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Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 19.03.2009
Aktenzeichen: 9 S 2518/08
Rechtsgebiete: GG, MPhG, HeilprG, 1. DVO HeilprG


Vorschriften:

GG Art 12 Abs. 1
MPhG § 1 Abs. 1 Nr. 1
MPhG § 3
HeilprG § 1 Abs. 2
1. DVO HeilprG § 2 Abs. 1i
Die Berufsausübung eines nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 MPhG zugelassenen Masseurs und medizinischen Bademeisters stellt keine Ausübung der Heilkunde im Sinne des § 1 Abs. 2 HeilprG dar. Sie setzt daher auch dann nicht das Vorliegen einer Heilpraktikererlaubnis voraus, wenn sie selbständig und ohne ärztliche Verordnung erfolgt.

Der Erteilung einer auf den Aufgabenbereich eines Masseurs und medizinischen Bademeisters beschränkten Heilpraktikererlaubnis steht überdies entgegen, dass insoweit ein gegenständlich abgrenzbarer, vom Bereich der allgemeinen Heilkunde hinreichend ausdifferenzierter Teilbereich nicht vorliegt.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

9 S 2518/08

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Erteilung einer gegenständlich beschränkten Heilpraktikererlaubnis

hat der 9. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg

am 19. März 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 31. Juli 2008 - 4 K 5809/07 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Rechtsstreit betrifft die Zulässigkeit der Erteilung einer gegenständlich beschränkten Heilpraktikererlaubnis für einen Masseur und medizinischen Bademeister.

Der Kläger hat nach zweieinhalbjähriger Ausbildung und Abschluss der Prüfung im Jahr 1985 von der Regierung von Oberbayern die Erlaubnis erhalten, eine Tätigkeit unter der Berufsbezeichnung "Masseur und medizinischer Bademeister" auszuüben und ist freiberuflich in eigener Praxis tätig. Mit Schreiben vom 21.05.2007 beantragte er unter Bezugnahme auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 21.11.2006 die Erteilung der Heilpraktikererlaubnis, beschränkt auf den Bereich der physikalischen Therapie und der Physiotherapie ohne weitere Eignungsprüfung und unter Freistellung von der Verpflichtung, die Berufsbezeichnung "Heilpraktiker" zu führen. Angesichts der Tatsache, dass die Erlaubnis auf ein Gebiet beschränkt sei, für das bereits eine staatliche Prüfung vorliege, müsse die Eignungsprüfung entfallen.

Mit Bescheid vom 04.06.2007 lehnte das Landratsamt Heilbronn den Antrag ab, auch der hiergegen erhobene Widerspruch blieb erfolglos und wurde vom Regierungspräsidium Stuttgart mit Widerspruchsbescheid vom 08.11.2007 zurückgewiesen. Die Heilpraktikererlaubnis lasse sich bereits nicht auf den Bereich des Physiotherapie abgrenzen, weil eine gegenständliche Teilbarkeit wie im Falle der Psychotherapie nicht angenommen werden könne. Darüber hinaus belege die Ausbildung zum Physiotherapeut oder Masseur nicht zugleich die Eignung für die begehrte Tätigkeit als Heilpraktiker. Denn dieser werde selbständig und ohne vorgeschaltete Entscheidung eines Arztes tätig. Ein Absehen von der Eignungsprüfung komme daher angesichts der Unterschiedlichkeit der Tätigkeiten und im Interesse des Schutzgutes der Volksgesundheit nicht in Betracht.

