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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 20.05.2008
Aktenzeichen: A 10 S 72/08
Rechtsgebiete: GG, AufenthG, AsylVfG, EGRL 04/83


Vorschriften:

GG Art. 16a
AufenthG § 60 Abs. 1
AsylVfG § 3 Abs. 1
EGRL 04/83
Die Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft der Ahmadiyya in Pakistan allein begründet nicht die Flüchtlingseigenschaft nach der Qualifikationsrichtlinie.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

A 10 S 72/08

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft

hat der 10. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 20. Mai 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 25. Oktober 2007 - A 2 K 11194/04 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten, die dieser selbst trägt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der seinen Angaben zufolge am 16.01.1988 geborene ledige Kläger ist pakistanischer Staatsangehöriger. Er gehört der Glaubensgemeinschaft der Ahmadiyya an. Im März 2004 reiste der Kläger nach seinen Angaben auf dem Luftweg in das Bundesgebiet ein und stellte am 17.03.2004 einen Asylantrag. Im Rahmen seiner am 18.03.2004 durchgeführten Anhörung machte der Kläger geltend, er sei in Pakistan wegen seines Glaubens in der Schule schikaniert, insbesondere von Mitschülern, belästigt, beleidigt und geschlagen worden. Die Lehrer hätten zu keinem Zeitpunkt eingegriffen. Nachdem er im Juni 2003 an einer Bushaltestelle von einem Pkw angefahren worden und deshalb zwei Tage im Krankenhaus gewesen sei, habe sein Vater Angst um ihn gehabt und sei der Meinung gewesen, er solle ausreisen.

Mit Bescheid vom 14.05.2004 - als Übergabeeinschreiben am 24.05.2004 zur Post gegeben - lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG sowie Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen; darüber hinaus wurde dem Kläger die Abschiebung nach Pakistan angedroht.

Am 27.05.2004 hat der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht erhoben und geltend gemacht: Die Angehörigen der Glaubensgemeinschaft der Ahmadiyya würden in Pakistan als Gruppe verfolgt. Im Hinblick auf die Regelungen der Qualifikationsrichtlinie vom 29.04.2004 könne der Verfolgungsgrund der Religion nicht mehr nur auf das "forum internum" beschränkt werden, sondern es seien nunmehr ausdrücklich auch Glaubensausübungen im öffentlichen Bereich mitumfasst. Ahmadis würden in Pakistan vielfach stigmatisiert und ausgegrenzt.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Der beteiligte Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten hat sich nicht zum Verfahren geäußert.

Durch Urteil vom 25. Oktober 2007 - A 2 K 11194/04 - hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Es könne nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass der Kläger wegen einer asylrelevanten individuellen Vorverfolgung sein Heimatland verlassen habe. Die von ihm geltend gemachten Widrigkeiten in der Schule erreichten nicht das Maß dessen, was verlangt werde, um davon ausgehen zu können, dass seine Flucht aus einer tatsächlich ausweglosen Lage erfolgt sei. Hinsichtlich des vom Kläger geltend gemachten Autounfalls mutmaße er lediglich, wegen seiner Zugehörigkeit zur Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft von einem Pkw angefahren worden zu sein. Objektive Anhaltspunkte für die Richtigkeit dieser Vermutung habe er nicht benennen können. Soweit sich der Kläger daneben auf die allgemeine Situation von Ahmadis in Pakistan berufe, führe dies ebenfalls nicht zum Erfolg. Es entspreche ständiger Rechtsprechung, dass Angehörigen der Glaubensgemeinschaft der Ahmadiyya unter dem Gesichtspunkt der Anerkennung als Asylberechtigte in Pakistan keiner Gruppenverfolgung ausgesetzt seien. Was die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG betreffe, könne zwar nicht mehr uneingeschränkt davon ausgegangen werden, die Religionsausübung sei nur noch im privaten Bereich geschützt. Die im Hinblick auf Ahmadis in Pakistan dokumentierten Verfolgungsfälle reichten jedoch weiterhin nicht zur Annahme einer für eine Gruppenverfolgung erforderlichen Verfolgungsdichte aus. Bei der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft handele es sich um keine in Pakistan verbotene Sekte. Wegen der bloßen Glaubenszugehörigkeit geschehe den Ahmadis deshalb von staatlicher Seite nichts. Auch mit den muslimischen Nachbarn lebe der weitaus größte Teil der Ahmadis friedlich zusammen. Berichtet werde lediglich weiterhin über einzelne Fälle von Repressionen Dritter gegen Ahmadis. Im Übrigen seien derzeit gegen Ahmadis über 1.000 Strafverfahren nach § 298 C des pakistanischen Strafgesetzbuches anhängig, der es Nicht-Muslimen, zu denen die Ahmadis gerechnet würden, verbiete, sich als Muslime zu bezeichnen oder sich wie Muslime zu verhalten. Angesichts einer Gruppe von nach eigenen Angaben vier Millionen Ahmadis sei dies jedoch zu wenig, um die erforderliche Verfolgungsdichte feststellen zu können. Dies gelte auch dann, wenn man als Vergleichsgröße lediglich 500.000 bis 600.000 bekennende Mitglieder zugrunde lege. Die Kammer verkenne nicht, dass Ahmadis darüber hinaus durch eine speziell gegen sie gerichtete Gesetzgebung diskriminiert würden und darüber hinaus Benachteiligungen durch die unteren Instanzen der Verwaltung sowie in den Schulen, Hochschulen und bei der Einstellung in den öffentlichen Dienst, namentlich bei der Beförderung ausgesetzt seien. Auch wenn nunmehr nach Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Qualifikationsrichtlinie eine Verfolgungshandlung bereits dann anzunehmen sei, wenn diese in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte bestehe, so müssten diese Verfolgungshandlungen jedoch auch dann so gravierend sein, dass sich die Maßnahmen insgesamt als eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellten. Hierfür reichten die Diskriminierungen und Benachteiligungen, auch wenn man sie zusammenrechne, nach Ansicht der Kammer nicht aus.

Das Urteil wurde dem Kläger am 12.11.2007 zugestellt.

Am 26.11.2007 hat der Kläger die Zulassung der Berufung beantragt.

Durch Beschluss vom 08.01.2008 hat der Senat die Berufung zugelassen, soweit der Kläger die Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begehrt, und im Übrigen den Zulassungsantrag abgelehnt.

Der Beschluss wurde dem Kläger am 14.01.2008 zugestellt.

Am 14.02.2008 hat der Kläger die Berufung unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Zulassungsantrag begründet und einen Antrag gestellt.

Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus: Als Verfolgung i. S. des Art. 9 Abs. 2 Abs. 1 Buchst. a QRL gälten nunmehr Handlungen, die sich nach ihrer Art oder Wiederholung als eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellten. Als Verfolgung seien aber nach Buchst. b auch Maßnahmen anzusehen, die so gravierend seien, dass eine Person auf eine ähnliche Weise wie nach Buchst. a betroffen sei. Die Religionsfreiheit sei ein Menschenrecht im Sinne dieser Vorschrift, was sich insbesondere aus Art. 18 Abs. 1 und 27 IPbpR sowie aus Art. 9 Abs. 1 EMRK ergebe. Vor diesem Hintergrund sei ein Rückgriff auf die Rechtsprechung zum Begriff der politischen Verfolgung im Sinne des Art. 16a GG nicht zulässig. Einschränkungen der Religionsfreiheit dürften nur unter Beachtung des Art. 18 Abs. 3 IPbpR sowie Art. 9 Abs. 2 EMRK vorgenommen werden. Die hiernach erforderlichen Gesetze müssten allgemeiner Natur sein, d.h. für alle Staatsbürger, egal welcher religiösen Ausrichtung sie angehörten, gelten. Bezogen auf die Ahmadis in Pakistan bedeutet dies, dass sämtliche gegen die Ahmadis gerichteten Strafgesetze offensichtlich nicht diesen Anforderungen genügten. Bereits diese Regelungen seien für sich genommen daher geeignet, als schwerwiegende Verletzung eines Menschenrechts zu gelten. Mit einzubeziehen seien aber auch die staatlichen Regelungen, wonach Ahmadis, um einen Nationalpass ausgestellt zu bekommen, ihre Glaubensgrundsätze dadurch verleugnen müssten, dass sie sich schriftlich auf einem Sonderformular als Nicht-Moslems bezeichnen müssten. Weiter seien die diskriminierenden Regelungen des Wahlrechts zu berücksichtigen, die es Ahmadis seit längerem unmöglich machten, sich auf normalen Wahllisten als Kandidat aufstellen zu lassen oder die normalen Kandidaten zu wählen, was bewirke, dass Ahmadis an den Parlamentswahlen nicht mehr teilnähmen und daher im Parlament nicht mehr vertreten seien. Es werde insoweit auf den sog. Präsidentenerlass Nr. 15 vom 17.06.2002 zur Ergänzung des Erlasses über die allgemeinen Wahlen 2002 verwiesen. Hiernach müsse unter bestimmten Voraussetzungen ein Formular mit einer Erklärung über die Finalität des Propheten unterzeichnen werden. Falls der Betreffende sich weigere, werde er als Nicht-Muslim betrachtet und sein Name werde aus dem allgemeinen Wahlverzeichnis gestrichen und der Zusatzliste für Nicht-Muslime zugeteilt. Damit werde sowohl das aktive wie auch das passive Wahlrecht deutlich eingeschränkt. Weiter müssten auch die Regelungen bei der Registrierung von Geburten in Betracht gezogen werden, weil bei den öffentlichen Registrierungsstellen die Religion des Kindes bzw. der Eltern angegeben werden müsse. Ahmadis müssten dort "Ahmadi" angeben und dürften nicht entsprechend ihrem Selbstverständnis "Moslem" eintragen lassen. Dies führe in Pakistan faktisch zu einer stigmatisierenden Ausgrenzung. Weiter seien die faktischen Beeinträchtigungen im Schul-, Hochschul- und Ausbildungsbereich sowie die Benachteiligungen bei der Einstellung bzw. Beförderung im öffentlichen Dienst zu berücksichtigen. In Bezug auf das Bildungswesen sei darauf zu verweisen, dass die Studenten auf den Antragsformularen ihre Religionszugehörigkeit angeben müssten. Bezeichneten die Ahmadis sich auf diesem Formular als Moslem riskierten sie eine Freiheitsstrafe. Bezeichneten sie sich als Ahmadi, müssten sie damit rechnen, dass ihnen der Zugang verwehrt werde. Würden sie dennoch zugelassen, dürften sie in der Regel nicht am Pflichtfach "Islamyyat" teilnehmen, was zur Benachteiligung beim Schulabschluss führe. Weiter sei zu verweisen auf die weit verbreiteten Entweihungen der ahmadischen Grab- und Gebetsstätten, der Ausschluss von der Beerdigung auf den meisten Friedhöfen, die Beschränkung der Rede- und Versammlungsfreiheit sowie die Beschränkungen im Bereich der Publizistik. Betrachte man dieses Bündel von diskriminierenden und ausgrenzenden Maßnahmen unterschiedlichen Charakters einerseits sowie andererseits die Tatsache, dass bei einer Gesamtzahl von ca. 2 bis 4 Millionen Ahmadis in Pakistan nur noch ca. 500.000 sog. bekennende Ahmadis lebten, so liege es nahe, dass die weit überwiegende Anzahl der Ahmadis sich nur deshalb nicht traue, sich in der Öffentlichkeit zu ihrem Glauben zu bekennen, um dem auf ihnen lastenden Ausgrenzungsdruck zu entgehen, wobei auch die Existenz und der Vollzug der religiösen Strafgesetze berücksichtigt werden müsse Auch die Anzahl der tätlichen Angriffe von privaten Dritten in Bezug auf religiöses Verhalten der Ahmadis müsse einbezogen werden. Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 25.10.2007 - A 2 K 11194/04 - zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen sowie den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 14.05.2004 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung führt sie aus: § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG i.V.m. Art. 10 Abs. 1 Buchst. b QRL führten grundsätzlich zu keiner anderen Bewertung. Ob Eingriffe in die Religion hinreichend schwerwiegende Rechtsgutverletzungen darstellten, bestimme sich nach Art. 9 QRL. Einschränkungen der religiösen Betätigung als solche stellten nur dann hinreichend schwerwiegende Eingriffe dar, wenn die Religionsausübung gänzlich unterbunden werde oder sie zu einer Beeinträchtigung eines unabdingbaren Teils des religiösen Selbstverständnisses des Gläubigen führten und daher ein Verzicht nicht zugemutet werden könne.

