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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 09.06.2009
Aktenzeichen: 9 S 830/09
Rechtsgebiete: VwGO, VergabeVO ZVS


Vorschriften:

VwGO § 172
VergabeVO ZVS § 6
Die vorläufige Vergabe von sog. "außerkapazitären" Studienplätzen, deren Vorhandensein erst in einem Rechtsstreit als Folge unzureichender Kapazitätsausnutzung nachgewiesen worden ist, kann anhand eines "Zulassungsnähequotienten" der Abiturnote erfolgen.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

9 S 830/09

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Zwangsvollstreckung

hier: Antrag nach § 123 VwGO

hat der 9. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg

am 9. Juni 2009

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 19. März 2009 - 1 K 337/09 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.148,50 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat es im Ergebnis zu Recht abgelehnt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, vorläufig von weiteren Vollstreckungsmaßnahmen abzusehen.

Der Antrag auf Gewährung gerichtlichen Eilrechtsschutzes nach § 123 Abs. 1 VwGO erweist sich indes als zulässig. Der Antragsteller hat keine nach Eintritt der Bestandskraft eingetretenen Vollstreckungshindernisse geltend gemacht, seine Einwendungen richten sich vielmehr gegen die der drohenden Zwangsvollstreckung zugrunde liegenden Beitragsbescheide vom 09.07.2008. Die damit begehrte Überprüfung der Rechtmäßigkeit dieser Grundbescheide findet nach Eintritt der Bestandskraft indes grundsätzlich nicht mehr statt. Für Angriffe gegen die materiell-rechtliche Richtigkeit der Beitragsbescheide steht vielmehr nur der Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens zur Verfügung. Dieser ist in der Hauptsache durch Verpflichtungsklage zu verfolgen, so dass vorläufiger Rechtsschutz gemäß § 123 Abs. 5 VwGO im Wege der einstweiligen Anordnung nachzusuchen ist. Gleiches gilt für die begehrte Herabsetzung der Beitragspflicht aus Billigkeitsgründen (vgl. dazu ausführlich Senatsbeschluss vom 29.06.1992 - 9 S 1346/92 -).

Dem Antragsteller steht der geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung jedoch nicht zu. Zwar hat der Antragsteller Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über den mit Schriftsatz vom 21.10.2008 gestellten Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens (vgl. Senatsbeschluss vom 10.12.2008 - 9 S 1099/08 -, VBlBW 2009, 226), über den im Hinblick auf die beim Verwaltungsgericht Sigmaringen anhängigen Klagen möglicherweise noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist. Hinreichende Anhaltspunkte für einen Ermessensfehlgebrauch des Antragsgegners sind bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen Beurteilung der Sach- und Rechtslage indes nicht ersichtlich; insbesondere reichen die in der Beschwerde vorgetragenen Umstände nicht aus, um eine Reduktion des dem Antragsgegner zustehenden Ermessens auf Null annehmen zu können.

Dies ergibt sich bereits daraus, dass die der Vollstreckung zugrunde liegenden Beitragsbescheide entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht als rechtswidrig qualifiziert werden können. Der Antragsgegner hat die Beitragspflicht des Antragstellers in den Bescheiden vom 09.07.2008 vielmehr zutreffend auf Grundlage des § 11 Abs. 1 der Satzung des Versorgungswerks der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg - RAVwS - als Regelpflichtbeitrag festgesetzt. Zu einer Schätzung nach § 11 Abs. 4 RAVwS war er schon deshalb nicht verpflichtet, weil der Antragsteller - wie im Beschwerdeschriftsatz auch vom Antragsteller selbst wiederholt betont - den hierfür erforderlichen Antrag auf individuelle Bestimmung nach Art. 11 Abs. 2 Satz 1 RAVwS nicht gestellt hat.

Im Übrigen wäre auch im Falle des Antrags auf individuelle Berechnung die Festsetzung auf Grundlage des Regelpflichtbeitrages nach § 11 Abs. 1 RAVwS nicht zu beanstanden, weil der Antragsteller trotz mehrfacher Aufforderungen weder Einkommensnachweise vorgelegt noch anderweitige Angaben zu seinen Einkünften gemacht hat. Mangels irgendwie gearteter Anknüpfungspunkte, die als Basis für eine individuelle Einkommensschätzung herangezogen werden könnten, erscheint die Orientierung am Regelpflichtbeitrag des § 11 Abs. 1 RAVwS daher nicht ermessensfehlerhaft (vgl. dazu bereits Senatsbeschluss vom 21.04.2009 - 9 S 2183/08 -). An der entgegenstehenden Rechtsprechung aus dem Senatsurteil vom 24.09.1993 - 9 S 613/93 - hält der Senat nicht länger fest, weil die dort bei Fehlen konkreter Anhaltspunkte ins Auge gefasste Berechnung anhand des Branchendurchschnitts in der Satzung keine Stütze findet und einen hinreichenden Bezug zum individuellen Einkommen des Antragstellers nicht aufweist. Die Belange der jeweiligen Antragsteller sind durch die in § 11 Abs. 4 Satz 2 RAVwS eingeräumte Möglichkeit, innerhalb von 3 Monaten ein geringeres Einkommen glaubhaft zu machen, hinreichend geschützt.