Der am 15.11.2007 erhobenen Klage gab das Verwaltungsgericht Stuttgart durch Urteil vom 31.07.2008 statt und verpflichtete den Beklagten, dem Kläger ohne weitere Eignungsprüfung und unter Freistellung von der Verpflichtung, die Berufsbezeichnung "Heilpraktiker" zu führen, die Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung bezogen und beschränkt auf den Bereich der physikalischen Therapie im Sinne des § 3 des Gesetzes zur Regelung der Berufe in der Physiotherapie (MPhG) mit Ausnahme der Behandlung zur Traktion der Wirbelsäule und der Durchführung von Thermalbädern als Vollbäder inklusive Stangerbäder zu erteilen. Angesichts der im MPhG enthaltenen Aufgabenabgrenzung erweise sich der Tätigkeitsbereich eines "Masseurs und medizinischen Bademeisters" als hinreichend genau beschränkbar. Wegen der vorhandenen, berufsqualifizierenden Ausbildung bedürfe es auch keiner Eignungsprüfung. Dies gelte auch im Hinblick auf die mit der Heilpraktikererlaubnis verbundene selbständige Tätigkeit, denn ausweislich der Ausbildungsvorschriften erlerne der Auszubildende auch Behandlungsindikationen und Kontraindikationen selbständig zu erkennen. Darüber hinaus sei nicht ersichtlich, warum der Masseur und medizinische Bademeister im Bereich der Differenzialdiagnose in seinem Tätigkeitsbereich über schlechtere Fähigkeiten verfügen solle, als ein Heilpraktiker. Schließlich habe der Kläger auch nicht die Verpflichtung, die Berufsbezeichnung "Heilpraktiker" zu führen, weil dies für den Absolventen einer qualifizierten heilkundlichen Berufsausbildung diskriminierend sein könne.

Der Beklagte hat hiergegen die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, die prüfungslose Erteilung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis für Masseure und medizinische Bademeister sei nach geltender Rechtslage nicht möglich. Anders als für den vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Bereich der Psychotherapie seien auf dem Gebiet der Allgemeinmedizin keine Teilbereiche eigenständig ausdifferenziert und abgegrenzt. Jedenfalls die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Beschränkung auf den Bereich der physikalischen Therapie könne nicht erfolgen, weil sie bereits im Tätigkeitsfeld des Orthopäden enthalten sei. Insbesondere aber verkenne das Verwaltungsgericht, dass das im MPhG geregelte Berufsbild des Masseurs und medizinischen Bademeisters nur einen unselbständigen Heilhilfsberuf umfasse, nicht aber die selbständige Tätigkeit. Dementsprechend sei weder die Tätigkeit noch die Ausbildung darauf ausgerichtet, eine selbständige Diagnosetätigkeit durchzuführen. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, bereits die Ausbildung zum Masseur und medizinischen Bademeister reiche für die Annahme aus, dieser könne auch selbständig gefahrlos Heilkunde betreiben, verkenne daher den grundlegenden Charakter der Heilhilfsberufe. Die Ausübung der eigenständigen Heilkunde ohne jede ärztliche Vordiagnose setze insbesondere voraus, dass andere Krankheiten ausgeschlossen werden könnten. Bereits das vom Kläger benannte Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 21.11.2006 erweise sich daher als falsch; jedenfalls aber könne es nicht vom dort entschiedenen Physiotherapeuten auf den vorliegenden Fall des Masseurs übertragen werden. Dieser durchlaufe keine dreijährige, sondern nur eine zweijährige Ausbildung und erreiche angesichts des als Eingangsvoraussetzung lediglich statuierten Hauptschulabschlusses auch kein entsprechendes Ausbildungsniveau. Schließlich könne auch nicht von der Titelführungspflicht befreit werden, weil die bloße Bezeichnung als "Masseur" nicht erkennen lasse, dass eigenständige Heilkunde ausgeübt werde.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 31. Juli 2008 - 4 K 5809/07 - zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor, der Beklagte verkenne, dass sich das eigenständig abgrenzbare Berufsfeld des Masseurs und medizinischen Bademeisters bereits aus dem MPhG ergebe. Die tatsächliche Ausdifferenzierung der Tätigkeiten im Bereich des Heilpraktikerrechts in eigenständige Berufe werde beispielhaft durch den Physiotherapeuten, den Logopäden oder den Podologen sichtbar. Es sei daher kein Grund dafür ersichtlich, eine sektorale Heilpraktikererlaubnis nicht auf den Bereich der physikalischen Therapie zu beschränken. Angesichts der Ausbildungsinhalte verfüge ein Masseur und medizinischer Bademeister auch über ausreichende differenzialdiagnostische Fähigkeiten, um selbständig Patienten zu behandeln. Im Übrigen sei durch die vorhandenen Gutachten belegt, dass die Ausbildung des Masseurs und medizinischen Bademeisters in seinem Bereich jedenfalls gründlicher sei, als die als Negativtest aufzufassende Ausbildung des Heilpraktikers.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten einschließlich der vom Kläger vorgelegten Sachverständigengutachten sowie die beigezogenen Behördenakten des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Verwaltungsgericht zugelassene und den Anforderungen des § 124a Abs. 3 VwGO entsprechende Berufung, über die der Senat gemäß §§ 125 Abs. 1 Satz 1, 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist begründet. Die Klage ist zwar zulässig (I.); das Verwaltungsgericht hätte die Klage aber abweisen müssen, da dem Kläger der geltend gemachte Anspruch nicht zusteht und die Klage daher unbegründet ist (II.).

