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Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 23.03.2004
Aktenzeichen: 9 S 575/03
Rechtsgebiete: SGB VIII
Vorschriften:
SGB VIII § 7 Abs. 1 Nr. 5 | |
SGB VIII § 27 | |
SGB VIII § 30 | |
SGB VIII § 36 Abs. 2 | |
SGB VIII § 41 | |
SGB VIII § 86 Abs. 2 | |
SGB VIII § 86a Abs. 4 | |
SGB VIII § 86d | |
SGB VIII § 89c Abs. 1 | |
SGB VIII § 89f Abs. 1 |
9 S 575/03
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil
In der Verwaltungsrechtssache
wegen
Erstattung von Jugendhilfekosten
hat der 9. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Schwan und die Richter am Verwaltungsgerichtshof Wiegand und Gaber auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 23. März 2004
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 03. Februar 2003 - 5 K 2173/00 - geändert, soweit der Klage stattgegeben worden ist. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Erstattung von ihr aufgewendeter Jugendhilfekosten für eine am 24.09.1981 geborene Jugendliche bzw. junge Volljährige in der Zeit vom 11.09.1999 bis zum 16.09.2000.
Auf Antrag der damals allein sorgeberechtigten, in Hamburg wohnhaften Mutter der Jugendlichen vom 23.10.1998 bewilligte die Klägerin dieser mit Bescheid vom 02.11.1998 nach §§ 27, 30 SGB VIII Hilfe zur Erziehung in Form von Aufnahme der Jugendlichen in eine Krisenwohnung. Nach Einstellung dieser Hilfe wurde mit weiterem Bescheid vom 22.12.1998 der Mutter der Jugendlichen Hilfe zur Erziehung nach §§ 27, 34 SGB VIII in Form von Heimerziehung, sonstiger betreuter Wohnform bewilligt. Die Jugendliche wurde ab dem 21.12.1998 in das Kinderheim xxxxxxxxxxxxx in Hamburg aufgenommen.
Mit Schreiben vom 14.01.1999 nahm die Mutter der Jugendlichen den Antrag auf Erziehungshilfe zurück. Unter dem 18./19.01.1999 beantragten die Jugendliche und die Klägerin beim Amtsgericht Hamburg-Bergedorf - Familiengericht -, der Mutter im Rahmen eines Verfahrens nach § 1666 BGB die elterliche Sorge zu entziehen und das Jugendamt Hamburg-Bergedorf zum Vormund zu bestellen. Im Rahmen dieses Verfahrens (Az.: - 415b F 3/99 -) beschloss das Amtsgericht am 20.01.1999, das Aufenthaltsbestimmungs- und Erziehungsrecht sowie die Gesundheitsfürsorge vorläufig dem Bezirksamt Hamburg-Bergedorf - Jugendamt - als Pfleger zu übertragen. In der nichtöffentlichen Sitzung des Amtsgerichts vom 17.02.1999 wurde in allseitigem Einvernehmen beschlossen, dass das Verfahren ruhen solle, bis die Jugendliche volljährig werde. Wegen einer schweren Neurodermitis wurde die Jugendliche vom 10.02.1999 bis zum 18.02.1999 im Krankenhaus xxxxxxxxx stationär behandelt. Ab dem 18.02.1999 war sie wegen einer emotionalen Entwicklungsstörung mit Angst- und Panikattacken und mit psychosomatischen Begleiterscheinungen (Neurodermitis, Heuschnupfen) in dem Katholischen Kinderkrankenhaus xxxxxxxxxxx - Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters - in Hamburg in stationärer kinder- und jugendpsychiatrischer Behandlung. Die Wochenenden verbrachte die Jugendlich zunächst noch im Kinderheim xxxxxxxxxxxx. Zum 01.03.1999 verzog die Mutter der Jugendlichen nach Ettlingen im Landkreis Karlsruhe.
Auf Anfrage der Klägerin vom 14.04.1999 teilte der Beklagte mit Schreiben vom 16.06.1999 mit, dass die Fallübernahme geprüft werde und bat, nach § 86c SGB VIII die erforderliche Jugendhilfeleistung weiterzugewähren und vor Ort die erforderlichen Entscheidungen zu treffen bzw. im Rahmen der Amtshilfe tätig zu werden. Nachdem die Jugendliche zum 20.06.1999 aus dem Kinderheim xxxxxxxxxxxxx entlassen worden war und sich auch an den Wochenenden im xxxxxxxxxxxx aufhielt, stellte die Klägerin mit dem Amtspfleger mitgeteilter Verfügung vom 23.06.1999 die Hilfe zur Erziehung gemäß §§ 27, 34 SGB VIII ab dem 20.06.1999 ein. Hiervon wurde auch die Mutter der Jugendlichen mit Schreiben vom 09.07.1999 unterrichtet. Ebenso wurde dies dem Beklagten mit Schreiben vom 13.07.1999 mitgeteilt und ferner, dass sich die Jugendliche weiterhin im Kinderkrankenhaus xxxxxxxxxxxx zur stationären Behandlung befinde. Der Entlassungstermin sei noch nicht absehbar und eine erneute Heimplatzsuche zum jetzigen Zeitpunkt daher nicht sinnvoll. Um schnellstmögliche Übernahme des Falles werde nochmals gebeten. Mit weiterem Schreiben vom 27.07.1999 teilte die Klägerin dem Beklagten im Wesentlichen mit, dass zwischenzeitlich ein Fachgespräch stattgefunden habe. Die Jugendliche befinde sich weiterhin in stationärer Behandlung, ein Entlassungstermin sei nicht absehbar. Die Jugendliche durchlebe zur Zeit eine Krise. Diskutiert sei die augenblickliche rechtliche Situation worden und welche Unterbringungsmöglichkeiten aus hiesiger Sicht zu empfehlen seien. Dr. K. sei über den Stand der Fallzuständigkeit informiert worden. Hinsichtlich einer späteren Unterbringung in einer Jugendhilfeeinrichtung sei besprochen worden, dass für die Jugendliche nur eine vollstationäre Maßnahme sinnvoll erscheine, die nach Möglichkeit auch eine Ausbildung anbiete. Vom Bezirksamt Bergedorf - Jugendamt - sei das Therapiezentrum xxxx, Haus xxxxxxxx, empfohlen worden. Eine Unterbringung im Raum Karlsruhe werde nicht als sinnvoll angesehen, weil dies einen totalen Abbruch sämtlicher Hamburger Bezüge, auch des Krankenhauses im Falle eines Rückfalles, bedeuten würde. Die Jugendliche habe an dem Gespräch nicht teilgenommen, da sie zum Hautarzt gegangen sei. Am 16.08.1999 wurde dem Beklagten ferner ein Bericht des Kinderkrankenhauses xxxxxxxxxxxx vom 09.08.1999 übersandt, in dem ebenfalls davon ausgegangen wurde, dass zum jetzigen Zeitpunkt ein Entlassungstermin noch nicht definitiv genannt werden könne. Für den weiteren Verlauf erscheine jedoch wichtig, dass die Jugendliche eine klare Zukunftsperspektive aufgezeigt bekomme. Mit weiterem Schreiben vom 17.08.1999 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass im Rahmen der Amtshilfe der Kontakt zu dem empfohlenen Therapieträger aufgenommen worden sei. Freie Plätze seien vorhanden, der Träger wäre aber auch bereit, mit einer ambulanten Betreuung gemäß § 30 SGB VIII bereits in der Klinik Kontakt zu der Jugendlichen aufzunehmen. Mit Schreiben vom 23.08.1999 erkannte der Beklagte seine Kostenerstattungspflicht gemäß § 89c SGB VIII für den Zeitraum vom 01.03.1999 bis zum 20.06.1999 an. Mit weiterem Schreiben vom 31.08.1999 bat er um Übersendung eines Prospekts über das Haus xxxxxxxxxx, damit ersehen werden könne, um welche Einrichtungsart es sich dabei handele.
