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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 17.07.2001
Aktenzeichen: A 12 S 199/00
Rechtsgebiete: AuslG


Vorschriften:

AuslG § 51 Abs. 1
Kurden aus der Türkei droht nicht dadurch politische Verfolgung, dass das türkische Militär türkische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit während des Wehrdienstes auch in ihrer Herkunftsregion einsetzt.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

A 12 S 199/00

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und Abschiebungsandrohung

hat der 12. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Brockmann und die Richter am Verwaltungsgerichtshof Utz und Dr. Roth auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 17. Juli 2001

am 17. Juli 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 08. Oktober 1998 - A 5 K 13462/96 - geändert.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten im zweiten Rechtszug.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der am 23.07.1977 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er stammt aus dem Dorf Sulak (kurdisch Bafe), Kreis Idil, Provinz Sirnak (vormals Mardin). Der Kläger war erstmals im November 1990 - gemeinsam mit seinem Bruder xxxxxxxxx (geboren 01.08.1979) und seiner Schwester xxxxxx (geboren 25.07.1983) - in die Bundesrepublik Deutschland gekommen und hatte seine Anerkennung als Asylberechtigter beantragt. Mit Blick auf die Abschiebung seines bereits 1989 als Asylbewerber in die Bundesrepublik eingereisten Bruders xxxxxxxx (geboren 06.07.1962) kehrte der Kläger mit seinen beiden Geschwistern im Oktober 1991 freiwillig in die Türkei zurück. Der Asylantrag wurde mit Schriftsatz seines damaligen Bevollmächtigten vom 16.12.1991 zurückgenommen.

Ein von dem Bruder xxxxxxxx des Klägers nach dessen erneuter Einreise in das Bundesgebiet im Oktober 1992 gestellter Antrag auf Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG blieb ohne Erfolg (rechtskräftiges Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17.05.1993 - A 1 K 11556/92 -). Auf die Asylfolgeanträge vom 09.11.1992 bzw. 24.01.1994 erkannte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Bruder xxxxxxxx und dessen Ehefrau mit Bescheid vom 24.09.1995 als Asylberechtigte an und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Die hiergegen vom Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Urteil vom 21.01.1997 ab (- A 5 K 13778/95 -), der Antrag des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten auf Zulassung der Berufung wurde vom erkennenden Senat abgelehnt (Beschluss vom 12.01.1998 - A 12 S 629/97 -). Zur Begründung seines Urteils hatte das Verwaltungsgericht ausgeführt: Die Beigeladenen hätten nach der Überzeugung des Einzelrichters in der Türkei bereits individuelle politische Verfolgung erlitten. Ergänzend sei noch angemerkt, dass dem Beigeladenen Ziff. 1 (xxxxxxxx xxxxxx) aufgrund seiner "exilpolitischen Aktivitäten" in der Bundesrepublik Deutschland bei einer Rückkehr in die Türkei jedenfalls derzeit auch mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung drohe. Denn er sei an den Vorfällen vor dem türkischen Generalkonsulat in Karlsruhe am 25.06.1993 beteiligt gewesen, bei denen gewalttätige Demonstranten versucht hätten, die vor dem Gebäude des Generalkonsulats aufgestellten Sperrgitter wegzuräumen und das Gebäude zu stürmen. Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe habe in dem u.a. gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruchs bei den zuständigen türkischen Justizbehörden wegen möglicher Vorstrafen angefragt (BAFl.-Akte A 1760047-163, S. 66 f.; vgl. auch die Antwort der türkischen Generaldirektion für Strafregisterangelegenheiten S. 65). Damit sei der Beigeladene Ziff. 1 in besonderer Weise möglichen Verfolgungsorganen seines Heimatlandes gegenüber exponiert worden.

Mit Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom 05.07.1995 (- 5 Cs 61/95 -) wurde der Bruder xxxxxxxx des Klägers vom Vorwurf des Landfriedensbruchs freigesprochen, da ihm über eine bloße Teilnahme an der genannten Demonstration hinaus eine aktive Beteiligung an den erfolgten Gewalttätigkeiten nicht habe nachgewiesen werden können (BAFl.-Akte A 1760047-163, S. 149 ff.).

Der Kläger war seinen eigenen Angaben zufolge im April 1995 auf dem Luftweg erneut in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und hatte am 30.05.1995 erneut seine Anerkennung als Asylberechtigter beantragt. Zur Begründung hatte sein Prozessbevollmächtigter schriftsätzlich vorgetragen, der Kläger sei nach seiner Rückkehr in die Türkei im Oktober 1991 etwa eine Woche lang von türkischen Sicherheitsbehörden festgehalten worden. Danach sei ihm erlaubt worden, Istanbul zu verlassen. In seinem Heimatdorf habe er sich nicht bei den Behörden gemeldet, da er Angst gehabt habe, erneut verfolgt zu werden. In der Folgezeit habe er sich unangemeldet in seinem Heimatdorf aufgehalten. Wegen der günstigen Lage des "Karakol" habe sich der Kläger bei Militär- bzw. Polizeiaktionen jeweils rechtzeitig absetzen können. Seine Mutter lebe nach wie vor im Heimatdorf. Sie sei mehrfach von den Sicherheitsbehörden verhört worden. Mehrfach sei sie auch mit zum "Karakol" genommen worden. Dort sei sie ausdrücklich auch nach dem Kläger und seinem Bruder xxxxxxxx befragt worden. Immer wieder habe man sie unter Druck gesetzt, dass man sie selbst verfolgen würde, wenn sie den Aufenthaltsort ihrer Söhne nicht bekannt gebe. Im Vorfeld der türkischen Militäraktionen im Nordirak habe sich die Sicherheitslage in der Heimat des Klägers zugespitzt. Es sei deshalb nicht mehr möglich gewesen, im Heimatdorf zu bleiben, da jederzeit damit zu rechnen gewesen sei, dass erneute Militär- und Polizeiaktionen stattfänden. Auch sonst habe es für den des Lesens und des Schreibens nicht kundigen Kläger in der Türkei keine vernünftige Existenzmöglichkeit gegeben. Die Kosten für die Flucht in Höhe von DM 5.000,-- seien von Freunden und Verwandten des Klägers aufgebracht worden.

Bei der Anhörung durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge am 19.08.1996 gab der Kläger in kurdischer Sprache an, dass er nicht alleine in Deutschland habe bleiben können, als sein Bruder in die Türkei abgeschoben worden sei. (Auf Frage, warum der Kläger erneut nach Deutschland gekommen sei:) Sie hätten alles Mögliche mit ihnen gemacht; sie hätten ihr Dorf zerstört. Man habe ihnen ihr Hab und Gut genommen. Man habe sie aufgefordert, ihr Dorf zu verlassen. Sie hätten Weizen angebaut. Vor der Ernte habe man alles abgebrannt. Man habe ihnen die Lebensgrundlage zerstört. (Auf Nachfrage:) Als sie von Deutschland aus in die Türkei zurückgekehrt seien, sei ihr Dorf schon halb zerstört gewesen. Die Sicherheitskräfte hätten die Dorfbewohner unter Druck gesetzt, die Dorfschützertätigkeit auszuüben. Sie hätten ihnen ständig Angst gemacht. Sie hätten ihre Felder angesteckt und ihr Vieh getötet. Im Jahr 1993 sei dann ihr Dorf ganz zerstört worden. Seine Mutter habe das Dorf nicht verlassen wollen; sie lebe nach wie vor in einem Zelt. Sie seien gezwungen gewesen, in ein Dorf in der Nähe zu ziehen. Das Dorf nenne sich auf kurdisch Haspist und liege etwa eine Stunde Fußmarsch von seinem Heimatdorf entfernt. (Auf Nachfrage:) Er sei alleine in das Dorf Haspist umgezogen, seine Mutter sei im alten Dorf verblieben. Er habe versucht, im neuen Dorf Fuß zu fassen. Dies sei ihm nicht gelungen. Schließlich habe er im April 1995 beschlossen, die Gegend zu verlassen. Ihre Gegend sei systematisch entvölkert worden. Nur die alten Leute seien geblieben, die Jungen seien alle geflohen. Sein Vater sei 1989 verstorben. Er habe noch eine Schwester (xxxxxx) und zwei Brüder; xxxxxxxx und xxxxxxxxx lebten hier in Deutschland. Über den Aufenthaltsort eines weiteren Bruders (xxxxxxx) sei ihnen nichts bekannt. Sie wüssten nicht, ob er sich der Guerilla angeschlossen habe, glaubten das aber nicht. Seine Mutter sei allein auf sich gestellt. Sie versuche, von Verwandten Hilfe zu bekommen. Die Stiefschwestern und Stiefbrüder wollten sich aber eigentlich gar nicht um sie kümmern. Er sei in Haspist in einem Viehstall untergebracht gewesen. Gearbeitet habe er nicht. Er sei auch nicht in die nächst größere Stadt gegangen, um dort zu arbeiten. Viele, die es in den größeren Städten versucht hätten, seien wiedergekommen. Er habe es deshalb gar nicht erst versucht. Er habe im Dorf Guerillas mit Lebensmitteln und auch finanziell unterstützt und auch alle erdenkliche Hilfe geleistet. Er gehe in Karlsruhe in einen Verein, der "Kurdischer Verein" heiße. Er mache folkloristische Tänze. Außerdem sei er letztes Jahr in Hamburg und in Frankfurt gewesen, als es den Hungerstreik gegeben habe. Er selbst habe sich acht Tage an dem Hungerstreik beteiligt. Es gebe Fotos, auch in Zeitungen und im MED-TV. Letzten Monat habe er zu einer Veranstaltung nach Frankfurt fahren wollen. Sie seien jedoch von der Polizei aufgegriffen und daran gehindert worden. (Auf Nachfrage:) Mit der Volkstanzgruppe tanzten sie nicht nur in der Region, sondern auch in anderen Städten. Dies hänge von den Einladungen ab, die sie bekämen. Eine Aufforderung zur Musterung habe er bisher nicht erhalten. Der Schwiegervater seines Bruders sei erschossen worden. Darüber habe er einen Zeitungsartikel aus der "Yeni Politika". Nachdem er, der Kläger, in die Türkei zurückgekehrt gewesen sei, sei er sehr oft mit dem Vieh auf der Weide gewesen. Sehr häufig seien Soldaten gekommen und hätten nach Guerillas gesucht. Er sei beschimpft und geschlagen worden. Man habe ihm zum Vorwurf gemacht, dass er die Verstecke der Guerillas kennen würde. Tatsächlich habe er die Verstecke nicht gekannt. Aber auch wenn er sie gekannt hätte, hätte er es nicht sagen können. Er habe Angst vor den Soldaten gehabt, weil er ihnen keine befriedigende Antwort habe geben können. Er habe ihnen auch ständig von seinem Vieh abgeben müssen. Die Soldaten hätten ihm ständig unterstellt, dass er etwas mit den Guerillas zu tun habe.

Mit Bescheid vom 29.10.1996 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Asylfolgeantrag des Klägers ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen. Außerdem wurde dem Kläger die Abschiebung in die Türkei angedroht. Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG i.V.m. § 71 AsylVfG lägen vor. Der Kläger sei jedoch nicht als Asylberechtigter anzuerkennen.

Der Kläger hat fristgerecht Klage beim Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben mit dem Antrag, den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 29.10.1996 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen sowie festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG, hilfsweise Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten hat sich nicht geäußert.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ist der Kläger angehört worden. Er hat angegeben, er stamme aus dem Dorf Sulak in der Provinz Sirnak; das Dorf bestehe aus ca. 200 bis 300 Familien. Seine Mutter lebe noch dort. Er habe noch drei Brüder; zwei Brüder lebten hier in Deutschland als anerkannte Asylberechtigte. Sein Bruder xxxxxxxx sei verschwunden und er wisse nicht, wo er sich aufhalte. Außerdem habe er noch eine Schwester. In seinem Heimatdorf sei er unter Druck gesetzt worden. Nachdem sein Bruder xxxxxxxxx das Haus verlassen habe, habe sie der Staat nicht mehr in Ruhe gelassen. Er wisse nicht mehr genau, wann dies gewesen sei. Es sei um das Jahr 1993 bzw. 1994 gewesen. Er sei aufgefordert worden, den Bruder auszuliefern. Man habe sie nicht mehr in Ruhe gelassen. Manchmal seien auch die Guerilla-Freunde zu ihnen gekommen. Auch die Mutter sei nicht in Ruhe gelassen und geschlagen worden. Der Staat habe ihn sehr stark unter Druck gesetzt. Deshalb sei er geflohen. Er sei zum damaligen Zeitpunkt der Älteste gewesen, deshalb hätten sie ihn als Zielscheibe ausgewählt. Ihm sei konkret vorgeworfen worden, dass er Kontakte zur PKK habe. Man habe ihn nicht mehr in Ruhe gelassen, bis er ausgereist sei. Bis zu seiner Ausreise sei er ein oder zwei Jahre lang auf der Flucht gewesen. Als die Soldaten ins Dorf gekommen seien, hätten sie sich versteckt. Manchmal habe er sich bei den Guerillas außerhalb des Dorfes aufgehalten. Er habe sich auch manchmal in den Bergen aufgehalten. Solange die Militärs nicht aus dem Dorf weggewesen seien, sei er weggeblieben. Manchmal sei er im Dorf gewesen und manchmal in den Bergen. (Auf Vorhalt, dass der Kläger beim Bundesamt angegeben habe, dass er sein Heimatdorf verlassen und nach Haspist ins Nachbardorf gezogen sei und er nicht einmal ansatzweise angedeutet habe, dass er sich versteckt gehalten habe:) Er habe das Gleiche schon beim Bundesamt gesagt. Er habe auch dort gesagt, dass er sich versteckt gehalten habe. Seine Mutter lebe noch im Dorf. Die Hälfte des Dorfes sei geflohen. Die Älteren seien im Dorf zurückgeblieben. (Auf Vorhalt, dass er beim Bundesamt angegeben habe, dass das Dorf 1993 ganz zerstört worden sei:) Dies stimme nicht. Die älteren Leute seien im Dorf zurückgeblieben. Auf Nachfrage gab der Kläger an, dass er in der Landwirtschaft mitgearbeitet habe. Sie hätten eigene Tiere und Ackerland gehabt. Inzwischen hätten sie alles verkauft. (Auf Vorhalt, dass der Kläger angegeben habe, dass er im Nachbardorf Haspist in einem Viehstall untergebracht gewesen und dort nicht gearbeitet habe:) Dies stimme so nicht. Er habe angegeben, dass er in der eigenen Landwirtschaft weitergearbeitet habe. Er habe lediglich gesagt, dass, wenn die Militärs gekommen seien, er sich dann im Viehstall versteckt habe. Er habe in der heimischen Landwirtschaft gearbeitet und Schafe gehütet. Vor seiner Ausreise habe er die restlichen Tiere verkauft; mit dem Erlös könne nunmehr seine Mutter den Lebensunterhalt bestreiten. (Auf Nachfrage, was der konkrete Anlass für die Ausreise des Klägers gerade im Jahre 1995 gewesen sei:) Sein Leben sei dort gefährdet gewesen. Deshalb habe er sich entschlossen zu fliehen. Die Sicherheitskräfte hätten die gesamte Bevölkerung zusammengetrieben. Sie hätten keine Unterschiede zwischen Frauen und Kindern gemacht. Sie alle hätten Angst vor den Soldaten gehabt. Die Sicherheitskräfte hätten sie aufgefordert, zu Hause zu bleiben. Eigentlich habe Ausgangssperre ab 18.00 Uhr geherrscht. Die Soldaten hätten gesagt, sie müssten ab 16.00 Uhr zu Hause bleiben. Sie hätten auch die Lebensmittel durcheinander gebracht. Nach der Flucht seiner Brüder habe er sich ein Jahr lang auf der Flucht befunden. Die Sicherheitskräfte hätten ihn nicht in Ruhe gelassen. Sie hätten Druck auf die Mutter ausgeübt. Die Sicherheitskräfte hätten ihn im Dorf jedoch nicht angetroffen. Sie hätten die Mutter und andere Dorfbewohner nach seinem Aufenthalt befragt. Auf Nachfrage gab der Kläger an, dass er nicht zu Hause geschlafen habe, wenn die Soldaten gekommen seien. Er habe dann bei Freunden, Verwandten oder in den Bergen geschlafen. Er habe versucht, sich vor den Soldaten zu verstecken, um nicht festgenommen zu werden. Auf Nachfrage gab der Kläger weiter an, dass er auch nicht in den Westen der Türkei habe ausweichen können. Sie würden überall verfolgt. Sie könnten nicht frei leben. Viele Menschen seien in den Westen gegangen und hätten dort keine Möglichkeit zu leben. Hier in der Bundesrepublik Deutschland sei er ebenfalls politisch aktiv. Er nehme an Folkloreveranstaltungen teil. Er tanze dort. Zuletzt hätten sie bei einer Veranstaltung am 01. Mai getanzt. Außerdem sei er im Kurdischen Verein in Karlsruhe aktiv. Der Verein befinde sich im "Tempel". Auf Nachfrage gab der Kläger weiter an, dass er bei seiner Einreise seinen Neffen xxxxx, den Sohn seines Bruders xxxxxxxx mitgebracht habe.

Mit Urteil vom 08.10.1998 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen für einen Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich der Türkei vorliegen und insoweit und hinsichtlich der Abschiebungsandrohung den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 29.10.1996 aufgehoben. Das Begehren des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigter sei nach Art. 16a Abs. 2 S. 1 und S. 2 GG i.V.m. § 26a Abs. 1 S. 1 und S. 2 AsylVfG ausgeschlossen. Ihm stehe jedoch ein Anspruch auf Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG zu. Dabei könne offen bleiben, ob sich der Kläger bereits auf Vorfluchtgründe berufen könne. Denn er müsse jedenfalls im Falle einer Rückkehr in die Türkei als Mitglied der Familie xxxxxxx Übergriffe und Verhaftungen bis hin zur Folter befürchten. Der Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung und das Vorbringen seiner Brüder in den sie betreffenden Asylverfahren hätten insgesamt ein klares Bild einer kurdischen Familie ergeben, deren herangewachsene männliche Familienmitglieder sämtlich wegen des Verdachts der PKK-Unterstützung verfolgt worden seien und verfolgt würden. Die Geschichte der Verfolgung von Familienmitgliedern und insbesondere der Asylgrund des Bruders xxxxxxxx xxxxxx schlügen auf den Kläger in der Weise durch, dass sie zum eigenen Verfolgungsgrund für diesen würden. Zwar sei nach der türkischen Rechtsordnung Sippenhaft an sich unzulässig. Es entspreche aber der Auskunftslage, dass es bei der Suche nach Separatisten, wie den Mitgliedern der Familie xxxxxx, zu Übergriffen und Verhaftungen bis hin zur Folter von Familienangehörigen und nahestehenden Bekannten komme, um dieser Personen habhaft zu werden bzw. um Informationen über die Aktivitäten dieser Personen in Erfahrung zu bringen. Im Falle einer Rückkehr müsse der Kläger befürchten, wegen der PKK-Aktivitäten der engsten Familienmitglieder zwar wohl nicht mit einem strafrechtlichen, jedoch mit einem polizeilichen Ermittlungsverfahren und damit einhergehenden Misshandlungen überzogen zu werden. Hervorzuheben sei in diesem Zusammenhang, dass der Bruder xxxxxxxxx bei den Vorfällen vor dem türkischen Generalkonsulat in Karlsruhe am 25.06.1993 beteiligt gewesen und davon auszugehen sei, dass diese Beteiligung den türkischen Behörden auch bekannt geworden sei (Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 21.01.1997 - A 5 K 13778/95 -). Mithin sei es beachtlich wahrscheinlich, dass der Bruder des Klägers aus der Sicht der türkischen Sicherheitskräfte ein exponierter Regimegegner sei und aus diesem Grund auch der Kläger bei einer Rückkehr intensiven polizeilichen Verhören allein schon wegen der Tätigkeit seines Bruders ausgesetzt sein werde. Dabei sei davon auszugehen, dass bei einem polizeilichen Verhör Methoden angewendet würden, die wesentlich schärfer seien als die bei der Verfolgung von Vergehen ohne politischen Hintergrund eingesetzten Mittel.

Auf Antrag des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten hat der Senat mit Beschluss vom 26.01.2000 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts wegen Divergenz zugelassen.

Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 08.10.1998 - A 5 K 13462/96 - zu ändern und die Klage im Umfang der Berufungszulassung abzuweisen.

Zur Begründung bezieht er sich auf seine Ausführungen in der Antragsschrift sowie auf den Zulassungsbeschluss.

Die Beklagte schließt sich dem Antrag und der Begründung des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten vollinhaltlich an.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen.

Er bezieht sich zur Begründung auf die Ausführungen in dem angegriffenen Urteil, die durch den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom September 1999 bestätigt würden.

Der Senat hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf die Aufzeichnung des Berichterstatters (Anlage zur Sitzungsniederschrift) verwiesen.

Dem Senat liegen die den Kläger betreffenden Behörden- und Gerichtsakten vor. Diese waren ebenso Gegenstand der mündlichen Verhandlung wie die in der mit der Ladung übersandten Liste aufgeführten Erkenntnismittel und Leitsatzurteile. Gegenstand des Verfahrens waren auch die die Geschwister des Klägers betreffenden Behörden- und Gerichtsakten (BAFL A 1760047-163 sowie VG Karlsruhe - A 1 K 20730/90 -, - A 1 K 11556/92 -, - A 5 K 13778/95 -, - A 5 K 10401/96 - und VGH Baden-Württemberg - A 12 S 629/97 -).

Entscheidungsgründe:

Nach §§ 125 Abs. 1, 102 Abs. 2 VwGO konnte der Senat auch ohne die in der mündlichen Verhandlung ausgebliebenen Beteiligten über die Berufung verhandeln und entscheiden.

Die Berufung ist zulässig. Insbesondere wird die Berufungsbegründung des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten den Anforderungen des § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO gerecht.

Die Berufung ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage des Klägers zu Unrecht teilweise stattgegeben.

Dabei kann dahinstehen, ob das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge und das Verwaltungsgericht im Hinblick auf den nach Rücknahme des Erstantrags und erneuter Einreise in das Bundesgebiet gestellten Asylfolgeantrag des Klägers zu Recht davon ausgegangen sind, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (§ 71 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG) vorgelegen haben. Denn jedenfalls hat der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG oder von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG (zum "Anwachsen" des Hilfsantrags hinsichtlich der Voraussetzungen des § 53 AuslG in der Berufungsinstanz vgl. BVerwG, Urteil vom 15.04.1997, BVerwGE 104, 260); die vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge erlassene Abschiebungsandrohung ist rechtlich nicht zu beanstanden (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).

I.

Bei dem Kläger liegen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG nicht vor. Nach dieser Bestimmung darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Der Kläger war vor der Ausreise nicht von landesweiter politischer Verfolgung betroffen oder bedroht. Ihm droht auch bei einer Rückkehr in das Heimatland nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung.

1. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl (Art. 16a Abs. 1 GG) einerseits und des Abschiebungsverbotes nach § 51 Abs. 1 Satz 1 AuslG andererseits deckungsgleich, soweit es die Verfolgungshandlung, das geschützte Rechtsgut und den politischen Charakter der Verfolgung betrifft.

Eine Verfolgung ist dann eine politische, wenn sie dem einzelnen in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale (politische Überzeugung, religiöse Grundentscheidung oder für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen) gezielt Rechtsverletzungen zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen (BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989, BVerfGE 80, 315, 335; zu den Voraussetzungen im einzelnen siehe die dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mit der Ladung mitgeteilten Senatsurteile).

2. Der Kläger unterlag keiner landesweiten Vorverfolgung bis zur Ausreise.

a) Er war bis zur Ausreise im April 1995 keiner staatlichen gruppengerichteten Verfolgung ausgesetzt. Kurden hatten und haben allein wegen ihrer Volkszugehörigkeit keine politische Verfolgung zu befürchten. Der Senat hat in seinen dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mitgeteilten Urteilen vom 02.04.1998 - A 12 S 1092/96 - und vom 22.07.1999 - A 12 S 1891/97 - festgestellt, dass Kurden in der Türkei in keinem Landesteil bisher, derzeit und auf absehbare Zukunft allein wegen ihrer Volkszugehörigkeit einer unmittelbaren staatlichen Gruppenverfolgung ausgesetzt waren bzw. sind. Weder der Tatsachenvortrag der Beteiligten in diesem Verfahren noch die zwischenzeitlich eingegangenen Erkenntnismittel rechtfertigen eine andere Beurteilung für den Zeitpunkt der Ausreise des Klägers.

b) Der Kläger war in der Heimat vor der Ausreise aus der Türkei auch nicht von landesweiter individueller politischer Verfolgung betroffen oder bedroht.

aa) Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Asylsuchende sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darlegen muss. Ihm obliegt es, bei den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen, von sich aus eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen, und er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern (BVerwG, Beschluss vom 26.10.1989, Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 212; Urteil vom 24.03.1987, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 64). An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es in der Regel, wenn der Asylsuchende im Lauf des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheinen, sowie auch dann, wenn er sein Asylvorbringen im Lauf des Asylverfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Asylbegehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.11.1990, InfAuslR 1991, 94; BVerwG, Urteil vom 30.10.1990, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 135; Beschluss vom 21.07.1989, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 113).

An diesem Maßstab gemessen hat der Senat schon erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt der Angaben des Klägers über das behauptete Vorfluchtgeschehen. So sind ihm bei der Anhörung durch das Verwaltungsgericht zahlreiche und gravierende Widersprüche und Unstimmigkeiten in seinen Darstellungen beim Bundesamt einerseits und vor dem Verwaltungsgericht andererseits vorgehalten worden, ohne dass diese von ihm aufgelöst worden wären (Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 08.10.1998, S. 3 und 4). Dies gilt insbesondere auch für die erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht aufgestellte Behauptung, sich im Heimatdorf bzw. dessen Umgebung versteckt gehalten zu haben (Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 08.10.1998, S. 3), die unvereinbar erscheint mit seinen Angaben beim Bundesamt, beim Hüten des Viehs auf der Weide "sehr häufig" von Soldaten aufgesucht worden zu sein (BAFl.-Akte A 1984612-163, S. 32 letzter Absatz).

bb) Selbst bei Zugrundelegung seiner Angaben vermag der Senat bereits keine - für die Ausreise ursächliche - landesweite Vorverfolgung des Klägers festzustellen. Soweit er geltend macht, im Oktober 1991 unmittelbar im Anschluss an seine Ankunft in der Türkei gemeinsam mit Familienangehörigen "etwa eine Woche lang" von den türkischen Sicherheitsbehörden festgehalten worden zu sein, fehlt es insoweit jedenfalls an dem erforderlichen Kausalzusammenhang mit der erst im April 1995 erfolgten Ausreise, zumal diese Maßnahme offenbar mit weitergehenden Konsequenzen für den Kläger nicht verbunden war. Die für den übrigen Zeitraum bis zur Ausreise geschilderten Maßnahmen der türkischen Sicherheitskräfte erreichen nicht die im Rahmen des § 51 Abs. 1 AuslG relevante Erheblichkeitsschwelle. So hat der Kläger lediglich für seine Mutter vorgetragen, dass diese von den Sicherheitsbehörden zum "Karakol" mitgenommen und mehrfach verhört worden sei. Das Vorbringen zu den seine eigene Person betreffenden Beeinträchtigungen (etwa die Angaben, "der Staat habe ihn nicht mehr in Ruhe gelassen" bzw. "ihn stark unter Druck gesetzt", er sei "aufgefordert worden, den Bruder auszuliefern", sowie der Vortrag, "sehr häufig" seien Soldaten zu ihm auf die Weide gekommen und hätten ihn nach den Verstecken der Guerillas gefragt, er sei beschimpft und geschlagen worden, "sein Leben sei dort gefährdet gewesen") lässt - auch aufgrund seiner Unbestimmtheit - hinreichend sichere Rückschlüsse auf das Vorliegen bzw. das Bevorstehen von dem noch minderjährigen Kläger geltenden Rechtsgutsbeeinträchtigungen asylerheblicher Intensität und Nachhaltigkeit nicht zu.

Unabhängig davon fehlt es an einer landesweiten individuellen Vorverfolgung des Klägers auch deshalb, weil für ihn eine inländische Fluchtalternative gegeben war. Der Senat geht davon aus, dass der Kläger jedenfalls in der Westtürkei vor politischer Verfolgung und auch vor anderen Nachteilen und Gefahren sicher war, die nach ihrer Intensität und Schwere einer asylerheblichen Rechtsgutsbeeinträchtigung aus politischen Gründen gleichkommen und am Herkunftsort so nicht bestünden. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass er dort Maßnahmen der türkischen Sicherheitskräfte ausgesetzt war oder ihm solche drohten, sind weder vorgetragen worden noch sonst erkennbar. Insbesondere lässt sich nicht feststellen, dass gegen den Kläger ein konkreter Verdacht bestand, der geeignet gewesen wäre, ihn nicht nur auf lokaler Ebene in Schwierigkeiten zu bringen, sondern zur Aufnahme in eine landesweite Fahndungsliste geführt hätte. Dem steht auch nicht die Behauptung des Klägers entgegen, seine noch im Heimatdorf lebende Mutter sei vor seiner Ausreise von den Sicherheitsbehörden auch nach ihm befragt worden. Selbst wenn diese Angabe der Wahrheit entspräche, ließe sich daraus nicht ableiten, dass die türkischen Sicherheitskräfte nach dem Kläger wegen seiner (vermuteten) politischen Aktivitäten fahnden. Denn es gehört zum dortigen Alltag, dass die örtlichen Sicherheitskräfte bei den Verwandten nach dem Verbleib insbesondere von jüngeren männlichen Personen fragen, die sich nicht mehr im Ort aufhalten.

Auch im Hinblick auf das Vorliegen der wirtschaftlichen Voraussetzungen einer inländischen Fluchtalternative bestehen für den Senat keine Zweifel. Bedenken ergeben sich insoweit auch nicht daraus, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Ausreise erst siebzehn Jahre alt gewesen ist. Denn es ist auch für "minderjährige Kinder fortgeschrittenen Alters" nicht von vornherein ausgeschlossen, sich ihr Existenzminimum durch eigene Erwerbstätigkeit sicherzustellen (vgl. das Urteil des Senats vom 22.07.1999 - A 12 S 1891/97 -). Ungeachtet der mit Blick auf den Vortrag des Klägers, die Kosten für die Flucht seien "von Freunden und Verwandten des Klägers aufgebracht worden" (Begründung des Folgeantrags, BAFl.-Akte A 1984612-163, S. 8), nahe liegenden Möglichkeit der Unterstützung durch (auch im Ausland lebende) eigene Familienangehörige oder Freunde sowie der jedenfalls grundsätzlich nicht auszuschließenden Möglichkeit der Unterstützung durch soziale Hilfseinrichtungen (Senatsurteil vom 22.07.1999 - A 12 S 1891/97 -) hätte der Kläger die für die Schlepperhilfe erforderlichen 5.000,-- DM auch dafür verwenden können, sich - jedenfalls vorübergehend - im Westen der Türkei eine Existenz aufzubauen.

c) Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich oder von dem Kläger in substantiierter Weise vorgetragen worden, dass ihm zum Zeitpunkt ihrer Ausreise aus der Türkei Verfolgungsmaßnahmen im Sinne einer Einzelverfolgung wegen Gruppenzugehörigkeit unmittelbar bevorstanden.

Auch im Übergangsbereich zwischen anlassgeprägter Einzelverfolgung und gruppengerichteter Kollektivverfolgung können asylerhebliche Gefährdungslagen gegeben sein, die nicht in einer den Gewährleistungsinhalt des Grundrechts des Art. 16a Abs. 1 GG verkürzenden Weise unberücksichtigt bleiben dürfen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.01.1991, BVerfGE 83, 216; BVerwG, Urteil vom 30.04.1996, BVerwGE 101, 134). Tatsächlichen Gefährdungslagen im Übergangsbereich zwischen anlassgeprägter Einzelverfolgung und gruppengerichteter Kollektivverfolgung ist danach im Rahmen der Prüfung der Frage Rechnung zu tragen, ob ein Asylsuchender begründete Furcht vor politischer Verfolgung hegt, weil es ihm bei verständiger Würdigung der gesamten Umstände seines Falles nicht zuzumuten ist, in seinem Heimatstaat zu bleiben oder dorthin zurückzukehren (BVerwG, Urteil vom 23.07.1991, BVerwGE 88, 367). Bei der gebotenen objektiven Beurteilung dieser Frage können grundsätzlich auch Referenzfälle stattgefundener und stattfindender politischer Verfolgung sowie ein Klima allgemeiner moralischer, religiöser oder gesellschaftlicher Verachtung in einem Asylbewerber begründete Verfolgungsfurcht entstehen lassen, sodass es ihm nicht zuzumuten ist, in seinem Heimatstaat zu bleiben oder dorthin zurückzukehren. Die für eine Verfolgung sprechenden Umstände müssen jedoch nach ihrer Intensität und Häufigkeit von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Asylbewerber die begründete Furcht ableiten lässt, selbst Opfer solcher Verfolgungsmaßnahmen zu werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.07.1991, BVerwGE 88, 367). Diese im Wege einer Gesamtbetrachtung vorzunehmende Beurteilung setzt daher die Feststellung eines konkreten und individuellen Lebenssachverhaltes voraus (vgl. Urteil des Senats vom 18.05.1992 - A 12 S 1478/90 - und Beschluss vom 05.11.1992 - A 12 S 904/92 -), also eine Konkretisierung der Gefährdung in Bezug auf den einzelnen Asylbewerber (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13.11.1991 - 18 A 10259/85 -); einen solchen Lebenssachverhalt konnte der Senat indes gerade nicht feststellen.

3. Politische Verfolgung hat der sonach unverfolgt ausgereiste Kläger auch bei seiner Rückkehr nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu fürchten. Es liegen weder objektive noch subjektive - im Rahmen des § 51 Abs. 1 AuslG relevante - Nachfluchtgründe vor.

a) Als objektiver Nachfluchtgrund kann eine unmittelbare oder mittelbare staatliche Verfolgung des Klägers allein wegen kurdischer Volkszugehörigkeit nicht festgestellt werden. Im Übrigen steht nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kurdischen Volkszugehörigen in der westlichen Türkei, insbesondere in den dortigen Großstädten eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung (siehe die vorab mitgeteilten Senatsurteile, insbesondere die Urteile vom 22.07.1999 - A 12 S 1891/97 - und zuletzt vom 13.09.2000 - A 12 S 2112/99 -). Der Senat befindet sich damit in Übereinstimmung mit der aktuellen Beurteilung durch die Oberverwaltungsgerichte und trägt nicht zuletzt dem gebotenen Interesse einer einheitlichen Würdigung desselben Lebenssachverhalts Rechnung (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss[!Duden1] vom 12.08.1997 - 11 BA 96.33496 -; OVG Bremen, Urteil vom 18.03.1998 - OVG 2 BA 30/96 -, S. 55 ff.; Hamburgisches OVG, Urteil vom 03.06.1998 - Bf V 26/92 -, S. 39 ff., offen gelassen nach der Verhaftung von Öcalan im Urteil vom 01.09.1999 - 5 Bf 2/92.A -, S. 43; Hessischer VGH, Urteil vom 27.03.2000 - 12 UE 583/99.A -, S. 48 ff.; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 22.04.1999 - 3 L 3/95 -, S. 12 ff.; Niedersächsisches OVG, Urteile vom 18.01.2000 - 11 L 3404/99 -, S. 13 ff., und vom 30.08.2000 - 11 L 1255/00 -, S. 18 ff.; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25.01.2000 - 8 A 1292/96.A -, RdNrn. 147 ff.; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11.06.1999 - 10 A 11424/98.OVG -, S. 19 f.; OVG Saarland, Urteil vom 29.03.2000 - 9 R 10/98 -, S. 9 f.; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 29.04.1999 - A 1 S 155/97 -, S. 7; Sächsisches OVG, Urteile vom 27.02.1997 - A 4 S 293/96 - sowie - A 4 S 434/96 -; Schleswig-Holsteinisches OVG, Urteil vom 24.11.1998 - 4 L 18/95 -, S. 27 ff.; OVG Thüringen, Urteil vom 25.11.1999 - 3 KO 165/96 -, juris). An diesen Feststellungen hält der Senat in Würdigung des Tatsachenvortrags der Beteiligten sowie der dem Senat bekannten und in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel fest und verweist zur Begründung auf die o.g. Senatsurteile.

Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger im Westen - etwa wegen einer landesweiten Fahndung nach ihm - Maßnahmen der Sicherheitskräfte ausgesetzt wäre, sind nicht ersichtlich (siehe auch unten unter b).

Auch wäre er dort vor anderen Nachteilen und Gefahren hinreichend sicher, die nach ihrer Intensität und Schwere einer asylerheblichen Rechtsgutsbeeinträchtigung aus politischen Gründen gleichkommen und am Herkunftsort so nicht bestünden (siehe die vorab mitgeteilten Senatsurteile, insbesondere die Urteile vom 22.07.1999 - A 12 S 1891/97 - und vom 13.09.2000 - A 12 S 2112/99 -). Insbesondere droht ihm bei der gebotenen generalisierenden Betrachtung (BVerwG, Urteil vom 08.02.1989, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 104) nicht auf Dauer ein Leben unter dem Existenzminimum, das zu Hunger, Verelendung und schließlich zum Tod führt. Vielmehr ergibt sich aus den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln, dass Kurden in der Westtürkei im Allgemeinen eine, wenn auch bescheidene, wirtschaftliche Existenz finden können und zwar selbst dann, wenn sie über keine Schul- oder Berufsausbildung verfügen und der türkischen Sprache nicht mächtig sind (vgl. hierzu im Einzelnen das Senatsurteil vom 22.07.1999, a.a.O.).

Umstände, die Anlass geben könnten, den unverfolgt ausgereisten Kläger aus der generalisierenden Betrachtung auszunehmen, liegen nicht vor (vgl. hierzu das Urteil des BVerwG vom 30.04.1991, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 145). Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Verwandten und Freunde in der Türkei wie auch in Deutschland lebende weitere Verwandte (insbesondere die beiden rechtskräftig als Asylberechtigte anerkannten Brüder) zumindest finanzielle Unterstützung leisten und dem Kläger so den Aufbau einer Existenzgrundlage auch im Westen der Türkei erleichtern können.

b) Bei der Rückkehr in die Türkei droht dem Kläger auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit individuelle politische Verfolgung. Zurückkehrende kurdische Asylbewerber sind grundsätzlich, sofern in ihrer Person keine Besonderheiten vorliegen, bei ihrer Einreise in die Türkei sogar hinreichend sicher davor, an der Grenze oder auf dem Flughafen asylrelevanten staatlichen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt zu sein. Besonderheiten lassen sich im Falle des Klägers nicht feststellen.

Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass zurückkehrende Asylbewerber kurdischer Volkszugehörigkeit nicht routinemäßig, d.h. ohne Vorliegen von Besonderheiten, allein aufgrund eines längeren Auslandsaufenthalts und einer Asylantragstellung (s. BVerfG, Beschluss vom 12.10.1994, NVwZ-Beilage 3/1995, 18, mit Hinweis auf Rechtsprechung des Senats) bei der Wiedereinreise inhaftiert und asylerheblichen Misshandlungen oder Folter ausgesetzt werden (vgl. insbesondere Urteile vom 02.04.1998 - A 12 S 1092/96 -, 02.07.1998 - A 12 S 1006/97 - und - A 12 S 3031/96 - sowie vom 21.07.1998 - A 12 S 2806/96 -). Die inzwischen bekannt gewordenen und zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismittel geben dem Senat keine Veranlassung, seine Rechtsprechung grundsätzlich in Frage zu stellen. Übergriffe gegenüber Rückkehrern sind zwar bekannt geworden, beschränken sich indes angesichts der großen Zahl im Wege der Abschiebung und Zurückschiebung zurückkehrender türkischer Staatsangehöriger auf wenige Einzelfälle, die zudem überwiegend "Besonderheiten" im Sinne der Senatsrechtsprechung aufweisen (vgl. hierzu im Einzelnen das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mitgeteilte Senatsurteil vom 10.11.1999 - A 12 S 2013/97 -).

Auch der Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 07.09.1999 führt zu keiner anderen Beurteilung. Das Auswärtige Amt schränkt dort seine Einschätzung aus dem ad hoc-Lagebericht vom 25.02.1999, dass "angesichts der zur Zeit hochemotionalisierten Atmosphäre im Zusammenhang mit der Inhaftierung Öcalans" zu bedenken sei, "dass ein erhöhtes Risiko einer besonderen Gefährdung für abzuschiebende Türken kurdischer Volkszugehörigkeit" bestehe, dahingehend ein, dass dieses Risiko (lediglich) für solche abzuschiebenden Personen bestehe, "die sich bisher in der Kurdenfrage engagiert" hätten. Gleichzeitig stellt es - insoweit in Übereinstimmung mit dem ad hoc-Lagebericht - fest, dass derzeit dem Auswärtigen Amt keine gesicherten Erkenntnisse darüber vorlägen, dass seit der Festnahme Öcalans aus Deutschland abgeschobene türkische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit nach ihrer Rückkehr in die Türkei Repressionen ausgesetzt gewesen seien. Etwas anderes lässt sich auch nicht den vom Auswärtigen Amt dokumentierten vier Abschiebungsfällen entnehmen, die zeitlich nach der Festnahme Öcalans durch türkische Sicherheitskräfte liegen und in denen das Auswärtige Amt Nachforschungen angestellt hat (Lagebericht, S. 26 ff.). Abgesehen davon, dass sich das Vorliegen von im Rahmen des § 51 Abs. 1 AuslG relevanter Misshandlung oder Folter letztlich wohl in keinem dieser Fälle hat verifizieren lassen, fehlt es insbesondere an ausreichend bestimmten Angaben zu den Hintergründen der berichteten Festnahmen bzw. Übergriffe seitens der Sicherheitskräfte, so dass sich nicht mit hinreichender Verlässlichkeit feststellen lässt, ob neben der Asylantragstellung und dem längeren Auslandsaufenthalt nicht besondere Umstände, insbesondere politische Verdachtsmomente vorlagen, die das konkrete Vorgehen der türkischen Sicherheitsbehörden erklären.

Der Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 22.06.2000 gibt dem Senat ebenfalls keine Veranlassung, von seiner bisherigen Rechtsprechung abzurücken oder diese auch nur zu modifizieren. Soweit[!Duden2] darin - über die früheren Feststellungen zum Problemkreis "Rückkehrgefährdung" hinaus - nur ergänzend über zwei weitere "problematische" Abschiebungsfälle berichtet wird, haben die eingeleiteten Nachforschungen des Auswärtigen Amtes offenbar noch zu keinen verlässlichen[!Duden3] Feststellungen über im Rahmen des § 51 Abs. 1 AuslG relevante Misshandlung oder Folter geführt (Lagebericht, S. 31 f.). In beiden Fällen wurden von den Betroffenen Strafanzeigen bei türkischen Staatsanwaltschaften gestellt, über deren Ausgang dem Auswärtigen Amt im Berichtszeitpunkt ebenfalls (noch) nichts bekannt war. Da insoweit eine Verifizierung der von den Betroffenen erhobenen Vorwürfe noch aussteht, lässt[!Duden4] sich nicht feststellen, ob das behauptete Vorgehen der türkischen Sicherheitskräfte möglicherweise durch "Besonderheiten" im Sinne der o.g. Senatsrechtsprechung ausgelöst wurde. Eine Verifizierung enthält auch der vom Auswärtigen Amt in Ergänzung des Lageberichts vom 22.06.2000 erstellte ad hoc-Bericht vom 30.11.2000 zur Abschiebung von zwei Sprechern des Wanderkirchenasyls in Nordrhein-Westfalen Ende Oktober 2000 nach Istanbul nicht. Ein Abgeschobener ist am Tag der Ankunft auf freien Fuß gesetzt worden und hat angegeben, von den türkischen Behörden ordnungsgemäß behandelt worden zu sein. Der andere hat mitgeteilt, unmittelbar nach Verlassen des Flughafengebäudes festgenommen, sechs Tage lang verhört und übel zugerichtet worden zu sein; die Recherchen haben allerdings eine Reihe von Zweifeln am Wahrheitsgehalt ergeben, u.a. dergestalt, dass er eine medizinische Untersuchung abgelehnt hat. Auch im Übrigen geben die Ausführungen des Auswärtigen Amtes im Lagebericht vom 22.06.2000 und im ad hoc-Bericht vom 30.11.2000 sowie die sonstigen dem Senat bekannt gewordenen und zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismittel dem Senat keine Veranlassung, seine bisherige Rechtsprechung zu ändern.

Der Senat hält vielmehr an seiner bisherigen Überzeugung fest, dass - unabhängig von den Problemen einer verlässlichen[!Duden5] Feststellung der berichteten Geschehnisse und des Vorliegens der diese möglicherweise maßgeblich erst auslösenden besonderen Umstände - die Zahl der Fälle, bei denen aus Deutschland in die Türkei zurückkehrende Personen einer über die Routinebefragung hinausgehenden Behandlung durch Sicherheitskräfte unterzogen worden sind, angesichts der hohen Zahl der Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber nicht den Schluss[!Duden6] auf eine beachtliche Rückkehrgefährdung kurdischer Asylbewerber zulassen. So wurden allein im Jahr 1999 insgesamt 5.298 türkische Staatsangehörige (nach 6.640 Personen im Jahr 1998) auf dem Luftweg in die Türkei abgeschoben (Lagebericht vom 22.06.2000, S. 37). Auch andere westliche Länder mit einer größeren Zahl ausreisepflichtiger türkischer Staatsangehöriger haben keine Bedenken gegen eine Abschiebung abgelehnter Asylbewerber geäußert oder besondere Absprachen für erforderlich erklärt; die Niederlande haben einen vorübergehenden Abschiebestopp wieder aufgehoben (Lagebericht, a.a.O.). Hinsichtlich der sich aus alledem ergebenden Folgerungen und der weiteren Bewertung dieser Zahlen kann insoweit auf das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mitgeteilte Senatsurteil vom 10.11.1999 - A 12 S 2013/97 - (UA S. 26 f.) verwiesen werden.

aa) "Besonderheiten" im Sinne der Senatsrechtsprechung ergeben sich nicht mit Blick auf die familiäre Situation des Klägers unter dem Gesichtspunkt der "Sippenhaft".

Eine "Sippenhaft" in Form strafrechtlicher Verfolgung findet in der Türkei nicht statt (Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 07.09.1999 und vom 22.06.2000; ai, 22.07.1996 an VG Stuttgart; Kaya, 22.05.1995 an VG Mainz). In Betracht zu ziehen ist bei Einreisekontrollen "Sippenhaft" in Form von Repressalien im Allgemeinen allenfalls gegen nahe Angehörige von "PKK-Aktivisten", die per Haftbefehl gesucht werden (Senatsurteile vom 17.01.1995 - A 12 S 64/92 -, vom 02.07.1998 - A 12 S 1006/97 -, vom 07.10.1999 - A 12 S 981/97 -, vom 24.02.2000 - A 12 S 1825/97 -, vom 13.09.2000 - A 12 S 2112/99 - und vom 22.03.2001 - A 12 S 280/00 -; vgl. ai, 03.02.1993 an Bayerischen VGH; Kaya, 03.04.1996 an VG Neustadt/Weinstraße, 16.03.1997 an VG Gießen, 11.03.1998 an VG Berlin; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25.01.2000 - 8 A 1292/96.A -, RdNrn. 365 f.; vgl. weiter Hessischer VGH, Urteil vom 13.12.1999 - 12 UE 2984/97.A -: Keine Sippenhaft nur deshalb, weil Verwandte als Asylberechtigte anerkannt sind oder ein Asylverfahren betreiben; einschränkend dagegen Taylan, Aussage vom 15.05.1997 vor dem VG Gießen; Auswärtiges Amt, 06.04.1995 an VG Neustadt/Weinstraße).

Der Kreis der von "Sippenhaft" betroffenen Personen ist dabei grundsätzlich auf Ehegatten, Eltern, Kinder und Geschwister beschränkt. Diese Beschränkung erklärt sich schon daraus, dass sich die Verwandtschaft bezüglich Eltern, Kindern und Geschwistern anhand der Eintragungen im Personalausweis des Betroffenen sofort erkennen lässt, da daraus die Namen von Vater und Mutter hervorgehen. Für Ehegatten gilt im Ergebnis Entsprechendes, weil die Personenstandsregistrierung einer Frau mit der Eheschließung an den Ort verlegt wird, an dem ihr Ehemann gemeldet ist (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25.01.2000 - 8 A 1292/96.A -, RdNr. 377; zum Alter von Kindern: RdNrn. 379 ff.).

Bei der Einreise in die Türkei erfolgt eine genaue Kontrolle der Personalien des Einreisenden, insbesondere wird geprüft, ob sein Name auf der Fahndungsliste steht, etwa bei Vorliegen eines Haftbefehls, oder ob Ein- oder Ausreiseverbote oder andere "Besonderheiten" im oben erwähnten Sinne vorliegen. Eine systematische Kontrolle auf "Sippenhaft" ist nicht bekannt und wäre auch aus praktischen Gründen allenfalls eingeschränkt möglich. Wenn die Betroffenen nicht selbst die fraglichen Verwandtschaftsverhältnisse angeben, lässt sich bei der Einreise anhand der Eintragungen im Personalausweis allenfalls eine Verwandtschaft zu den genannten nahen Angehörigen feststellen. Die - weitere - Verwandtschaft etwa zu Onkel, Tante, Cousin und Cousine ist allein durch Kontrolle der Personalien nicht festzustellen. Um solche Verwandtschaftsverhältnisse festzustellen, müssten aufwändige Nachforschungen bis "hinunter" zum Heimatort angestellt werden (vgl. hierzu ausführlich Kaya, 16.03.1997 an VG Gießen; Taylan, Aussage am 15.05.1997 vor dem VG Gießen). Bei der Kontrolle der Personalien einer Person werden jedoch nur die persönlichen Daten dieser Person überprüft (Kaya, 16.03.1997 an VG Gießen). Die Nachforschungen bei der Einreise konzentrieren sich in erster Linie auf Fahndungsmaßnahmen oder Einreiseverbote gegen den Rückkehrer selbst. Die Situation von Verwandten und die Beziehung zu diesen wird bei Gelegenheit der Einreisekontrollen grundsätzlich nicht erforscht. Solche Nachforschungen werden allenfalls aus einem besonderen Anlass angestellt (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 02.04.1998 - A 12 S 1959/96 -). Kaya (16.03.1997 an VG Gießen) sieht bei Verwandten zweiten und dritten Grades nur eine "geringe Wahrscheinlichkeit", dass diese Personen unter Druck gesetzt werden. Eine Festnahme bloß wegen des "Verdachts auf Verwandtschaft" ist nicht anzunehmen (Taylan, Aussage vom 15.05.1997 vor dem VG Gießen). Plausibilität und Richtigkeit dieser Erkenntnis werden auch durch die von Rumpf, amnesty international und Kaya geschilderten Fälle (Rumpf, 15.05.1997 und 20.08.1997 an VG Hamburg, 24.07.1998 an VG Berlin; ai, 19.02.1998 und 15.04.1998 an VG Hamburg; Kaya, 17.02.1995 an VG Neustadt/Weinstraße) nicht durchgreifend in Zweifel gezogen. Soweit diese - meist der Presse entnommenen - Schilderungen überhaupt Einzelheiten enthalten und aussagekräftig sind, betreffen sie vornehmlich Fälle aus dem Südosten der Türkei, bei denen es regelmäßig um dort "gesuchte" Verwandte ging. Es kommt bei der Prüfung der Sicherheit bei Einreise und Aufenthaltsnahme in der Westtürkei aber nicht darauf an, ob und inwieweit in den Heimatgebieten der Kurden in der Südosttürkei Repressalien gegen Familienangehörige von Gesuchten erfolgen (vgl. zur Erkenntnislage insoweit Kaya, 17.02.1995 an VG Neustadt/Weinstraße, 17.04.1995 an VG Hannover; Rumpf, 30.06.1994 an VG Frankfurt, 28.07.1997 an VG Berlin, 15.05.1997 an VG Hamburg; Oberdiek, 12.05.1995 an VG Braunschweig, 17.02.1997 an VG Hamburg; ai, 13.03.1995 an VG München, 22.07.1996 an VG Stuttgart, 19.02.1998 an VG Hamburg).

Von der Einreisesituation ist grundsätzlich zu unterscheiden die Gefährdung von (zurückgekehrten) Verwandten "vor Ort", zumal in der Südosttürkei (vgl. hierzu Rumpf, 15.05.1997 an VG Hamburg). Das Auswärtige Amt (vgl. etwa Lagebericht vom 07.09.1999, 03.08.1999 an VG Stuttgart, 02.07.1999 an VG Kassel, 04.06.1999 an VG Freiburg) bestätigt, dass im Rahmen von Fahndungsmaßnahmen Familienangehörige zu Vernehmungen z.B. über den Aufenthalt von Gesuchten geladen werden. Die Einbeziehung des persönlichen Umfelds eines Gesuchten gehört zu einer routinemäßig durchgeführten Ermittlungsarbeit. Freilich sind angesichts der dabei von den türkischen Sicherheitskräften verwandten Vernehmungsmethoden nach wie vor Übergriffe zu verzeichnen, was auch vom Auswärtigen Amt bestätigt wird (vgl. etwa 03.08.1999 an VG Stuttgart, 02.07.1999 an VG Kassel, 04.06.1999 an VG Freiburg). Der Zugriff auf nahe Angehörige setzt indes regelmäßig gezielte polizeiliche oder staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen den betreffenden Angehörigen voraus. Den Erkenntnisquellen ist nämlich nicht zu entnehmen, dass sich die in der Türkei festzustellende Praxis von "Sippenhaft" auch auf Angehörige von bloßen Sympathisanten terroristischer staatsfeindlicher Organisationen erstreckt. Dies bedeutet, dass der Zugriff in Form von Übergriffen auf Angehörige wenig wahrscheinlich ist, wenn eine verwandte Person bei den örtlichen Sicherheitskräften lediglich allgemein - ohne Bezug zu einer konkreten Ermittlung - im vagen Verdacht der PKK-Unterstützung steht, mag diese möglicherweise auch schon deswegen vorübergehend festgenommen und verhört worden sein (vgl. hierzu auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25.01.2000 - 8 A 1292/96.A -, RdNrn. 371 ff.). Das kann der Fall sein, wenn die Verdachtsmomente zu einer weiteren Untersuchungshaft bzw. Anklageerhebung nicht ausgereicht haben, der Betreffende aber gleichwohl von den örtlichen Sicherheitsbehörden argwöhnisch als potentieller PKK-Unterstützer beobachtet wird. Ebenso wenig liegt eine "Sippenhaft" in Form von Repressalien nahe, wenn der betreffende "hauptverdächtige" Verwandte nicht mehr lebt oder in Haft ist (ebenso: OVG Nordrhein-Westfalen, a.a.O., RdNr. 375) oder sich dauerhaft im Ausland, zumal mit einem gesicherten Aufenthaltsstatus, aufhält. In diesen Fällen wird es regelmäßig nicht plausibel sein, dass die türkischen Sicherheitsbehörden auf den Rückkehrer - unterstellt, das Verwandtschaftsverhältnis würde offenbar - massiv Druck ausüben, um des eigentlich Gesuchten habhaft zu werden. Schließlich ist auch nicht zu erwarten, dass ein Angehöriger von vornherein und zwangsläufig dem Verdacht ausgesetzt ist, er teile die politische Meinung des gesuchten Verwandten, oder er habe sich an dessen Aktivitäten beteiligt (Kaya, 22.06.1994 an VG Regensburg; Auswärtiges Amt, 16.08.1994 an VG Regensburg; vgl. auch Rumpf, 15.05.1997 an VG Hamburg).

Ausgehend hiervon lässt sich nicht feststellen, dass dem Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung unter dem Gesichtspunkt der "Sippenhaft" droht. Weder dem Vortrag des Klägers noch den beigezogenen Verwaltungs- und Gerichtsakten lassen sich hinreichende Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass es sich bei den Geschwistern des Klägers um "PKK-Aktivisten" handelt, die als solche aufgrund ihrer Betätigung in der Türkei dort landesweit per Haftbefehl gesucht werden oder gegen die ein Ein- oder Ausreiseverbot verhängt wurde.

Das gilt zunächst für die Brüder xxxxxxxx und xxxxxxxxx sowie die Schwester xxxxxx. Zwar haben diese nach den Feststellungen in den rechtskräftigen Urteilen des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 21.01.1997 - A 5 K 13778/95 - und vom 21.07.1997 - A 5 K 10401/96 - die Türkei vorverfolgt verlassen. Hieraus kann indes für eine Gefährdung des Klägers unter dem Gesichtspunkt der "Sippenhaft" nichts hergeleitet werden. Dabei weist der Senat zur Klarstellung darauf hin, dass er - entgegen der in der Berufungsverhandlung geäußerten Auffassung des Prozessbevollmächtigten des Klägers - weder an die rechtlichen noch an die tatsächlichen Feststellungen in den die Geschwister des Klägers betreffenden Urteilen gebunden ist, was sich schon daraus ergibt, dass ein rechtskräftiges gerichtliches Urteil bindende Wirkung grundsätzlich nur im Verhältnis derselben Beteiligten (und deren Rechtsnachfolger) zueinander zu entfalten vermag (vgl. § 121 Nr. 1 VwGO sowie BVerwG, Urteile vom 16.02.1990, Buchholz 412.3 § 18 BVFG Nr. 13, und vom 10.05.1994, BVerwGE 96, 24, 25 ff.; Clausing, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 121 RdNrn. 95 ff.; Rennert, in: Eyermann, 11. Aufl., § 121 RdNrn. 37 ff.; Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl., § 121 RdNrn. 23 ff.).

Der Bruder xxxxxxxx hatte in seinem Asylverfahren angegeben, einmal im Anschluss an das Newroz-Fest 1992 und ein weiteres Mal im Juli 1992 im Zusammenhang mit der sicherheitsbehördlichen Suche nach einer Waffe und mit Nachfragen nach dem Bruder xxxxxxx vom türkischen Militär festgenommen, zur Wache bzw. zum Gefängnis gebracht, mit dem Tode bedroht und misshandelt worden zu sein. Diesem Vorbringen lassen sich - auch mit Blick darauf, dass xxxxxxxx jeweils nach wenigen Tagen wieder freigelassen wurde, ohne dass weitergehende Maßnahmen gegen ihn ergriffen worden wären, und dass ihm in der Folgezeit noch am 23.07.1992 in Idil ein Nüfus ausgestellt wurde (vgl. Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17.05.1993 - A 1 K 11556/92 -, UA S. 19) - keine greifbaren Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass ein ggf. gegen ihn gehegter Verdacht nicht lediglich Anlass für lokal begrenzte Maßnahmen, sondern für eine - bis heute andauernde - landesweite Suche per Haftbefehl gewesen wäre.

Im Ergebnis das Gleiche gilt für den Bruder xxxxxxxxx und die Schwester xxxxxx. xxxxxxxxx hatte beim Bundesamt vorgetragen, neben anderen Dorfbewohnern im Laufe des Jahres 1993 von den türkischen Sicherheitskräften mehrfach geschlagen worden zu sein; sein Bruder xxxxxxx sei 25 Tage lang festgehalten und dabei gefoltert worden und nach seiner Freilassung Anfang 1993 zur PKK gegangen; deshalb sei auch der Bruder xxxxxxxx unter dem Verdacht der Unterstützung der Guerilla festgenommen, mit dem Tode bedroht und geschlagen worden; nach der Flucht xxxxxxxxx in die Bundesrepublik seien auch xxxxxxxxx und seine Schwester von den Sicherheitskräften befragt und auch geschlagen worden. Auch diesem vom Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zu Grunde gelegten Vortrag sind keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die türkischen Sicherheitskräfte - zumal zum gegenwärtigen Zeitpunkt - landesweit per Haftbefehl nach den beiden Geschwistern fahnden könnten.

Derartiges vermag der Senat schließlich auch für den weiteren Bruder xxxx-xxx nicht festzustellen. Zwar ist vorgetragen worden, dass dieser 25 Tage lang festgenommen, geschlagen bzw. gefoltert worden und dann in die Berge geflohen sei (zu den insoweit divergierenden Zeitangaben vgl. das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17.05.1993, UA, S. 3 <"Anfang Juli 1992"> auf der einen, das Urteil vom 21.07.1997, UA, S. 3 <"Anfang 1993"> auf der anderen Seite). Während xxxxxxxx und xxxxxxxxx in ihren Asylverfahren jedoch angaben, xxxxxxx habe sich der PKK angeschlossen (Urteil vom 17.05.1993, UA S. 4; Urteil vom 21.07.1997, UA S. 3), hat der Kläger bei seiner Anhörung durch das Bundesamt erklärt: "Über den Aufenthaltsort eines weiteren Bruders, xxxxxxx, ist uns nichts bekannt. Wir wissen auch nicht, ob er sich den Guerillas angeschlossen hat, glauben das aber nicht" (BAFl.-Akte A 1984612-163, S. 30). Vor diesem Hintergrund bestehen bereits durchgreifende Zweifel, ob sich xxxxxxx überhaupt der PKK angeschlossen hat. Erst recht gibt es keinerlei verlässliche Anhaltspunkte dafür, dass nach diesem seinerzeit oder gar noch heute nach Ablauf von mittlerweile mindestens acht Jahren per Haftbefehl landesweit gesucht werden könnte.

Das Verwaltungsgericht hat allerdings im Falle des Bruders xxxxxxxx angenommen, diesem drohe auch aufgrund seiner exilpolitischen Aktivitäten in der Bundesrepublik bei einer Rückkehr in die Türkei mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung. Die diesbezüglichen Feststellungen sind nach der Überzeugung des Senats indes ebenfalls nicht geeignet, eine Gefährdung des Klägers unter dem Gesichtspunkt der "Sippenhaft" zu begründen.

Dies gilt bereits deshalb, weil der Senat nicht festzustellen vermag, dass die exilpolitischen Aktivitäten xxxxxxxx xxxxxxx die nach der ständigen Senatsrechtsprechung maßgebliche Schwelle der Exponiertheit erreicht haben. Ist aber die exilpolitische Betätigung einer Person bereits nicht geeignet, im Falle der Rückkehr die beachtliche Gefahr eigener politischer Verfolgung auszulösen, muss dies erst recht gelten für das - abgeleitete - Risiko "sippenhaftähnlicher" Maßnahmen gegenüber Angehörigen (Senatsurteil vom 05.04.2001 - A 12 S 198/00 -).

In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass[!Duden7] wegen exilpolitischer Betätigung bei einer Rückkehr in die Türkei dort - wenn überhaupt - nur exponierten Personen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung droht (vgl. insoweit das den Beteiligten bekannte grundlegende Urteil vom 28.11.1996 - A 12 S 922/94 -; ebenso Bayerischer VGH, Beschluss[!Duden8] vom 12.08.1997 - 11 BA 96.33496 -; OVG Bremen, Urteil vom 17.03.1999 - OVG 2 BA 118/94 -; