Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 01.09.2009
Aktenzeichen: 9 S 576/08
Rechtsgebiete: GG, EGRL 00/78, AGG, ÄVAS


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 14 Abs. 1 Satz 1
EGRL 00/78 Art. 6 Abs. 1 Satz 1
AGG § 10 Satz 3 Nr. 4
ÄVAS § 23 Abs. 4a
Ein verfassungsrechtlich abgesicherter Anspruch auf ungeschmälerten Fortbestand der freiwilligen Zuzahlungsmöglichkeiten in das berufsständische Alterssicherungssystem besteht nicht. Die im vorliegenden Fall festgeschriebene Altersgrenze von 55 Jahren ist durch das Interesse an der Funktionsfähigkeit und Leistungsfähigkeit des Alterssicherungssystems gerechtfertigt und verstößt nicht gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

9 S 576/08

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Zuzahlung zur Versorgungsabgabe

hat der 9. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg

am 1. September 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 26. November 2007 - 8 K 1267/05 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Rechtsstreit betrifft die Ausgestaltung der freiwilligen Zuzahlungsmöglichkeiten in das berufsständische Altersversorgungssystem. Der Kläger wendet sich gegen eine von der Baden-Württembergischen Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte beschlossene Begrenzung freiwilliger Zuzahlungen nach Vollendung des 55. Lebensjahres.

Die Altersversorgung von Ärzten, Zahnärzten und Tierärzten wird grundsätzlich nicht durch Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung sichergestellt, sondern durch die Gewährung von Altersruhegeld durch eine hierfür eingerichtete Versorgungsanstalt (vgl. § 2 des Gesetzes über die Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte i. d. F. der Bekanntmachung vom 28.07.1961, GBl. 1961 S. 299, zuletzt geändert durch Gesetz vom 11.10.2007, GBl. S. 473 - VersAnstG -). Die Einzelheiten werden gemäß §§ 9 Abs. 1, 11 VersAnstG durch die Satzung der Beklagten geregelt. Danach werden die Versorgungsleistungen durch eine jährliche Pflichtabgabe der Teilnehmer in Höhe von 9 % der auf Tausendeurobeträge abgerundeten Summe ihrer Einkünfte des vorletzten Jahres finanziert (vgl. § 23 Abs. 1 der Satzung). Die Höhe des im Versorgungsfall zu leistenden Ruhegeldes bestimmt sich maßgeblich aus dem Prozentverhältnis der jeweils geleisteten Versorgungsabgabe zur jährlichen Durchschnittsabgabe (vgl. § 28 Abs. 1 und Abs. 3 der Satzung). Um diesen Prozentsatz erhöhen zu können, wird den Teilnehmern unter bestimmten Voraussetzungen gestattet, über die Pflichtabgabe hinaus zusätzlich freiwillige Versorgungsabgaben zu entrichten, um ein Prozentverhältnis von 100 zur jährlichen Durchschnittsabgabe zu erreichen (vgl. § 23 Abs. 4 lit. a) der Satzung). Diese Möglichkeit ist durch die von der Beklagten am 20.10.2004 beschlossene Satzungsänderung jedoch geändert und begrenzt worden. Zusätzliche Versorgungsabgaben sind danach auch weiterhin bis zu 10 % der jährlichen Pflichtabgabe möglich; die darüber hinausgehende Auffüllung auf die jährliche Durchschnittsabgabe ist gemäß § 23 Abs. 4 lit. a) Satz 2 letzter Halbsatz der Satzung jedoch für Jahre ausgeschlossen, in denen der Teilnehmer das 55. Lebensjahr bereits vollendet hat.

Der am xx.xx.1944 geborene Kläger ist als Tierarzt seit 1982 Pflichtteilnehmer im Versorgungssystem der Beklagten. Seit 1993 leistete er regelmäßig freiwillige Zuzahlungen, um insgesamt 100 % der jährlichen Durchschnittsabgabe zu erreichen. Mit Bescheid vom 23.03.2005 setzte die Beklagte die jährliche Pflichtabgabe des Klägers für das Jahr 2005 auf 4.230,-- EUR fest. Gleichzeitig teilte sie dem Kläger mit, dass diese Versorgungsabgabe 39,39 % der Durchschnittsabgabe erreiche. Eine freiwillige Zuzahlung sei nach den geänderten Satzungsbestimmungen nur bis zu 10 % der jährlichen Pflichtabgabe - im Falle des Klägers also maximal in Höhe von 423,-- EUR - möglich. Die Zuzahlung werde bewilligt, wenn der Betrag bis zum 30.06.2006 bei der Beklagten eingegangen sei.