I. Die Klage ist zulässig.

Für den vom Kläger begehrten Erlass eines begünstigenden Verwaltungsakts ist die erhobene Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO statthafte Klageart. Auch die hierfür vorgeschriebenen Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt; insbesondere ist die Klagebefugnis gegeben, weil die Anspruchsgrundlage aus §§ 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 des Gesetzes über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (Heilpraktikergesetz) vom 17.02.1939 (RGBl. I S. 251, BGBl. III 2122-2; zuletzt geändert durch Gesetz vom 23.10.2001, BGBl. I S. 2702 - HeilprG -) i.V.m. § 2 Abs. 1 lit. i der Ersten Durchführungsverordnung zum Gesetz über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung vom 18.02.1939 (RGBl. I S. 259; zuletzt geändert durch Verordnung vom 14.12.2002, BGBl. I S. 4456 - 1. DVO-HeilprG -) ein Recht auf Erlaubniserteilung vermittelt, sofern ein gesetzlich normierter Versagungsgrund nicht vorliegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.01.1993 - 3 C 34/90 -, BVerwGE 91, 356).

Dem Kläger kommt auch ein Rechtsschutzbedürfnis für den geltend gemachten Anspruch zu, obwohl ihm bereits nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 16 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Berufe in der Physiotherapie vom 26.05.1994 (BGBl. I S. 1084; zuletzt geändert durch Gesetz vom 30.09.2008, BGBl. I S. 1910 - MPhG -) die Erlaubnis erteilt wurde, die Berufsbezeichnung "Masseur und medizinischer Bademeister" zu führen. Einerseits ist nach gegenwärtiger Rechtslage bereits unsicher, ob mit dieser Erlaubnis auch die Berechtigung verbunden ist, entsprechende Behandlungen selbständig und ohne vorherige ärztliche Verordnung durchzuführen. Andererseits begehrt der Kläger mit der Erteilung einer Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz eine Erweiterung des ihm bislang zugesprochenen Rechtskreises.

II. Die Klage ist aber nicht begründet. Die begehrte Heilpraktikererlaubnis kann bereits deshalb nicht erteilt werden, weil der gegenständlich beschränkte Tätigkeitsbereich des Masseurs und medizinischen Bademeisters keine Heilkunde im Sinne des § 1 Abs. 2 HeilprG umfasst (1.). Darüber hinaus fehlt es für die beantragte Teilerlaubnis an einer gegenständlichen Abgrenzbarkeit und an hinreichenden Rechtfertigungsgründen, um von einer eigenständigen Heilpraktikerüberprüfung abzusehen (2.).

1. Voraussetzung für die Erteilung der begehrten Heilpraktikererlaubnis ist zunächst, dass die vom Kläger begehrte Tätigkeit eine Ausübung der Heilkunde darstellt; nur diese unterliegt der Erlaubnispflicht aus § 1 Abs. 1 HeilprG.