Mit der Klägerin zur Kenntnis gegebenen Antrag vom 03.09.1999 beantragte die bestallte Pflegerin des Jugendamtes der Klägerin bei dem Beklagten Hilfe zur Erziehung nach § 27 ff. SGB VIII. Die Jugendliche sei zur Zeit stationär in der Kinder- und Jugendpsychiatrie untergebracht. Da mittelfristig eine Loslösung aus dem Krankenhaus notwendig sei und ein neuer Lebensmittelpunkt geschaffen werden müsse, werde nunmehr die Unterbringung im Therapiezentrum xxxx angestrebt. Eine Rückkehr zur Familie komme nicht in Frage. Auf die bereits vorliegenden Unterlagen werde verwiesen. Ab dem 06.09.1999 werde ambulante Betreuung gemäß § 27 i.V.m. § 30 SGB VIII zwecks Überleitung in die Therapieeinrichtung durch dieselbe in Form von zehn Stunden wöchentlich geleistet. Um entsprechende Bewilligung werde gebeten. Mit ebenfalls der Klägerin zur Kenntnis gegebenen Antrag vom 09.09.1999 wurde beim Beklagten in Abänderung bzw. Ergänzung des Antrages vom 03.09.1999 für die Jugendliche Hilfe zur Erziehung gemäß § 27 i.V.m. § 35a SGB VIII beantragt. Auf die entsprechende Stellungnahme des Krankenhauses xxxxxxxxxxx (vom 03.09.1999) werde verwiesen. Der Beklagte hatte bereits zuvor mit Faxschreiben vom 03.09.1999 der Klägerin mitgeteilt, dass zu einem fernmündlichen Antrag auf Betreuungshelfer derzeit keine Entscheidung getroffen werden könne, aber versucht werde, die Angelegenheit in der kommenden Woche abzuklären. Am 28.09.1999 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass die Hilfeberechtigte gem. § 35a Abs. 1 Nr. 4 SGB VIII heute in das Therapiezentrum xxxx, Haus xxxxxxxx, einziehen werde. Nach dessen beigefügtem Kurzbericht vom 24.09.1999 befand sich die Jugendliche schon zuvor am 11.09.1999 und vom 15. bis 16.09.1999 besuchsweise zur Anbahnung und Klärung eines längerfristigen Aufenthalts in der Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung xxxxxxxx, xxxxxx (im folgenden: Einrichtung).
Mit der Klägerin nachrichtlich übersandtem Schreiben vom 02.12.1999 teilte der Beklagte der Amtspflegerin mit, dass er für die Gewährung von Erziehungshilfe ab dem 06.09.1999 die dortige Zuständigkeit für gegeben halte. Zwischenzeitlich übersandte Rechnungen des Hauses xxxxxxxx würden mit der Bitte um Erledigung beigefügt. Die frühere Jugendliche sei im Übrigen im Zeitpunkt der Aufnahme in das Therapiezentrum xxxx bereits volljährig gewesen, so dass es eines eigenständigen Antrages bedürfte. Ein solcher wurde daraufhin von ihr unter dem 08.12.1999 gestellt, der mit Schreiben der Klägerin vom 16.12.1999 an den Beklagten nebst den Anfang des Jahres 1999 ergangenen familienrechtlichen Beschlüssen übersandt wurde. Es wurde ferner gebeten, die sprachlichen Ungenauigkeiten in den vorangegangenen Schreiben zu entschuldigen. Mit Schreiben vom 09.02.2000 hielt der Beklagte an der Auffassung seiner fehlenden Zuständigkeit fest und bat, die Heimkosten im Rahmen der vorläufigen Zuständigkeit nach § 86d SGB VIII zu begleichen. Mit Verfügung des Bezirksamtes Bergedorf - Jugendamt - vom 21.03.2000 wurde "Hilfe zur Erziehung gemäß § 27/30 ab 11.09.1999 und gemäß § 41/34 ab dem 28.09.1999 im Haus xxxxxxxx in Vorleistung für den zuständigen Träger Stadt Karlsruhe" gewährt. Die bis zu diesem Zeitpunkt ausweislich einer in den Akten der Klägerin befindlichen Kostenaufstellung vom 06.04.2000 von der Einrichtung in Rechnung gestellten Kosten in Höhe von insgesamt 60.081,24 DM, davon 3.336,40 DM für "Hilfe nach §§ 27/30/41/30 vom 11. bis 27.09.1999", wurden von der Klägerin beglichen. Die Kosten für das Probewohnen im September 1999 wurden von der Einrichtung mit Schreiben vom 22.02.2000 an den Beklagten näher erläutert.
Nachdem eine Einigung mit dem Beklagten in der Folgezeit nicht zustande kam, hat die Klägerin am 31.07.2000 Klage erhoben und sinngemäß zuletzt beantragt, den Beklagten zu verurteilen, ihr in der Zeit vom 11.09.1999 bis zum 16.09.2000 - Ende der Jugendhilfemaßnahme, weil die Hilfeberechtigte die Einrichtung verlassen hatte - aufgewendete Jugendhilfekosten in Höhe von insgesamt 57.229,82 EUR (111.931,79 DM) nebst eines Zuschlages in Höhe eines Drittels der Kosten gemäß § 89c Abs. 2 SGB VIII und zuzüglich Prozesszinsen zu erstatten. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt: Örtlich zuständig für die Leistungsgewährung sei der Beklagte gewesen. Gemäß § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII sei der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe. Dies gelte auch, wenn ihm einzelne Angelegenheiten der Personensorge entzogen worden seien. Personensorgeberechtigt sei danach die Mutter gewesen, auch wenn ihr wesentliche Teile der Personensorge entzogen gewesen seien. Eine Zuständigkeit gemäß § 86 Abs. 3 SGB VIII scheide aus. Auch wenn zunächst irrtümlich mitgeteilt worden sei, dass die Klägerin Vormund sei, ändere dies nichts daran, dass sich die örtliche Zuständigkeit dem Gesetz entsprechend nach den tatsächlichen Verhältnissen richte. Die Pflegerin sei auch berechtigt gewesen, im Rahmen ihres Wirkungskreises, in dem sie allein vertretungsberechtigt gewesen sei, Hilfe zur Erziehung zu beantragen. Einer Zustimmung der Mutter habe es ebenso wenig wie eines schriftlichen Antrages der jungen Volljährigen auf Hilfe gemäß § 41 SGB VIII bedurft. Diese sei im Übrigen voll in die Hilfeplanung einbezogen gewesen und habe die Hilfe aus eigenem Antrieb gewollt. Ihr nachträglicher Antrag vom 08.12.1999 habe dies bestätigt. Spätestens seit dem 17.08.1999 sei dem Beklagten bekannt gewesen, dass weitere Hilfe erforderlich sei. Dieser Leistungspflicht sei er pflichtwidrig nicht nachgekommen. Er habe deshalb nicht nur die von der Klägerin aufgewendeten Kosten zu erstatten, sondern zusätzlich nach § 89c Abs. 2 SGB VIII einen Betrag in Höhe eines Drittels der Kosten zu zahlen.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat im Wesentlichen ausgeführt, dass ein jugendhilferechtlicher Bedarf nach dem 20.06.1999 aufgrund der vollstationären Aufnahme der Jugendlichen in die Kinder- und Jugendpsychiatrie des Katholischen Kinderkrankenhauses xxxxxxxxxxx vorerst nicht bestanden habe. Telefonisch Rücksprachen mit dieser Klinik und der ärztliche Bericht vom 09.08.1999 hätten ergeben, dass aufgrund der erheblichen suizidalen Gefährdung der Jugendlichen eine weitere stationäre Behandlung von einem halben Jahr erforderlich gewesen sei. Nachvollziehbar sei die Notwendigkeit gewesen, für die Zeit danach der Jugendlichen eine verlässliche Zukunftsperspektive zu entwickeln. Deshalb sei vorsorglich von der vorgeschlagenen Einrichtung Informationsmaterial angefordert worden. Dies könne jedoch keinesfalls mit der Einleitung einer Maßnahme gleichgesetzt werden. Am 03.09.1999 habe sich Frau S. vom Jugendamt Hamburg-Bergedorf gemeldet und mitgeteilt, dass für die Jugendliche noch ein Klinikaufenthalt von drei Monaten erforderlich sei und danach eine Aufnahme in das Therapiezentrum xxxxxxxx geplant sei. Für einen sanften Übergang sei im Rahmen des § 35a SGB VIII i.V.m. §§ 27 und 30 SGB VIII ein Betreuungshelfer dieser Einrichtung für zehn Stunden pro Woche vorgesehen. Die Hilfe werde bereits am 06.09.1999 beginnen. Auch in dem Bericht der Kinderklinik vom 03.09.1999 sei eine kurzfristig bevorstehende Entlassung der Patientin mit keinem Wort erwähnt worden. Für das als ambulante Behandlung deklarierte Probewohnen, mit dem eine stationäre Maßnahme eingeleitet worden sei, habe danach zum damaligen Zeitpunkt keinerlei Bedarf bestanden. Mit Schreiben vom 02.12.1999 sei die Klägerin darauf hingewiesen worden, dass der Beklagte gemäß § 86 Abs. 2 Satz 4 SGB VIII die Zuständigkeit bei der Stadt Hamburg sehe, weil keiner der beiden Eltern personensorgeberechtigt sei und sich die Jugendliche in den letzten sechs Monaten vor Hilfebeginn bei keinem der beiden Elternteile aufgehalten habe. Erst in Antwort auf dieses Schreiben habe die Klägerin die Auffassung vertreten, dass der Beklagte gemäß § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zuständig sei. Die Frage der Rechtsmäßigkeit der Hilfe gemäß § 35a i.V.m. § 41 SGB VIII ab dem 28.09.1999 stelle sich erst dann, wenn die Rechtmäßigkeit der tatsächlich vorgenommenen Jugendhilfemaßnahmen vor der Volljährigkeit zu bejahen und die Zuständigkeit des Beklagten hierfür festzustellen sei. Da er bis heute berechtigte Zweifel an seiner Zuständigkeit habe, liege jedenfalls keine pflichtwidrige Handlung vor.