Am 22.04.2005 legte der Kläger "Einspruch" dagegen ein, seine Versorgungsabgabe künftig nicht mehr auf 100 % der jährlichen Durchschnittsabgabe erhöhen zu können. Das Begehren wurde durch Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 07.07.2005 zurückgewiesen. Auch die hiergegen am 10.08.2005 erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Sigmaringen abgewiesen. Die zum Jahr 2005 geänderte Satzung der Beklagten weise eine Grundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch nicht mehr auf und diese Satzungsbestimmung sei auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden.

Gegen das ihm am 07.02.2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20.02.2008 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und diese - nach Fristverlängerung - am 23.04.2008 begründet.

Der Kläger beantragt bei sachdienlicher Auslegung,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 26. November 2007 - 8 K 1267/05 - zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Feststellungen im Bescheid vom 23.03.2005 und des Widerspruchsbescheids vom 07.07.2005 zu verpflichten, dem Kläger die freiwillige Zuzahlung für das Jahr 2005 bis zur Höhe der jährlichen Durchschnittsabgabe zu gestatten, sowie festzustellen, dass der Kläger auch künftig berechtigt ist, Zuzahlungen bis zur Höhe der jährlichen Durchschnittsabgabe zu leisten.

Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, die Ausschlussregelung in § 23 Abs. 4 lit. a) Satz 2 letzter Halbsatz der Satzung in der Fassung vom 20.10.2004 sei unwirksam. Die Satzungsänderung verstoße gegen Art. 14 Abs. 1 GG, weil sie in unangemessener Weise in erworbene Rechtspositionen eingreife. Angesichts der Tatsache, dass der Kläger seit 1993 regelmäßig und dem System der Beklagten entsprechend Zuzahlungen bis zur Höhe der jährlichen Durchschnittsabgabe entrichtet habe, sei ein verfestigter Anspruch auf Beibehaltung dieser Möglichkeit eingetreten. Die abrupte und ohne Übergangsregelung vorgesehene Änderung zum Jahr 2005 sei im Übrigen mit dem rechtsstaatlich garantierten Vertrauensschutz nicht vereinbar. Insbesondere sei weder eine Ausnahmemöglichkeit für Bestandsfälle vorgesehen, die bereits seit Jahren dauerhaft von der Zuzahlungsmöglichkeit Gebrauch gemacht haben, noch enthalte die Bestimmung eine Härtefallklausel. Jedenfalls erweise sich der mit der Satzungsänderung verbundene, nicht vorhersehbare Eingriff in die Lebensplanung des Klägers als unverhältnismäßig. Denn in dem Alter, in dem sich der Kläger befinde, bestehe keine Möglichkeit mehr, ein anderes Versorgungssystem mit adäquaten Ruhegehaltsleistungen aufzubauen. Schließlich stehe die Regelung auch nicht in Einklang mit Art. 3 Abs. 1 GG, weil es an einer hierfür erforderlichen sachlichen Rechtfertigung fehle. Dies gelte insbesondere für die Grenzziehung mit dem 55. Lebensjahr, aber auch für das Fehlen einer Übergangsregelung oder Abfederung. Aus dem von der Beklagten herangezogenen versicherungsmathematischen Gutachten vom 29.03.2006 ergebe sich schon deshalb nichts anderes, weil dieses die spezifische Situation des Klägers nicht berücksichtigt habe und nur allgemeine Stellungnahmen enthalte. Schließlich bewirke die Regelung auch eine europarechtlich unzulässige Diskriminierung wegen des Alters.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuzuweisen.

Zur Begründung verweist sie insbesondere darauf, dass nur die Möglichkeit der freiwilligen Zuzahlung, nicht aber das gesetzlich vorgesehene System der Altersvorsorge betroffen sei. Ein Anspruch auf unveränderten Fortbestand bestehender Zuzahlungsmöglichkeiten bestehe jedoch nicht. Der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG werde bereits nicht berührt, weil der Kläger erst durch eine genehmigte Zuzahlung eine Anwartschaft erwerben könne. Allein die eingeräumte Gelegenheit, eine Zuzahlung beantragen zu können, vermittle dagegen keine eigentumsähnliche Schutzposition. Außerdem sei diese Möglichkeit auch nicht abgeschafft, sondern lediglich betragsmäßig begrenzt worden. Die Satzungsänderung sei im Übrigen auch sachlich gerechtfertigt, weil sie der Erhaltung der Funktions- und Leistungsfähigkeit der Versorgungsanstalt diene.