Nach der in § 1 Abs. 2 HeilprG enthaltenen Legaldefinition ist die Ausübung der Heilkunde jede berufs- und gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen, auch wenn sie im Dienste von anderen ausgeübt wird. Diese, sehr weite Begriffsbestimmung ist vom Bundesverwaltungsgericht indes im Hinblick auf das traditionelle Verständnis der Heilkunde und um die mit dem Erlaubniszwang verbundene Beschränkung der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht unverhältnismäßig auszudehnen, eingeschränkt worden. Ein wesentlicher Bestandteil des Begriffs "Ausübung der Heilkunde" ist demnach, dass die betreffende Behandlung ärztliche (oder heilkundliche) Fachkenntnisse erfordert (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.01.1966 - 1 C 73/64 -, BVerwGE 23, 140) und dass die Behandlung gesundheitliche Schäden verursachen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.11.1993 - 3 C 45/91 -, BVerwGE 94, 269). Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, so rechtfertigt der Gesetzeszweck, der Bevölkerung einen ausreichenden Rechtsschutz gegenüber Gesundheitsgefährdungen durch Unberufene zu geben, das Erfordernis der Erlaubniserteilung nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.06.1970 - 1 C 53/66 -, BVerwGE 35, 308). Dabei ist nach ständiger Rechtsprechung ein nur geringfügiges Gefahrenmoment nicht ausreichend, um die Erlaubnispflicht auszulösen; weil diese Rechtsfolge für Verrichtungen, die keine nennenswerten Gesundheitsgefahren zur Folge haben können, unverhältnismäßig wäre.

Sog. Heilhilfstätigkeiten, zu denen das Bundesverwaltungsgericht den Funktionsbereich der "medizinischen Masseure" ausdrücklich gezählt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.06.1970 - 1 C 53/66 -, BVerwGE 35, 308), erfüllen danach den Tatbestand der "Ausübung der Heilkunde" nicht. Die Berufsausübung erfordert hier nur eingeschränkt spezifisch heilkundlichen Fachkenntnisse und die Risiken durch die Behandlung eines auf die bestimmte Verrichtung spezialisierten Masseurs sind abschätzbar. Auch die selbständige Berufsausübung des Masseurs ohne ärztliche Anweisung unterfällt der Erlaubnispflicht nach dem Heilpraktikergesetz daher nicht (vgl. auch Schnitzler, Das Recht der Heilberufe, 2004, S. 103 f. m.w.N.).

Die gegenteilige Annahme des Verwaltungsgerichts Würzburg (Urteil vom 04.08.2008 - W 7 K 08.906 -) überzeugt bereits deshalb nicht, weil die Entscheidung selbst (im Zusammenhang mit der angenommenen Entbehrlichkeit einer eigenständigen Heilpraktikerüberprüfung, vgl. RdNr. 18) davon ausgeht, dass die angewandten Verfahren eines Masseurs und medizinischen Bademeisters nach § 3 MPhG "selbst bei einer unterstellen Fehldiagnose für sich genommen ungefährlich sind". Auf Basis dieser Annahmen ist nach den dargestellten Maßstäben aber nicht von einer Ausübung der Heilkunde auszugehen; diese scheidet vielmehr aus, wenn die Behandlung keine Gefahr für den Patienten bedeutet (vgl. auch BVerfG, Urteil vom 24.10.2002 - 2 BvF 1/01 -, BVerfGE 106, 62 [106f.]). Heilkundliche Verrichtungen, die keine nennenswerten Gesundheitsgefahren zur Folge haben können, fallen nicht unter die Erlaubnispflicht des Heilpraktikergesetzes, auch wenn sie zu ordnungsgemäßer Vornahme ärztliche Fachkenntnisse erfordern (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.06.1970 - I C 53/66 -, BVerwGE 35, 308).