Mit Urteil vom 03.02.2003 hat das Verwaltungsgericht den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 57.229,82 EUR zuzüglich 4% Zinsen hieraus jährlich seit dem 31.07.2000 zu bezahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Klägerin ein Kostenerstattungsanspruch gemäß § 89c Abs. 1 Satz 2 SGB VIII zustehe. Die Voraussetzungen des § 89c Abs. 2 SGB VIII seien hingegen nicht erfüllt, so dass die Klage insoweit abzuweisen sei.
Gegen dieses ihm am 11.02.2003 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 06.03.2003 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 03. Februar 2003 - 5 K 2173/00 - zu ändern, soweit der Klage stattgegeben worden ist, und die Klage insgesamt abzuweisen.
Zur Begründung trägt er mit am 24.03.2003 eingegangen Schriftsatz im Wesentlichen vor: Die Jugendhilfemaßnahme, für die die Klägerin Kostenerstattung verlange, sei als Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII und Hilfe für junge Volljährige nach § 41 SGB VIII in Form einer vollstationären Unterbringung der Jugendlichen im Haus xxxxxxxx, Therapiezentrum xxxx vom 11.09.1999 bis zum 16.09.2000 erfolgt. Die Jugendliche habe sich sechs Monate vor Beginn der Leistungen in Hamburg aufgehalten. Ihr Vater sei unbekannten Aufenthalts und ihre Mutter sei am 01.03.1999 von Hamburg nach Ettlingen, in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten, verzogen. Eine Kostenerstattungspflicht des Beklagten aus § 89c Abs. 1 Satz 2 SGB VIII bestehe nicht. Das Verwaltungsgericht begründe dessen Zuständigkeit für den Hilfefall in der Zeit bis zum 24.09.1999 zu Unrecht aus § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, da der ursprünglich allein sorgeberechtigten Mutter der Jugendlichen im Rahmen des Sorgerechtsverfahrens durch Beschluss vom 20.01.1999 das Aufenthaltsbestimmungs- und Erziehungsrecht sowie die Gesundheitsfürsorge vorläufig entzogen und auf die Klägerin als Pfleger übertragen worden sei. Die Auslegung des Verwaltungsgerichts, dass § 86 Abs. 2 Satz 1 2. Halbs. SGB VIII auch dann gelte, wenn wesentliche Teile des Personensorgerechts entzogen seien, sei mit dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift "einzelne" nicht zu vereinbaren. Dafür spreche auch Sinn und Zweck der Zuständigkeitsanknüpfung an das Personensorgerecht. Hiernach sei zu fordern, dass der Elternteil, der für die Zuständigkeitsbegründung herangezogen werde, die Personensorge auch ausübe bzw. ausüben könne. § 86 SGB VIII solle gewährleisten, dass der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bereich des zuständigen Trägers habe, um so als Bezugsperson des Kindes erreichbar zu sein. Allerdings habe ein Elternteil, dem wesentliche Teile der Personensorge entzogen worden seien, nicht mehr viele Möglichkeiten diese auch auszuüben. Sämtliche die Jugendliche betreffende Entscheidungen seien demnach auch vom Bezirksjugendamt der Klägerin als Pflegerin getroffen worden, was sich vor allem auch in den Anträgen auf Hilfe zur Erziehung und Eingliederungshilfe vom September 1999 widerspiegle. Die Mutter sei in keiner Weise in Entscheidungen über die weitere Zukunft ihrer Tochter eingebunden worden. Die örtliche Zuständigkeit ergebe sich deshalb aus § 86 Abs. 3 SGB VIII. Der Entzug wesentlicher Teile des Sorgerechts in der Reichweite wie im vorliegenden Fall komme aus den genannten Gründen einem vollständigen Sorgerechtsentzug gleich. Aus § 86 Abs. 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 4 SGB VIII ergebe sich die örtliche Zuständigkeit desjenigen Trägers, in dessen Bereich der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, wenn er in den letzten sechs Monaten vor Beginn der Leistung bei keinem Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Hieraus ergebe sich eine örtliche Zuständigkeit der Klägerin. Für die Zeit ab dem 24.09.1999, dem Eintritt der Volljährigkeit, folge die Zuständigkeit aus § 86a Abs. 4 SGB VIII. Im Übrigen setzten Leistungen der Jugendhilfe grundsätzlich eine vorherige Antragstellung gegenüber dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe voraus. Das Antragserfordernis beruhe auf der Erwägung, dass Jugendhilfe nicht gegen den Willen des Hilfeberechtigten geleistet werden dürfe und der Jugendhilfeträger nicht die Kosten einer selbstbeschafften Maßnahme tragen müsse. Für die Volljährigenhilfe nach § 41 SGB VIII sei vor Beginn der Hilfe weder durch die Volljährige noch durch die Klägerin als Pflegerin ein Antrag gestellt worden. Die von der Klägerin gestellten Anträge vom 03.09. und 09.09.1999 hätten sich auf die Leistung von Hilfe zur Erziehung in Form von ambulanter Betreuung und Eingliederungshilfe in Form einer vollstationären Unterbringung vor Vollendung des 18. Lebensjahres der Jugendlichen bezogen. Mit dem Eintritt der Volljährigkeit habe über die Hilfe nach § 41 SGB VIII gemäß den darin normierten Voraussetzungen neu entschieden werden müssen, weshalb insoweit auch ein neuer Antrag erforderlich gewesen sei. Auch die Klägerin habe in Vertretung der Jugendlichen einen Antrag auf Hilfe für junge Volljährige nach § 41 SGB VIII nicht gestellt. Der Antrag sei von der Jungendlichen selbst erst mit Schreiben vom 08.12.1999 gestellt worden. Bei der Hilfe für junge Volljährige handle es sich im vorliegenden Fall deshalb um eine selbstbeschaffte Hilfe, für die der zuständige Jugendhilfeträger für den Zeitraum vor der Antragstellung nicht aufkommen müsse.