richtlinien des Sozialministeriums zur Durchführung des Gesetzes für die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (Heilpraktikergesetz) - Heilpraktiker-Richtlinien (HP-RL) - vom 17.12.1996 (GABl. 1997, S. 8 ff.), die als normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift verstanden werden kann, durch. Die Richtlinie kennzeichnet als Zweck der Überprüfung (Nr. 4.2 HP-RL) die Feststellung, ob die antragstellende Person solche heilkundlichen Kenntnisse und Fähigkeiten besitzt, dass die Ausübung der Heilkunde durch sie nicht zu einer Gefährdung der menschlichen Gesundheit führt. Die Überprüfung stellt keine Prüfung im Sinne einer Leistungskontrolle zur Feststellung einer bestimmten Qualifikation dar. Mit dieser Zielrichtung hält sich die Vorschrift im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben.
Sie fordert weiter (Nr. 4.2 2. Absatz HP-RL), dass der Bewerber notwendigerweise diejenigen fachlichen Grundlagenkenntnisse der Medizin, ohne deren Beherrschung heilkundliche Tätigkeiten mit Gefahren für die menschliche Gesundheit verbunden sein können, besitzt. Ferner soll durch die Überprüfung insbesondere festgestellt werden, ob die antragstellende Person die Grenzen ihrer Fähigkeiten und der Handlungskompetenz des Heilpraktikers klar erkennt, sich der Gefahren bei einer Überschreitung dieser Grenzen bewusst und bereit ist, ihr Handeln entsprechend einzurichten.
Als Inhalt der Überprüfung sieht die Richtlinie folgende Gebiete vor: Berufs- und Gesetzeskunde (4.3.1 HP-RL), grundlegende Kenntnisse der Anatomie und Physiologie einschließlich der pathologischen Anatomie und Pathophysiologie (Nr. 4.3.2 HP-RL), Grundkenntnisse in der allgemeinen Krankheitslehre, Erkennung und Unterscheidung von häufigen Krankheiten, insbesondere der Stoffwechselkrankheiten, der Herz-Kreislauf-Krankheiten, der degenerativen und übertragbaren Krankheiten, der bösen Neubildungen sowie seelische Erkrankungen (Nr. 4.3.3 HP-RL), der Erkennung und Erstversorgung akuter Notfälle und lebensbedrohender Zustände (Nr. 4.3.4 HP-RL), der Praxishygiene, Desinfektion und Sterilisationsmaßnahmen (Nr. 4.3.5 HP-RL), der Technik der Anamneseerhebung, Methoden der unmittelbaren Krankenuntersuchung ... (Nr. 4.3.6 HP-RL), der Bedeutung grundlegender Laborwerte (Nr. 4.3.7 HP-RL) und der Injektions- und Punktionstechniken (Nr. 4.3.8 HP-RL). Mit dieser Umschreibung der Gebiete, in denen der Heilpraktikeranwärter Fachkenntnisse besitzen muss, hält sich die Richtlinie im Rahmen dessen, was als Mindeststandard an Wissen verlangt werden darf, damit die Ausübung der Heilkunde keine Gefahr für die Volksgesundheit darstellt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Erlaubnisbewerber eine unbeschränkte Heilpraktikererlaubnis begehrt (für den Fall der Beschränkung der Erlaubnis auf die Ausübung der Psychotherapie vgl. BVerwG, Urteil vom 21.01.1993 - 3 C 94.90 -, BVerwGE 91, 356 ff.). Darauf, ob der Erlaubnisbewerber in der von ihm angestrebten Heilpraktikerpraxis auf all diesen Gebieten tätig werden will, kommt es nicht an. Der Schutz der Volksgesundheit gebietet, die durch die Erlaubnis ermöglichte umfassende Heilbehandlung von einer Mindestkenntnis auf den genannten Gebieten abhängig zu machen.