Ein anderes Verständnis kommt im Übrigen schon deshalb nicht in Betracht, weil es dazu führen würde, dass die Tätigkeit eines Masseurs und medizinischen Bademeisters ohne ärztliche Verordnung erlaubnispflichtig im Sinne des Heilpraktikergesetzes wäre und der Masseur sich damit bei selbständigen Behandlungen eines nach § 5 HeilprG strafbewehrten Verstoßes schuldig machen würde. Dass dieses Ergebnis realitätsfremd und unverhältnismäßig wäre, liegt auf der Hand.

Soweit sich das Verwaltungsgericht zur Begründung seiner gegenteiligen Auffassung auf das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 21.11.2006 (- 6 A 10271/06 -, MedR 2007, 496) bezieht, geht dies bereits deshalb fehl, weil diese Entscheidung keinen Masseur, sondern einen Physiotherapeuten betrifft. Im Übrigen tritt der Senat aber auch der vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz vertretenen Meinung nicht bei, das Berufsbild des MPhG umfasse nur Verrichtungen nach Maßgabe einer ärztlichen Diagnose. Weder dem MPhG selbst noch einer anderen ersichtlichen Rechtsbestimmung kann eine Beschränkung der Berufsausübung auf unselbständige, erst nach ärztlicher Verordnung zulässige Maßnahmen entnommen werden. Insbesondere lässt sich aus den in §§ 3 und 8 MPhG enthaltenen Beschreibungen des Ausbildungsziels ein derartiger Ansatz nicht entnehmen. Denn die Bezugnahme auf "Hilfen" zur Heilung enthält ersichtlich nur eine Beschreibung des Funktionsbereichs, nicht aber eine Einschränkung, die eine Berufsausübung im Einzelfall von der Anweisung und Überwachung eines Arztes erforderlich machen würde. Eine entsprechende Einengung des Berufsfeldes entspräche auch weder der Funktionsabgrenzung von Masseur/ Physiotherapeut und Arzt, der angesichts der erforderlichen Spezialkenntnisse die Verrichtungen eines Physiotherapeuten praktisch gar nicht kontrollieren kann (vgl. Sachverständigengutachten Prof. Dr. Bittmann vom 18.07.2008, S. 12 und 14), noch dem Ausbildungscurriculum für Physiotherapeuten, das u.a. Unterricht von mindestens 100 Stunden in physiotherapeutischen Befund- und Untersuchungstechniken vorschreibt (vgl. dazu ausführlich das Senatsurteil vom heutigen Tage - 9 S 1413/08 -).

Das Erfordernis einer ärztlichen Verordnung ergibt sich daher nicht aus dem Berufsrecht, es entstammt vielmehr dem Leistungsrecht der Krankenversicherungen. Das System der gesetzlichen Krankenversicherung sieht nach §§ 15 Abs. 1 Satz 2, 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V eine Erstattung für die Behandlung durch einen Masseur und medizinischen Bademeister nur vor, wenn sie vom Arzt (oder Zahnarzt) angeordnet und von ihm verantwortet worden ist. Diesem Ansatz folgt grundsätzlich auch das Leistungsrecht der privaten Krankenversicherung (und damit korrespondieren regelmäßig auch das Beihilferecht), allerdings mit dem Unterschied, dass hier grundsätzlich auch eine Verordnung durch den Heilpraktiker für ausreichend erklärt wird (vgl. § 4 Abs. 3 der Musterbedingungen des Verbandes der privaten Krankenversicherung MB/KK). Die Einbeziehung des Masseurs und medizinischen Bademeisters in das Erstattungssystem der Krankenversicherung setzt daher eine vorherige Verordnung durch einen Arzt (oder Heilpraktiker im Falle der privaten Krankenversicherung) voraus.

Die Vorschriften des SGB V und die Richtlinien zur Erstattungsfähigkeit von Heilbehandlungskosten enthalten indes keine Aussagen zur Gefährlichkeit entsprechender Behandlungen ohne vorherige ärztliche Verordnung; sie regeln vielmehr nur das Rechtsverhältnis zwischen der Krankenversicherung und dem Versicherten und bezwecken vorrangig eine Kostenkontrolle (vgl. § 92 Abs. 1 Satz 1 SGB V: "ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten"). Der Regelungszweck der im SGB V enthaltenen Leistungskataloge ist daher maßgeblich von finanzwirtschaftlichen Erwägungen geprägt (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 06.12.2005 - 1 BvR 347/98 -, BVerfGE 115, 25), so dass den Vorschriften - und damit auch dem dort angeordneten Erfordernis einer vorherigen Anordnung durch einen Arzt oder Heilpraktiker - für die hier ausschlaggebende Fragestellung der Gefahrenabwehr keine Aussagekraft zukommt.

2. Soweit - unabhängig von der selbständig bestehenden Befugnis, Tätigkeiten im Aufgabenfeld des Masseurs und medizinischen Bademeisters verrichten zu dürfen - die Erteilung einer Heilpraktikererlaubnis begehrt wird, sind die Zulassungsvoraussetzungen nicht erfüllt.

a) Dies ergibt sich bereits daraus, dass eine gegenständliche oder sektorale Abgrenzung der Heilkunde auf "den Bereich der physikalischen Therapie im Sinne des § 3 MPhG" nicht möglich erscheint.

Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht die Erteilung einer auf das Gebiet der Psychotherapie beschränkten Heilpraktikererlaubnis für zulässig und erforderlich erachtet (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.01.1993 - 3 C 34/90 -, BVerwGE 91, 356). Die hierfür maßgeblichen Erwägung, dass sich die Psychotherapie als spezielle und eigenständige heilkundliche Tätigkeit erst nachträglich ausdifferenziert habe, lässt sich auf die vorliegende Fallgestaltung indes nicht übertragen (vgl. auch Erdle/Becker, Recht der Gesundheitsfachberufe und Heilpraktiker, Stand: Mai 2008, § 1 HeilprG RdNr. 10; VG Koblenz, Urteil vom 06.02.2006 - 3 K 855/05 -; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 22.08.2007 - 7 K 2003/05 - sowie Stellungnahme des Bundesministeriums für Gesundheit vom 04.12.2007, Az. 316-4334-0/1). Denn das in Rede stehende Tätigkeitsfeld des Masseurs und medizinischen Bademeisters ist in gegenständlicher Hinsicht nicht hinreichend abgrenzbar und aus dem allgemeinen Feld der Heilkunde ausdifferenziert (vgl. zu diesem Maßstab auch OVG Bremen, Urteil vom 20.12.2005 - 1 A 260/04 -, NordÖR 2006, 171; OVG Nord- rhein-Westfalen, Urteil vom 13.08.1998 - 13 A 1781/96 -, DVBl 1999, 1052).

Anders als im Falle des Psychotherapeuten geht es nicht um spezielle heilkundliche Bereiche, für welche die allgemeinen heilkundlichen Grundkenntnisse einschließlich der Kenntnisse im Bereich der Anatomie, Physiologie, Pathologie und Arzneimittelkunde in der Praxis nicht erforderlich oder verwertbar sind (wie dies das Bundesverwaltungsgericht für den Psychotherapeuten angenommen hat). Ein Blick auf die Ausbildungs- und Prüfungsinhalte des MPhG verdeutlicht vielmehr, dass die genannten Kenntnisse auch für Masseure und Physiotherapeuten von erheblicher Bedeutung sind und mit hohem Zeitaufwand geschult und unterrichtet werden. Unstreitig gehört das Aufgabenfeld der Masseure und Physiotherapeuten auch grundsätzlich zur allgemeinen Heilkunde, so dass insoweit von einer speziellen Ausgliederung nicht ausgegangen werden kann. Im Gegensatz zu der in Bezug genommenen Entwicklung im Bereich des Psychotherapeuten hat sich hier daher in der Praxis kein "selbständiger Zweig" der Heilkunde ausdifferenziert, der mit der Erteilung einer beschränkten Heilpraktikererlaubnis nachvollzogen werden könnte.

Selbst wenn man eine derartige Abspaltung vornehmen wollte, ließe sich diese jedenfalls nicht auf den beantragten Bereich der physikalischen Therapie nach § 3 MPhG begrenzen. Denn in heilkundlicher Hinsicht gehört die Mehrzahl der Tätigkeiten aus diesem Aufgabenbereich zum Fachbereich der Orthopädie (vgl. Sachverständigengutachten Prof. Dr. Pförringer vom 27.02.2008, S. 3; Richter, Vergleichsstudie zu Möglichkeiten der Einführung des Prinzips "First-Contact Practitioner bei deutschen Heilmittelerbringern, Diplomarbeit der Fachhochschule Nordhessen, 2007, S. 39), so dass allenfalls eine auf dieses Gebiet beschränkte Spezialerlaubnis denkbar erscheint (vgl. auch Senatsurteil vom 25.07.1997 - 9 S 558/97 -). Dass hierfür aber mit der Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 MPhG nicht notwendig alle erforderlichen Kenntnisse vermittelt sind, liegt angesichts des über den Bereich der physikalischen Therapie hinausgehenden Heilkunde-Teilbereichs auf der Hand.

Darüber hinaus ist auch nicht erkennbar, wie und inwieweit eine gegenständliche Abgrenzung zwischen dem Tätigkeitsfeld eines Masseurs und medizinischen Bademeisters von dem eines Physiotherapeuten erfolgen könnte (vgl. auch von der Twer, Die Rechtsstellung des Physiotherapeuten, 2001, S. 6). Welche konkreten Differenzierungen sich hierfür aus §§ 3 und 8 MPhG ergeben könnten, legt das Verwaltungsgericht nicht dar. Auch das Ausbildungscurriculum legt eher den Schluss nahe, dass beide Berufe im selben Berufsfeld tätig werden und sich das Aufgabenfeld des Masseurs und medizinischen Bademeisters nicht als "Aliud", sondern als "Minus" erweist (ebenso VG Würzburg, Urteil vom 04.08.2008 - W 7 I 08.906 -, das allerdings dennoch - ohne inhaltliche Begründung - von einer gegenständlichen Abgrenzbarkeit ausgeht). Hierauf deutet auch die Anrechnung des Lehrgangs zum Masseur und medizinischen Bademeister im Falle der nachfolgenden Ausbildung zum Physiotherapeuten nach § 12 MPhG hin. Anhaltspunkte für eine hinreichend gegenständlich abgrenzbare Ausdifferenzierung sind damit nicht ersichtlich. Dies gilt erst recht im Hinblick auf die maßgebliche Orientierung an Heilkundetätigkeiten, auf die sich die Erlaubnis nach §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 HeilprG bezieht.

Schließlich würfe die Annahme einer gegenständlich abgrenzbaren Heilpraktikererlaubnis die Schwierigkeit auf, dass eine eigenständige Heilpraktikerüberprüfung für diese Teilerlaubnis eingerichtet und angeboten werden müsste. Denn wenn die Heilpraktikererlaubnis sektoral aufgespalten werden kann, gilt dies grundsätzlich unabhängig von der nach dem Heilpraktikergesetz gerade nicht maßgebenden, zuvor erworbenen Berufsqualifikation. Für die Fälle, in denen eine Gefahr für die Volksgesundheit nicht bereits durch das Vorhandensein einer entsprechenden staatlichen Abschlussprüfung verneint werden kann, wäre daher eine reduzierte Heilpraktikerüberprüfung für den gegenständlich begrenzten Tätigkeitsbereich erforderlich - wie dies gegenwärtig bereits im Bereich der Psychotherapie durch den Beklagten praktiziert wird. Die weitere Aufsplitterung der Heilpraktikererlaubnis führte daher im Ergebnis zur Einführung oder jedenfalls Ausdehnung der sektoralen "Kurierfreiheit", was dem Anliegen des Heilpraktikergesetzes diametral entgegensteht und mit dem Standard anderer europäischer Staaten kaum in Einklang gebracht werde kann.

b) Unabhängig hiervon ist auch nicht ersichtlich, warum der Kläger für die von ihm beantragte Heilpraktikererlaubnis von der in § 2 Abs. 1 lit i. 1. DVO-HeilprG hierfür vorgeschriebenen Überprüfung freizustellen sein sollte.

Zwar hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Forderung einer eigenständigen Heilpraktikerprüfung unangemessen erscheinen kann, wenn eine solche Prüfung mit der Tätigkeit, die der Beschwerdeführer auszuüben beabsichtigt, kaum noch in einem erkennbaren Zusammenhang steht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.06.2004 - 2 BvR 1802/02 -, BVerfGK 3, 234). Davon, dass die geforderten Kenntnisse in Anatomie, Physiologie, Pathologie, Diagnostik und Therapie bei der Berufstätigkeit des Klägers nicht verwertet werden könnten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 02.03.2004 - 1 BvR 784/03 -, NJW-RR 2004, 705) kann im Falle des Masseurs und medizinischen Bademeisters indes nicht die Rede sein. Anders als in den vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fällen des "Geistheilers" oder Psychotherapeuten besteht vorliegend ein ausreichender Zusammenhang zum beabsichtigten Tätigkeitsfeld des Klägers, sodass von einer Unzumutbarkeit der Prüfung nicht ausgegangen werden kann. Vielmehr berühren die in Nr. 4.3 der Richtlinien des Sozialministeriums zur Durchführung des Heilpraktikergesetzes vom 21.11.2003 (GABl. S. 983) geforderten Kenntnisse und Fähigkeiten die beabsichtigte Tätigkeit unmittelbar (vgl. dazu auch Senatsbeschluss vom 10.07.2006 - 9 S 519/06 -).

Umgekehrt ist zu Recht auf die Problematik hingewiesen worden, dass ein Heilpraktiker in seinem Tätigkeitsfeld, abgesehen von den dem ärztlichen Beruf vorbehalten Tätigkeiten, die gesamte Heilkunde ausüben darf und damit grundsätzlich auch befugt ist, Injektionen zu verabreichen, operative Eingriffe vorzunehmen und Narkosen durchzuführen. Weder hinsichtlich der hierfür erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten noch im Hinblick auf die für derartige Eingriffe erforderliche Diagnosetätigkeit liegen mit der Ausbildung zum Masseur und medizinischen Bademeister aber ausreichende Nachweise vor, die eine Heilpraktikerüberprüfung als überflüssig oder unzumutbar erscheinen lassen könnten.

Will ein Masseur und medizinischer Bademeister oder Physiotherapeut also sein durch die Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 MPhG bereits bestehendes Berufsfeld erweitern, so ist ihm im Interesse der Volksgesundheit auch zumutbar, sich der für das angestrebte Tätigkeitsfeld erforderlichen Überprüfung zu unterziehen. Dass hierfür bereits bestehende Nachweise berücksichtigt werden können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.05.1988 - 1 BvR 482/84 u.a. -, BVerfGE 78, 179; dazu auch Horn, NdsVBl 2003, 201), steht vorliegend nicht im Streit. In Abgrenzung zu der vom Kläger herangezogenen Fallgruppe der Psychotherapeuten ist indes auch nicht zu übersehen, dass diese ein abgeschlossenes Hochschulstudium und eine nachfolgende Therapeutenausbildung von mindestens 3 Jahren absolviert haben (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 PsychThG), während Voraussetzung für die Erlaubnis, die Berufsbezeichnung Masseur und medizinischer Bademeister zu führen, lediglich ein nach Hauptschulabschluss durchgeführter Lehrgang von 2 Jahren ist (vgl. §§ 4 Abs. 2 Satz 2, 5 Nr. 2 MPhG) - was eine der kürzesten Ausbildungen im gesamten Heilberufesektor sein dürfte.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.

Beschluss vom 19. März 2009

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 15.000,-- EUR festgesetzt (vgl. §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 14.1 des Streitwertkatalogs 2004 der Verwaltungsgerichtsbarkeit).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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