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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 08.12.2006
Aktenzeichen: 9 S 2590/06
Rechtsgebiete: SchulG


Vorschriften:

SchulG § 90 Abs. 1
SchulG § 90 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2g
SchulG § 90 Abs. 4 Satz 1
SchulG § 90 Abs. 6 Satz 1
SchulG § 90 Abs. 6 Satz 2
SchulG § 90 Abs. 7 Satz 2
Ein Schulausschluss kann gerechtfertigt sein, wenn ein Schüler vermittels eines zuvor von anderen entwendeten Schlüssels und in Diebstahlsabsicht in seine Schule eindringt.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

9 S 2590/06

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Schulausschluss

hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

hat der 9. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg am 08. Dezember 2006

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 16. Oktober 2006 - 9 K 1345/06 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Mit Recht hat es das Verwaltungsgericht abgelehnt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid des Schulleiters der Grund- und Hauptschule xxx xxxxx vom 29.06.2006, mit dem der Antragsteller vom weiteren Besuch der Schule ausgeschlossen wurde, gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.

Denn der gegen diese kraft Gesetzes sofort vollziehbare Verfügung (vgl. § 90 Abs. 3 Satz 3 SchulG) gerichtete Widerspruch wird nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage aller Voraussicht nach ohne Erfolg bleiben. Ein dem besonderen Vollzugsinteresse entgegenstehendes Interesse des Antragstellers, gleichwohl von der Vollziehung dieser Verfügung verschont zu bleiben, vermag der Senat - ebenso wie das Verwaltungsgericht - nicht zu erkennen. Die dem Beschwerdegericht obliegende Prüfung der mit der Beschwerde dargelegten Gründe ergibt keine andere Beurteilung (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO).

Soweit der Antragsteller vorträgt, der Schulausschluss sei formell rechtswidrig und in diesem Zusammenhang in Zweifel zieht, ob vor Verfügung des Schulausschlusses die gemäß § 90 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2g SchulG erforderliche Anhörung der Klassenkonferenz erfolgt ist, übersieht er, dass nach seinem eigenen Vortrag (vgl. etwa den erstinstanzlichen Schriftsatz vom 16.10.2006) eine solche Anhörung am 29.06.2006 stattgefunden und an ihr sogar sein Vater teilgenommen hat. Der Umstand, dass hierüber erst am 12.10.2006 ein Protokoll erstellt wurde, ändert daran nichts. Der Antragsteller dringt auch nicht mit der Behauptung durch, seine Erziehungsberechtigten seien vor der Entscheidung über den Schulausschluss nicht ordnungsgemäß im Sinne von § 90 Abs. 7 Satz 2 SchulG angehört worden. Die Einladung zur Klassenkonferenz vom 27.06.2006 ist an die Familie des Antragstellers gerichtet gewesen. Damit hat der Schulleiter gemäß § 90 Abs. 7 Satz 2 SchulG den Erziehungsberechtigten "Gelegenheit zur Anhörung" gegeben. Wird diese Gelegenheit nicht von allen Erziehungsberechtigten genutzt, stellt dies keinen Verfahrensfehler dar. Ausweislich des Protokolls der Klassenkonferenz war Gegenstand der Erörterung, an der der Vater des Antragstellers teilgenommen hat, auch der mögliche Schulausschluss. Dies ergibt sich ebenfalls daraus, dass der Vater des Antragstellers sich in der Konferenz für dessen Verbleiben an der Schule ausgesprochen hat. Der Antragsteller hat dies nicht substantiiert in Zweifel gezogen. Soweit er in seinem Schriftsatz vom 16.10.2006 ausführt, sein Vater sei "von der Klassenkonferenz verabschiedet" worden, ohne dass ihm "im einzelnen mitgeteilt worden sei, was seitens der Schule beabsichtigt sei", begründet dies solche Zweifel nicht. Eine entsprechende "Absicht", nämlich die Empfehlung, den Antragsteller von der Schule auszuschließen, hat die Klassenkonferenz ausweislich des Protokolls zwar erst gefasst, nachdem der Vater des Antragstellers den Raum verlassen hatte. Eine erneute Anhörung hierzu sieht das Schulgesetz aber nicht vor. Soweit der Antragsteller geltend macht, seine Erziehungsberechtigten seien von der Möglichkeit des § 90 Abs. 4 Satz 1 SchulG, vor dem Schulausschluss die Anhörung der Schulkonferenz zu beantragen, nicht informiert worden, ergibt sich aus einem vom Antragsteller nicht substantiiert angegriffenen Vermerk des Schulleiters (BAS. 21), dass anlässlich der Klassenkonferenz vom 29.06.2006 auch hierüber informiert wurde.

Das Verwaltungsgericht ist auch zu Recht von der materiellen Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung ausgegangen. Es hat das von dem zum Zeitpunkt der Tat 12 Jahre alten Antragsteller zusammen mit zwei älteren Mitschülern mittels eines zuvor entwendeten Schlüssels verübte nächtliche Eindringen in die Grund- und Hauptschule xxx xxxxx, das u.a. in der Absicht erfolgt ist, Schülerausweisvordrucke, die mit falschen Angaben versehen werden sollten, zu entwenden, zutreffend als schweres Fehlverhalten im Sinne des § 90 Abs. 6 Satz 1 SchulG (s. dazu auch Senat, Beschl. vom 22.10.2003 - 9 S 2277/03 -, NJW 2004, 89; vom 04.07.2006, - 9 S 1196/06 -) gewertet.