Dem Senat liegen die Akten des Verwaltungsgerichts und die beigezogenen Behördenakten der Beklagten vor. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird hierauf sowie auf die Akten des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Verwaltungsgericht zugelassene und den Anforderungen aus § 124a Abs. 3 VwGO entsprechend eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 125 Abs. 1 Satz 1, 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist zulässig. Sie hat in der Sache aber keinen Erfolg, weil das Verwaltungsgericht die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen hat. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, auch nach dem 01.01.2005 freiwillige Zuzahlungen über die in § 23 Abs. 4 lit. a) der Satzung der Beklagten vorgesehene Grenze von 10 % der jährlichen Pflichtabgabe hinaus entrichten zu dürfen. Dem Begehren steht die eindeutige Ausschlussregelung aus § 23 Abs. 4 lit. a) Satz 2 letzter Halbsatz der Satzung der Beklagten entgegen, die mit höherrangigem Recht vereinbar ist.

1. Der Eigentumsgewährleistungsanspruch aus Art. 14 Abs. 1 GG ist nicht berührt.

Zwar können auch Rentenanwartschaften dem Schutzbereich des Grundrechts auf Eigentum unterfallen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.02.2007 - 1 BvL 10/00 -, BVerfGE 117, 272 [292]). Eine entsprechende Rechtsposition hat der Kläger indes für den begehrten Zeitraum ab dem 01.01.2005 nicht inne. Vielmehr setzt der Anspruch auf spätere Gewährung eines Ruhegeldes, der Substrat der eigentumsähnlich erstärkten Rechtsposition ist, jedenfalls das Innehaben eines Anspruchs voraus, dessen Realisierung nur noch eine Frage des Zeitablaufs ist. Diese Voraussetzungen liegen hinsichtlich der streitgegenständlichen Zuzahlung ab dem Jahr 2005 nicht vor, weil die versorgungsrechtliche Anerkennung entsprechender Zuzahlungen eine Gestattung des Versorgungswerks voraussetzt (vgl. § 23 Abs. 4 lit. a) der Satzung). Da hinsichtlich der vom Kläger begehrten Höherversicherung aber weder die Gestattung durch den Beklagten noch die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen für diese vorliegen, hat er einen eigentumsähnlichen Anspruch, der vom Gewährleistungsbereich des Art. 14 Abs. 1 GG erfasst sein könnte, nicht erworben. Die tatsächlich erbrachten Beitragsleistungen selbst indes werden durch die Satzungsänderung nicht berührt.

2. Die angegriffene Satzungsbestimmung steht auch nicht im Widerspruch zu dem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz.

a) Die betragsmäßige Begrenzung der Möglichkeit freiwilliger Zuzahlungen ab dem 01.01.2005 lässt die Wirksamkeit der vor diesem Zeitraum gezahlten Versorgungsabgaben unberührt. Die Satzungsänderung greift daher nicht in einen in der Vergangenheit liegenden, bereits abgeschlossenen Sachverhalt ein, sodass die Konstellation der "echten" Rückwirkung auf einen bereits abgewickelten Tatbestand nicht vorliegt. Die Satzungsbestimmung bewirkt aber, dass den älteren Teilnehmern die Möglichkeit genommen wird, die bisher erbrachte Zuzahlung bis zur Durchschnittsabgabe fortzusetzen. Sie knüpft damit an ein in der Vergangenheit begründetes und noch nicht abgeschlossenes Rechtsverhältnis an und wirkt hierauf für die Zukunft ein. Derartige "unechte" Rückwirkungen sind zwar grundsätzlich zulässig, denn sonst könnte der Gesetzgeber Dauerschuldverhältnisse nicht mehr modifizieren und würde damit nicht mehr über den notwendigen Flexibilitäts- und Reaktionsspielraum verfügen. Sie unterliegen aber den rechtsstaatlichen Grenzen des Vertrauensschutzes (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28.11.1984 - 1 BvR 1157/82 -, BVerfGE 68, 287 [307]). Denn auch in dieser Konstellation kann das Vertrauen des Einzahlenden enttäuscht werden, wenn nachträglich ein entwertender Eingriff vorgenommen wird, mit dem der Betroffene nicht zu rechnen brauchte und den er also bei seinen Dispositionen nicht berücksichtigen musste (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.06.1979 - 1 BvL 10/78 -, BVerfGE 51, 356 [362f.]). Dies gilt im Bereich der Altersvorsorge in besonderer Weise, weil die Eigenleistungen hier erst zu einem sehr viel später liegenden Zeitpunkt zu Ansprüchen führen und das Vertrauen des Berechtigten auf den Fortbestand der Leistungsregelungen daher im besonderen Maße schutzwürdig ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 16.07.1985 - 1 BvL 5/80 u.a. -, BVerfGE 69, 272 [309]). Eingriffe in die Systematik des Altersvorsorgesystems bedürfen daher der besonderen Rechtfertigung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.07.2007 - 1 BvR 824/03 u.a. -, DVBl 2007, 1228).