Die Rechtswidrigkeit der Vollstreckung ergibt sich auch nicht aus den am 24.10.2008 nachträglich vorgelegten Einkommensteuerbescheiden. Zwar weisen diese deutlich niedrigere Einkünfte als den gemäß § 11 Abs. 1 RAVwS angesetzten Höchstbeitrag aus. Das nachgewiesene individuelle Einkommen kann aber angesichts der in Bestandskraft erwachsenen Beitragsbescheide nicht mehr berücksichtigt werden. Denn gemäß § 11 Abs. 5 RAVwS kann ein entsprechender Antrag nur für die Zukunft gestellt werden, sofern ein bestandskräftiger Beitragsbescheid vorliegt. Diese Voraussetzungen sind für die Beitragsbescheide vom 09.07.2008 aber erfüllt. Denn sie wurden dem Antragsteller ausweislich der Postzustellungsurkunde persönlich am 10.07.2008 zugestellt. Das bloße Bestreiten des Zugangs steht dem nicht entgegen, weil hierdurch die mit der Zustellungsurkunde gemäß §§ 182 Abs. 1 Satz 2, 418 Abs. 1 ZPO verbundene Beweiskraftvermutung nicht erschüttert wird (vgl. etwa BGH, Urteil vom 10.11.2005 - III ZR 104/05 -, NJW 2006, 150). Im Übrigen wäre hinsichtlich des am 22.10.2008 eingegangen Schreibens, das inhaltlich als Widerspruch qualifiziert werden könnte, auch die Wiedereinsetzungsfrist aus § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO verstrichen. Denn spätestens mit der - ebenfalls durch Postzustellungsurkunde belegten - Zustellung der Vollstreckungsandrohung vom 21.08.2008 war dem Antragsteller die Existenz der Beitragsbescheide bekannt. Auf die Tatsache, dass der Schriftsatz auch inhaltlich die Anforderungen des § 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO nicht erfüllte, kommt es daher nicht mehr an.

Den Bescheiden vom 09.07.2008 steht auch nicht entgegen, dass die Beitragspflicht für die hierin erfassten Zeiträume zuvor bereits durch Beitragsbescheide geregelt und auf den Mindestbeitrag festgesetzt worden war. Denn diese Verfügungen enthielten ausnahmslos den Hinweis, dass eine Höherveranlagung für den Fall vorbehalten bleibe, dass der Antragsteller nicht fristgerecht die angeforderten Einkommensnachweise vorlege. Angesichts dieser ausdrücklichen Änderungsvorbehalte war der Antragsgegner daher zur Neufestsetzung befugt (vgl. dazu bereits Senatsurteil vom 24.09.1993 - 9 S 613/93 -). Der Antragsteller ist im Übrigen auch wiederholt und ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass nach Fristablauf eine Festlegung des Regelpflichtbeitrages zu erfolgen habe. Insoweit liegen trotz des nicht unerheblichen Fristablaufs ausreichende Umstände für die Annahme einer Verwirkung nicht vor; vielmehr hat der Antragsgegner stets auf die Möglichkeit einer Neufestsetzung hingewiesen und diese wiederholt auch angedroht. Der dem Antragsteller gleichwohl gewährte Aufschub vermag bei dieser Sachlage die Annahme eines Verwirkungstatbestands nicht zu begründen.

Im Übrigen hat der Antragsgegner auch zu Recht darauf hingewiesen, dass die langjährige und hartnäckige Verletzung der Mitwirkungspflichten bei der Ermessensentscheidung nicht unberücksichtigt bleiben muss und der Antragsteller aussagekräftige Belege zu seinem Immobilienbesitz und dessen Wert sowie zu seiner Vermögenssituation nicht vorgelegt hat. Ausreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Härtefallsachverhalts, bei dem die Erhebung der Beiträge nach Lage des einzelnen Falles grob unbillig wäre (vgl. § 15 Abs. 4 RAVwS), sind damit jedenfalls nicht dargelegt (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 3 GKG und orientiert sich am Wert der beizutreibenden Forderung, wobei im Hinblick auf den vorläufigen Charakter des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens eine Halbierung vorzunehmen war (vgl. Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs 2004 der Verwaltungsgerichtsbarkeit).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 152 Abs. 1 VwGO sowie § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG hinsichtlich der Streitwertfestsetzung).

Ende der Entscheidung

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