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor. Die Rechtsansicht des Beklagten zu § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII sei unzutreffend. Zwar ergebe sich nicht bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, ob die Zuständigkeitsregelung auch dann gelte, wenn dem personensorgeberechtigten Elternteil die wesentlichen Teile der Personensorge entzogen worden seien. Da aber nach der gesetzlichen Regelung die Zuständigkeit auch bestehe, wenn den Personensorgeberechtigten einzelne Angelegenheiten der Personensorge entzogen worden seien, sei daraus zu schließen, dass der Gesetzgeber die Zuständigkeit daran knüpfen wolle, dass ein Elternteil unabhängig vom Umfang der verbliebenen Rechte noch als personensorgeberechtigt anzusehen sei. Da mit der Anknüpfung an die Personensorge nur die Konkurrenz zwischen zwei Elternteilen gelöst werden solle, komme es auf den verbleibenden Umfang der Befugnisse nicht an. Ob die Mutter der Jugendlichen in der Realität ihre verbliebenen Befugnisse tatsächlich habe ausüben können oder wollen, sei unerheblich. Die Hilfe für junge Volljährige sei mit Erlangung der Volljährigkeit der Jugendlichen mit ihrem Einverständnis gewährt worden. Die Stellung eines eigenen ausdrücklichen Leistungsantrages, wie er dann jedenfalls später unter dem 08.12.1999 gestellt worden sei, sei keine notwendige Voraussetzung gewesen. Von einer selbstbeschafften Leistung der jungen Volljährigen könne daher keine Rede sein. Die Hilfe in der Zeit vom 11.09. bis zum 23.09.1999 und vom 24.09. bis zum 28.09.1999 sei zunächst als Hilfe gemäß §§ 27, 35a SGB VIII in ambulanter Form, d.h. in der Ausgestaltung nach § 30 SGB VIII gewährt worden. Wie beantragt, sei dies in Form von Fachleistungsstunden durch den Träger xxxxxxxx erbracht worden. Inhalt der Maßnahmen sei Kontaktaufnahme durch den Psychologen, Begleitung des Wechsels in die Einrichtung und Probewohnung gewesen. Nach Volljährigkeit sei die Hilfe bis zur Aufnahme am 28.09.1999 in der gleichen Ausgestaltung als Hilfe nach § 41 SGB VIII weitergeführt worden. Jugendhilfebedarf sei seit langem auch über die Volljährigkeit der Jugendlichen hinaus bekannt gewesen und sei bereits mit Schreiben vom 14.04.1999 an die Beklagte angekündigt worden. Die Einstellung der Hilfe zur Erziehung sei nur deshalb erfolgt, weil die Platzierung im Kinderheim nicht mehr sachgerecht gewesen sei. Dem entspreche auch das Schreiben an den Beklagten vom 13.07.1999, in dem ein Fachgespräch im Krankenhaus angekündigt worden sei, das am 27.07. auch stattgefunden habe. Der Bericht des Krankenhauses vom 09.08.1999 bestätige die Gesamtplanung und schließe damit, dass eine sichere Perspektive dringend zu entwickeln sei. Jugendhilfebedarf habe somit eindeutig während des gesamten Zeitraums bestanden, insbesondere sei er auch schon am 27.07.1999 unstreitig gewesen. Unklar sei lediglich gewesen, wann eine Entlassung aus der Klinik erfolgen könne. Diese Frage sei allerdings, wie sich aus den Unterlagen ergebe, untrennbar mit Klärung der weiteren Maßnahmen im Rahmen der Jugendhilfe verbunden gewesen. Diese Klärung sei dann in enger Abstimmung mit allen Beteiligten erfolgt und habe zu einem einvernehmlichen Ergebnis geführt. Da der Beklagte nicht tätig geworden sei, habe die Klägerin tätig werden müssen. Der Beginn der Leistung könne nicht durch die Tatsache, dass der örtlich zuständige Träger keine Entscheidungen treffe, hinausgeschoben werden. Unabhängig davon, dass es dadurch in Fällen wie diesem zu ungerechtfertigten Lastenverschiebungen käme, sei der für die örtliche Zuständigkeit maßgebende Zeitpunkt der der Antragstellung. Zum Zeitpunkt der Antragstellung habe aber eine eindeutige Zuständigkeit nach § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestanden. Die - zunächst fehlende - Erstellung eines Hilfeplanes sei nicht unverzichtbare Voraussetzung für die Gewährung von Jugendhilfe.
Dem Senat liegen die Akten der Klägerin, des Beklagten und des Verwaltungsgerichts vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird hierauf sowie auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die vom Verwaltungsgericht zugelassene und auch sonst zulässige Berufung des Beklagten hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht teilweise stattgegeben. Der Klägerin steht der gegen den Beklagten geltend gemachte Erstattungsanspruch, der noch alleiniger Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, nicht zu.
1. Gemäß § 89c Abs. 1 Satz 2 SGB VIII in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 08.12.1998 (BGBl. I S. 3546) sind Kosten, die ein örtlicher Träger im Rahmen seiner Verpflichtung nach § 86d aufgewendet hat, von dem örtlichen Träger zu erstatten, dessen Zuständigkeit durch den gewöhnlichen Aufenthalt nach §§ 86, 86a und 86b begründet wird. Die im Rahmen einer solchen Verpflichtung aufgewendeten Kosten sind nach § 89f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII allerdings nur zu erstatten, soweit die Erfüllung der Aufgaben den Vorschriften dieses Buches, also des Achten Buches des Sozialgesetzbuches, entspricht, mithin die Erstattungspflicht nur besteht, wenn und soweit die zugrunde liegenden Maßnahmen rechtmäßig sind (vgl. Urteil des Senats vom 19.08.2003 - 9 S 2398/02 -). Dabei gelten nach § 89f Abs. 1 Satz 2 SGB VIII die Grundsätze, die im Bereich des tätig gewordenen Trägers angewandt werden. Ausgehend hiervon besteht ein Kostenerstattungsanspruch der Klägerin aus § 89c Abs. 1 Satz 2 SGB VIII entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht.
1.1. In dem durch die Anträge der Amtspflegerin auf Hilfe zur Erziehung vom 03.09. und vom 09.09.1999 eingeleiteten Jugendhilfeverfahren bestanden die zwar ohne förmliche Bewilligung, aber mit Einverständnis der Klägerin gewährten Hilfeleistungen, für deren Kosten die Klägerin Erstattung verlangt, ausweislich der Akten und dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Beklagten in einem Probewohnen der Jugendlichen in der Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung xxxxxxxx (im folgenden Einrichtung) am 11.09.1999 und vom 15.-16.09.1999, nachdem am 02.09.1999 ein erstes Kontaktgespräch des Einrichtungsträgers mit der Jugendlichen in der Klinik stattgefunden hatte (vgl. den Kurzbericht der Einrichtung vom 24.09.1999 und deren Schreiben an den Beklagten vom 22.02.2000). Ab dem 28.09.1999 bis zum 16.09.2000 war die nunmehr volljährige Hilfeberechtigte auf ihren Wunsch und mit dem Einverständnis der Klägerin des weiteren vollstationär in der Einrichtung im Rahmen einer Hilfe für junge Volljährige untergebracht (vgl. Protokoll des Abschlussgesprächs in der Kinderklinik xxxxxxxxxxxxx vom 28.09.1999). Der Klägerin sind hierfür durch die Begleichung der von der Einrichtung vorgelegten Rechnungen unstreitig die zur Erstattung geltend gemachten Kosten in Höhe von insgesamt 57.229,82 EUR (= 111.931,79 DM) entstanden, wovon ausweislich der Rechnung vom 06.10.1999 für die als Nebenkosten abgerechnete Leistungen vor dem 24.09.1999 (Volljährigkeit) Kosten i.H.v. 1.705,87 EUR (= 3.336,40 DM) und für Leistungen ab dem 28.09.1999 Kosten i.H.v. 55.523,96 EUR (= 108.595,39 DM) entstanden sind.
1.2. Diese Kosten hat die Klägerin nicht im Rahmen einer Verpflichtung nach § 86d SGB VIII aufgewendet. Nach § 86d SGB VIII ist der örtliche Träger, in dessen Bereich sich das Kind oder der Jugendliche, der junge Volljährige oder bei Leistungen nach § 19 SGB VIII der Hilfeberechtigte vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält, vorläufig zum Tätigwerden verpflichtet, wenn die örtliche Zuständigkeit nicht feststeht oder der zuständige örtliche Träger nicht tätig wird. Hinsichtlich der mit der Rechnung der Einrichtung vom 06.10.1999 abgerechneten Hilfeleistungen (Kontaktaufnahme/Probewohnen) bestand ungeachtet ihrer rechtlichen Qualifizierung eine solche Verpflichtung der Klägerin zum vorläufigen Tätigwerden nach § 86d SGB VIII schon mangels eines insoweit konkreten Hilfebedarfs des Personensorgeberechtigten oder der Jugendlichen nicht (1.2.1.). Die übrigen Kosten hat die Klägerin als nach § 86a Abs. 2 SGB VIII zuständiger örtlicher Träger aufgewendet (1.2.2.).
1.2.1. Zuständiger örtlicher Träger für Leistungen der Jugendhilfe vor Vollendung des 18. Lebensjahres der Jugendlichen war ab dem Zeitpunkt (März 1999), in dem die Mutter der Jugendlichen ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bereich des Beklagten nahm, nicht mehr wie zuvor die Klägerin sondern der Beklagte. Nach § 86 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII ist für die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Eltern ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Zum Zeitpunkt der Antragstellung und auch der Hilfegewährung (11.09. und 15. bis 16.09.1999) hatte jedenfalls die Mutter der Jugendlichen ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bereich des Beklagten. Nach den damaligen Ermittlungen des Beklagten war auch der Vater der Jugendlichen in diesem Bereich noch polizeilich gemeldet, sein tatsächlicher Aufenthaltsort war allerdings unbekannt. Letztlich bedarf dies keiner näheren Erörterung, da eine Zuständigkeit des Beklagten auch nach § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII gegeben gewesen wäre. Hiernach ist, wenn die Elternteile verschiedene gewöhnliche Aufenthalte haben, der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; dies gilt auch dann, wenn ihm einzelne Angelegenheiten der Personensorge entzogen sind. So lagen die Dinge hier. Bis zur Entscheidung des Amtsgerichts Hamburg-Bergedorf - Familiengericht - vom 20.01.1999 stand der Mutter der Jugendlichen das Personensorgerecht alleine zu. Mit dem Beschluss vom 20.01.1999 wurde ihr die Personensorge (vgl. § 1631 Abs. 1 BGB) nicht vollständig entzogen. Die Mutter war lediglich durch die gerichtliche Entscheidung, im Rahmen des Verfahrens nach § 1666 BGB das Aufenthaltsbestimmungs- und Erziehungsrecht sowie die Gesundheitsfürsorge vorläufig dem Bezirksamt Hamburg-Bergedorf - Jugendamt - als Pfleger zu übertragen, in ihrer Ausübung teilweise beschränkt (vgl. §§ 1666a Abs. 2, 1630 Abs. 1 BGB). Dies ist für die Anwendung des § 86 Abs. 2 Satz 1 1. Halbs. SGB VIII unschädlich. Auf den Umfang der bei dem personensorgeberechtigten Elternteil verbleibenden Befugnisse des § 1631 Abs. 1 BGB kommt es nach dem eindeutigen Wortlaut von § 86 Abs. 2 Satz 1 2. Halbs. SGB VIII und dessen Sinn und Zweck einer klaren und eindeutigen Zuständigkeitsabgrenzung nicht an (vgl. Wiesner, a.a.O., § 86 RdNr. 15; Kunkel, a.a.O., RdNr. 20; Jans/Happe/Saurbier/Maas, Kinder- und Jugendhilferecht, KJHG Erl. Art. 1 § 86 RdNr. 29).
Ebenso wenig wie § 86c SGB VIII ist § 86d SGB VIII eine Zuständigkeitsregelung für eine Art örtliche Not- oder Eilzuständigkeit. Er setzt vielmehr eine örtliche Zuständigkeit nach §§ 86, 86a oder 86b SGB VIII voraus und begründet eine vorläufige Leistungspflicht zum Schutz des Hilfeberechtigten, um nachteilige Folgen für den Hilfeberechtigten abzuwenden, die sich aus der mitunter schwierigen Feststellung des zuständigen örtlichen Trägers oder aus der Untätigkeit des zuständigen örtlichen Trägers ergeben (vgl. Wiesner, a.a.O., § 86d RdNr. 1, 2; Kunkel, LPK-SGB VIII, 2. Aufl., § 86d RdNr. 1). Die Befugnis und Verpflichtung, anstelle des zuständigen örtlichen Trägers vorläufig tätig zu werden, ist danach nicht auf unaufschiebbare Maßnahmen in Notfällen beschränkt. Andererseits besteht eine Verpflichtung zum vorläufigen Tätigwerden nicht bereits deshalb, weil ein möglicher Hilfefall bekannt wird und der zuständige örtliche Träger unbekannt ist oder zunächst keine Hilfemaßnahmen ergreift. Maßgeblich für das Vorliegen und den Umfang der Verpflichtung zu einem vorläufigen Tätigwerden in den in § 86d genannten Fällen ist nach seinem Sinn und Zweck vielmehr der konkrete Hilfebedarf des Hilfeberechtigten, der ab dem Zeitpunkt seiner Antragstellung jeweils besteht (vgl. zum Erfordernis einer vorherigen Antragstellung gegenüber dem öffentlichen Jugendhilfeträger: BVerwG, Urteil vom 28.09.2000 - BVerwG 5 C 29/99 -, BVerwGE 112, 98). Erst wenn sich hieraus bei objektiver Betrachtungsweise nach Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen ein Anlass zur Aufnahme der Hilfe und Durchführung konkreter Hilfemaßnahmen durch den zuständigen örtlichen Träger ergibt, ist der vorläufig leistungspflichtige örtliche Träger über eine eventuelle Weiterleitung eines bei ihm eingereichten Antrages auf Hilfe hinaus zum entsprechenden vorläufigen Tätigwerden verpflichtet, wenn der zuständige örtliche Träger wegen erforderlicher weiterer Ermittlungen noch nicht bestimmbar ist oder dieser nicht tätig wird, weil er seine Zuständigkeit zur Aufnahme der Hilfeleistung in Abrede stellt oder weil er trotz Annahme seiner Zuständigkeit sich des Hilfefalles nicht annimmt und ihn nicht nach den in seinem Bereich angewandten Grundsätzen regelt (vgl. zur "Fortsetzung" i.S.d. § 86c SGB VIII: BVerwG, Urteil vom 14.11.2002 - BVerwG 5 C 57/01 -, Buchholz 436.511 § 89c KJHG/SGB VIII Nr. 1). Die Leistungspflicht des vorläufig leistungspflichtigen örtlichen Trägers dauert dabei solange an, bis die Feststellung der örtlichen Zuständigkeit abgeschlossen ist und/oder der nach §§ 86, 86a, 86b SGB VIII zuständige örtliche Träger in diesem Sinne tätig wird, wobei ein Tätigwerden aber auch darin liegen dürfte, dass er eine Hilfeleistung aus materiellen Gründen, also insbesondere nicht mit Zuständigkeitserwägungen, ablehnt (vgl. zu diesem Gesichtspunkt im Rahmen des § 86c SGB VIII: BVerwG, Urteil vom 14.11.2002 - BVerwG 5 C 51/01 -, Buchholz 436.511 § 89c KJHG/SGB VIII Nr. 2). Der danach gemäß § 86d SGB VIII vorläufig leistungsverpflichtete örtliche Träger wird daher bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen im Regelfall die erforderliche Leistung zu gewähren und auch eine längerfristige Hilfe zur Erziehung oder Eingliederungshilfe etwa durch einen gemeinsamen Beratungs-, Planungs- und Hilfegestaltungsprozess (§ 36) einzuleiten haben. Gleichzeitig obliegt es ihm, die Feststellung des zuständigen örtlichen Trägers weiter voranzutreiben oder den säumigen zuständigen Träger gegebenenfalls unter Einschaltung der Aufsichtsbehörde zum Tätigwerden zu veranlassen (vgl. Wiesner a.a.O., § 86d RdNr. 6). Im Rahmen eines solchen Tätigwerdens für den zuständigen örtlichen Träger hat er allerdings die Interessen des kostenerstattungspflichtigen Trägers nach besten Kräften wahrzunehmen. Er trägt nach Maßgabe des § 89f Abs. 1 SGB VIII ebenso das volle Kostenrisiko für unrechtmäßiges Handeln wie in den Fällen, in denen er als nach §§ 86, 86a, 86b SGB VIII selbst zuständiger örtlicher Träger tätig wird (vgl. zum sog. Interessenwahrungsgrundsatz und zu daraus resultierenden Sorgfaltspflichten: Jans/Happe/Saurbier, a.a.O., § 89f RdNr. 2; Wiesner, a.a.O. § 89f RdNr. 7). Seine Annahme, die Voraussetzungen einer Verpflichtung zum vorläufigen Tätigwerden in Form einer Leistungsgewährung lägen vor, unterliegt danach der vollen gerichtlichen Überprüfung.
Ausgehend hiervon bestand für die mit den Anträgen der Amtspflegerin vom 03. und 09.09.1999 beim Beklagten beantragten Leistungen ungeachtet ihrer rechtlichen Qualifizierung eine Verpflichtung der Klägerin, über das Vorantreiben der Fallübernahme durch den Beklagten oder gegebenenfalls ein Einwirken auf den Personensorgeberechtigten zur Einleitung rechtlicher Schritte hinaus vorläufig tätig zu werden, zum damaligen Zeitpunkt nicht. Zwar war nach der den Beteiligten bekannten Vorgeschichte, dem Fachgespräch vom 27.07.1999 und den Arztberichten vom 09.08. und 03.09.1999 davon auszugehen, dass die damals noch minderjährige Jugendliche, die sich zu diesem Zeitpunkt schon seit mehreren Monaten wegen einer schweren emotionalen Entwicklungsstörung mit psychosomatischen Begleiterscheinungen (Neurodermitis) in vollstationärer Behandlung befand, nach ihrer Entlassung einer vollstationären Unterbringung im Rahmen einer Jugendhilfemaßnahme bedurfte und insoweit ein konkreter Hilfebedarf bestand. Dies ist zwischen den Beteiligten im Grundsatz auch unstreitig. Ferner lagen wirksame Anträge der Amtspflegerin auf Hilfe zur Erziehung als erforderliche Voraussetzung für eine Hilfe nach §§ 27 ff. SGB VIII vor (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 28.09.2000, a.a.O.). Antragsberechtigt für Hilfe zur Erziehung nach § 27 Abs. 1 SGB VIII ist der Personensorgeberechtigte. Personensorgeberechtigter ist nach § 7 Abs. 1 Nr. 5 SGB VIII, wem allein oder gemeinsam mit einer anderen Person nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches die Personensorge zusteht. Hier waren dem Bezirksamt Hamburg-Bergedorf - Jugendamt - einzelne Teile der Personensorge, insbesondere das Aufenthaltsbestimmungs- und Erziehungsrecht (§ 1631 Abs. 1 BGB) vorläufig als Pfleger übertragen. Dies beinhaltet aufgrund der besonderen Situation - baldige Volljährigkeit der Jugendlichen und Übertragung des Erziehungsrechts - die Befugnis, einen Antrag auf Hilfe zur Erziehung nach § 27 Abs. 1 SGB VIII zu stellen, ohne dass es der Zustimmung der insoweit in ihrer Personensorge beschränkten Mutter der Jugendlichen bedurfte (vgl. Urteil des Senats vom 19.08.2003 - 9 S 225/03 -; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13.04.2000 - 12 A 11123/99 -, FamRZ 2001, 1184; OLG Frankfurt, Beschluss vom 04.09.2000 - 2 WF 236/00 -, JAmt 2001, 90; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 21.06.2001 - BVerwG 5 C 6/00 -, NJW 2002, 232 = FEVS 53, 105). Auch in den Fällen der sogenannten bestellten Amtspflegschaft des Jugendamtes durch gerichtliche Entscheidung nach §§ 1666, 1666a BGB wird die Aufgabe des Amtspflegers durch einen nach § 55 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII beauftragten Beamten oder Angestellten ausgeübt, der freilich seinerseits nicht verpflichtet ist, die tatsächliche Betreuung und Erziehung selbst vorzunehmen, sondern hierzu öffentliche Hilfe zur Erziehung in Anspruch nehmen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.1995 - BVerwG 5 C 2/94 -, BVerwGE 100, 178; OVG NW, Urteil vom 25.04.2001 - 12 A 924/99 -, NVwZ-RR 2002, 123 = FEVS 53, 251).
Die örtliche Zuständigkeit des Beklagten zum damaligen Zeitpunkt stand nach Vorstehendem auch ohne weiteres fest im Sinne des § 86d SGB VIII, auch wenn sie zwischen den Beteiligten später rechtlich umstritten gewesen sein mag. Die Pflicht der Klägerin zum vorläufigen Tätigwerden nach § 86d SGB VIII konnte sich danach allenfalls daraus ergeben, dass der Beklagte als zuständiger örtlicher Träger trotz akutem Hilfebedarf der Jugendlichen nicht in der erforderlichen Weise tätig geworden wäre. Dies war nicht der Fall.
Eine Entlassung der Jugendlichen aus der stationären Krankenhausbehandlung, in deren Rahmen die Pflege und Betreuung der Jugendlichen gewährleistet war, war zum Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahmen nach dem Fachgespräch vom 27.07.1999 und den Arztberichten vom 09.08.1999 und vom 03.09.1999 entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts in absehbarer Zeit nicht zu erwarten. Auch die Klägerin selbst ging anlässlich eines am 03.09.1999 mit dem Beklagten geführten Telefongesprächs davon aus, dass die stationäre Krankenhausbehandlung der Jugendlichen noch mindestens drei Monate, also weit über die Vollendung ihres 18. Lebensjahres hinaus bis etwa Ende des Jahres 1999, andauern solle. Dies entsprach den telefonischen Auskünften, die der Beklagte nach seinen unbestrittenen Angaben von der Kinderklinik auf seine Anfrage erhalten hatte. Bei dieser Sachlage, die bei objektiver Betrachtungsweise ein sofortiges Handeln nicht erforderte, bestand für die wenige Tage vor Vollendung des 18. Lebensjahres als Hilfe zur Erziehung nach § 30 SGB VIII beantragten und von der Klägerin auch so eingeschätzten Maßnahmen, die nur noch für wenige Tage in Betracht gekommen waren, ein zum vorläufigen Tätigwerden verpflichtender konkreter Hilfebedarf nicht, zumal der Beklagte offenbar bereits selbst in eine Prüfung eingetreten war, indem er Informationsmaterial über die Einrichtung angefordert und mit Telefax vom 03.09.1999 die Klägerin um Begründung und Zielsetzung der von ihr geplanten Maßnahme gebeten hatte. Er hatte sich zu diesem Zeitpunkt also durchaus des Falles in einer Weise angenommen, die der Deckung des damaligen konkreten Hilfebedarfs der Jugendlichen entsprach. Die nach Antragstellung sofortige Durchführung eines Probewohnens in der Einrichtung mag zwar den Vorstellungen der Klägerin entsprochen haben. Objektiv erforderlich zur Deckung eines akut bestehenden konkreten Bedarfs für eine Hilfe zur Erziehung - und dies ist in diesem Zusammenhang allein maßgeblich - war diese Maßnahme nach Vorstehendem jedoch nicht. Insofern bestand danach auch keine Verpflichtung der Klägerin zum vorläufigen Tätigwerden, zumal da die Vollendung des 18. Lebensjahres der Jugendlichen unmittelbar bevorstand - was ohnehin eine völlige Neuprüfung des Hilfefalles erforderlich machte - und zu diesem Zeitpunkt eine Beantragung von Hilfemaßnahmen nach § 41 SGB VIII von der dann allein hierzu berechtigten jungen Volljährigen, die an dem Fachgespräch vom 27.07.1999 nicht teilgenommen hatte, noch nicht abzusehen war. Diese Betrachtungsweise gilt auch hinsichtlich des Probewohnens vom 15. bis zum 16.09.1999, das ebenfalls in einen Zeitraum fiel, in dem die Jugendliche noch vollstationär im Krankenhaus behandelt wurde und ein konkreter Hilfebedarf ebenfalls noch nicht bestand. All dies war für die Klägerin auch ohne weiteres erkennbar (vgl. dazu Jans/Happe/ Saurbier, a.a.O., § 89f RdNr. 3).
Im Übrigen wurde die Klägerin insoweit selbst dann nicht im Rahmen ihrer Verpflichtung nach § 86d SGB VIII tätig, wenn entgegen dem Vorstehenden davon auszugehen ist, dass die örtliche Zuständigkeit zum damaligen Zeitpunkt nicht feststand im Sinne des § 86d SGB VIII oder der Beklagte als zuständiger örtlicher Träger sich des Hilfefalles nicht in der Weise angenommen hatte, wie es der konkrete Hilfebedarf des Hilfeberechtigten bereits zum damaligen Zeitpunkt erforderte. Denn zu den gewährten Hilfemaßnahmen war die Klägerin jedenfalls nicht verpflichtet im Sinne des § 86d SGB VIII, sodass auch die Kostenerstattungspflicht des Beklagten nach §§ 89c Abs. 1 Satz 2, 89f Abs. 1 SGB VIII insoweit nicht besteht.
Einer Verpflichtung zum vorläufigen Tätigwerden in Form der gewährten Hilfemaßnahmen und damit auch dem insoweit geltend gemachten Erstattungsanspruch nach § 89c Abs. 1 Satz 2 SGB VIII steht zwar nicht entgegen, dass hierfür kein vorheriges förmliches Hilfeplanverfahren nach § 36 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII stattgefunden hat. Das Fehlen eines schriftlich fixierten Hilfeplans hat nicht die Folge, dass der Beklagte mangels Feststellbarkeit der Notwendigkeit und Geeignetheit der Hilfe die Erstattung verweigern könnte. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der geleisteten Jugendhilfe ist vielmehr als entscheidend anzusehen, ob die Notwendigkeit und Geeignetheit der Hilfe auch ohne eine schriftliche Fixierung in einem Hilfeplan festgestellt werden kann. Dabei ist zu beachten, dass es sich bei der Entscheidung über die Notwendigkeit und Geeignetheit der Hilfe um das Ergebnis eines kooperativen pädagogischen Entscheidungsprozesses unter Mitwirkung des Kindes bzw. des Jugendlichen und mehrerer Fachkräfte handelt, welches nicht den Anspruch objektiver Richtigkeit erhebt, jedoch eine angemessene Lösung zur Bewältigung der festgestellten Leistungssituation enthält, die fachlich vertretbar und nachvollziehbar sein muss; die verwaltungsgerichtliche Überprüfung hat sich dabei darauf zu beschränken, ob allgemeingültige fachliche Maßstäbe beachtet worden sind, ob keine sachfremden Erwägungen eingeflossen sind und die Leistungsadressaten in umfassender Weise beteiligt worden sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.06.1999 - BVerwG 5 C 24/98 -, BVerwGE 109, 155; Heilemann/Kunkel in LPK-SGB VIII, 2. Aufl., § 89f RdNr. 3).
Freiwillige Leistungen, für die keine jugendhilferechtliche Verpflichtung besteht, sind aber von einer Kostenerstattung ausgenommen (vgl. Heilemann/ Kunkel, a.a.O., RdNr. 7). "Freiwilligkeit" ist in diesem Zusammenhang in einem engen Sinne zu verstehen. So sind z.B. auch die Kosten von Ermessensentscheidungen keine "freiwilligen" Leistungen, sondern auf der Grundlage des § 89c Abs. 1 Satz 2 SGB VIII zu erstatten, "soweit" ihre Gewährung - nach Maßgabe der im Bereich des tätig gewordenen örtlichen Trägers angewandten Grundsätze (§ 89f Abs. 1 Satz 2 SGB VIII) - dem Gesetz entspricht (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.11.2002 - BVerwG 5 C 57/01 -, Buchholz 436.511 § 89c KJHG/SGB VIII Nr. 1). Die Kostenerstattung kann deshalb auch nicht etwa mit dem Hinweis versagt werden, der kostenerstattungspflichtige Träger halte eine andere Handhabung von Ermessensvorschriften für zweckmäßig (vgl. Wiesner, a.a.O., § 89f RdNr. 8). Die insoweit durchgeführten Hilfemaßnahmen der Klägerin waren freiwillig in diesem Sinne.
Entgegen der Annahme der Klägerin handelte es sich bei dem der Jugendlichen eingeräumten Probewohnen in der Einrichtung einschließlich der zuvor erfolgten Kontaktaufnahme nicht um eine Hilfemaßnahme nach § 30 SGB VIII. Nach dieser Vorschrift sollen der Erziehungsbeistand und der Betreuungshelfer das Kind oder den Jugendlichen bei der Bewältigung von Entwicklungsproblemen möglichst unter Einbeziehung des sozialen Umfeldes unterstützen und unter Erhaltung des Lebensbezugs zur Familie seine Verselbständigung fördern. Die neben jugendgerichtlichen Anordnungen (vgl. §§ 10 Abs. 1 Nr. 5, 12 JGG) als Hilfe zur Erziehung allenfalls in Betracht kommende Erziehungsbeistandschaft kann im Einzelfall als geeignete Hilfemaßnahme angesehen werden, wenn ein Kind/Jugendlicher deutliche Entwicklungs- und/oder Verhaltensprobleme zeigt, die familiären Beziehungen es aber noch zulassen, dass sowohl mit ihm wie mit dem Personensorgeberechtigten gearbeitet werden kann. Ziel der Hilfe ist es, die Verselbständigung zu fördern, den Lebensbezug zur Familie zu erhalten und das soziale Umfeld unterstützend einzubeziehen (vgl. Schwab/Kunkel in LPK-SGB VIII, 2. Aufl., § 30 RdNr. 6, 7). Sie dient von der Natur der Sache her - Verbleib im Familienverband - daher gerade auch dem Ziel, eine Fremdunterbringung zu vermeiden, und ist von den Hilfearten nach den §§ 32 ff SGB VIII abzugrenzen (vgl. Wiesner, a.a.O., § 30 RdNr. 7; Jans/Happe/Saurbier/Maas, a.a.O., § 30 RdNr. 20). Die tatsächlich durchgeführte Maßnahme in Form eines Probewohnens in der Einrichtung hatte demgegenüber schon eine andere Zielrichtung. Sie sollte eine Fremdunterbringung gerade nicht vermeiden, sondern eine solche in Form einer vollstationären Aufnahme in die Einrichtung ohne Einbeziehung der Familie und des sozialen Umfeldes vorbereiten und die Jugendliche schon vorab mit der Einrichtung vertraut machen, um ihre spätere Entscheidung als junge Volljährige, eine Hilfe für junge Volljährige nach § 41 SGB VIII durch Aufnahme in diese Einrichtung zu beantragen oder nicht, zu beeinflussen. Dies mag als Vorbereitung einer Maßnahme nach § 41 SGB VIII durchaus sinnvoll gewesen sein, um falsche Weichenstellungen schon im Vorfeld zu vermeiden. Die Merkmale einer Hilfe zur Erziehung in Form der Erziehungsbeistandschaft im Sinne des § 30 SGB VIII erfüllt das für wenige Tage vorgesehene Probewohnen aber ersichtlich nicht.
Die Maßnahme des Probewohnens als solche erfüllt auch sonst nicht die Merkmale einer der in §§ 28 bis 35 SGB VIII genannten Erziehungshilfen. Wenn auch die dort aufgeführten Hilfemaßnahmen keinen abschließenden Katalog darstellen, so sind andere Jugendhilfemaßnahmen jedoch nur dann kostenerstattungsrechtlich relevant, wenn sie nach ihrer Art mit den geregelten Hilfen vergleichbar sind (vgl. Wiesner, a.a.O., § 27 RdNr. 24 und 29). Dies liegt - wie gezeigt - nicht vor. Für die Maßnahme des Probewohnens bestand danach eine eigenständige jugendhilferechtliche Verpflichtung im Sinne des § 86d SGB VIII nicht. Sie teilt im vorliegenden Zusammenhang vielmehr als freiwillige Maßnahme zur Vorbereitung der erst für einen späteren Zeitpunkt geplanten Hilfe für junge Volljährige, sei es nach §§ 41, 34 SGB VIII oder sei es nach §§ 41, 35a SGB VIII, deren rechtliches Schicksal auch im Hinblick auf die hierfür bestehende örtliche Zuständigkeit und eine etwaige Kostenerstattungspflicht.
1.2.2. Ein konkreter Hilfebedarf für die gewährten Jugendhilfeleistungen bestand freilich ab dem 28.09.1999, als die inzwischen volljährige Hilfeberechtigte wesentlich früher als angenommen und möglicherweise auch etwas überstürzt aus der stationären Krankenhausbehandlung entlassen wurde, wie die neben einer fortdauernden hautärztlichen Behandlung erforderlich werdende Wiederaufnahme und Fortsetzung der stationären dermatologischen Behandlung am 22.11.1999 bis zum 13.12.1999 und vom 20.12.1999 bis zum 30.12.1999 nahe legen könnte (vgl. den Entwicklungsbericht der Einrichtung vom 09.06.2000). Die Voraussetzungen des § 86d SGB VIII lagen für die ab dem 28.09.1999 gewährte Hilfe, sei es nach §§ 41, 34 SGB VIII oder sei es nach §§ 41, 35a SGB VIII, aber nicht mehr vor. Die Klägerin wurde insoweit vielmehr als zuständiger örtlicher Träger nach § 86a Abs. 2 SGB VIII tätig.
Mit dem Zeitpunkt, zu dem die Hilfeberechtigte volljährig geworden war, war die örtliche Zuständigkeit für die nunmehr zu gewährende Hilfe für junge Volljährige in Anwendung der Regelungen des § 86a SGB VIII neu zu bestimmen. Nach § 86a Abs. 2 SGB VIII war danach die Klägerin grundsätzlich zuständig, da der gewöhnliche und tatsächliche Aufenthalt der Jugendlichen in den hier in Betracht kommenden Zeitpunkten stets im Bereich der Klägerin war. Die Voraussetzungen des § 86a Abs. 4 Satz 1 SGB VIII für die Begründung einer örtlichen Zuständigkeit des Beklagten lagen hingegen nicht vor. Hiernach bleibt über die Vollendung des 18. Lebensjahres hinaus der örtliche Träger, der bis zu diesem Zeitpunkt zuständig war, u.a. dann zuständig, wenn der Hilfe für junge Volljährige nach § 41 SGB VIII eine Hilfe nach den §§ 27 bis 35a SGB VIII vorausgeht. Eine Unterbrechung von bis zu drei Monaten bleibt dabei außer Betracht (§ 86a Abs. 4 Satz 2 SGB VIII). Ein Vorausgehen einer Hilfe nach den §§ 27 bis 35a SGB VIII liegt auch dann vor, wenn eine solche Hilfe im Wege des § 86d SGB VIII gewährt wird. Zugerechnet wird diese vorausgehende Hilfe freilich nicht dem vorläufig tätig gewordenen, sondern dem zuständigen örtlichen Träger, da die Zuständigkeit des nach den §§ 86, 86a, 86b SGB VIII zuständigen örtlichen Trägers durch ein Tätigwerden des vorläufig leistungsverpflichteten örtlichen Trägers unberührt bleibt. Zuständiger örtlicher Träger ab dem 01.03.1999 bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres der Jugendlichen war nach Vorstehendem der Beklagte. Voraussetzung einer die spätere Zuständigkeit nach § 86a Abs. 4 Satz 1 SGB VIII begründenden Zurechnung der Hilfe an den zuständigen örtlichen Träger ist diesen Fällen aber, dass das vorläufige Tätigwerden im Rahmen einer Verpflichtung nach § 86d SGB VIII rechtmäßig erfolgt ist, um die bis zum Eintritt der Volljährigkeit bestehende Zuständigkeit für diese Jugendhilfeleistungen und damit ggf. auch eine bei Eintritt der Volljährigkeit nach § 89c Abs. 1 Satz 2 SGB VIII bestehende Kostenerstattungspflicht bei Fortsetzung der zuvor als Hilfe zur Erziehung gewährten Leistung als Hilfe für junge Volljährige nach § 86a Abs. 4 Satz 1 SGB VIII über die Vollendung des 18. Lebensjahres hinaus festzuschreiben (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.11.2002 - BVerwG 5 C 56/01 -, Buchholz 436.511 § 89a KJHG/SGB VIII Nr. 1). Dies ist jedoch im vorliegenden Fall nach Vorstehendem für die vor dem 24.09.1999 auf die Anträge vom 03. und 09.09.1999 gewährten Hilfen nicht der Fall.
Eine anderweitige Zuständigkeit nach § 86a Abs. 4 Satz 1 SGB VIII wurde auch nicht durch die bis zum 20.06.1999 nach den §§ 27, 34 SGB VIII gewährte Hilfe als vorausgehende Hilfe begründet. Denn die Unterbrechung der Hilfeleistung dauerte nach der zum 20.06.1999 förmlich festgestellten Beendigung der mit Bescheid vom 22.12.1998 bewilligten Hilfe zur Erziehung bis zum Beginn der Hilfe an junge Volljährige am 28.09.1999 länger als drei Monate. Schließlich ging der Hilfe nach § 41 SGB VIII auch nicht eine Hilfe nach den §§ 27 bis 35a SGB VIII dadurch voraus, dass die Klägerin im Juli und August 1999 für den Beklagten, wie von diesem mit Schreiben vom 18.06.1999 erbeten, im Wege der Amtshilfe tätig wurde, indem sie an dem Fachgespräch vom 27.07.1999 teilnahm und den Kontakt zur Einrichtung herstellte. Denn abgesehen davon, dass zu diesen Zeitpunkten ein (neues) Jugendhilfeverfahren mangels des erforderlichen Antrages eines Personensorgeberechtigten noch nicht eingeleitet worden war, erfordert die Zuständigkeitsfestschreibung nach § 86a Abs. 4 Sätze 1 und 2 SGB VIII jedenfalls, dass eine "Hilfe nach den §§ 27 bis 35a" vorausgeht und die "Hilfeleistung" nicht länger als drei Monate unterbrochen ist, also nicht nur, dass ein Verfahren auf Hilfe zur Erziehung bzw. Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche eingeleitet ist, sondern dass im Rahmen eines solchen Verfahrens bereits eine konkrete Hilfe nach den §§ 27 bis 35a SGB VIII geleistet wird oder innerhalb der letzten drei Monate geleistet worden ist (vgl. Kunkel, a.a.O., § 86a RdNr. 12; Jans/Happe/Saurbier/Maas, a.a.O., § 86a RdNr. 11, 13).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung. § 188 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO in der Fassung des Gesetzes vom 20.12.2001 (BGBl I S. 3987) findet nach § 194 Abs. 5 VwGO keine Anwendung, weil das Verfahren durch Klageerhebung am 31.07.2000 vor dem 01.01.2002 bei Gericht anhängig geworden ist (vgl. Kopp, VwGO, 13. Aufl., § 194 RdNr. 8; a.A. BVerwG, Urteil vom 11.12.2003 - BVerwG 5 C 57.02 -, das auf den Zeitpunkt der Anhängigkeit des Revisionsverfahrens abstellt).
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
Ende der Entscheidung
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