Der beteiligte Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten äußert sich wie folgt: Ahmadis würden in Pakistan durch eine speziell gegen sie gerichtete Gesetzgebung diskriminiert. Ihnen sei unter Strafandrohung verboten, sich als Muslime zu bezeichnen oder sich wie Muslime zu verhalten. Bezogen auf die Gesamtzahl der in Pakistan lebenden etwa drei Millionen Ahmadis sei die Gefahr als gläubiger und praktizierender Ahmadi mit einem Ermittlungs- oder Strafverfahren wegen religiöser Delikte überzogen zu werden, jedoch nach wie vor so gering, dass die Verfolgungsdichte für die Annahme einer Gruppenverfolgung nicht ausreiche. Gleiches gelte für die bisher dokumentierten Fälle von Strafverfahren nach dem Antiterrorrismusgesetz. So ließen sich bis 2001 etwa 40 Fälle feststellen, in den aufgrund dieses Gesetzes gegen Ahmadis vorgegangen worden sei. Eine andere Bewertung ergebe sich auch nicht aus der nunmehr zu berücksichtigten Qualifikationsrichtlinie. Insoweit werde die Sicht der Beklagten geteilt. Ohnedies könne der Kläger nach Art. 8 QRL auf einen internen Schutz verwiesen werden. Er könne im Schutz der Ahmadyya-Gemeinde in einer der großen Städte Pakistans unbehelligt leben. Davon ausgenommen seien nur solche Personen, die einen überregionalen Bekanntheitsgrad erlangt hätten. Dies sei jedoch im Falle des Klägers nicht anzunehmen.

Der Senat hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung ergänzend angehört. Er hat in diesem Zusammenhang folgende Angaben gemacht:

Auf Frage, nach seinen Tätigkeiten, die er in Pakistan wie in Deutschland für seinen Glauben ausgeübt habe: Er habe seine religiösen Pflichten erfüllt, er habe Broschüren verteilt. Er habe seine Gebete verrichtet und sei regelmäßig in die Moschee gegangen. Sie hätten Probleme gehabt, sehr viele sogar. In Deutschland arbeite er für die Moschee, er verrichte die Gebete, er gehe zu Veranstaltungen in andere Städte. Er bringe Sachen von einem Ort zum anderen.

Auf Frage, ob es eine Gemeinde in Mannheim gebe: Ja, in der Stadtmitte, hinter dem Paradeplatz. Es sei eine Wohnung, die als Moschee genutzt werde.

Auf Frage, wie häufig er dort hingehe: Morgens, mittags, nachmittags und abends, er gehe dorthin, um zu beten.

Auf Frage: Er habe Zeit, da er nicht arbeiten dürfe.

Auf Frage: Normalerweise mache er dies jeden Tag. Manchmal habe er aber auch keine Zeit.

Auf Frage: Wenn er auf Ämter gehen müssen oder wenn er Einkaufen gehe.

Auf Vorhalt, dass man doch zwischen den Gebeten einkaufen gehen könne: Er habe keine Fahrkarte und auch kein Geld, weshalb er zu Fuß von seiner Wohnung zum Paradeplatz gehen müsse, dies dauere 1 bis 2 Stunden.

Auf Frage, ob er jeden Tag vier Mal zu Fuß hin und her gehe: Nach dem Gebet am Nachmittag um 16.00 Uhr bleibe er bis zum Abend.

Auf Frage: Morgens gehe er aber immer wieder zurück, auch mittags. Er rufe gelegentlich auch seinen Schwager an, der ihn mit dem Auto mitnehme. Der Schwager habe aber manchmal keine Zeit.

Auf Frage nach den Veranstaltungen in anderen Städten: Letztes Wochenende in Bensheim, auch in Groß-Gerau, am Maimarkt, im August werde wieder eine Veranstaltung auf dem Maimarkt sein.

Auf Frage: In Bensheim seien sie alle zusammengekommen, sie hätten gebetet und gespielt.

Auf Frage: Auf dem Maimarkt, das sei eine große Veranstaltung gewesen. Der religiöse Führer, der Hazur, sei auch gekommen und habe einen Vortrag gehalten. Die Vorbereitungen hätten einen Monat gedauert.

Auf Frage, was er dort gemacht habe: Er habe Anweisungen befolgt.

Auf nochmalige Frage: Er habe geholfen, das Zelt aufzubauen und habe bei der Reinigung geholfen.

Auf Frage nach weiteren Aktivitäten: Es habe Essen gegeben, deutsches und pakistanisches, die Leute hätten miteinander gesprochen und zusammen gebetet.

Auf Frage, worüber sie gesprochen hätten: Über den Islam, über die Ahmadiyya, was ein Ahmadi mache, was ein Nicht-Ahmadi mache.

Auf Frage, was das bedeute und was er damit meine: Er könne das nicht so genau erklären.

Auf erneute Frage: Er habe immer dort seinen Dienst gehabt, er habe Wasser verteilt.

Auf Frage, ob er sich also nicht an den Gesprächen beteiligt habe: Doch, doch, er habe alles gehört.

Auf Frage des Prozessbevollmächtigten, ob er statt von Gesprächen von einer Ansprache rede: Nach der Ansprache des Hazur hätten die Leute zusammen gesessen und geredet, dann sei die Zeit des Gebets gekommen und sie hätten gebet. Danach seien alle wieder raus gegangen, auch der Hazur. Draußen habe es Essen gegeben, manchmal sei man auch wieder in die Halle zurückgegangen.

Auf Frage, ob er sich also nicht an Gesprächen beteiligt habe: Ja.

Auf Frage, was der Hazur bei der Ansprache im Einzelnen gesagt habe: Sie sollten dem richtigen Weg folgen, sie sollten zu den Leute gehen und diese überzeugen, dass die Ahmadis eine gute Gemeinde seien, sollten den Leuten sagen, dass sie zu uns kommen sollten, alle Ahmadis sollten das Heilige Buch, den Koran lesen.

Auf Frage, ob auch er selbst zu den Leuten gegangen sei, um sie zu überzeugen: In Deutschland ja.

Auf Frage, wann, wo und wie er dies mache: Weil er die deutsche Sprache nicht beherrsche, sage er sie sollten in die Moschee kommen.

Auf Frage, wem er solches sage: Den Deutschen und anderen Menschen.

Auf Vorhalt, dass er doch nicht deutsch spreche: Er spreche gebrochen Deutsch, er sage sie sollten in die Moschee kommen.

Der Senat hat den Kläger daraufhin aufgefordert, auf Deutsch zu sagen, wie und mit welchen Worten er andere auffordere, in die Moschee zu kommen.

Auf Frage, ob er auch Pakistani anspreche, die keine Ahmadis seien: Nein.

Auf Frage, ob er also nur Deutsche anspreche: Nein, alle.

Auf Frage, warum er keine Landsleute anspreche: Es habe mal mit einem Landsmann Streit gegeben.

Den Vorhalt, dass, wenn er gläubig wäre, er dieses doch in Kauf nehmen müsste, beantwortete der Kläger nicht.

Auf Frage nach dem Verteilen von Broschüren in der Heimat: In den Broschüren sei über die Gebete, über unseren Kalifen, über unsere Geschichte geschrieben gewesen. Es seien ein kleines Büchlein und eine Zeitschrift gewesen.

Auf Frage, ob dies offiziell von der Ahmadiyya herausgegeben worden sei: Ja.

Auf Frage nach dem Namen: Al Khalid und Al Fazal.

Auf Frage, wie oft er verteilt habe: Das wisse er nicht.

Auf Frage, weshalb er dies nicht wisse: Oft.

Auf nochmalige Frage: Wie solle er dies erklären.

Auf Frage, wie er verteilt habe: In den Häusern.

Auf Frage nach Einzelheiten: Er habe an der Tür geklopft, dann sei jemand gekommen und er habe ihm die Zeitschrift gegeben. Er habe dann den Namen notiert und dies in der Moschee gemeldet. Er habe auch in den Häusern von Nicht-Ahmadis verteilt.

Auf Frage, wie er gewusst habe, an wen er verteilten müsse: Sie hätten gewusst, wo Ahmadis gewohnt hätten.

Auf Frage, wie viele Jahre er dies gemacht habe: Vier Jahre.

Auf Frage, ob dies vom Zeitpunkt der Ausreise gerechnet sei: Ja.

Auf Frage, ob es richtig sei, dass er dann mit 12 Jahren begonnen habe: Ja.

Auf Frage, ob ihm einmal beim Verteilen etwas zugestoßen sei: Nein.

Auf Frage, nach welchen Gesichtspunkten bzw. welchem System er an Nicht-Ahmadis verteilt habe: Der Imam in der Moschee habe es gesagt.

Auf Frage, ob er seine Aktivitäten vollständig geschildert habe oder ob er noch etwas anderes gemacht habe: Dies sei alles gewesen.

Auf nochmalige Frage, ob er sich da ganz sicher sei: Ja.

Auf Vorhalt, dass er bei der Anhörung durch das Bundesamt davon gesprochen habe, dass er Mitgliedsbeiträge gesammelt habe: Ja, das sei richtig.

Auf Frage, wie lange er gesammelt habe: 1 œ bis 2 Jahre.

Auf Frage, warum er soeben nichts davon gesagt habe: Es sei nicht in seinen Kopf gekommen.

Auf Frage nach den genauen Inhalten seines Glaubens und was diesen von dem anderer Muslime unterscheide: Sie stritten nicht miteinander, sie unterstützten sich gegenseitig, die anderen seien egoistisch. Die anderen seien die Sunniten und Schiiten.

Auf Frage, ob dies alle Unterschiede zwischen Ahmadis und Schiiten und Sunniten seien: Er habe alles gesagt.

Auf Frage nach dem eigentlichen Grund und Anlass für seine Ausreise: Er habe nicht in die Schule gehen können, er habe Schläge bekommen, er habe deshalb Angst bekommen.

Auf Frage, von wem er Schläge bekommen habe: Von Nicht-Ahmadis.

Auf Frage, ob dies nur in der Schule gewesen sei: Auch an der Bushaltestelle; die Lehrer hätten nicht eingegriffen, sie hätten sie gehasst.