Allerdings geht der verfassungsrechtlich geforderte Vertrauensschutz nicht so weit, dass der Betroffene vor jeder nachteiligen Neuerung bewahrt werden müsste. Gerade im Bereich der Altersvorsorge und des Sozialversicherungsrechts muss der Normgeber vielmehr aus Gründen des Allgemeinwohls auf veränderte Situationen zum Schutz der Solidargemeinschaft reagieren können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.06.1979 - 1 BvL 10/78 -, BVerfGE 51, 356 [363]). Grundsätzlich kommt dem Normgeber bei der Ausgestaltung der Leistungen daher ein sozialpolitischer Gestaltungsspielraum zu, sofern die Neuregelungen nicht zu einer substantiellen Entwertung der erreichten Ansprüche führen, durch die das Leistungssystem seine Funktion als substantielle Altersvorsorge verlöre (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.07.2007 - 1 BvR 824/03 u.a. -, DVBl 2007, 1228).

Diese Grenze ist vorliegend bereits deshalb nicht erreicht, weil die Beschränkungen des Zuzahlungssystems nur das Angebot einer freiwilligen Zusatzversorgung betrifft. Die Absicherung des Klägers in der Pflichtversorgung der Beklagten dagegen bleibt von der Kappung möglicher Zuzahlungen gänzlich unberührt. Ein aus Verfassungsgründen geschütztes Interesse am Fortbestand des bestehenden Zuzahlungssystems besteht indes nicht. Das Vertrauen des Klägers in die Fortsetzung hat kein so erhebliches Gewicht, dass eine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips festzustellen wäre (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.02.2007 - 1 BvR 836/01 -, BVerfGK 10, 326). Im Übrigen wird mit der angegriffenen Satzungsbestimmung die vom Kläger getroffene Disposition auch nicht nachträglich "entwertet". Vielmehr bleiben die eingezahlten Zuzahlungsbeträge auch weiterhin voll ruhegeldwirksam. Allein die Tatsache, dass eine Fortführung dieser Möglichkeit nicht bis zum Rentenalter ermöglicht wird, stellt aber keine "Entwertung" in diesem Sinne dar.

b) Unabhängig hiervon muss das Interesse des Klägers am ungeschmälerten Fortbestand der Zuzahlungsmöglichkeiten auch gegenüber den Belangen des Gemeinwohls zurückstehen.

Die Beklagte durfte unter Ausschöpfung des ihr bei der Ausgestaltung des Versorgungssystems ihrer Teilnehmer zukommenden Spielraums die beanstandete Altersgrenze vornehmen. Die der Regelung zugrunde liegende Einschätzung, ohne eine entsprechende Beschränkung werde die Funktions- und Leistungsfähigkeit der Altersversorgung durch die Beklagte gefährdet, ist nicht zu beanstanden.

Das Finanzierungssystem der Beklagten unterscheidet sich von dem der gesetzlichen Rentenversicherung und basiert auf dem sog. "offenen Deckungsplanverfahren" (vgl. hierzu die Stellungnahme des Versicherungsmathematikers K. vom 29.03.2006). Hierbei führen die Versorgungsabgaben der Teilnehmer zu Rentenansprüchen, ohne dass das Alter berücksichtigt wird, indem die Abgaben geleistet werden. Für die Finanzierung durch die Beklagte ergeben sich durch die unterschiedlich lange Zinswirkung der Beträge jedoch erhebliche Unterschiede. Versicherungsmathematisch werden durch die Beiträge der jüngeren Mitglieder damit Gewinne erzielt, mit denen die Beitragsstabilität für ältere Teilnehmer gesichert werden kann. Durch die Zinswirkung der geleisteten Versorgungsabgaben tragen die Beiträge der jüngeren Mitglieder damit diejenigen der älteren mit. Ausweislich des versicherungsmathematischen Gutachtens vom 29.03.2006 betrug das Grenzalter der kalkulierten Transferleistung im Bezugsjahr 2002 55 Jahre. Dieses Deckungssystem wird durch Zuzahlungen älterer Teilnehmer in seiner Struktur gefährdet. Denn je höher die Auszahlungsbeträge sind, die auf einer relativ kurz vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze geleisteten Versorgungsabgabe beruhen, desto größer wird der versicherungsmathematische Gewinn für den Berechtigten.

Die mit dieser Diskrepanz begründeten Gefahren sollten durch die Neufassung des § 23 Abs. 4 lit. a) Satz 2 der Satzung der Beklagten vermindert werden. In der Sitzungsvorlage vom 28.09.2004 zur maßgeblichen Sitzung der Vertreterversammlung vom 20.10.2004 heißt es hierzu:

"Um die nachteilige Wirkung der Berechnung von Versorgungsabgaben im höheren Alter nicht noch zu verschärfen, soll die Möglichkeit der Zuzahlung über 10 % der Pflichtabgaben hinaus insoweit begrenzt werden, als eine Zuzahlung jenseits der Vollendung des 55. Lebensjahres nicht mehr zugelassen wird. Bisher waren Zuzahlungen bis unmittelbar vor Eintritt des Ruhestandes möglich. Diese Zuzahlungsbeträge haben jedoch nur noch eine geringe oder gar keine Zins- und Zinseszinswirkung. Dennoch sind sie in gleicher Weise rentenwirksam wie Beiträge, die z. B. mit dem 30. Lebensjahr gezahlt worden sind. Dies liegt darin begründet, dass das versicherungsmathematische System der Versorgungsanstalt keine altersabhängige Verrentung kennt. ...

Es wird daher vorgeschlagen, es bei der 10 %-igen Zuzahlung über alle Altersklassen zu belassen, um damit insbesondere Teilnehmern zu ermöglichen, die versicherungsmathematischen Abschläge durch höhere Versorgungsabgaben auszugleichen. Zugleich soll jedoch die Möglichkeit der Zuzahlung über die 10 % der Pflichtabgabe hinaus für Jahre ausgeschlossen werden, in denen ein Teilnehmer das 55. Lebensjahr vollendet hat und damit vor Eintritt in den möglichen Ruhestand steht."

Diese Erwägungen der Beklagten sind nachvollziehbar, beruhen auf einer hinreichend aufgeklärten Tatsachengrundlage und dienen dem Schutz der Leistungsfähigkeit des Altersvorsorgesystems. Der Gestaltungsspielraum für die Leistungsausgestaltung in der Satzung ist mit der Neufassung damit nicht überschritten, ohne dass es auf die versicherungsmathematische Berechnung im Einzelnen ankommt. Die vom Kläger hilfsweise beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens durch das Gericht war daher nicht geboten.

Dies ergibt sich auch daraus, dass die Neufassung des § 23 Abs. 4 lit. a) Satz 2 der Satzung der Beklagten im Zusammenhang mit weiteren Satzungsänderungen steht. Denn ausweislich der benannten Sitzungsunterlage wurden die Vorkehrungen gegen übermäßige Zuzahlungen kurz vor Eintritt des Rentenalters maßgeblich durch die Neufassung der Altersgrenze in § 18 Nr. 2 der Satzung der Beklagten angestoßen. Mit dieser Novellierung wurde die Altersgrenze für die Teilnahme am Versorgungssystem der Beklagten aus europarechtlichen Gründen von 45 auf 65 Jahre angehoben. Durch die Streichung der ursprünglich bestehenden Altersgrenze können demnach Teilnahmeverläufe entstehen, in denen ein Berechtigter erst in höherem Lebensalter in die Versorgungsanstalt eintritt und demgemäß nur für einen relativ kurzen Zeitraum Versorgungsabgaben entrichtet. Durch die damit entstehenden Zinsnachteile wird die versicherungsmathematische Berechnung der Versorgungsleistung potentiell zu Lasten der jüngeren Mitglieder verschlechtert. Eine nachführende Begrenzung der Zuzahlungen in höherem Alter trägt damit der Generationengerechtigkeit der im Versorgungssystem der Beklagten bestehenden Solidargemeinschaft Rechnung und dient dem Interesse der Systemsicherung. Diese Anliegen sind von hinreichendem verfassungsrechtlichen Gewicht.

c) Der Satzungsgeber war auch nicht verpflichtet, eine Übergangsregelung für die im Zeitpunkt des Inkrafttretens bereits über 55-jährigen Teilnehmer zu schaffen.

