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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 16.07.2003
Aktenzeichen: 9 S 616/03
Rechtsgebiete: GG, SchG, Abiturverordnung


Vorschriften:

GG Art. 3
GG Art. 6
GG Art. 7
GG Art. 12
SchG § 8
Abiturverordnung Gymnasien der Normalform v. 24.Juni 2001
1. Die Länder haben bei der Festlegung der Schulorganisation sowie der Erziehungsziele und Unterrichtsgegenstände eine weitgehende, eigenständige Gestaltungsfreiheit, die nur eingeschränkt ist, soweit ihr Verfassungsrecht Grenzen setzt. Die Stärkung des mathematisch-naturwissenschaftlichen Aufgabenfeldes und die Erhöhung des Stellenwertes der Kernfächer (Deutsch, Mathematik und Fremdsprache) durch die "Abiturverordnung Gymnasien der Normalform" vom 24.06.2001 verletzen Grundrechte des Schülers oder seiner Eltern nicht.

2. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes steht einer Änderung von Prüfungsvorschriften und zulässigen Fächerkombinationen nicht entgegen, wenn der Prüfling hinreichend Zeit hat, sich auf die neuen Bedingungen einzustellen. Ob dies gewahrt ist, hängt von den Regelungen im Einzelfall ab.

3. Die Belastung eines Schülers der Oberstufe mit 30-34 Unterrichtsstunden je Woche ist in der Regel nicht unverhältnismäßig.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

9 S 616/03

In der Normenkontrollsache

wegen Gültigkeit der Verordnung über die Jahrgangsstufen sowie über die Abiturprüfung an Gymnasien der Normalform und Gymnasien in Aufbauform mit Heim vom 24. Juli 2001

hat der 9. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Schwan, die Richter am Verwaltungsgerichtshof Prof. Dr. Rennert, Gaber, Noé und den Richter am Verwaltungsgericht Morlock ohne mündliche Verhandlung

am 16. Juli 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Anträge werden abgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Antragsteller wenden sich gegen die Neuregelung der gymnasialen Oberstufe in Baden-Württemberg.

Der am 11.11.1985 geborene Antragsteller zu 1 besucht im neunjährigen Bildungsgang die Klasse 11 c des xxxxxxxxxx-Gymnasiums in xxxxxxxxxx. Er hat sich in der 9. Klasse für das sprachliche Profil mit drei Fremdsprachen (Englisch, Französisch und Spanisch) entschieden. Der am 07.06.1992 geborene Antragsteller zu 2 besucht im neunjährigen Bildungsgang die Klasse 5 b des o.g. Gymnasiums.

Durch die Verordnung des Kultusministeriums über die Jahrgangsstufen sowie über die Abiturprüfung an Gymnasien der Normalform und Gymnasien in Aufbauform mit Heim (Abiturverordnung Gymnasien der Normalform, NGVO) vom 24.07.2001(GBl. S. 518-530) wurde die gymnasiale Oberstufe in Baden-Württemberg reformiert. Wesentliche Zielsetzungen der neuen gymnasialen Oberstufe sind eine vertiefte Allgemeinbildung in Kernfächern, die Möglichkeit der individuellen Profilierung, sowie die Förderung neuer Lernkulturen, des fächerübergreifenden, selbstständigen und projektorientierten Lernens. Die Kernkompetenzfächer Deutsch, Fremdsprache und Mathematik werden für alle Schülerinnen und Schüler mit vier Wochenstunden unterrichtet (Pflichtbereich) und sind zugleich Teil der schriftlichen Abiturprüfung. Die bisherige Möglichkeit, diese Fächer auf Grundkursniveau bei drei Wochenstunden fortzuführen, entfällt. Daneben wurden Profil- und Neigungsfächer (Wahlpflichtbereich) sowie Wahlfächer und eine sog. besonderen Lernleistung (Seminarkurs oder Teilnahme an einem Wettbewerb) eingeführt. Die Prüfungsfächer wurden von vier auf fünf erhöht (schriftlich und ggf. auch mündlich: Deutsch, Fremdsprache, Mathematik, Neigungs- oder Profilfach; das fünfte - mündliche - Prüfungsfach kann auch durch eine besondere Lernleistung ersetzt werden, die einem Aufgabenfeld zuzuordnen ist). Bedingung der Abiturprüfung ist, dass neben dem sprachlich-literarisch-künstlerischen Aufgabenfeld und dem mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Aufgabenfeld auch das gesellschaftswissenschaftliche Aufgabenfeld repräsentiert wird (vgl. LT-Drucksache 12/5236, S. 1 ff., zur Änderung des § 8 Abs. 5 SchulG). Die am 25.07.2001 im Gesetzblatt verkündete Rechtsverordnung ist am 26.07.2001 in Kraft getreten und gilt nach ihrem § 41 Abs. 1 erstmals für Schüler, die zum Schuljahr 2002/2003 in die erste Jahrgangsstufe (§ 2 Abs.1 NGVO) übergingen. Die Abiturprüfung für Schulfremde (Abschnitt 5) findet erstmals im Schuljahr 2003/2004 Anwendung.

Gegen diese Verordnung haben die Antragsteller am 18.03.2003 Normenkontrollantrag gestellt. Zur Begründung tragen sie vor: Die früher geltende Verordnung habe es ermöglicht, sich vor der 9. Klasse für das sprachliche oder das naturwissenschaftliche Profil zu entscheiden. Wenn man sich - wie der Antragsteller zu 1 - für das sprachliche Profil entschieden habe, sei man zwar mit erheblich mehr Stunden belastet gewesen ( Klassen 9 und 10: 33 Stunden und Klasse 11: 34 Stunden), habe jedoch in den naturwissenschaftlichen Fächern gegenüber Schülern mit dem naturwissenschaftlichen Profil, die mit insgesamt 31 bzw. 32 (Klassen 9 und 10 bzw. 11) Wochenstunden deutlich geringer belastet gewesen seien, erheblich weniger Unterrichtsstunden gehabt. Entsprechend ihrer gewählten Schwerpunktsetzung sei es den Schülern nach der bisherigen Verordnung möglich gewesen, den Unterricht in den Klassen 12 und 13 gemäß ihren Befähigungen und Neigungen fortzuführen. Habe ein Schüler zwei Fächer des Grundkurses mit je 3 Wochenstunden als Leistungskurs mit je 5 Wochenstunden gewählt, sei er in den Jahrgangsstufen 12 und 13 mit durchschnittlich 25 Wochenstunden belastet gewesen, wobei sich die Gesamtbelastung mit Nachbereitung auf ca. 50 Stunden belaufen habe. Bei den vier in der Abiturprüfung zu prüfenden Fächer habe die Möglichkeit bestanden, die Naturwissenschaften völlig abzuwählen.