Auf Frage, wie oft dies geschehen sei: Jeden Tag, mit Stöcken und der flachen Hand.

Auf Frage, wer geschlagen habe: Mitschüler und andere.

Auf Frage, ob dies jeden Tag geschehen sei: Ja, jeden Tag, er habe seinen Eltern davon erzählt, die Polizei habe nicht geholfen, deshalb sei er hier.

Auf Frage, wie lange dies angedauert habe: In der Oberschule, 6. Klasse, habe es begonnen, zwei Jahre.

Auf Frage, wohin er geschlagen worden sei: Überall hin, z.B. auf den Kopf.

Auf Frage, ob man ihm gesagt habe, weshalb man ihn schlage: Weil er ein Ahmadi sei, ein Ungläubiger.

Auf Frage, ob er dies tatsächlich zwei Jahre erduldet habe: Ja, jedes Mal, wenn er nach Hause gekommen sei, sei er verletzt gewesen, am Kopf, an den Beinen, Armen.

Auf Frage, ob er dies zwei Jahre ausgehalten habe: Ja, die Eltern hätten ihn dann nach Deutschland geschickt.

Auf Frage, ob er deswegen auch im Krankenhaus gewesen sei: Nein, nicht richtig im Krankenhaus, immer nur in einer Arztpraxis.

Auf Frage, wie lang er dort gewesen sei: Nach der Behandlung sei er wieder nach Hause zurückgekehrt.

Auf nochmalige Frage: Nach 10 Minuten oder ΠStunde.

Auf Frage, wie oft er in dieser Art beim Arzt gewesen sei: Fast jeden Tag.

Auf Frage, ob er auch mal länger habe bleiben müssen: Nein, die Eltern hätten ihn immer gleich nach Hause genommen.

Auf Vorhalt, dass er beim Bundesamt von einem zweitägigen Krankenhausaufenthalt gesprochen habe: Ja, das sei ein großer Unfall gewesen.

Auf Frage, warum er soeben davon nicht berichtet habe: Das Krankenhaus sei nicht in ihrer Stadt gewesen.

Auf Frage: Er habe das Bein gebrochen gehabt.

Auf Frage, ob er deshalb heute noch Schmerzen habe: Ja.

Auf Frage, wie es zu dem Unfall gekommen sei: Er sei in Richtung Bushaltestelle gegangen, dort habe ein weißer Bus gestanden, die hätten gewusst, dass er Ahmadi sei und seien losgefahren und hätten ihn angefahren.

Auf Frage, ob er die Leute erkannt habe: Nein.

Auf Frage, weshalb er dann wisse, dass die Leute gewusst hätten, dass er Ahmadi sei und ihn gerade deshalb angefahren hätten: Deshalb hätten sie es doch gemacht.

Auf Frage des Prozessbevollmächtigten, ob er gebürtiger Ahmadi sei: Ja.

Auf dessen Frage, ob er sich vorstellen könne, seinen Glauben zu wechseln: Nein, weil er Ahmadi sei, er sei stolz Ahmadi zu sein.

Auf dessen Frage, ob er wisse, warum sie anders seien: Sie glaubten an Mirza Ghulam Ahmad.

Auf dessen Frage, warum er Probleme habe: Die anderen glaubten Mohamed sei gestorben, sie glaubten an Quadiani.

Auf dessen Frage, ob er etwas von ihm gelesen habe: Nein

Auf dessen Frage, ob er im Koran lese: Ja.

Auf dessen Frage, warum er Broschüren an Nicht-Ahmadis verteilt habe: Sie glaubten nicht an sie, sie würden unsere Sachen verbrennen, es brächte gar nichts.

Auf Frage des Senats, warum sie dann aber die Broschüren verteilt hätten: Sie hätten sie eingeladen.

Auf Frage des Prozessbevollmächtigten, ob er ein Bedürfnis habe, Nicht-Ahmadis anzusprechen, auch wenn es Streit gebe: Ja.

Auf Frage der Vertreterin der Beklagten, ob auch der Bruder in die Schule gegangen sei und Probleme gehabt habe: Er sei in eine andere Schule gegangen.

Auf deren Frage, ob die Eltern es hätten einrichten und mit ihren sonstigen Pflichten hätten vereinbaren können, ihn jeden Tag zum Arzt zu bringen; Ja.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Dem Gericht lagen die Verwaltungsakten des Bundesamtes sowie die Akten des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vor.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, insbesondere rechtzeitig unter Stellung eines Antrags und unter Bezugnahme auf die ausführliche Begründung des Zulassungsantrags begründete Berufung (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 18.07.2006 - 1 C 15.05 - NVwZ 2006, 1420 m.w.N.) hat keinen Erfolg. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen (§ 3 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG).

Der Kläger ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats (vgl. § 77 Abs. 1 AsylVfG) kein Flüchtling im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. Art. 2 lit. c der zu dessen Auslegung heranzuziehenden Richtlinie 2004/83/EG vom 29.04.2004 (sog. Qualifikationsrichtlinie - QRL). In diesem Zusammenhang kann der Senat offen lassen, ob § 60 Abs. 1 AufenthG die Qualifikationsrichtlinie vollständig und ordnungsgemäß umsetzt. Denn mit Ablauf der Umsetzungsfrist zum 10.10.2006 (vgl. Art. 38 Abs. 1 QRL) ist diese ohnehin in weitem Umfang unmittelbar anzuwenden.

I. Nach Auffassung des Senats sprechen gewichtige Gesichtspunkte für folgendes Verständnis der hier maßgeblichen Bestimmungen der Qualifikationsrichtlinie:

1. Art. 10 QRL definiert in Anknüpfung an Art. 2 lit. c QRL die flüchtlingsschutzrelevanten Verfolgungsgründe. Im vorliegenden Zusammenhang ist Art. 10 Abs. 1 lit. b QRL maßgeblich. Hiernach umfasst der Begriff der Religion insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme beziehungsweise Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder der Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind.

Art. 10 Abs. 1 lit. b QRL gewährleistet für den Einzelnen einen sehr weitgehenden Schutz, wenn er sowohl die Entscheidung, aus innerer Überzeugung religiös zu leben, wie auch die Entscheidung, aufgrund religiösen Desinteresses jegliche religiöse Betätigung zu unterlassen, schützt und dem Einzelnen zubilligt, dass er sich zu seiner religiösen Grundentscheidung auch nach außen bekennen darf, insbesondere auch die Teilnahme an religiösen Riten im öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen erfasst wird. Die Vorschrift geht damit ihrem eindeutigen Wortlaut nach über den Schutz hinaus, der nach der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu Art. 16a Abs. 1 GG unter dem Aspekt der religiösen Verfolgungsgründe eingeräumt wurde (vgl. grundlegend BVerfG, B.v. 01.07.1987 - 2 BvR 478/86 - BVerfGE 76, 143 <158>; BVerwG, U.v. 25.01.1995 - 9 C 279.94 - NVwZ 1996, 82).

Damit zeichnet der supranationale Normgeber auch für den Bereich des vergemeinschafteten Flüchtlingsschutzes die universelle menschenrechtliche Anerkennung gerade auch der öffentlichen Glaubensausübung bzw. -betätigung nach und bekennt sich zu dieser (vgl. auch die 10. Begründungserwägung, in der sich die Gemeinschaft zur Achtung der Grundrechte bekennt). So gewährleistet Art. 18 des Internationalen Paktes vom 19.12.1966 über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR) die private und die öffentliche Glaubenspraxis, das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, die Freiheit, eine Religion oder eine Weltanschauung eigener Wahl zu haben oder anzunehmen, und die Freiheit, seine Religion oder eine Weltanschauung allein oder in Gemeinschaft mit anderen, öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Beachtung religiöser Bräuche, Ausübung und Unterricht zu bekunden. Des Weiteren wird die Ausübung der Religionsfreiheit auch in der Öffentlichkeit durch Art. 9 EMRK gewährleistet, wenn hiernach die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu wechseln, und die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder gemeinsam mit anderen öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Unterricht oder Praktizieren von Bräuchen und Riten zu bekennen, geschützt wird. Schließlich ist auch auf Art. 1 der Erklärung Nr. 36/55 der Generalversammlung der Vereinten Nationen über die Beseitigung aller Formen von Intoleranz und Diskriminierung aufgrund der Religion und der Überzeugung vom 25.11.1981 hinzuweisen, in der gleichfalls zum Ausdruck kommt, dass das Recht auch auf öffentliche Religionsausübung und religiöse Praxis als fundamentales Menschenrecht allgemein anerkannt ist.

Zur Glaubensfreiheit gehört somit nicht nur die Freiheit, einen Glauben zu haben, sondern auch die Freiheit, nach den eigenen Glaubensinhalten und Glaubensüberzeugungen zu leben und zu handeln. Teil der Religionsausübung sind nicht nur alle kultischen Handlungen und die Ausübung sowie Beachtung religiöser Gebräuche, wie Gottesdienst, Sammlung kirchlicher Kollekten, Gebete, Empfang der Sakramente, Prozessionen, Zeigen von Kirchenfahnen, Glockengeläute, der öffentliche Ruf zum Gebet, sondern auch religiöse Erziehung, Feiern und alle Äußerungen des religiösen und weltanschaulichen Lebens. Umfasst wird schließlich auch das Recht, den Glauben werbend zu verbreiten und andere von diesem zu überzeugen (in diesem Sinne auch BayVGH, U.v. 23.10.2007 - 14 B 06.30315 - InfAuslR 2008, 101; vgl. zum Schutzbereich des Art. 18 IPbpR Nowack, UN-Pakt über bürgerliche und politische Rechte und Fakultativprotokoll, 1989, Art. 18 Rdn. 25; vgl. zu den verschiedenen Formen öffentlicher religiöser Praktiken auch Marx, Handbuch für die Flüchtlingsanerkennung, § 17 Rdn. 12).

Ist hiernach der Schutzbereich der Religion weit zu verstehen, so bietet die Vorschrift keinen Anhalt für ein von vornherein einengendes Verständnis, wonach nicht jede Form der öffentlichen Glaubensbetätigung geschützt sei, sondern nur die aus dem jeweiligen religiösen Verständnis glaubensprägenden beziehungsweise unverzichtbar gebotenen und existentiellen Betätigungen gemeint sein könnten. Dies folgt insbesondere nicht aus dem den Art. 10 Abs. 1 lit. b QRL abschließenden Satzteil "...die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind." Das Gegenteil folgt schon aus der Weite des Begriffs "sich auf eine religiöse Überzeugung stützen", der - insoweit nahe liegend - verlangt, dass die jeweils zu beurteilende Betätigung auf einer religiösen Überzeugung beruhen muss bzw. auf diese zurückgeführt werden kann, ohne aber zwingenden Charakter derart haben zu müssen, dass der oder die Betreffende im Falle des Unterlassens Gewissensnot erleiden oder sündig werden würde. Die Frage nach dem Gewicht und der Bedeutung eines Unterlassens stellt sich erst bei der Beurteilung der Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 Abs. 1 QRL (vgl. unten 2). Darüber hinaus ist zu bedenken, dass Art. 10 Abs. 1 lit. b QRL ausdrücklich etwa auch die Nichtteilnahme an religiösen Riten schützt, somit die Entscheidung, sich religiöser Betätigungen gerade zu enthalten, indem Handlungen, die die Religion als Verhaltensweise zu bestimmten Anlässen vorgibt, gerade unterlassen werden (in diesem Sinne auch SaarlOVG, U.v. 26.06.2007 - 1 A 222/07 - juris).

Allerdings sind die vorgenannten menschenrechtlichen Gewährleistungen nicht schrankenlos eingeräumt. Sowohl Art. 18 IPbpR als auch Art. 9 EMRK differenzieren zwischen der grundsätzlich nicht beschränkbaren Freiheit, eine Religion eigener Wahl zu haben oder anzunehmen einerseits, sowie der Beschränkbarkeit der freien Religionsausübung (d.h. des Bekenntnisses) andererseits. Nach Art. 18 Abs. 3 IPbpR (wie auch vergleichbar nach Art. 9 Abs. 2 EMRK) darf die religiöse Betätigung Einzelner oder der Gemeinschaft allerdings nur zum Schutz der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung, der Gesundheit, der Sittlichkeit und der Grundrechte und Grundfreiheiten anderer verboten oder reglementiert werden, sofern dieses gesetzlich vorgesehen und zur Erreichung der genannten Zwecke notwendig ist und v.a. das einschränkende Gesetz einen angemessenen und verhältnismäßigen Ausgleich herbeiführt. Den jeweiligen Staaten wird dabei aber regelmäßig ein nicht unerheblicher Beurteilungsspielraum zugebilligt (vgl. ausführlich zu den Schrankenvorbehalten Nowack, UN-Pakt über bürgerliche und politische Rechte und Fakultativprotokoll, 1989, Art. 18 Rdn. 31 ff; UNHCR, "Richtlinien zum Internationalen Schutz, Anträge auf Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft aufgrund religiöser Verfolgung", Ziffer 15 f.; vgl. auch Grabenwarter, EMRK, 3. Aufl., S. 246 ff.; Meyer-Ladewig, EMRK, 2. Aufl., Art. 9 Rdn. 8 m.w.N.). Dabei muss das verbietende bzw. einschränkende Gesetz allgemeiner Natur sein, d.h. es muss für alle Staatsbürger - welcher religiösen Ausrichtung sie auch angehören mögen - gleichermaßen Geltung beanspruchen, darf daher nicht auf bestimmte religiöse Gruppen zielen und ausschließlich für diese Einschränkungen vorsehen (vgl. Marx, Handbuch für die Flüchtlingsanerkennung, § 17 Rdn. 23). Dieser Aspekt findet seinen Niederschlag auch in den Bestimmungen der Qualifikationsrichtlinie selbst, wenn diese zur Definition der verfolgungsrelevanten Verfolgungshandlung in Art. 9 Abs. 2 lit. b, c, d und f maßgeblich auf das Kriterium der Diskriminierung abstellt. Vor diesem Hintergrund werden einschränkende Maßnahme, die nicht den genannten Schrankenvorbehalten genügen, insbesondere nicht dem Postulat des allgemeinen Gesetzes genügen, in der Regel indiziell auf eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung hindeuten.

Ausgehend hiervon können diese universal anerkannten Grenzen der Religionsausübungsfreiheit auch zur Konkretisierung des Art. 10 lit. b QRL und seiner Grenzen sinngemäß herangezogen werden.

2. Die Zuerkennung des Flüchtlingsschutzes setzt darüber hinaus voraus, dass eine flüchtlingsschutzrelevante Verfolgungshandlung des maßgeblichen Verfolgers (vgl. hierzu Art. 6 f. QRL) festgestellt wird, die allein oder in der Gesamtheit mit anderen Verfolgungshandlungen eine schwerwiegende Verletzung eines grundlegenden Menschenrechts ausmacht (vgl. Art. 9 Abs. 1 lit. a oder b QRL), wobei in Art. 9 Abs. 2 QRL beispielhaft verschiedene in Betracht zu ziehende Verfolgungshandlungen benannt werden. Erst an dieser Stelle erweist sich im jeweils konkreten Einzelfall, sofern auch die nach Art. 9 Abs. 3 QRL erforderliche Verknüpfung zwischen Verfolgungshandlung und Verfolgungsgrund festgestellt werden kann, ob der oder die Betreffende die Flüchtlingseigenschaft besitzt.

Der in Art. 9 Abs. 2 QRL entfaltete beispielhafte Katalog (insbesondere lit. b und d) möglicher Verfolgungshandlungen macht deutlich, dass eine schwerwiegende Menschenrechtsverletzung nicht nur dann gegeben ist, wenn durch die Verfolgungshandlung - von Eingriffen in Leib oder Leben abgesehen - in die physische Bewegungsfreiheit eingegriffen wird und der in § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG verwendete Begriff der Freiheit nicht in diesem engen Sinne verstanden werden kann.

Auch wenn hiernach formal betrachtet gewissermaßen eine "bloße" oder "einfache" Beeinträchtigung eines Menschenrechts nicht schutzbegründend sein kann, so darf andererseits, wie dargelegt, nicht aus dem Auge verloren werden, dass Art. 10 Abs. 1 lit. a QRL Ausdruck einer Anerkennung bzw. eines Bekenntnisses zu dem grundlegenden Menschenrecht einer gerade auch öffentlichen Glaubensbetätigung ist. Deshalb wäre es nach Auffassung des Senats verfehlt, von einer flüchtlingsschutzrelevanten Verfolgungshandlung nur dann auszugehen, wenn die bisher im asylrechtlichen Kontext relevanten Kriterien eines asylerheblichen Eingriffs in das religiöse Existenzminimum erfüllt sind mit der Folge, dass sich durch die Qualifikationsrichtlinie im Ergebnis keine Änderung der Rechtslage ergeben hätte. Bei dieser Sichtweise würde sich die gemeinschaftsrechtliche Anerkennung dieses Menschenrechts für das Gebiet des Asyl- und Flüchtlingsrechts in der Rechtswirklichkeit nicht durchsetzen und bliebe wirkungs- und folgenlos. Der gemeinschaftsrechtliche Auslegungsgrundsatz des "éffet utile" gebietet aber, Normen des Gemeinschaftsrechts und somit auch Richtlinien so auszulegen, dass ihre praktische Wirksamkeit gewährleistet ist (vgl. Pechstein/Drechsler, in: Reisenhuber, Europäische Methodenlehre, Handbuch für Ausbildung und Praxis, 2006, S. 160, Rn. 69 f.).

Daraus folgt, dass jedenfalls Beschneidungen bzw. Verbote öffentlicher Glaubensbetätigungen bzw. Praktiken, die nach dem Verständnis der jeweiligen Religion bzw. Weltanschauung, aber auch nach dem - nicht notwendigerweise völlig identischen - glaubhaft dargelegten Verständnis des einzelnen Flüchtlings von grundlegender Bedeutung sind, zur Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft führen können, sofern sie nicht in völkerrechtskonformer Ausübung der jeweiligen Schrankenregelungen erfolgen. Insbesondere kann hiernach den Betroffenen nicht angesonnen werden, diese zu unterlassen, um keine entsprechend vorgesehenen Sanktionen herauszufordern. Die Beschränkung auf lediglich grundlegende Betätigungen bzw. Äußerungen hat - gewissermaßen als Kehrseite - ihren Grund darin, dass, wie ausgeführt, nicht jede Beeinträchtigung des Menschenrechts die Qualität einer flüchtlingsschutzrelevanten Verfolgungshandlung erlangt, sondern nur eine solche schwerwiegender Art (a.A. wohl Marx, Handbuch für die Flüchtlingsanerkennung, § 17 Rdn. 28 f.).

3. Zur Beantwortung der Frage, welcher Prognosemaßstab für die festzustellende Verfolgungswahrscheinlichkeit nach der Qualifikationsrichtlinie anzuwenden ist, ist zunächst auf Art. 4 Abs. 3 QRL hinzuweisen, der - bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung (vgl. lit. a) - eine strikt einzelfallbezogene Betrachtung vorgibt. Einzelfallbezogenheit schließt allerdings nicht aus, dass dem darlegungs- und beweiserleichternden Gesichtspunkt der Gruppenverfolgung weiterhin Relevanz beizumessen wäre (vgl. BVerfG, B.v. 02.07.1980 - 1 BvR 147/80 - BVerfGE 54, 341 <358 f.>; B.v. 21.01.1991 - 2 BvR 902/85 - BVerfGE 83, 216 <233>; Kammerb. v. 02.02.1996 - 2 BvR 1576/94 - NVwZ-Beil. 1996, 25; vgl. auch zum Sonderfall eines staatlichen Verfolgungsprogramms BVerwG, U. 05.07.1994 - 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200 <203>). Denn selbstverständlich kann auch nach der Qualifikationsrichtlinie vom Schicksal von Personen, die in einer in wesentlichen Punkten vergleichbaren Situation bereits Verfolgung erlitten haben, bei unverändert gebliebener Sachlage auch prognoserechtlich auf das (künftige) Schicksal anderer Personen geschlossen werden.

Soweit nach der bisherigen Rechtsprechung für die Beurteilung der Frage, ob einem Flüchtling nach den Maßstäben des § 60 Abs. 1 AufenthG Schutz zu gewähren ist, unterschiedliche Maßstäbe anzulegen waren, je nach dem, ob dieser seinen Heimatstaat auf der Flucht vor bereits eingetretener oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung verlassen hat oder ob er unverfolgt in die Bundesrepublik Deutschland gekommen ist (vgl. BVerfG, B.v. 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 - BVerfGE 80, 315 <344 ff.>), trifft die Qualifikationsrichtlinie eine entsprechende Unterscheidung zwar ebenfalls.

Nach den bisher richterrechtlich entwickelten Maßgaben durfte aber ein (landesweit) vorverfolgt ausgereister Flüchtling grundsätzlich nur dann in sein Heimatland zurückgeschickt werden, wenn er dort hinreichend sicher vor erneuter politischer Verfolgung war (sog. herabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab), wobei hinreichende Sicherheit in diesem Zusammenhang bedeutete, dass aufgrund der bereits einmal erlittenen Verfolgung hohe Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit eines Ausschlusses erneuter Verfolgung zu stellen waren. Es musste mehr überwiegend wahrscheinlich sein, dass keine erneute Verfolgung droht, ohne dass allerdings ein mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellter Ausschluss zu verlangen gewesen wäre. Demgegenüber konnte ein unverfolgt Ausgereister bei zu berücksichtigenden objektiven Nachfluchtgründen auf sein Heimatland verwiesen werden, wenn ihm dort nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung drohte, was anzunehmen war, wenn er in absehbarer Zeit dort nicht mit Verfolgungsmaßnahmen ernsthaft zu rechnen hatte (vgl. BVerfG, B.v. 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 - BVerfGE 80, 315 <344 ff.>; vgl. zusammenfassend BVerwG, U.v. 18.02.1997 - 9 C 9.96 - BVerwGE 104, 97).

Auch die Qualifikationsrichtlinie nimmt bei der anzustellenden Verfolgungsprognose eine Differenzierung vor, indem sie in Art. 4 Abs. 4, auf den § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG ausdrücklich Bezug nimmt, ausführt, dass die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf ist, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass er erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Im Übrigen aber verbleibt es bei der Prüfung, ob der Flüchtling zum Zeitpunkt der Entscheidung bei Rückkehr in sein Heimatland erwartbar Verfolgungsmaßnahmen oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erleiden wird oder hiervon unmittelbar bedroht ist. Insoweit kann auch auf die Begriffsbestimmung des Art. 2 lit. c QRL zurückgegriffen werden, wonach "Flüchtling" im Sinne der Qualifikationsrichtlinie einen Drittstaatsangehörigen bezeichnet, der aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder einen Staatenlosen, der sich aus denselben vorgenannten Gründen außerhalb des Landes seines vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts befindet und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht dorthin zurückkehren will. Der letztgenannte Maßstab entspricht dabei dem in der Rechtsprechung entwickelten Maßstab der "beachtlichen Wahrscheinlichkeit" in Anlehnung an die britische Rechtsprechung des "real risk", wobei auch ein Verfolgungsrisiko von unter 50% als beachtlich wahrscheinliches Risiko angesehen werden kann (vgl. BVerwG, U. v. 05.11.1991 - 9 C 118.90 - NVwZ 1992, 582 m.w.N.).

Der von der Rechtsprechung entwickelte Maßstab der "hinreichenden Sicherheit" bei vorverfolgt ausgereisten Flüchtlingen wird somit durch die in Art. 4 Abs. 4 QRL enthaltene Rückausnahme modifiziert. Bei der Auslegung des Art. 4 Abs. 4 QRL können zwar die in der Rechtsprechung entwickelten Kriterien der "hinreichenden Sicherheit vor Verfolgung" mit herangezogen werden, da auch der Richtliniengeber davon ausgeht, dass der bereits einmal verfolgte Flüchtling einen erhöhten Schutzstandard genießt, stellt doch die Vorverfolgung einen ernsthaften Hinweis auf eine auch bei Rückkehr zu befürchtende Verfolgung dar, es sei denn, es greift die Rückausnahme des Art. 4 Abs. 4 a.E. QRL. Allerdings werden die unterschiedlichen Maßstäbe bzw. Ansätze in der praktischen Anwendung sicherlich häufig keine unterschiedlichen Ergebnisse zur Folge haben (weitergehend BayVGH, U. v. 31.08.2007 - 11 B 02.31774 - juris, der auch in Anwendung der Qualifikationsrichtlinie von den bisher entwickelten Prognosemaßstäben ausgeht).

II. Nicht anders als im Falle des Asylgrundrechts (vgl. BVerfG, B.v. 01.07.1987 - 2 BvR 478/86 - BVerfGE 76, 143 <160>) gilt auch im vorliegenden Kontext, dass eine pauschale und rein formale Betrachtung aller Angehörigen einer Religionsgemeinschaft nicht sachgerecht sein kann und daher ausscheiden muss. Es leuchtet unmittelbar ein, dass nach Maßgabe der jeweiligen religiösen Bindungen des einzelnen Asylsuchenden und abhängig von den Verhältnissen im Herkunftsland die Betroffenheit in dem Menschenrecht und daher dessen Beeinträchtigung überhaupt, jedenfalls aber deren Schwere völlig unterschiedliches Gewicht haben können, weshalb insoweit auch keine Frage grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen ist (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

III. Nach Auswertung der zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismittel stellt sich vermutlich die Lage der Ahmadis in Pakistan für den Senat, wie folgt, dar:

1. Zur Religionsgemeinschaft der Ahmadiyya und ihrer Entstehung hat der HessVGH im Urteil vom 31.08.1999 (10 UE 864/98.A - juris) u.a. das Folgende ausgeführt, von dem auch der Senat ausgeht:

".Die Ahmadiyya-Gemeinschaft wurde 1889 durch Mirza Ghulam Ahmad (1835 - 1908) in der Stadt Qadian (im heutigen indischen Bundesstaat Punjab) gegründet und versteht sich als eine innerislamische Erneuerungsbewegung. Ihr Gründer behauptete von sich, göttliche Offenbarungen empfangen zu haben, nach denen er der den Muslimen verheißene Messias und Mahdi, der herabgestiegene Krishna, der wiedergekehrte Jesus und der wiedererschienene Mohammed sei. An der Frage seiner Propheteneigenschaft spaltete sich die Bewegung im Jahre 1914. Die Minderheitengruppe der Lahoris (Ahmadiyya-Anjuman Lahore), die ihren Hauptsitz nach Lahore/Pakistan verlegte und die Rechtmäßigkeit der Kalifen als Nachfolger des Religionsgründers nicht mehr anerkannte, sieht in Ahmad lediglich einen Reformer im Sinne eines "wieder neubelebten" Mohammed, während die Hauptgruppe der Quadianis (Ahmadiyya Muslim Jamaat) ihn als einen neuen Propheten nach Mohammed verehrt, allerdings mit der Einschränkung, dass er nicht ermächtigt sei, ein neues Glaubensgesetz zu verkünden, denn Mohammed sei der letzte "gesetzgebende" Prophet gewesen. Die Bewegung betrachtet sich als die einzig wahre Verkörperung des Islam, den ihr Gründer wiederbelebt und neu offenbart habe. Während die orthodoxen Muslime aus der Sicht der Ahmadis zur Glaubens- und Welterneuerung hingeführt werden müssen, sind die Ahmadis aus der Sicht der orthodoxen Muslime Apostaten, die nach der Ideologie des Islam ihr Leben verwirkt haben.

Im Zuge der Teilung des indischen Subkontinents und der Gründung eines islamischen Staates Pakistan am 13. August 1947 siedelten viele Ahmadis dorthin über, vor allem in den pakistanischen Teil des Punjab. Mitglieder der Hauptgruppe des Qadianis erwarben dort Land und gründeten die Stadt Rabwah im Punjab, die sich zum Zentrum der Bewegung entwickelte. Mehr als 95 % der Bevölkerung gehören der Ahmadiyya-Glaubens-gemeinschaft an und die Stadt ist der Hauptsitz der Gemeinschaft (Ahmadiyya Verfolgungsbulletin Mai 1996, S. 28). Heute heißt die Stadt nach einem Beschluss des Parlaments von Punjab gegen den Willen der Bevölkerung Tschinab Nagar (Ahmadiyya Rundschreiben vom 30.04.1999).

Die Angaben über die Zahl der Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre in Pakistan lebenden Mitglieder der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft gehen weit auseinander und reichen etwa von 103.000 bis 4 Millionen (vgl. Gutachten Dr. Wohlgemuth an Hamb. OVG vom 22.02.1988, S. 454 f.), wobei die Minderheitengruppe der Lahoris mit ca. 5.000 Mitgliedern (AA an Hess. VGH vom 20.07.1994) hier unberücksichtigt bleiben kann. Nach Angaben der Ahmadiyya Muslim Jamaat selbst lag deren Mitgliederzahl im Jahr 1994 bei etwa 2 bis 3 Millionen (vgl. AA an Hess. VGH vom 20.07.1994, S. 1); weltweit sollen es 12 Millionen Mitglieder in über 140 Staaten sein (Ahmadiyya Mitteilung vom 04.09.1996), nach Stanek etwa 1 bis 3 Millionen (Referat vom 15.12.1997, S. 4). Nach Schätzung des der Ahmadiyya-Bewegung zugehörigen Gutachters Prof. Chaudhry lag die Zahl der Ahmadis in Pakistan in diesem Zeitraum dagegen nur bei ein bis zwei Millionen (vgl. Gutachten an Hess. VGH vom 22.05.1994, S. 6). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Ahmadis möglicherweise stärker noch als andere muslimische Glaubensgemeinschaften in Pakistan dazu neigen, ihre Anhängerschaft verdoppelt und verdreifacht anzugeben, und dass ihre Stärke deshalb und aufgrund ihrer früher regen Missionstätigkeit überschätzt worden sein kann (vgl. Ende/Steinbach, Der Islam in der Gegenwart, 1991, S. 295 f.). Die bisweilen genannte Mitgliederzahl von 4 Millionen (vgl. Ahmadiyya an Bundesamt vom 14.07.1991) dürfte deshalb zu hoch (vgl. Gutachten Dr. Conrad an Hess. VGH vom 31.10.1994, S. 4) und eine Schätzung auf 1 bis 2 Millionen - auch für den Zeitpunkt der Ausreise der Klägerin - eher realistisch sein (vgl. Ende/Steinbach, S. 295 für 1983; Dr. Khalid vor dem Bayer. VGH am 22.01.1985, S. 7).

Auch für den Zeitpunkt der Entscheidung des erkennenden Senats sind verlässliche Zahlen über die Entwicklung der Zahl der Ahmadis in Pakistan aus öffentlich zugänglichen Quellen nicht feststellbar; die Ergebnisse der letzten Volkszählung in Pakistan im März 1998 (UNHCR Report vom 01.05.1998, S. 8) sind bis heute nicht veröffentlicht worden. Dass die bereits dem Urteil des erkennenden Senats vom 5. Dezember 1994 (10 UE 77/94) zugrunde gelegte Mitgliederzahl von ca. 1 bis 2 Millionen aber auch heute noch zutreffen dürfte, lässt sich trotz des allgemeinen Bevölkerungswachstums Pakistans von jährlich 2,9 % bei rund 133 Millionen Einwohnern (Fischer Weltalmanach 1999, "Pakistan") oder 136 Millionen (Statistisches Jahrbuch 1995 für das Ausland, S. 210; Microsoft Encarta Enzyklopädie 1999, "Pakistan") oder 126 Millionen Einwohnern (Encyclopaedia Universalis, Chiffres du Monde 1998, "Pakistan") damit erklären, dass die Ahmadiyya-Bewegung seit 1974 und insbesondere seit 1984 so gut wie keine Missionserfolge in Pakistan mehr verzeichnen konnte und durch die gegen sie gerichteten Repressalien Hunderttausende ihrer Mitglieder durch Austritt und Auswanderung verloren haben dürfte (vgl. bereits Gutachten Dr. Ahmed an VG Ansbach vom 05.06.1978, S. 23) Dem steht eine Gesamtbevölkerung Pakistans gegenüber, die zu etwa 75 bis 77 % aus sunnitischen und zu 15 bis 20 % aus schiitischen Muslimen besteht und in unterschiedlichste Glaubensrichtungen zerfällt (vgl. Ende/Steinbach, S. 281; AA an VG Schleswig vom 26.08.1993)."

Auch die aktuellen Zahlen sind nach wie vor nicht eindeutig und weitgehend ungesichert, was nicht zuletzt darin begründet ist, dass die Ahmadis bedingt durch die noch darzustellenden Verbote, sich als Moslems zu bekennen und zu bezeichnen, seit 1974 in großem Umfang die Teilnahme an Volkszählungen verweigern und diese boykottieren (vgl. Home Office, Country of Origin Information Report Pakistan, 07.02.2008, Ziff. 19.41). Das Auswärtige Amt teilt im jüngsten Lagebericht (vom 18.05.2007, S. 16) nur mit, dass nach eigenen Angaben die Ahmadis etwa vier Millionen Mitglieder zählen sollen, wobei allerdings allenfalls 500.000 bis 600.000 bekennende Mitglieder seien.

2. Die Lage der Ahmadis wird maßgeblich durch die folgenden rechtlichen Rahmenbedingungen bestimmt:

a) Der Islam wird in Pakistan durch die Verfassung von 1973 zur Staatsreligion erklärt. Die Freiheit der Religionsausübung ist allerdings von Verfassungs wegen garantiert (U.S. Department of State, Pakistan, International Religious Freedom Report, 10.09.2007, S. 2). Durch eine Verfassungsänderung von 1974 wurden die Ahmadis allerdings ausdrücklich zu Nicht-Muslimen erklärt und in der Verfassung als religiöse Minderheit bezeichnet und geführt. Nach der Verfassung ist hiernach kein Muslim im Sinne der gesamten pakistanischen Rechtsordnung, wer nicht an die absolute und uneingeschränkte Finalität des Prophetenamtes Mohammeds glaubt bzw. auch andere Propheten als Mohammed anerkennt.

Dieses hat unmittelbare Konsequenzen für den Bereich des Wahlrechts insofern als Ahmadis nur auf besonderen Minderheitenlisten kandidieren können und nur solche wählen können. Um ohne Einschränkungen als Muslim kandidieren bzw. wählen zu können, muss eine eidesähnliche Erklärung zur Finalität des Prophetenamtes Mohammeds abgegeben sowie ausdrücklich beteuert werden, dass der Gründer der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft ein falscher Prophet ist. Aufgrund dessen werden seitdem die Wahlen durch die Ahmadis regelmäßig und in erheblichem Umfang boykottiert (vgl. U.S. Department of State, Pakistan, International Religious Freedom Report, 10.09.2007, S. 2; Home Office, Country of Origin Information Report Pakistan, 07.02.2008, Ziff. 19.34 ff.). In den Pässen werden die Ahmadis ausdrücklich (wieder) als "non-muslim" geführt (vgl. AA Lagebericht vom 18.05.2007, S. 16).

b) Seit 1984 bzw. 1986 gelten namentlich drei Vorschriften des pakistanischen Strafgesetzbuches, die sich speziell mit den Ahmadis befassen und diese gewissermaßen zur Absicherung und Unterfütterung ihrer verfassungsrechtlichen Behandlung in den Blick nehmen.

Sec. 298 B lautet (vgl. BVerfG, B.v. 01.07.1987 - 2 BvR 478/86 - BVerfGE 76, 143 <146>):

"(1) Wer als Angehöriger der Qadani-Gruppe oder der Lahorj-Gruppe (die sich 'Ahmadis' oder anders nennen) durch Worte, seien sie gesprochen oder geschrieben, oder durch sichtbare Darstellung

a) eine Person, ausgenommen einen Kalifen oder Begleiter des heiligen Propheten Mohammed (Friede sei mit ihm) als 'Ameerui Mumineen', 'Khalifar-ul-Mimineem', 'Shaabi' oder 'Razi-Allah-Anho' bezeichnet oder anredet;

b) eine Person, ausgenommen eine Ehefrau des heiligen Propheten Mohammed (Friede sei mit ihm) als 'Ummul-Mumineen' bezeichnet oder anredet;

c) eine Person, ausgenommen ein Mitglied der Familie des heiligen Propheten Mohammed (Friede sei mit ihm) als 'Ahle-bait' bezeichnet oder anredet;

d) sein Gotteshaus als 'Masjid' bezeichnet, es so nennt oder benennt, wird mit Freiheitsstrafe einer der beiden Arten bis zu drei Jahren und mit Geldstrafe bestraft.

(2) Wer als Angehöriger der Qadani-Gruppe oder der Lahorj-Gruppe (die sich 'Ahmadis' oder anders nennen) durch Worte, seien sie gesprochen oder geschrieben, oder durch sichtbare Darstellung die Art oder Form des von seiner Glaubensgemeinschaft befolgten Gebetsrufs als 'Azan' bezeichnet oder den 'Azan' so rezitiert wie die Muslime es tun, wird mit Freiheitsstrafe der beiden Arten und mit Geldstrafe bestraft."

Sec. 298 C lautet:

"Wer als Angehöriger der Qadani-Gruppe oder der Lahorj-Gruppe (die sich 'Ahmadis' oder anders nennen) durch Worte, seien sie gesprochen oder geschrieben, oder durch sichtbare Darstellung mittelbar oder unmittelbar den Anspruch erhebt, Muslim zu sein, oder seinen Glauben als Islam bezeichnet oder ihn so nennt oder seinen Glauben predigt oder propagiert oder andere auffordert, seinen Glauben anzunehmen, oder wer in irgendeiner anderen Weise die religiösen Gefühle der Muslime verletzt, wird mit Freiheitsstrafe einer der beiden Arten bis zu drei Jahren und Geldstrafe bestraft."

Sec. 295 C schließlich hat folgenden Wortlaut:

"Wer in Worten, schriftlich oder mündlich oder durch sichtbare Übung, oder durch Beschuldigungen, Andeutungen oder Beleidigungen jeder Art, unmittelbar oder mittelbar den geheiligten Namen des heiligen Propheten Mohammed (Friede sei mit ihm) verunglimpft, wird mit dem Tode oder lebenslanger Freiheitsstrafe und Geldstrafe bestraft."

Die genannten Vorschriften, die nach ihrem eindeutigen Wortlaut im Übrigen nicht nur die öffentliche Sphäre der Religionsausübung betreffen (in diesem Sinne auch ausführlich HessVGH, U.v. 31.08.1999 - 10 UE 864/98.A - juris - Tz. 92 ff.; vgl. auch BVerfG, Kammerb. v. 21.12.1992 - 2 BvR 1263/92 - juris m.w.N.; BVerwG, U.v. 26.10.1993 - 9 C 50.92 - NVwZ 1994, 500; v. 25.01.1995 - 9 C 279.94 - NVwZ 1996, 82, insbesondere auch zur Abgrenzung zwischen forum internum und zur Glaubensbetätigung mit Öffentlichkeitsbezug), stellen diskriminierende, nicht mit Art. 18 Abs. 3 IPbpR zu vereinbarende Strafbestimmungen dar, die zugleich die Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 2 lit. c QRL erfüllen (vgl. auch etwa EGMR, U.v. 24.02.1998 - 140/1996/759/958-960 - Larissis - http://www.echr.coe.int/echr/ -, wonach ein Verbot des Missionierens, sofern keine besonderen Umstände gegeben sind, eine unzulässige Beschränkung der Religionsfreiheit darstellt). Es handelt sich nicht um staatliche Maßnahmen, "die der Durchsetzung des öffentlichen Friedens und der verschiedenen, in ihrem Verhältnis zueinander möglicherweise aggressiv-intoleranten Glaubensrichtungen dienen, und zu diesem Zweck etwa einer religiösen Minderheit mit Rücksicht auf eine religiöse Mehrheit untersagt wird, gewisse Bezeichnungen, Merkmale, Symbole oder Bekenntnisformen in der Öffentlichkeit zu verwenden, obschon sie nicht nur für die Mehrheit, sondern auch für die Minderheit identitätsbestimmend sind" (so BVerfG, B.v. 01.07.1987 - 2 BvR 478/86 - BVerfGE 76, 143 im Kontext des Asylgrundrechts). Dies gilt nicht nur mit Rücksicht auf die fehlende Beschränkung auf die öffentliche Sphäre, sondern auch deshalb, weil hier der pakistanische Staat, auch wenn er stark durch Glaubensüberzeugungen der Mehrheitsbevölkerung geprägt sein mag, nicht die Rolle eines um Neutralität bemühten Staatswesens einnimmt. Vielmehr werden hier einseitig die Angehörigen der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft in Haftung genommen und in ihren Freiheitsrechten und in ihrer religiösen Selbstbestimmung beeinträchtigt, obwohl von einem aggressiven Auftreten gegenüber anderen Religionen, namentlich auch anderen Strömungen des Islam nichts bekannt geworden ist und den inneren Frieden störende Handlungen nicht von ihnen ausgehen, sondern weitgehend allein von zunehmend aggressiv agierenden orthodoxen Teilen der Mehrheitsbevölkerung sowie auch direkt und unmittelbar von staatlichen Behörden (vgl. hierzu AA Lagebericht vom 18.05.2007, S. 14 ff.; U.S. Department of State, Pakistan, International Religious Freedom Report, 10.09.2007, S. 6 und 10; vgl. auch HessVGH, U.v. 31.08.1999 - 10 UE 864/98.A - juris - Tz. 34).

Seit Einführung der spezifisch auf die Ahmadis zugeschnittenen Blasphemiebestimmung von sec. 295 C, die neben weiteren ähnlichen Bestimmungen steht, die bis in die Kolonialzeit zurückreichen, sollen etwa 2000 Strafverfahren gegen Ahmadis eingeleitet worden sein (vgl. Home Office, Country of Origin Information Report Pakistan, 07.02.2008, Ziff. 19.56; vgl. aber auch Ziffer 19.55 mit etwas niedrigeren Zahlen von ausdrücklich und im Einzelnen von der Glaubensgemeinschaft selbst dokumentierten Fällen); allein im Jahre 2006 soll es zu 21 Anklagen gegen Ahmadis gekommen sein (vgl. AA Lagebericht vom 18.05.2007, S. 15, das im Übrigen ausdrücklich die steigende Tendenz als besorgniserregend qualifiziert, vgl. dort S. 5; vgl. auch Freedom House 2007, mit dem Hinweis auf eine Zunahme in den jüngsten Jahren; vgl. auch zu ähnlichen Zahlen Home Office, Country of Origin Information Report Pakistan, 07.02.2008, Ziff. 19.51; Human Rights Commission of Pakistan, 01.02.2006, S. 123 ff., wonach seit 1988 von 647 Fällen allein in den Medien berichtet worden sei). Allerdings ist es bislang zu keinen Todesurteilen gekommen, die auch in letzter Instanz bestätigt worden wären. Weitere Informationen über die Zahl rechtskräftiger Verurteilungen liegen dem Senat nicht vor. Faire Gerichtsverfahren sind, v.a. in erster Instanz, häufig nicht garantiert, weil den Gerichtsorganen die erforderliche Neutralität fehlt, wobei dies nicht zuletzt darauf beruht, dass sie zum Teil durch örtliche Machthaber oder islamistische Extremisten unter Druck gesetzt werden oder aber in hohem Maße korrupt sind (vgl. AA a.a.O., S. 17; U.S. Department of State, Pakistan, Country Reports on Human Rights Practises, 11.03.2008, S. 9 f.). In der Regel werden die Betroffenen bis zum Abschluss des Verfahrens nicht gegen Kaution freigelassen (U.S. Department of State, a.a.O., S. 10). Anwälte von Betroffenen werden gleichfalls häufig von privater Seite eingeschüchtert und unter Druck gesetzt (vgl. U.S. Department of State, a.a.O., S. 16 f.). Die Bestimmung der sec. 295 C wird nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Pakistan auch keineswegs restriktiv verstanden und ausgelegt. Nach dem Urteil des Lahore High Court vom 17.09.1991 (bestätigt durch Urteil des Supreme Court vom 03.07.1993), mit dem ein Verbot der 100-Jahr-Feiern der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft gebilligt wurde, stellt das Rezitieren der Glaubensformel "Es gibt keinen Gott außer Allah, und Mohammed ist sein Prophet" durch einen Ahmadi nicht nur ein strafbares "Sich-Ausgeben" als Muslim im Sinne von sec. 298 C dar, sondern eine Lästerung des Namens des Propheten (vgl. hierzu im Einzelnen HessVGH, U. v. 31.08.1999 - 10 UE 864/98.A - juris - Tz. 46 und 69).

Was die Strafbestimmungen der sec. 298 B und C betrifft, sollen gegenwärtig etwa 1000 Verfahren anhängig sein (vgl. AA Lagebericht vom 18.05.2007, S. 16; vgl. auch zu Zahlen der insgesamt durchgeführten Verfahren Home Office, Country of Origin Information Report Pakistan, 07.02.2008, Ziff. 19.55 f.), wobei hier die Angeklagten sich zumeist auf freiem Fuß befinden (vgl. zu den Hintergründen und Motiven für die Einleitung von Verfahren auch AA a.a.O., S. 17; U.S. Department of State, Pakistan, International Religious Freedom Report, 10.09.2007, S. 6; Home Office, Country of Origin Information Report Pakistan, 07.02.2008, Ziff. 19.57).

Demgegenüber werden Strafbestimmungen, die den Schutz der religiösen Gefühle aller Religionen, somit auch der Minderheitsreligionen, gewährleisten sollen, in der Rechtswirklichkeit nicht oder selten angewandt, wenn deren Gefühle durch Angehörige der Mehrheitsreligion verletzt worden sind (vgl. (U.S. Department of State, Pakistan, International Religious Freedom Report, 10.09.2007, S. 2).

Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass dieser rechtliche Rahmen in der Metropole der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft Rabwah keine Gültigkeit haben sollte. Abgesehen davon ist nichts dafür ersichtlich, dass alle im Geltungsbereich der Qualifikationsrichtlinie schutzsuchenden gläubigen Ahmadis dort einen zumutbaren internen Schutz im Sinne von Art. 8 QRL finden könnte, zumal auch dort keine Sicherheit vor Übergriffen durch radikale Muslime bestehen dürfte (vgl. hierzu im Einzelnen untern d).

c) Den Ahmadis ist es seit 1983 oder 1984 untersagt, öffentliche Versammlungen bzw. religiöse Treffen und Konferenzen abzuhalten, namentlich auch solche Veranstaltungen, auf den öffentlich gebetet wird (vgl. (U.S. Department of State, Pakistan, International Religious Freedom Report, 10.09.2007, S. 4; Home Office, Country of Origin Information Report Pakistan, 07.02.2008, Ziff. 19.53). Hingegen wird es Ahmadis nicht generell unmöglich gemacht, sich in ihren Gebetshäusern zu versammeln, selbst wenn dies durch die Öffentlichkeit wahrgenommen werden kann und wird (AA Lagebericht vom 18.05.2007, S. 16), jedenfalls wird dies im Grundsatz faktisch hingenommen. Allerdings wird die gemeinsame Ausübung des Glaubens immer wieder dadurch behindert, dass Gebetshäuser aus willkürlichen Gründen geschlossen werden bzw. deren Errichtung verhindert wird, während gleichzeitig orthodoxe Sunniten ungehindert an der gleichen Stelle ohne jede Genehmigung eine Moschee errichten können, sowie Gebetshäuser oder Versammlungsstätten immer wieder von Extremisten überfallen werden (vgl. (U.S. Department of State, Pakistan, International Religious Freedom Report, 10.09.2007, S. 5, 7 und 10 f.).

Im Gegensatz zu anderen Minderheitsreligionen ist den Ahmadis jedes Werben für ihren Glauben mit dem Ziel, andere zum Beitritt in die eigene Glaubensgemeinschaft zu bewegen, strikt untersagt und wird auch regelmäßig strafrechtlich verfolgt (vgl. (U.S. Department of State, Pakistan, International Religious Freedom Report, 10.09.2007, S. 4).

Den Ahmadis ist die Teilnahme an der Pilgerfahrt nach Mekka verboten, wenn sie dabei als Ahmadis auftreten bzw. sich zu erkennen geben (U.S. Department of State, Pakistan, International Religious Freedom Report, 10.09.2007, S. 4).

Literatur und andere Veröffentlichungen mit Glaubensinhalten im weitesten Sinn sind verboten; allerdings finden Publikationen in internen Kreisen durchaus größere Verbreitung (U.S. Department of State, Pakistan, International Religious Freedom Report, 10.09.2007, S. 3 und 4).

d) Ahmadis sind seit Jahren und in besonders auffälligen Maße Opfer religiös motivierter Gewalttaten, die aus der Mitte der Mehrheitsbevölkerung von religiösen Extremisten begangen werden, ohne dass die Polizeiorgane hiergegen effektiven Schutz gewähren würden; in nicht wenigen Fällen haben auch Angehörige der Polizei unmittelbar derartige Aktionen mit unterstützt, zumindest aber diesen untätig zugesehen und diese geschehen lassen (vgl. U.S. Department Of State, Pakistan, Country Reports on Human Rights Practises, 11.03.2008, S. 17 f.; U.S. Department of State, Pakistan, International Religious Freedom Report, 10.09.2007, S. 6 f. und 10 f.; Human Rights Commission of Pakistan, 01.02.2006, 119; Human Rights Commission of Pakistan, 01.02.2006, S. 124 mit Beispielen). Dies gilt selbst für ihre "Metropole" Rabwah, jetzt Chenab Nagar (vgl. Home Office, Country of Origin Information Report Pakistan, 07.02.2008, Ziff. 19.59; ai, Jahresbericht 2006). Zu in den 70-er Jahre vorgefallenen pogromartigen Ausschreitungen vergleichbaren Aktionen ist es jedoch nicht mehr gekommen.

e) Nur der Vollständigkeit halber soll noch auf folgenden Umstand hingewiesen werden, der allerdings das vom Senat für richtig gehaltene Ergebnis nicht entscheidend beeinflusst, sondern allenfalls zur Abrundung des Bildes beiträgt und geeignet ist: Die frühere überdurchschnittliche Repräsentanz von Ahmadis im öffentlichen Dienst sinkt seit Jahren bedingt durch eine zunehmende Diskriminierung bei Einstellungen und Beförderungen (vgl. AA Lagebericht vom 18.05.2007, S. 17; Home Office, Country of Origin Information Report Pakistan, 07.02.2008, Ziff. 19.62; Human Rights Commission of Pakistan, 01.02.2006, S. 114; U.S. Department of State, Pakistan, International Religious Freedom Report, 10.09.2007, S. 3 und 16 f.). Desgleichen wird von weit verbreiteten Diskriminierungen beim Zugang zum öffentlichen Bildungswesen und in demselben berichtet (Human Rights Commission of Pakistan, 01.02.2006, S. 119; Home Office, Country of Origin Information Report Pakistan, 07.02.2008, Ziff. 19.65).

3. Die so beschriebene Situation der Ahmadis in Pakistan, die von der "Fédération Internationale des Droits Humaines" (FIDH) im Januar 2005 in der Weise zusammenfassend charakterisiert wurde, dass "die Ahmadis wohl die einzige der am meisten betroffenen Gruppen sei, bei der die Verweigerung des Rechts auf öffentliche Meinungsäußerung, Religionsausübung und Versammlungsfreiheit nahezu umfassend sei" (zitiert nach Home Office, Country of Origin Information Report Pakistan, 07.02.2008, Ziff. 19.56), stellt für einen dem Glauben eng und verpflichtend verbundenen und in diesem verwurzelten Ahmadi, zu dessen Glaubensüberzeugung es auch gehört, den Glauben in der Öffentlichkeit zu leben und in diese zu tragen, eine schwerwiegende Menschrechtsverletzung jedenfalls im Sinne einer kumulierenden Betrachtung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 lit. b QRL dar. Der Präsident von amnesty international Pakistan wird dahingehend zitiert, die Ahmadis seien die am meisten unterdrückte Gruppe in Pakistan, was er nicht zuletzt darauf zurückführt, dass es - anders als bei Christen - niemanden gebe, der sich für diese wirkungsvoll einsetze und den erforderlichen Druck ausübe (zitiert nach Home Office, Country of Origin Information Report Pakistan, 07.02.2008, Ziff. 19.63 a. E.)

Von zentraler Bedeutung für diese Schlussfolgerung des Senats ist dabei das gegen die Ahmadis gerichtete verfassungsunmittelbare Verbot sich als Muslime zu begreifen bzw. zu verstehen und dieses Verständnis insoweit auch in die Öffentlichkeit zu tragen (vgl. Art. 9 Abs. 2 lit. b QRL). Denn hieraus leiten sich letztlich alle oben beschriebenen Verbote, insbesondere soweit sie auch strafbewehrt sind (vgl. Art. 9 Abs. 2 lit. c QRL), ab. Dieses Verbot und seine Folgeumsetzungen müssen das Selbstverständnis der Ahmadis im Kern treffen, wenn jegliches Agieren in der Öffentlichkeit, insbesondere auch ein Werben für den Glauben und ein friedliches Missionieren nicht zugelassen werden und nur unter dem Risiko einer erheblichen Bestrafung möglich sind.

Bei diesem Ausgangspunkt kann nicht die Frage im Vordergrund stehen, ob die bislang bzw. gegenwärtig festgestellten Verurteilungen bzw. Strafverfahren unter dem Gesichtspunkt der Verfolgungsdichte die Annahme einer flüchtlingsrechtlich relevanten Gruppenverfolgung rechtfertigen würden. Denn es kann nicht von der Hand gewiesen werden, dass angesichts der angedrohten erheblichen, ja drakonischen Strafen sowie der zahlreichen nicht enden wollenden ungehinderten Übergriffe extremistischer Gruppen es der gesunde Menschenverstand nahe legen, wenn nicht gar gebieten wird, alle öffentlichkeitswirksamen Glaubensbetätigungen zu unterlassen bzw. äußerst zu beschränken, insbesondere jedes öffentliche werbende Verbreiten des eigenen Glaubens. Diese seit nunmehr weit über 20 Jahre währenden rechtlichen und sozialen Gesamtumstände und -bedingungen der Glaubenspraxis werden auch einen nicht unwesentlichen Faktor für die bereits eingangs festgestellte Stagnation der gesamten Ahmadiyya-Bewegung ausmachen. Insoweit muss die absolute Zahl der Strafverfahren und ihr Verhältnis zu der Zahl der gläubigen Ahmadis daher isoliert betrachtet notwendigerweise ein unzutreffendes Bild abgeben. Würden die gläubigen Ahmadis ihr selbstverständliches Menschenrecht aktiv wahrnehmen, so müssten sie bei realistischer Betrachtungsweise mit erheblichen und nach Art und Zahl zunehmenden Reaktionen von staatlicher Seite bzw. auch von Dritten rechnen. Da die öffentliche Glaubensbetätigung für die Ahmadis (nach ihrem Selbstverständnis gerade auch als Teil der Muslime) als unverzichtbarer Teil des Menschenrechts auf freie Religionsausübung verstanden werden muss, kann auch nicht eingewandt werden, dass das gegenwärtig festzustellende weitgehende Schweigen in der Öffentlichkeit nur Ausdruck eines latenten flüchtlingsrechtlich irrelevanten und daher hinzunehmenden Anpassungsdrucks ist.

IV. Dafür, dass generell jeder pakistanischer Staatsangehöriger allein wegen seiner bloßen Zugehörigkeit zur Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft hingegen Verfolgung zu gewärtigen hätte, bestehen nach den obigen Ausführungen unter II. 2. und den dort verwerteten Erkenntnismitteln keine hinreichenden Anhaltspunkte. Soweit eine innere und verpflichtende Verbundenheit nicht festgestellt werden kann, sind die Betreffenden nicht in dem erforderlichen Maße von den im Einzelnen festgestellten Verfolgungshandlungen betroffen. Insbesondere stellt es nach Überzeugung des Senats keine schwerwiegende Menschenrechtsverletzung dar, wenn dieser Personenkreis sich in der Öffentlichkeit nicht als Muslim bezeichnen kann und darf. Insoweit stellt sich die Sachlage nicht anders dar, als sie bislang der gefestigten Rechtsprechung des Gerichtshofs und der anderer Oberverwaltungsgerichte zu dem Aspekt der asylerheblichen Gruppenverfolgung entsprach (vgl. VGH Baden-Württemberg, B.v. 24.11.2000 - A 6 S 672/99 - juris; HessVGH, U.v. 31.08.1999 - 10 UE 864/98.A - juris; OVG Mecklenburg-Vorpommern, B.v. 29.06.1005 - 2 L 208/01 - juris; OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 21.07.2004 - 19 A 2599/04.A - juris m.w.N.; OVG Saarland, B.v. 15.03.2002 - 9 Q 59/01 m.w.N. - juris; BayVGH, U.v. 24.07.1995 - 21 B 91.30329 - juris; NiedersOVG, U.v. 29.02.1996 - 12 L 6696/95 - juris; ThürOVG, U.v. 30.09.1998 - 3 KO 864/98 - juris; HambOVG, B.v. 02.03.1999 - OVG Bf 13/95 - juris). Hieran ist auch nach dem aktuellen Erkenntnisstand festzuhalten. Die vom Senat verwerteten aktuellen Erkenntnismittel zeichnen, v.a. was den hier in erster Linie in den Blick zu nehmenden Aspekt der Verfolgungsdichte betrifft, kein grundlegend anderes Bild als dies bislang der Fall war. Nachdem die Glaubensgemeinschaft der Ahmadiyya in Pakistan nach wie vor selbst davon ausgeht, dass sie insgesamt etwa vier Millionen Angehörige zählt, darunter etwa 500.000 bis 600.000 bekennende Mitglieder (vgl. AA Lagebericht vom 30.05.2007, S. 16), sieht der Senat gegenwärtig keine ausreichende Grundlage dafür, dass die aktuelle Zahl in einem so signifikanten Maße darunter liegen könnte, dass eine vollständige Neubewertung des Bedrohungsszenarios erfolgen müsste.

V. Der Senat konnte, insbesondere aufgrund der in der mündlichen Verhandlung durchgeführten Anhörung des Klägers, nicht die erforderliche Überzeugung gewinnen, dass er seinem Glauben überhaupt eng verbunden ist, diesen auch in der Vergangenheit regelmäßig ausgeübt hat und auch gegenwärtig in einer Weise praktiziert, dass er im Falle einer Rückkehr nach Pakistan auch unmittelbar von der vorbeschriebenen Situation betroffen wäre.

Dies ergibt sich aus folgendem: Der Senat ist zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger in verschiedener Hinsicht unwahre Angaben macht. Diese falschen Angaben sind nach Auffassung des Senats von solchem Gewicht, dass die Glaubwürdigkeit des Klägers insgesamt in Frage steht. Zunächst sind hinsichtlich der vom ihm behaupteten Aktivitäten für seine Glaubensgemeinschaft in der Heimat vor seiner Ausreise grundlegende Bedenken deshalb gerechtfertigt, weil der Kläger in der mündlichen Verhandlung den Aspekt des Sammelns von Mitgliedsbeiträgen, der im Rahmen der Anhörung durch das Bundesamt ausführlich zur Sprache gekommen war, mit keinem Wort erwähnt hatte. Dabei ist es für den Senat nicht nachvollziehbar, dass der Kläger diesen Aspekt aktuell nur nicht erinnert haben könnte. Denn immerhin soll die Tätigkeit kontinuierlich 1 œ bis 2 Jahre gedauert haben. Hinzu kommt, dass der Kläger ausdrücklich zwei Mal vom Senat gefragt worden war, ob es über die von sich aus geschilderten Aktivitäten noch weitere gegeben habe. Der Senat ist weiter überzeugt davon, dass der Kläger die Unwahrheit sagt, wenn er behauptet, er sei in der Heimat über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren jeden Tag in der Schule bzw. auf dem Schulweg geschlagen worden, wobei er jedes Mal verletzt nach Hause gekommen sei und deshalb fast jeden Tag von seinen Eltern zum Arzt zur ambulanten Behandlung habe gebracht werden müssen. Dass unter diesen Umständen der Kläger nicht wesentlich früher wenigstens den Schulbesuch aufgegeben hat, ist für den Senat in keiner Weise nachvollziehbar. Nicht unberücksichtigt bleiben kann in diesem Zusammenhang auch, dass nach den Angaben des Klägers sein Bruder an einer anderen Schule keine Schwierigkeiten gehabt haben soll. Vor diesem Hintergrund ist der Kläger auch jede nachvollziehbare Darstellung schuldig geblieben, warum die Verhältnisse gerade an seiner Schule so schlecht gewesen sein sollen. Weiter hatte der Kläger beim Bundesamt insoweit unzutreffende Angaben gemacht, als er behauptet hatte, wegen des Vorfalls an der Bushaltestelle zwei Tage in einem Krankenhaus verbracht zu haben. Denn in der mündlichen Verhandlung war trotz wiederholter Nachfrage von einem Krankenhausaufenthalt zu irgendeinem Zeitpunkt nicht mehr die Rede. Der Senat hat hier auch keinen ausreichenden Anhalt, dass der Kläger diesen Gesichtspunkt vergessen oder jedenfalls aktuell nicht mehr in Erinnerung gehabt haben könnte. Denn immerhin hat der Kläger ausdrücklich bejaht, dass er auch aktuell immer wieder Schmerzen am Bein habe. Wenn der Kläger in diesem Zusammenhang, ohne auch nur irgendeinen greifbaren und nachvollziehbaren Anhaltspunkt zu haben, die Behauptung aufgestellt hat, dieser Vorfall sei nur inszeniert worden, weil er Ahmadi sei und um ihn als solchen zu treffen, so spricht dies auch gegen seine allgemeine Glaubwürdigkeit, weil hierin zum Ausdruck kommt, dass er offenbar dazu neigt, wahllos Behauptungen aufzustellen, die sich auf detaillierte Nachfrage als substanzlos herausstellen, wenn ihm dies für seine Zwecke nützlich erscheint. Der Senat ist weiter davon überzeugt, dass der Kläger unwahre Angaben zu seiner Glaubenspraxis in der Bundesrepublik Deutschland gemacht hat. So hat er behauptet, dass er morgens zu Fuß zum Beten in den Versammlungsraum seiner Gemeinde in Mannheim gehe, dann zurückkehre, zum Mittagsgebet sich wieder dorthin begebe und anschließend wieder nach Hause gehe, um dann gegen 16.00 Uhr wieder im Versammlungsraum zu sein, wobei er dann aber bis zum Abendgebet dort bleibe. Legt man seine Angaben zugrunde, dass er für die einfache Wegstrecke 1 bis 2 Stunden benötigt, so muss der Kläger jeden Tag allein 6 bis 12 Stunden zu Fuß unterwegs sein, denn nur gelegentlich soll ihn sein Schwager mit dem Auto mitnehmen. Dann hätte der Kläger aber noch keine Minute gebetet, gegessen und sonstige Dinge des täglichen Lebens verrichtet. Wenn der Kläger in diesem Zusammenhang einerseits vorgetragen hat, er gehe regelmäßig jeden Tag vier Mal zu den Gebeten, manchmal allerdings nicht, nämlich wenn er keine Zeit habe, und als Beispiel hierfür den Gang auf ein Amt oder Einkaufen anführt, so mag das für den Besuch eines Amtes nachzuvollziehen sein, nicht aber für das Einkaufen, da dies auch auf dem Weg vom oder zum Beten erledigt werden kann. Nach Überzeugung des Senats kommt hierin eine Beliebigkeit und mangelnde Ernsthaftigkeit zum Ausdruck, die ebenfalls grundlegende Zweifel an einer echten Bindung an den Glauben begründen. Ohne dass es entscheidend hierauf ankäme, weist der Senat allerdings darauf hin, dass - wie Muslimen generell - auch den Ahmadis fünf Gebete am Tag verbindlich vorgegeben sind und nicht nur vier. Nicht nachvollziehbar geworden ist, warum der Kläger, wenn er denn ein überzeugter und in seinem Glauben verwurzelter Ahmadi sein will, nicht gerade versucht, entsprechend den zentralen Intentionen seiner Glaubensgemeinschaft eigene Landsleute vom Glauben zu überzeugen. Der von ihm schließlich gemachte Einwand, es sei einmal zu einem Streit mit einem Landsmann gekommen, überzeugt in diesem Zusammenhang nicht, da derartige Widrigkeiten naturgemäß bei einer derartigen Überzeugungsarbeit zu gewärtigen sind und ein einmaliger Streit nun wirklich kein triftiger Grund sein kann, bereits nach einem einmaligen Vorfall alle Bemühungen einzustellen. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Kläger zunächst auf eine entsprechende Frage des Senats vollmundig behauptet hatte, er gehe in Deutschland unmittelbar auf die Leute zu, um sie von seinem Glauben zu überzeugen, während er auf Nachfrage zunächst eingeräumt hatte, dass er den Angesprochenen wegen der mangelnden Deutschkenntnisse sage, sie sollten in die Moschee gehen, und sodann auf Bitte des Senats, zunächst von gebrochenem Deutsch gesprochen hatte. Auf die weitere Bitte, dem Senat auf Deutsch genau das zu sagen, was er auch den Angesprochenen sage, machte der Kläger aber teilweise unverständliche Äußerungen, was nur den Schluss zulässt, dass die Behauptung, er spreche in Deutschland Menschen an, um sie für seinen Glauben zu überzeugen, nicht zutrifft. Nimmt man noch hinzu, dass der Kläger, der immerhin seinen Angaben zufolge mindestens zwei Jahre eine höhere Schule besucht hat, jedenfalls von sich aus im Grunde nichts Substantielles zu den Inhalten seines Glaubens, insbesondere zu den Unterschieden zum Glauben anderer Muslime mitteilen konnte, so kann der Senat nicht davon ausgehen, dass der Kläger in einer ernst zu nehmenden Weise innerlich mit dem Glauben der Ahmadis verbunden ist und es insbesondere als für sich verpflichtend ansieht, in irgendeiner Weise auch für diesen Glauben öffentlich einzutreten. Dagegen spricht auch nicht der Umstand, dass der Kläger an verschiedenen Veranstaltungen von Ahmadiyya-Gemeinden teilgenommen und dort auch mitgeholfen haben will. Denn es liegt nahe, dass der Kläger, der seit Jahren ohne nennenswerte deutsche Sprachkenntnisse in einer ihm fremden Umgebung lebt, die Nähe zu Vertrautem und zu Landsleuten sucht.

VI. Der Kläger ist auch nicht aufgrund individueller Vorverfolgungsgründe aus seiner Heimat ausgereist. Denn wie oben unter II 5 dargelegt, sieht sich der Senat schon nicht in der Lage, das diesbezügliche Vorbringen des Klägers zu glauben, weshalb es auf die Frage, ob dem Kläger hinreichender Schutz im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 4 lit. c AufenthG zur Verfügung stand, nicht ankommt.

VII. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, der entsprechenden Anwendung des § 162 Abs. 3 VwGO und § 83b AsylVfG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil kein gesetzlicher Zulassungsgrund vorliegt (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO).

Ende der Entscheidung

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