Die Durchführung der schriftlichen Kenntnisüberprüfung im Antwort-Wahl-Verfahren (Nr. 4.4.2 HP-RL) ist nicht zu beanstanden. Das Heilpraktikergesetz und dessen Erste Durchführungsverordnung enthalten keine konkreten Vorgaben für die Ausgestaltung des Überprüfungsverfahrens und seiner Durchführung. Eine ausdrückliche Ermächtigung, die schriftliche Überprüfung mittels Antwort-Wahl-Verfahren vorzunehmen, kann diesen Regelungen nicht entnommen werden. Andererseits enthalten sie aber auch kein Verbot in diese Richtung.
Zwar mag es für die Durchführung einer Prüfung im Antwort-Wahl-Verfahren einer besonderen (gesetzlichen, verordnungs- oder satzungsrechtlicher) Ermächtigung bedürfen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.03.1989 - 1 BvR 1033/82 u.a. -, BVerfGE 80, 1; Sächs. OVG, Beschluss vom 10.10.2002 - 4 BS 328/02 -, DÖV 2003, 728; Birnbaum: Rechtliche Anforderungen an das Antwort-Wahl-Verfahren, LKV 2004, 533), doch gilt dies nicht für die vorliegende Überprüfung der Kenntnisse zum Erwerb der Heilpraktikererlaubnis. Die Prüfung ist kein "medizinisches Staatsexamen mit ermäßigten Anforderungen". Sie zielt nicht auf den Nachweis einer Fachqualifikation und endet auch nicht in einer Vergabe von Prüfungsnoten, die wie regelmäßig bei den wissenschaftlich-fachlichen Berufszugangsprüfungen auf ein bestimmtes Leistungsprofil - etwa auf den Durchschnitt der zu erwartenden Leistungen - bezogen werden. Sie ist damit keine vom Gesetz formalisierte Prüfung im herkömmlichen Sinne. Es wird auch nicht das Erbringen von Prüfungsleistungen normativ auf einen bestimmten Zeitpunkt festgesetzt, wie dies für wissenschaftlich-fachliche Prüfungen typisch ist; der Prüfung fehlt im strengen Sinne der Stichtagscharakter. Denn wird ein Antrag auf Erteilung der Heilpraktikererlaubnis bestandskräftig abgelehnt, steht einer beantragten erneuten Überprüfung nichts im Wege. Die Überprüfung ist damit grundsätzlich beliebig wiederholbar (so BVerwG, Urteil vom 21.12.1995 - 3 C 24.94 -, BVerwGE 100, 221). An der Geeignetheit des Antwort-Wahl-Verfahrens als solchem zur Feststellung von Kenntnissen bestehen keine Zweifel.
Die von der Richtlinie vorgesehene (Nr. 4.4.2 3. Absatz HP-RL) - und auch praktizierte - absolute Bestehensgrenze verstößt ebenfalls nicht gegen höherrangiges Recht. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht bei der medizinischen Prüfung im Multiple-Choice-Verfahren eine absolute Bestehensregel für verfassungswidrig, weil unverhältnismäßig, erachtet (Beschluss vom 14.03.1989, a.a.O.). Begründet wird dies unter anderem mit den deutlich unterschiedlichen Anforderungen der Beantwortung einzelner Fragen je nach Aufgabentyp und vor allem damit, dass die Bestehensgrenze in einem Verhältnis zu einer möglichen Höchstleistung oder zu einer Normalleistung stehen müsse (BVerfG, a.a.O. unter III Nr. 1 des amtlichen Abdrucks). Ein solches Verhältnis prägt die Überprüfung der Kenntnisse des Erlaubnisbewerbers nicht. Die Regelung dient allein dem präventiven Gesundheitsschutz. Maßgeblich ist, ob die Kenntnisse des Bewerbers derart mangelhaft oder mit Fehlvorstellungen behaftet sind, dass die Ausübung der Heilkunde durch ihn eine Gefahr für seine künftigen Kunden bedeuten würde. Auf diese Zielrichtung muss im wesentlichen die Fragestellung ausgerichtet sein, wobei selbstverständlich auch allgemein heilkundliche Grundkenntnisse gefordert werden dürfen und nicht jede einzelne Frage einen spezifischen Bezug zur Verhütung von Gesundheitsgefahren aufweisen muss (BayVGH, Urteil vom 30.11.1996 - 7 B 95.3170 -, VGHE BY 51, 31 ff.). Kommt hinzu, dass - anders als in fachwissenschaftlichen Prüfungen - die Zahl der Teilnahmemöglichkeit an der Kenntnisüberprüfung nicht begrenzt ist. Somit scheidet ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit aus.
Das von der Beklagten durchgeführte schriftliche Kenntnisüberprüfungsverfahren hält sich im Rahmen des ihr durch die Richtlinie Vorgegebenen. Damit scheidet ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz und gegen den Grundsatz der Chancengleichheit aus.
Zwar sieht Nr. 4.4.2 HP-RL vor, dass 80 Fragen zu stellen sind und nur wer mindestens 70 % zutreffend beantwortet zur Fortsetzung der Überprüfung im mündlichen Teil zugelassen wird. Hiervon kann jedoch im Fall der Durchführung eines mit anderen Ländern abgestimmten Verfahrens bei der Auswahl der Fragen deren Zahl sowie der Prozentsatz der zu beantwortenden Fragen abweichend festgelegt werden (Nr. 4.4.2 letzter Absatz HP-RL). So wurde hier vorgegangen. Es wurden 60 Fragen gestellt, wovon 75 % richtig zu beantworten waren (so auch jetzt die Richtlinien des Sozialministeriums zur Durchführung des Heilpraktikergesetzes vom 21.11.2003 (Nr. 4.2 1. und 3. Absatz GABl. 2003, 983). Hierauf sind die Kandidaten auch hingewiesen worden.
Die bei der Kenntnisüberprüfung am 20.03.2002 gestellten Fragen halten sich im Rahmen der oben aufgeführten Gebiete. Sie sind auch generell geeignet, den Zweck der schriftlichen Kenntnisüberprüfung zu erfüllen. Der im Widerspruchsverfahren mit der Widerspruchsbegründung des Klägers befasste Gutachterausschuss (vgl. § 3 Abs. 3 HPG-DV) hält ausweislich des Schreibens des Regierungspräsidiums Freiburg vom 08.07.2002 die gewählten Inhalte der schriftlichen Überprüfung hinsichtlich ihres Schwierigkeitsgrades und ihrer Zulässigkeit im Rahmen einer Heilpraktikerüberprüfung für nicht zu beanstanden. Lediglich einer der vier beteiligten Fachgutachter erachtet die Frage Nr. 2 für missverständlich. Die vom Kläger bei seiner Prüfung abgegebenen Kommentare ziehen dies nicht in Zweifel. Soweit er die Fragen Nr. 5, 10, 13, 15, 19, 22, 23, 24, 28, 41, 42, 43, 44, 50, 51 und 54 deshalb für ungerechtfertigt hält, weil er nicht körperliche Symptome behandeln, sondern am Bewusstsein ansetzen wolle, ist dies ohne Belang. Wie oben ausgeführt berechtigt die vom Kläger erstrebte Heilpraktikererlaubnis zur umfassenden Tätigkeit eines Heilpraktikers, so dass auch dessen Kenntnisse gefordert werden dürfen. Soweit er den Fragen Nr. 1, 3, 5, 6, 7, 9, 11, 12, 17, 20, 21, 25, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 38, 39, 48, 52, 55 und 60 entgegenhält, sie könnten bei Bedarf nachgeschlagen werden, so ist dies eine Selbstverständlichkeit. Alle Antworten auf die im Antwort-Wahl-Verfahren gestellten Fragen müssen durch Recherchen in Literatur beantwortbar sein. Dies spricht also nicht gegen die Geeignetheit der Fragen, sondern ist geradezu erforderlich.
Auch die vom Kläger in seinem 89-seitigen Schriftsatz vom 12.03.2003 an das Verwaltungsgericht im Einzelnen aufgeführte Fragenkritik und seine Äußerungen in der mündlichen Verhandlung des Senats vermögen die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Versagungsbescheides nicht in Zweifel zu ziehen. Der Senat sieht sich nicht veranlasst, der Kritik des Klägers, der von den 60 gestellten Fragen überhaupt nur 33 für zulässig erachtet, an jeder einzelnen Frage und der ihr zugeordneten "richtigen Lösung" nachzugehen. Die Kritik des Klägers geht im Kern dahin, dass eine Vorbereitung auf die Kenntnisprüfung nicht möglich sei, die Fragen und Lösungen den Bereich der Alternativmedizin außer Acht lasse, sich ausschließlich in den engen Grenzen vorgegebenen schulmedizinischen Wissens bewegten und alternative Heilungsansätze nicht berücksichtigten. All dies greift nicht durch.
Die Vorbereitung auf die Fachkenntnisüberprüfung mag dadurch erschwert sein, dass es keine förmlich Ausbildung zum Heilpraktikerberuf gibt. Dass aber eine Vorbereitung sehr gut möglich ist, zeigt allein die Tatsache, dass im Prüfungstermin am 20.03.2002 von 35 Teilnehmern lediglich 3 einschließlich des Klägers weniger als die geforderten 45 richtigen Fragen beantwortet haben. Dass Außenseiterwissen und alternative Behandlungsmethoden gerade nicht Gegenstand der Überprüfung zu sein haben, erschließt sich aus dessen Zielrichtung der Gefahrenabwehr für die Volksgesundheit. Solange tatsächliches oder vermeintliches Spezial- oder Sonderwissen nicht Eingang in allgemein anerkannte Kenntnisse der Diagnose von Erkrankungen Eingang gefunden haben, erscheint ihre Anwendung durch einen Heilpraktiker eher gefährlich. Die Selbsteinschätzung des Klägers, er verfüge eher über zu viele als zu wenige Fachkenntnisse, die er in der mündlichen Verhandlung, aber auch in der erwähnten Fragenkritik vom 12.03.2003 und darin kundtat, er überarbeite den teilweise fehlerhaften Psychrembel, mag es ihm zwar erschweren, die einfach gestellten Kenntnisfragen und die zur Auswahl gestellten, allein auf allgemeine Kenntnisse abzielende Lösungen "richtig anzukreuzen". Deren Geeignetheit stellt dies indes nicht in Frage.
Selbst wenn einige der 60 Fragen wegen fehlerhafter Aufgabenstellung oder unrichtiger Antwortalternativen bei der Ermittlung der Fachkenntnisse des Klägers ausgeblendet werden müssten, so bleibt doch festzustellen, dass er nur ganze 10 Fragen zutreffend beantwortet hat, während er zugleich 6 - oder wenn die Frage nach der Impfung (Frage Nr. 2) eliminiert würde, 5 - falsch beantwortete. Damit hat der Kläger derart gravierende Kenntnislücken offenbart, dass ihm im Interesse der Volksgesundheit die Heilbehandlung von Genesungssuchenden nicht anvertraut werden darf.
Ob der Bescheid der Beklagten auch deshalb rechtmäßig ist, weil der Fachgutachter B. in seiner Stellungnahme zum Widerspruchsvorbringen des Klägers am 01.07.2002 ihn aufgrund seiner Äußerung, "es wäre besser, eine Krankheit zu tragen, anstatt durch schulmedizinische Symptomunterdrückung und Verschiebung das Leid zu verzögern", als eine große Gefahr für die menschliche Gesundheit erachtet, bedarf danach keiner Entscheidung. Festzuhalten bleibt, dass der Kläger, auch wenn er seine Heilertätigkeit auf der Energieebene, der Gemütsebene und im Gedanklichen ausüben will, der Heilpraktikererlaubnis bedarf, soweit er damit Heilkunde ausübt, und er diese Erlaubnis nur erhalten kann, wenn er über ein Mindestmaß von Fachkenntnissen verfügt und diese in einem Überprüfungsverfahren auch offenbart.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Ein Grund nach § 132 Abs. 2 VwGO, die Revision zuzulassen, besteht nicht.
Beschluss vom 25. Oktober 2005
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 15.000,-- EUR (§ 52 Abs. 1 GKG) festgesetzt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Ende der Entscheidung
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