Demgegenüber habe die neue Verordnung erhebliche Verschärfungen insbesondere für die Schüler gebracht, die sich bei der Auswahl des Profils in der Klasse 9 an der bisher geltenden Verordnung orientiert hatten und sich auf deren Fortbestand verließen. Nach der mit der Normenkontrolle angegriffenen (neuen) Verordnung müssten insbesondere Deutsch, eine Fremdsprache und Mathematik als vierstündige Kernkompetenzfächer belegt werden. Diese Fächer würden gemeinsam unterrichtet, wobei sich die Kurse an den früheren Leistungskursen orientierten. Eine besonders gravierende Neuerungen sei hierbei, dass zwei Naturwissenschaften gewählt werden müssten. Damit betrage die Mindeststundenzahl 28 Wochenstunden, bei der zusätzlichen Wahl zweier weiterer Fremdsprachen 30 bzw. 32 Wochenstunden. Ausgehend von der Faustformel, dass auf eine Unterrichtsstunde eine Stunde Eigenstudium komme, sei die Gesamtstundenbelastung von 56 bis 64 Wochenstunden zuzüglich Fahrtzeit weit jenseits des Zumutbaren. Dies widerspreche lernpsychologischen Erkenntnisse und sei auch unter gesundheitlichen Gesichtspunkten bedenklich.

Der Antragsteller zu 1 habe darauf vertraut, dass er bei Wahl des sprachlichen Zuges in Klasse 9, diese Orientierung in den Klasse 12 und 13 beibehalten könne. Insbesondere habe er angenommen, dass er Mathematik nur als Grundkurs fortsetzen müsse und zwei Naturwissenschaften abwählen könne. Die Schüler des naturwissenschaftlichen Zuges hätten aufgrund des Mehrunterrichtes in diesem Bereich eine wesentliche bessere Ausgangslage. Er müsse Mathematik nunmehr auf dem Niveau eines Leistungskurses fortsetzen und zwei Naturwissenschaften weiter führen. Es sei ihm wegen des Zeitaufwandes kaum möglich, drei Fremdsprachen beizubehalten. Hätte er dies vorher gewusst, hätte er sich für das naturwissenschaftliche Profil entschieden.

Der Antragsteller zu 2 macht geltend, er könne sich angesichts dieser Umstände nicht für einen sprachlichen Zug entscheiden, obwohl dies seinen Neigungen entspreche.

Die Antragsteller meinen, die genannte Verordnung verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und bilde keine solide Grundlage für eine allgemeine Hochschulreife. Es sei nicht hinzunehmen, dass dem mathematisch-naturwissenschaftliche Bereich eine solche Priorität eingeräumt werde. Die Allgemeinbildung sei nicht nur in Mathematik und Naturwissenschaften, sondern auch in Gesellschafts- und Sprachwissenschaften zu vermitteln. Auch sei die Stofffülle zu groß und damit nicht geeignet, eine solide Grundlage für die allgemeine Hochschulreife zu bilden. Hierbei sei auch nicht berücksichtigt, dass neben der gehobenen Allgemeinbildung den Schülern entsprechend ihrer Fähigkeiten und Neigungen noch vertiefte Kenntnisse für ihr späteres spezielles Studium verschafft werden müssten. Mathematik und Naturwissenschaften würden aber für zahlreiche Studienfächer keine Bedeutung haben. Deshalb sei der bildungspolitische Spielraum des Antragsgegners überschritten. Für die Belegung von drei Fremdsprachen in der Oberstufe hätten sich demgemäss auch nur 1 % der Schüler nach der Reform entschieden. Auch seien die sprachlich-gesellschaftlich orientierten Schüler gegenüber den mathematisch-naturwissenschaftlich orientierten Schülern gleichheitswidrig benachteiligt. Soweit es Ziel der Verordnung sei, Schüler in bestimmte Richtungen mit entsprechender Berufswahl zu zwingen, stelle dies einen unzulässigen Eingriff in die von Art 12 Abs. 1 GG garantierte Freiheit der Berufswahl dar.

Soweit Schüler - wie der Antragsteller zu 1 - das sprachliche Profil gewählt hätten, verstoße die neue Verordnung gegen den rechtsstaatlichen Vertrauensschutz. Denn diese Schüler seien schlechter vorbereitet und mit höheren Anforderungen konfrontiert, die für sie nicht vorhersehbar gewesen seien, zumal der Antragsgegner nur unzureichend über die Reform informiert habe. Auch die von ihm angeführte hohe Zahl von Studienabbrechern sei keine hinreichende Begründung für die Reform. Die Ursachen hierfür seien vielschichtig und lägen überwiegend im sozialen Bereich.

Die Antragsteller beantragen:

Die Verordnung des Kultusministeriums Baden-Württemberg über die Jahrgangsstufen sowie über die Abiturprüfung an Gymnasien der Normalform und Gymnasien in Aufbauform mit Heim (Abiturverordnung Gymnasium der Normalform, NGVO) vom 24.07.2001 für nichtig zu erklären,

hilfsweise beantragt der Antragsteller zu 1,

§ 41 der Verordnung des Kultusministeriums Baden-Württemberg über die Jahrgangsstufen sowie über die Abiturprüfung an Gymnasien der Normalform und Gymnasien in Aufbauform mit Heim (Abiturverordnung Gymnasium der Normalform, NGVO) vom 24.07.2001 für nichtig zu erklären, soweit er die Verordnung des Kultusministeriums über die Jahrgangsstufen 12 und 13 sowie über die Abiturprüfung an Gymnasien der Normalform und Gymnasien in Aufbauform mit Heim vom 20. April 1983, in der Fassung der Verordnung vom 09. April 1999, auch für Schüler außer Kraft setzt, die beim Inkrafttreten der Verordnung vom 24. Juli 2001 bereits die 9. Klasse eines Gymnasiums besuchten und damit die Entscheidung für das sprachliche oder das naturwissenschaftliche Profil bereits getroffen hatten.