Dem Kläger ist zuzugeben, dass eine Übergangsregelung hilfreich gewesen wäre, um einen bruchlosen Fortbestand der bereits begonnenen Versicherungsverläufe zu gewährleisten. Anhaltspunkte dafür, dass dies aus verfassungsrechtlichen Gründen unverzichtbar gewesen sein sollte, sind indes nicht ersichtlich.

Dies ergibt sich zunächst schon daraus, dass ein Vertrauenstatbestand, nach dem die Zuzahlungsmöglichkeiten bis zur Erreichung des Rentenalters ungeschmälert fortbestehen, nicht geschaffen worden ist. Die bloße Einräumung einer entsprechenden Möglichkeit durch die Vorgängersatzung vermittelt eine dergestalt gesicherte Rechtsposition für die Zukunft nicht; demgemäß ist das System der Zuzahlungsmöglichkeiten in den letzten Jahren auch wiederholt geändert worden. Dies gilt vorliegend auch in Anbetracht der gesetzlichen Ausgestaltung des Versorgungssystems der Beklagten, denn nach § 9 Abs. 3 VersAnstG gelten Satzungsänderungen, durch welche die Versorgungsbezüge erhöht oder gemindert werden, auch für die vor der Änderung der Satzung eingetretenen Versorgungsfälle.

Zu berücksichtigen ist überdies, dass die Zuzahlungsmöglichkeit nicht abgeschafft, sondern nur begrenzt worden ist. Mit der weiterhin bestehenden Befugnis einer Zuzahlung um 10 % der jährlichen Pflichtabgabe ist daher auch künftig eine Aufstockung des Ruhegehalts gewährleistet, mit dem adäquate Leistungen im Versorgungsfall erzielt werden können.

Schließlich ist nicht zu übersehen, dass die vom Kläger geforderte Übergangsregelung eine Laufzeit von mindestens 10 Jahren aufweisen müsste, die angesichts der satzungsgemäßen Berechnungsweise der Altersbezüge zu einem nicht unerheblichen Finanzierungsrisiko führen könnte. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die unmittelbare Einführung der Altersgrenze mit den Vorgaben höherrangigen Rechts nicht vereinbar sind, liegen damit nicht vor.

3. Die Neuregelung verstößt auch nicht gegen das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG.

Mit den vorstehenden Erwägungen ist bereits dargetan, dass die vom Kläger beanstandete Neuregelung auf hinreichende sachliche Gesichtspunkte gestützt werden kann. Dies gilt auch im Hinblick auf die vom Kläger in besonderer Weise angegriffene Grenzziehung auf das 55. Lebensjahr. Dem Gesetzgeber ist es durch Art. 3 Abs. 1 GG nicht verwehrt, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen. Denn jede gesetzliche Regelung des Versorgungsrechts muss generalisieren und enthält damit zwangsläufig auch gewisse individuelle Härten. Dementsprechend können zur Ausgestaltung auch Stichtagsregelungen verwendet werden, sofern sich die zeitliche Anknüpfung am gegebenen Sachverhalt orientiert und damit sachlich vertretbar ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.02.2007 - 1 BvL 10/00 -, BVerfGE 117, 272 [Juris-Rn. 73]).

Diese Voraussetzungen waren hier erfüllt, weil die Festlegung ersichtlich Bezug auf das versicherungsmathematisch berechnete Grenzalter nimmt, bei dem es zu einer Äquivalenz von geleisteten Beiträgen und in Anspruch genommenen Leistungen kommt. Der Satzungsgeber ist aber berechtigt, Altersabgrenzungen so vorzunehmen, wie es für die Begründung einer leistungsfähigen Solidargemeinschaft erforderlich ist (vgl. auch Senatsbeschluss vom 27.01.1987 - 9 S 2504/85 -, VBlBW 1987, 306). Die Bezugnahme auf das Grenzalter ist dabei von sachlichen Erwägungen getragen und nicht zu beanstanden. Denn später geleistete Zahlungen belasten die Finanzierung des Versorgungssystems der Beklagten. Es ergeben sich keine Zinsvorteile aus einer längeren Verweildauer, die den leistungsberechtigten Teilnehmern zugute kämen. Die von der Beklagten vorgenommene Grenzziehung der Stichtagsregelung ist daher durch die Besonderheiten ihres Finanzierungs- und Versorgungssystems gerechtfertigt.

4. Schließlich liegt mit der Regelung auch keine unzulässige Benachteiligung wegen des Alters vor.

Der geltende gemachte Verstoß gegen das Verbot der Diskriminierung aus Gründen des Alters nach der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl.EG L 303 S. 16) ist bereits deshalb nicht gegeben, weil der zur Entscheidung stehende Fall mangels gemeinschaftsrechtlichen Bezuges nicht im Anwendungsbereich des gemeinschaftsrechtlichen Verbots der Altersdiskriminierung liegt (vgl. EuGH, Urteil vom 23.09.2008 - C-427/06 - "Bartsch" -, NJW 2008, 3417). Darüber hinaus findet die Richtlinie auf die Versorgungsleistungen der Beklagten auch materiell keine Anwendung, weil die Einschränkungen gemäß Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie nicht auf das staatliche Sozialsystem und den diesem gleichgestellten Systemen ausgedehnt worden sind. Die Leistungen der Beklagten sind aber entsprechende Sicherungssysteme der sozialen Sicherheit (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.07.2007 - 6 C 27/06 -, BVerwGE 129, 129 [Juris-Rn. 42]).

Entsprechendes gilt für die Verbürgungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes vom 14.08.2006 (BGBl. I S. 1897 - AGG -). Denn auch diese Vorschriften sind für den landesrechtlich normierten Bereich der Alterversorgung für Angehörige freier Berufe bereits grundsätzlich nicht anwendbar (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.07.2007 - 6 C 27/06 -, BVerwGE 129, 129 [Juris-Rn. 35]) und vom sachlichen Anwendungsbereich her auch nicht auf die Alterssicherungssysteme erstreckt (vgl. § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG). Es liegt vielmehr auf der Hand, dass im Regelungsbereich der Alterssicherung Bezugnahmen auf das Alter sachgerecht sind und daher nicht einer generellen Rechtfertigungslast unterliegen.

Unabhängig hiervon steht die angegriffene Satzungsbestimmung aber auch inhaltlich in Einklang mit den Rechtsvorgaben zur Verhütung einer Diskriminierung wegen des Alters. Denn Altersdifferenzierungen unterliegen keinem strikten Verbot, sondern sind gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2000/78 und § 10 Satz 1 AGG zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sind. Diese sachliche Rechtfertigung ist angesichts des bereits Ausgeführten aber gegeben und zur Vermeidung übermäßiger Versorgungslasten auch nicht unverhältnismäßig (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 19.02.2009 - 2 C 18/07 -, Juris-Rn. 16; zur Differenzierung nach "rentenfernen" und "rentennahen" Jahrgängen auch BAG, Urteil vom 26.05.2009 - 1 AZR 198/08 -, Juris-Rn. 49).

5. Die Klage kann daher im Ergebnis keinen Erfolg haben, weil dem Begehren die wirksame Ausschlussbestimmung aus § 23 Abs. 4 lit. a) Satz 2 der Satzung der Beklagten entgegensteht. Dies gilt sowohl für den in den angefochtenen Bescheiden geregelten Zeitraum des Jahres 2005 als auch für die mit der Feststellungsklage verfolgte Grundsatzfrage im Hinblick auf die künftigen Jahre.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Ein Grund für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO besteht nicht.

Beschluss

vom 1. September 2009

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt (vgl. §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1 GKG). Dabei geht der Senat in Anlehnung an Nr. 14.3 des Streitwertkatalogs 2004 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom dreifachen Jahresbetrag der begehrten Rentensteigerung aus (vgl. dazu auch Nds. OVG, Beschluss vom 26.11.2007 - 8 OA 89/07 -, NVwZ-RR 2008, 430). Hieraus ergibt sich in Anlehnung an die vom Kläger vorgelegten Zahlen ein gerundeter Betrag von 5.000,-- EUR. Einer gesonderten Entscheidung über die Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts (vgl. Schriftsatz des Klägers vom 20.02.2009) bedarf es damit nicht.

Dieser Beschluss ist gemäß § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

Zurück