Diese Einschätzung wird insbesondere durch die bloße Behauptung des Antragstellers, es liege ein jugendtypisches Fehlverhalten vor, nicht in Frage gestellt, zumal das Verwaltungsgericht bei seiner Wertung das Alter des Antragstellers und einen gewissen Gruppendruck durchaus berücksichtigt hat. Auch ändert das - zwischen den Beteiligten umstrittene - Nachtatverhalten des Antragstellers entgegen dessen Auffassung an der Schwere des Fehlverhaltens nichts.

Das Verwaltungsgericht hat durch dieses schwere Fehlverhalten auch zu Recht die Erfüllung der Aufgabe der Schule als gefährdet gesehen und weiter angenommen, dass das Verbleiben des Antragstellers in der Schule eine Gefahr für die Erziehung und Unterrichtung der Mitschüler befürchten lasse (§ 90 Abs. 6 S. 1, 2 SchulG). Es hat diese Gefahren - anders als der Antragsteller - durch dessen Nachtatverhalten nicht abgewendet, sondern verstärkt gesehen und in diesem Zusammenhang angenommen, dass der Antragsteller nach der Tat aus eigenem Antrieb keine Einsicht gezeigt hat. Dies deckt sich mit der Angabe des Antragstellers bei der polizeilichen Vernehmung, er habe gestanden, weil er gewusst habe, dass "es sowieso irgendwann raus kommt". Dem hat der Antragsteller lediglich entgegengehalten, er habe von sich aus ein Geständnis abgelegt und den von ihm entwendeten Kugelschreiben zurückgegeben. Dies steht jedoch im Widerspruch zu den detaillierten und vom Antragsteller nicht substantiiert in Zweifel gezogenen Angaben des Klassenlehrers des Antragstellers (VG-AS 44/45). Danach hat dieser aus der Mitte der Klasse erfahren, dass der Antragsteller an dem Einbruch beteiligt gewesen sei. Er hat daraufhin zwei Mitglieder der bereits bekannten Gruppe - die weitere Einbrüche in das Schulgebäude verübt hatte - angesprochen und darauf hingewiesen, dass er wisse, dass ein weiterer Schüler, der ihm namentlich bekannt sei, auch noch beteiligt gewesen sei. Dieser solle sich offenbaren. Nachdem keine Reaktion erfolgt war, hat der Klassenlehrer den Antragsteller am darauf folgenden Schultag direkt angesprochen und gefragt, ob er ihm nicht etwas sagen wolle. Daraufhin hat der Antragsteller das Geständnis abgelegt. Die Rückgabe des vom Antragsteller entwendeten Kugelschreibers ist erfolgt, nachdem der Klassenlehrer die ganze Gruppe gemeinsam aufgefordert gehabt hatte, die Sachen innerhalb einer von ihm gesetzten Frist auf seinen Schreibtisch zu legen. Dass der Antragsteller sich - anders als das Verwaltungsgericht angenommen hat - nach Aktenlage im Gegensatz zu den übrigen sechs Gruppenmitgliedern nicht mit seiner polizeilichen Vernehmung gebrüstet hat, begründet kein anderes Ergebnis.

Das Verwaltungsgericht hat auch zu Recht angenommen, die angegriffene Schulausschlussverfügung sei verhältnismäßig, insbesondere erforderlich. Es hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass rein pädagogische Erziehungsmaßnahmen nicht ausreichend seien, mithin also - anders als der Antragsteller meint - mildere Mittel erwogen. Soweit die Beschwerde "anderweitige Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen" für ausreichend hält, versäumt sie es, diese konkret zu benennen. Soweit sie schließlich davon ausgeht, der Antragsteller sei "durch die Umstände in ausreichender Weise beeinträchtigt und beeindruckt", verkennt sie bereits, dass Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen eine weiter gesteckte Zielsetzung haben, also einem anderen legitimen Zweck, nämlich nach § 90 Abs. 1 SchulG der Verwirklichung des Erziehungs- und Bildungsauftrags der Schule, der Erfüllung der Schulbesuchspflicht, der Einhaltung der Schulordnung und dem Schutz von Personen und Sachen innerhalb der Schule dienen.

Soweit die angefochtene Verfügung möglicherweise deshalb ermessensfehlerhaft ergangen ist, weil sie unzutreffend davon ausgeht, dass bei dem streitgegenständlichen Einbruch Geld entwendet worden sei, begründet dies ebenfalls keine Erfolgsaussicht für den Widerspruch, denn der Antragsgegner hat seinen Bescheid in Kenntnis dieser Umstände aufrecht erhalten und damit bestätigt und wird deshalb voraussichtlich bei der zu treffenden Widerspruchsentscheidung den Schulausschluss auch bei diesem Hintergrund weiter aufrecht erhalten (vgl. auch die Ausführungen hierzu im Schriftsatz vom 28.11.2006).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren folgt aus §§ 63 Abs. 2, 47 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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