Der Antragsgegner hat beantragt

die Anträge abzuweisen.

Er trägt vor: Der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller sei als Fachhochschullehrer nicht postulationsfähig. Er sei kein Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne von § 67 Abs. 1 VwGO.

Die Normenkontrollanträge seien auch unbegründet. Anlass für die Reform sei die Kritik der Hochschulen und der Wirtschaft gewesen, wonach das bisherige System nicht genügend auf Anforderungen des Studiums vorbereitet habe. Hierfür spreche auch die hohe Zahl von Studienabbrechern und Studienfachwechslern.

Die Reform habe zum Ziel, die Anforderungen in den Fächern Deutsch, Mathematik und Fremdsprache durch Aufstockung der Stundenzahl auf Kernfachniveau zu halten, ohne die Möglichkeit, sie auf Grundkursniveau bei drei Wochenstunden fortzuführen. Zudem sei die Belegpflicht in den Naturwissenschaften und zum Ausgleich auch in den musischen Fächern erhöht worden. Schließlich werde auch schülerzentriertes Arbeiten durch das Angebot eines Seminarkurses (§ 2 Abs. 7 NGVO), durch vier gleichwertige Feststellungen von Schülerleistungen (§ 6 Abs. 3 NGVO) und durch die Themenstellung im mündlichen Prüfungsfach (§ 23 Abs. 3-5 NGVO) sichergestellt. Die damit einhergehende zusätzliche Belastung der Schüler werde durch die Senkung der vorgeschriebenen Zahl von Klassenarbeiten kompensiert.

Für die rechtliche Umsetzung der Reform sei das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip gewahrt worden. Die demokratische Legitimation ergebe sich aus der Neufassung des § 8 Abs. 5 Schulgesetz Baden - Württemberg vom 29.06.2000. Die Oberstufenreform sei bereits vor der letzten Landtagswahl ein vielfach diskutiertes Thema gewesen. Die Abiturzeugnisse entsprächen auch nach der Reform den einheitlichen Anforderungen der Kultusministerkonferenz.

Eine Rechtsverletzung der Antragsteller sei nicht zu erkennen. Mit der Reform werde eine frühzeitige Spezialisierung vermieden. Die mathematisch-naturwissenschaftliche Bildung und die geistes- und gesellschaftswissenschaftliche Bildung werde annähernd gleich gewichtet. Die Kernfachkompetenzfächer seien in besonderem Maße geeignet, die Methode und Inhalte zu vermitteln, welche die allgemeine Studienfähigkeit sicherstellen. Entgegen der Auffassung der Antragsteller seien die Naturwissenschaften auch für geisteswissenschaftliche Studienfächer von Bedeutung. Die Mindestanforderungen in Mathematik und Naturwissenschaften würden keine Spezialisierung darstellen, sondern nur das Basiswissen eines angehenden Akademikers sichern.

Der Umfang des Stoffes sei nicht zu beanstanden. Die bisherigen Lehrplaninhalte für Mathematik, Deutsch und Fremdsprachen seien gekürzt worden. Eine übermäßige Belastung der Schüler würde nicht auftreten, sie betrage nach Erhebungen des Antragsgegners bei 80% der Schüler zwischen 30 und 34 Wochenstunden. Die von den Antragsstellern herangezogene Faustformel, wonach pro Unterrichtsstunde eine zusätzliche Arbeitsstunde hinzuzurechnen sei, könne nicht nachvollzogen werden. Denn Hausaufgabe dürften nur so gestellt werden, dass sie in angemessener Zeit erledigt werden könnten.

Der Vertrauensgrundsatz sei nicht verletzt. Die Wahl des sprachlichen Zuges bedeute keine Präjudizierung für spätere Wahlmöglichkeiten in der Kursphase. Die Lehrpläne seien so angepasst worden, dass jeder Schüler den Anforderungen entsprechen könne und keine Defizite zu erwarten seien. Jeder Schüler könne seine Fächerwahl auch in der reformierten Oberstufe nach seinem bisherigen Profil ausrichten. Einer Übergangsregelung bedürfe es nicht.

Ein Eingriff in die Freiheit der Berufswahl bestehe nicht, die Neureglung solle lediglich die Allgemeinbildung sichern, die Wahl für Studium und Beruf stehe jedem offen. Die bisherigen, statistisch erhobenen Erfahrungen ließen keine signifikante Notenabweichungen erkennen.

Die Beteiligten haben auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen verwiesen. Die Behördenakten und die Akten des gerichtlichen Eilverfahrens - 9 S 617/03 - wurden beigezogen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Anträge sind statthaft und auch sonst zulässig.

1. Die angegriffene Vorschrift ist eine landesrechtliche Rechtsverordnung, deren Überprüfung im Wege der verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle durch das baden-württembergische Landesrecht vorgesehen ist (§ 47 Abs. 1 Nr.2 VwGO, § 4 AGVwGO).

2. Die Antragsteller sind antragsbefugt. Sie können geltend machen, dass sie jedenfalls in absehbarer Zeit durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung möglicherweise in ihren Rechten verletzt werden (vgl. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO). In Betracht kommt namentlich eine Verletzung der Ausbildungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG). Die angegriffene Verordnung regelt die Voraussetzungen, unter denen die Antragsteller das Abitur werden erwerben können, das wiederum Voraussetzung für den Zugang zu zahlreichen Berufen darstellt. Schon deshalb stellt die Verordnung eine grundrechtsrelevante Regelung dar.

3. Die zweijährige Antragsfrist (§ 47 Abs. 2 VwGO) ist gewahrt.

4. Schließlich ist der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller - entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin - auch postulationsfähig. Er ist Rechtslehrer an der Fachhochschule xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx -xxxxxxxxxx xxx xxxxxx-. Hierbei handelt es sich um eine Fachhochschule im Sinne von § 1 Abs. 1 Hochschulrahmengesetz (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 2 FHG Baden-Württemberg). Aufgrund der ab dem 01.01.2002 erweiterten Fassung des § 67 Abs. 1 VwGO ist nunmehr nicht nur ein "Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule", sondern allgemein ein "Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes" postulationsfähig. Damit werden auch Rechtslehrer an einer Fachhochschule erfasst (Jörg Schmidt in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, Nachtrag zur 11. Aufl., § 76 Rdnr. N5, Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 13. Aufl., § 67 Rdnr. 8). Die gegenteilige Rechtsprechung des BVerwG ist durch die Neufassung des Gesetzes überholt. Die weitere Voraussetzung des § 67 Abs. 1 VwGO, die Befähigung zum Richteramt, besitzt der Prozeßbevollmächtigte.

II.

Die Anträge sind jedoch unbegründet.

1. Die angegriffene Verordnung ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden.

1.1 Die Rechtsverordnung des Kultusministeriums vom 24.07.2001 (GBl. 2001, 518 ff.) findet, soweit der Aufbau und das Kurswahlsystem der Oberstufe betroffen ist, eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage in § 8 Abs. 5 Nr.6 SchulG (in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des SchulG vom 25.07.2000, GBl. S. 533). Diese Rechtsgrundlage genügt auch dem Erfordernis des Art. 61 der Landesverfassung (LV); sie bestimmt hinreichend Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung. Denn in § 8 Abs. 5 Nrn. 1-5 SchulG werden alle wesentlichen Grundentscheidungen der Oberstufenreform vom Gesetzgeber festgelegt. In § 8 Abs. 5 Nr. 6 SchulG wird dem Kultusminsterium ausdrücklich die Befugnis zugewiesen, über die Gliederung der Oberstufe entsprechend den Vorgaben des § 8 Abs. 5 Nrn. 1-5 SchulG eine Rechtsverordnung zu erlassen und hierin die Leistungsbewertung durch ein Punktesystem umzusetzen, das den herkömmlichen Noten zugeordnet ist. Die Aufteilung in den Pflichtbereich mit den entsprechenden Aufgabenfeldern und den Wahlbereich ist ebenso festgelegt wie die Unterrichtung im Rahmen eines Kurssystems mit entsprechend unterschiedlicher Gewichtung von Fächern und deren Bewertung. Auch ist festgelegt, dass besondere Lernleistungen in die Leistungsbewertung einbezogen werden können. Schließlich wird das Kultusministerium damit auch ermächtigt, die Voraussetzungen für die Zulassung zur Abiturprüfung festzulegen.

Mit dieser gesetzlichen Regelung sollte insbesondere der rechtliche Rahmen für das Kultusminsterium erweitert werden, wobei die Kernpunkte der jetzigen Verordnung bereits in der Gesetzesbegründung genannt sind (vgl. LT-Drucksache 12/5236). Die Ermächtigungsgrundlage ist entsprechend Art 61 Abs. 1 Satz 3 LV in der Verordnung genannt.

Soweit die Verordnung Regelungen auch über den Lehrinhalt, die Stundenverteilung sowie über die Einzelheiten des Prüfungsverfahrens, die Wiederholungsvoraussetzung und die Entlassung enthält, finden sich die einschlägigen, hinreichend bestimmten Rechtsgrundlagen in § 35 Abs. 3 und 5; § 89 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, 3, 4, 5, 9 und Abs. 3 SchulG. Diese sind in der Verordnung ebenfalls angegeben. Soweit in § 31 NGVO eine Entlassung geregelt ist, handelt es sich nicht um ein Ausscheiden infolge von Nichtversetzung im Sinne von § 89 Abs. 2 Nr. 4a SchulG, sondern um eine Entlassung entsprechend § 89 Abs. 2 Nr. 2 bzw. die Folge des Nichtbestehens einer Prüfung nach § 89 Abs. 3 Nr. 4 SchulG. Denn im Rahmen der Jahrgangsstufen 12 und 13 erfolgt keine Versetzung in die nächste Klassenstufe mehr, vielmehr bilden die vier letzten Schulhalbjahre eine pädagogische Einheit (§ 2 Abs. 1 NGVO). Es besteht nur unter bestimmten Voraussetzungen eine Möglichkeit die Jahrgangsstufe zu wiederholen (§ 29 NGVO).

1.2 Die Verordnung ist ordnungsgemäß zustande gekommen. Insbesondere bedurfte sie nicht der Zustimmung des Landtages. Nach § 4 Abs. 1 Satz 3 SchulG bedarf eine Rechtverordnung, durch die ein neuer Schultyp eingeführt wird, der Zustimmung des Landtages. Mit der angegriffenen Verordnung wird jedoch kein neuer Schultyp, d.h. keine neue Untergliederung der in § 4 Abs. 1 Satz 4 SchulG geregelten Schularten (vgl. § 4 Abs. 4 Satz 2 SchulG) eingeführt.

1.3 Nicht zu beanstanden ist auch, dass die streitgegenständliche Regelungen durch Rechtsverordnung erlassen wurde. Eine Regelung in einem formellen Gesetz war nicht erforderlich.

Der Grundsatz des Vorbehalt des Gesetzes verlangt, dass der Gesetzgeber alle wesentlichen Entscheidungen selbst treffen muss und sie nicht anderen Normgebern überlassen darf. Entscheidend ist hierbei die Intensität, mit der die Grundrechte des Adressaten berührt sind (vgl. BVerfG, Urteil vom 22.06.1977, - 1 BvR 799/76 -, NJW1977, 1723 f.; Senat, Urteil vom 17.12.2002, - 9 S 1427/02 -, S. 15).

Diesem Grundsatz ist der Gesetzgeber gerecht geworden. Er hat insbesondere in §§ 4 und 8 SchulG alle wesentlichen Voraussetzungen für den Besuch und den Aufbau des Gymnasiums, den Erwerb der allgemeinen Hochschulreife sowie für den Aufbau und die Gestaltung der Oberstufe festgelegt. In Verbindung mit den in § 35 Abs. 3, § 89 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, 3, 4, 5 und 9 sowie Abs. 3 SchulG genannten Ermächtigungsgrundlagen sind damit alle grundlegenden inhaltlichen, organisatorischen und statusbildenden Regelungen durch den Gesetzgeber selbst getroffen worden.

Weitergehende differenzierte Regelungen musste der Gesetzgeber nicht treffen, sondern konnte sie dem Verordnungsgeber überlassen. Entsprechend hat der erkennende Senat bereits die frühere Verordnung vom 20.03.1983 (K. u. U., S. 367) als ausreichend legitimiert angesehen (vgl. Beschluss vom 05.10.1984 - 9 S 1162/84 -, VBlBW 1985, 344, 345).

2. Die Verordnung ist auch in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden.

2.1 Sie verstößt nicht gegen das Schulgesetz von Baden-Württemberg.

Die Rechtsverordnung ist mit § 8 Abs. 1 SchulG vereinbar. Demnach muss das Gymnasium und damit insbesondere auch deren gymnasiale Oberstufe den Schülern eine breite und vertiefte Allgemeinbildung vermitteln, die zur Studierfähigkeit führt. Es hat hierbei insbesondere die Fähigkeiten zu fördern, theoretische Erkenntnisse nachzuvollziehen, schwierige Sachverhalte zu durchdringen sowie vielschichtige Zusammenhänge zu durchschauen, zu ordnen und verständlich darstellen zu können (Holfelder/Bosse, Schulgesetz für Baden-Württemberg, 11. Aufl. 1993, § 8 Nr. 1). Diesem Bildungsauftrag wird die Verordnung gerecht.

Die angegriffene Verordnung verlangt den Besuch von Kursen in den Pflichtbereichen des sprachlich-literarisch-künstlerischen Aufgabenfeldes, des gesellschaftswissenschaftlichen Aufgabenfeldes, des mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Aufgabenfeldes und im Fach Sport (§ 8 Abs. 2 NGVO). Soweit die Aufgabenfelder nicht bereits als Kernkompetenzfächer (Deutsch, Mathematik und eine Fremdsprache) vierstündig vorgeschrieben sind und gemeinsam unterrichtet werden, muss der Schüler verschiedene Fächer aus diesen Bereichen als einfach gewertete Kurse vier Schulhalbjahre zweistündig besuchen. Letzteres gilt für Bildende Kunst oder Musik, für Geschichte, Erdkunde, Gemeinschaftskunde, für Religionslehre oder Ethik, je zwei der Fächer Physik, Chemie oder Biologie, sowie für Sport (§ 12 Abs. 1 u. 2 NGVO). Daneben muss der Schüler ein Profil- und Neigungsfach besuchen und kann ferner Wahlfächer (§§ 8 Abs. 3, 12 Abs. 3 NGVO) belegen. Darüber hinaus kann er auch noch eine besondere Lernleistung, in der Regel im Rahmen eines Seminarkurses, erbringen (§ 2 Abs. 7 NGVO). Desweiteren werden durch die Förderung neuer Lernkulturen des selbstständigen und projektorientierten Arbeitens die Fähigkeiten zum selbstständigen Denken verbessert. Diese Bandbreite aus allen wesentlichen Aufgabenfeldern genügt den Anforderungen an den in § 8 Abs. 1 SchulG geregelten Bildungsauftrag.

Dass die Verordnung mit § 8 Abs. 5 Nrn. 1-4 SchulG übereinstimmt, ist offensichtlich. Sie steht jedoch auch mit § 8 Abs. 5 Nr. 5 SchulG in Einklang. Denn sie vermittelt die entsprechende Hochschulreife und berechtigt rechtlich zum Studium an einer Hochschule. Die Leistungen in den Kernkompetenzfächern Deutsch, Mathematik und einer Fremdsprache sind nach § 10 Abs. 1 der Verordnung des Wissenschaftsministeriums des Landes Baden-Württemberg über die Vergabe von Studienplätzen in zulassungsbeschränkten Hochschulen (Hochschulvergabeverordnung - HVVO - vom 13.01.2003, GBl. 2003, S. 63 ff.) von den Hochschulen in Baden-Württemberg sogar besonders zu berücksichtigen. Ähnliches gilt für die Einzelnoten in den Profil- und Neigungsfächern (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 HVVO).

2.2 Die Verordnung verletzt auch nicht höherrangiges Verfassungsrecht.

2.2.1 Eine Verletzung des Elterngrundrechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG bzw. des elterlichen Erziehungsrechts aus Art. 12 Abs. 2 und 15 Abs. 3 der Landesverfassung (LV) ist nicht gegeben. Das Elterngrundrecht ist beschränkt durch die aus Art. 7 GG folgende staatliche Schulhoheit. Art. 7 Abs. 1 GG bzw. Art. 12, 15 Abs. 3 LV gibt dem Staat die Befugnis zur Planung und Organisation des Schulwesens. Hierzu zählt insbesondere die organisatorische Gliederung der Schule und die inhaltliche Festlegung der Ausbildungsgänge und Unterrichtsziele (BVerfG, Urteil vom 26.02.1980 - 1 BvR 684/78 - , NJW 1980, 2403 f.; Senat, Beschluss vom 05.10.1984 - 9 S 1162/84 -, VBlBW 1985, 344, 345). Die Einführung der neugestalteten gymnasialen Oberstufe und deren Ausgestaltung, insbesondere die von den Antragstellern angegriffene Stärkung des naturwissenschaftlich-mathematischen Aufgabenfeldes ist eine derartige schulorganisatorische Maßnahme. Die Länder haben bei der Festlegung der Schulorganisation sowie der Erziehungsziele und Unterrichtsgegenstände eine weitgehende, eigenständige Gestaltungsfreiheit, die nur eingeschränkt ist, soweit Normen des Grundgesetzes ihr Grenzen setzen (vgl. BVerfG, Urteil vom 26.02.1980, aaO). Hierbei haben die Gerichte nur eine eingeschränkte Überprüfungsmöglichkeit. Sie können insbesondere nicht nachprüfen, ob die Reform zur Erlangung der Hochschulreife weniger geeignet ist als andere denkbare Regelungen, oder ob gegen die Festlegung und Gewichtung der einzelnen Fächer pädagogische Bedenken bestehen.

Von diesen Maßstäben ausgehend, sind die Regelung der angegriffenen Verordnung nicht zu beanstanden. Es ist Teil der Gestaltungsfreiheit des Landes, die naturwissenschaftlichen Fächer zu stärken und insbesondere den Kernkompetenzfächern einen anderen Stellenwert einzuräumen. Entgegen ihrer Auffassung haben die Antragsteller keinen Anspruch darauf, dass sie den mathematisch-naturwissenschaftlich Anteil im Rahmen des Kurssystems und der Abiturprüfung gering halten können. Auch ein Anspruch auf eine Spezialisierung auf das sprachliche Aufgabenfeld besteht nicht. Den bei der Gewichtung der einzelnen Fächer untereinander bestehenden Spielraum hat der Verordnungsgeber nicht überschritten; ein Verstoß gegen das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) liegt offenkundig nicht vor.

Der Verordnungsgeber hat auch dem sprachlichen Aufgabenfeld hinreichend Bedeutung beigemessen. Die Antragsteller übersehen, dass eine Fremdsprache bereits als Kernkompetenzfach neben Deutsch und Mathematik zum Pflichtbereich gehört. Auch kann jeder Schüler weitere Fremdsprachen als Profil- und/oder Neigungsfach wählen. Voraussetzung ist lediglich, dass die Fremdsprache ab Klasse 9 unterrichtet worden ist (§ 2 Abs. 5 Satz 3 NGVO). Es besteht daher weiterhin die Möglichkeit, drei Fremdsprache zu wählen, wenngleich dies durch die verbindlich vorgeschriebene Wahl von zwei naturwissenschaftlichen Fächern zu einer zeitlichen Mehrbelastung des Schülers führt. Die Kernkompetenzfächer und daneben das Profil- oder Neigungsfach sind auch schriftliche Prüfungsfächer. Die Fremdsprachenkompetenzen werden daher hinreichend bei den schriftlichen Prüfungsfächern berücksichtigt. Der Schüler kann von den Prüfungsfächern zwei als zweifach gewertete Fächer bestimmen (§ 11 NGVO). Auch hier kann er Fremdsprachen wählen und daher seinen Begabungen hinreichend Rechnung tragen.

Auch bei der mündlichen Prüfung ist dem sprachlichen Profil hinreichend Rechnung getragen. Die mündliche Prüfung erstreckt sich auf die schriftlichen Prüfungsfächer und ein weiteres Prüfungsfach, das nach Maßgabe von § 19 Abs. 2 bis 4 NGVO ausgewählt werden kann (vgl. § 19 Abs. 1 Satz 2 NGVO). Dieses kann ggf. auch durch eine besondere Lernleistung (§ 15 Abs. 3 Satz 4) ersetzt werden.

Ein Rechtsfehler ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Schüler dem Fach Mathematik und den Naturwissenschaften nicht mehr wie bisher ausweichen kann. Zwar weisen die Antragstellern zutreffend darauf hin, dass im Rahmen der sonstigen Pflichtkurse zwei Fächer aus dem Bereich der Naturwissenschaften stammen müssen, wenn diese nicht bereits Neigungs- oder Profilfach sind (§ 12 Abs. 2 NGVO). Dies kann auch zu einer erhöhten Stundenbelastung der Schüler mit sprachlicher Präferenz führen. Schließlich ist auch Mathematik nunmehr als Kernkompetenzfach zwingend schriftliches und mündliches Abiturprüfungsfach. Die hohe Bedeutung von Mathematik, Naturwissenschaften und Technik für eine fundierte Allgemeinbildung in einer zunehmend technisierten Welt liegt aber auf der Hand. Zudem weist der Antragsgegner zutreffend darauf hin, dass durch die Stärkung der Naturwissenschaften das Auseinanderdriften von Geistes- und Naturwissenschaften verhindert und ein Überblick über alle wissenschaftlichen Disziplinen vermittelt werden soll, zumal jeder - auch der geisteswissenschaftliche - Akademiker mit naturwissenschaftlichen Fragen konfrontiert werden kann.

Ob die in der Verordnung vorgenommene Stärkung der Kernkompetenzfächer und der Naturwissenschaften sowie die sonstigen Änderungen bildungspolitisch oder pädagogisch sinnvoll sind oder ob die im bisherigen Recht stärker gegebene Möglichkeit zu frühzeitiger moderater Spezialisierung den Anforderungen der Universitäten und Arbeitgeber besser entspricht, ist der gerichtlichen Prüfung entzogen. Dass die zur Prüfung gestellten Regelungen zur Erreichung des bildungspolitischen Ziels - nämlich der allgemeinen Hochschulreife - völlig ungeeignet wären oder zu gänzlich unvergleichbaren Einzelqualifikationen führen und damit das den Eltern gem. Art. 6 Abs. 2 GG zustehende Bestimmungsrecht über den Bildungsweg ihrer Kinder aushöhlen könnten (vgl. BVerfG, Urteil vom 26.02.1980, aaO), ist angesichts der differenzierten Regelungen offenkundig nicht der Fall und wird von den Antragstellern auch nicht behauptet. Soweit sie meinen, die Änderungen verstießen gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, weil die Schüler "ohne erkennbaren Nutzen" durch die Reform belastet würden, kann dem nicht gefolgt werden.

2.2.2 In der stärkeren Gewichtung der Naturwissenschaften liegt auch keine Verletzung der Chancengleichheit und damit des Gleichheitssatzes im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG. Eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes läge nur vor, wenn die Gewichtung zwischen Fremdsprachen und Naturwissenschaften ohne sachlichen Grund, mithin willkürlich erfolgt wäre. Dass dies nicht der Fall ist, wurde bereits unter 2.2.1 dargelegt.

Eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung lässt sich auch nicht feststellen, bezieht man die unterschiedliche Profilwahl in Klasse 9 in die Betrachtung ein. Die Antragsteller meinen, die Schüler, welche in Klasse 9 das sprachliche Profil gewählt haben, würden schlechter behandelt als diejenigen Schüler, welche das naturwissenschaftliche Profil gewählt haben. Das lässt sich jedoch nicht feststellen. Insofern rügen die Antragsteller zum einen, sie könnten das in Klasse 9 gewählte sprachliche Profil in der gymnasialen Oberstufe nicht konsequent fortsetzen; darin unterschieden sie sich von Schülern des naturwissenschaftlichen Profils. Das trifft nicht zu; in der gymnasialen Oberstufe sieht das sog. Profilfach sowohl die Fortführung des sprachlichen wie des naturwissenschaftlichen Profils vor, und das Neigungsfach erlaubt sogar die vierstündige Fortführung einer dritten Fremdsprache bzw. einer zweiten Naturwissenschaft. Zum anderen führen die Antragsteller auch in diesem Zusammenhang an, dass ihre Erwartung, zwei Naturwissenschaften abwählen und Mathematik nur auf Grundkursniveau fortsetzen zu können, enttäuscht werde. Auch insofern werden sie gegenüber Schülern mit naturwissenschaftlichem Profil nicht schlechter gestellt; diese werden durch die Neuregelung in ihrer möglichen umgekehrten Erwartung enttäuscht, in der Oberstufe eine Fremdsprache oder Deutsch lediglich auf Grundkursniveau fortzuführen. Schließlich verweisen die Antragsteller darauf, dass die Stundentafeln der Klassen 9 - 11 in den drei naturwissenschaftlichen Fächern für Schüler mit sprachlichem Profil eine geringere Wochenstundenzahl als bei Schülern mit naturwissenschaftlichem Profil ausweisen; das verbinden sie offenbar mit der Behauptung, dass Schüler des sprachlichen Profils beim Eintritt in die gymnasiale Oberstufe deshalb schlechtere Startchancen in den naturwissenschaftlichen Fächern hätten. Auch dem kann nicht gefolgt werden. Die Antragsgegnerin weist zutreffend darauf hin, dass die Profilwahl in Klasse 9 weder eine rechtlich noch eine faktisch präjudizierende Wirkung für die Wahlmöglichkeiten in der Kursphase der Oberstufe hat. Der Unterricht in den Naturwissenschaften zu Beginn des Kurssystems wird an das - niedrigere - Niveau des sprachlichen Profils angepasst. Das gilt ohnehin für die zweistündigen Kurse, die zumeist Schüler des sprachlichen Profils aufnehmen werden. Es gilt aber auch für die vierstündigen Kurse; die neuen Stoffpläne sind so ausgelegt, dass auch Schüler mit zuvor sprachlichem Profil mit Eintritt in das Kurssystem der Oberstufe nunmehr in das naturwissenschaftliche Profil wechseln können.

2.2.3 Eine Verletzung des Grundrechts auf freie Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG) liegt entgegen der Auffassung der Antragsteller offenkundig nicht vor. Das von ihnen angestrebte Abitur vermittelt die allgemeine Hochschulreife und wird in den anderen Bundesländern anerkannt. Soweit darüber hinaus in die Grundrechte der Antragsteller auf Ausbildungsfreiheit (Art. 12 GG) bzw. auf allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) eingegriffen wird, sind diese Eingriffe gerechtfertigt.

Die genannten Rechte stehen in einer Spannungslage zu dem Bildungs- und Erziehungsauftrag des Staates nach Art 7 Abs. 1 GG und können durch diesen beschränkt werden (vgl. Senat, Urteil vom 17.12.2002 - 9 S 1427/02 -, S. 28; BVerfG, Urteil vom 26.02.1980, aaO, jeweils zu Art. 2 Abs. 1 GG). Die Grundsätze, die für die Rechtfertigung und Abgrenzung beider Rechte vorgenommen worden sind, entsprechen denen, die auch für das Verhältnis von Art. 6 Abs. 2 GG zu Art. 7 Abs. 1 GG bestehen (vgl. BVerfG, Urteil vom 26.02.1980, a.a.O.). Es kann daher auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.

Die Neugestaltung der Oberstufe verletzt angesichts des weiten Spielraums des Verordnungsgebers somit nicht die Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG. Angesichts des nach wie vor breiten Fächerkanons, der auch den Fremdsprachen angemessenen Raum belässt, ist nicht zu erkennen, dass eine einseitige Lenkung der Schüler in die Richtung von technischen oder mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern erfolgt.

2.2.4 Auch die Stundenbelastung der Schüler ist nicht als unverhältnismäßig anzusehen. Die Vorgaben der Verordnung bedingen einen Stundenumfang von 30-34 Wochenstunden. Das ist nicht zu beanstanden. Das Gymnasium hat eine erzieherisch-pädagogische Aufgabe (vgl. § 1 SchulG). Die durch die Vermittlung von Wissen und Fähigkeiten entstehende Stundenbelastung in der Schule kann nicht mit den in den Arbeitszeitgesetzen und Tarifverträgen festgelegten Arbeitszeiten von Arbeitern und Angestellten verglichen werden. Die Schulzeit ist anders konzipiert als die Arbeitswelt und auch organisatorisch nicht vergleichbar. So dauern Schulstunden nicht eine Zeitstunde, sondern regelmäßig nur fünfundvierzig Minuten, die von einer jeweils ca. 5 - minütigen und einer großen Pause von ca. 25 Minuten in der Vormittagszeit unterbrochen sind.

Soweit der Antragsteller ohne nähere Begründung meint, die Zeit für das Eigenstudium pro Unterrichtsstunde betrage durchschnittlich eine komplette weitere Stunde, entspricht dies nach Auffassung des Senats nicht den tatsächlichen Gegebenheiten. Diese "Faustformel" übersieht, dass keineswegs alle Fächer den gleichen Nachbereitungsaufwand haben. Auch ist die benötigte Zeit für das Eigenstudium des Schülers individuell sehr verschieden. Außerdem ist die Belastung durch die Nachbereitung weniger gravierend als durch den Schulbesuch selbst. Der Schüler hat diesbezüglich eine weit freiere Zeiteinteilung und befindet sich in einer völlig anderen Umgebung.

Der Senat verkennt hierbei nicht, dass die Belastung der Schüler erheblich ist. So treten an die Stelle der bislang zwei Leistungskurse nunmehr fünf Kernfächer (drei Kernkompetenz-, ein Profil- und ein Neigungsfach), die sich nach Zielsetzung und Lernintensität an den bisherigen Leistungskursen orientieren sollen (LT-Drucks. 12/5236, S. 5). Hinzu treten die neuen vier "gleichwertigen feststellbaren Schülerleistungen" nach § 6 Abs. 3 NGVO, welche ein Großteil der Arbeitskraft und Arbeitszeit der Schüler beanspruchen werden. Auch ist zu bedenken, dass Nachmittagsunterricht an mehreren Tagen der Woche oft unausweichlich sein wird. All dies führt indes nicht zu der Annahme, die Schüler würden überlastet. Vielmehr hat der Verordnungsgeber diesen Gesichtspunkten Rechnung getragen. So wurde die Zahl der notwendigen Klassenarbeiten von zuvor etwa 72 (in vier Halbjahren) auf nunmehr 55 gesenkt. Die fünf Kernfächer orientieren sich zwar nach Zielsetzung und Lernintensität an den bisherigen Leistungskursen, jedoch nicht auch nach dem Stoffumfang; der Stoffumfang soll vielmehr reduziert werden (LT-Drucks. 12/5236 a.a.O.). Hierfür spricht auch, dass diese Kernfächer vierstündig (§ 2 Abs. 3 NGVO) und nicht wie die bisherigen Leistungskurse fünfstündig (§ 2 Abs. 3 Satz 2 NGVO 1983) unterrichtet werden. Schließlich sollen Hausaufgaben so gestellt werden, dass sie in angemessener Zeit erledigt werden können (§ 10 Notenbildungsverordnung). Diese Rechtslage ermöglicht es, die Gesamtbelastung der Schüler in einem vertretbaren Maß zu halten. Es wird Aufgabe der Schulaufsicht sein, über die Einhaltung des vertretbaren Maßes zu wachen.

Der Senat vermag daher eine unangemessene Belastung der Schüler durch die neue NGVO nicht festzustellen.

2.2.5 Die Neuregelungen der Verordnung, insbesondere die Stärkung des naturwissenschaftlichen Bereichs, überschreiten auch nicht die dem Normgeber bei der Rechtsänderung durch den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes (Art. 20 Abs. 3 GG) gezogenen Grenzen. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes verlangt zunächst, dass der Normgeber bei der Änderung von Prüfungs- und Ausbildungsvorschriften darauf zu achten hat, dass sich aus dem Übergang keine übermäßigen, unzumutbaren Belastungen ergeben (Senat, Beschluss vom 05.10.1984 - 9 S 1162/84 -, aaO). Insbesondere ist eine wesentliche Änderung von Prüfungsbedingungen während des Prüfungsverfahrens oder vorhergehenden Ausbildungsabschnittes dann mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar, wenn der Prüfling nicht ausreichend Zeit hat, sich bei der Prüfungsvorbereitung auf die neuen Bedingungen einzustellen. Entsprechendes gilt für die Änderung von Vorschriften über Fächerkombinationen im letzten Ausbildungsabschnitt (Senat, Beschluss vom 05.10.1984, a.a.O., mwN.).

Der Verordnungsgeber hat diesen Anforderungen dadurch Rechnung getragen, dass er in § 41 Abs. 1 der Verordnung eine Übergangsregelung statuiert hat. Diese sieht vor, dass die neuen Regelungen (Abschnitt 1-4) erstmals für Schüler gelten, die zum Schuljahr 2002/2003 in die erste Jahrgangsstufe (§ 2 Abs. 1 NGVO) übergehen. Für die Abiturprüfung durch Schulfremde (Abschnitt 5) gelten die insoweit maßgeblichen Regelungen erstmals im Schuljahr 2003/2004. Die Verordnung vom 24.07.2001 wurde aber bereits am 25.07.2001 und damit ca. ein Jahr vor deren erstmaliger Geltung bekannt gegeben. Zudem wurde die der Verordnung zugrundeliegende Änderung des § 8 Abs. 5 des Schulgesetzes bereits am 31.07.2000 im Gesetzblatt des Landes Baden-Württemberg verkündet und war zuvor Gegenstand zahlreicher Presseberichterstattungen. Es bestand mithin genügend Zeit, sich auf die neuen Regelungen einzustellen. Zwar weisen die Antragsteller darauf hin, dass die Übergangsregelungen erst seit Bekanntgabe der Verordnung zur Kenntnis genommen werden konnten und die erste schriftliche Information des Antragsgegners gegenüber dem Antragsteller zu 1 erst mit der Übergabe des Leitfadens 2005 im Laufe des Schuljahres 2002/2003 erfolgte. Ob diese von den Antragstellern behauptete Art der Information durch Schule und Ministerium angemessen war, ist in diesem Zusammenhang nicht entscheidend. Denn mit der Bekanntmachung der neuen Verordnung bestand jedenfalls die Möglichkeit, sich mit den Neuregelungen durch die Lektüre der Verordnung im Kern vertraut zu machen, zumal diese in der Presse und Öffentlichkeit vielfach diskutiert wurden und auch der Antragsteller zu 1 nicht davon ausgehen konnte, dass er von diesen Regelungen durch eine Übergangsvorschrift ausgenommen wird.

Die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes setzen darüber hinaus solchen Rechtsänderungen Grenzen, durch welche eine schutzwürdige Rechtsposition, ein "bereits erlangter Besitzstand", nachträglich im Ganzen entwertet wird (Senat, Beschluss vom 05.10.1984, a.a.O.). Eine solche subjektive Rechtsposition liegt nicht in der Wahl des sprachlichen Profils in Klasse 9. Dem Antragsteller bleibt es unbenommen, auch in der Oberstufe seinen Schwerpunkt auf die Fremdsprachen zu legen. Ein Anspruch auf Beibehaltung der beim Besuch der Mittelstufe bestehenden Ausbildungsvorschriften der Oberstufe besteht bereits deshalb nicht, weil auch nach der NGVO 1983 zwischen der Mittelstufe und der Oberstufe eine Zäsur bestand, die insbesondere von der Auflösung der Klassenverbände und dem Übergang in das Kurssystem gekennzeichnet war. Ein auf besonderen Rechtsgründen beruhender "Besitzstand" scheidet daher mangels einer in der Mittelstufe erlangten subjektiven Rechtsposition aus.

3. Da die Verordnung weder in formeller noch in materieller Hinsicht zu beanstanden ist, sind die Hauptanträge der Antragsteller zurückzuweisen. Damit hat auch der Hilfsantrag des Antragsstellers zu 1 keinen Erfolg, denn die Vorschrift des § 41 der Verordnung ist auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes nicht zu beanstanden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs.1 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO bestehen nicht.

Beschluss vom 16. Juli 2003

Der Streitwert wird auf 8.000,-- EUR festgesetzt ( § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG, § 5 ZPO analog).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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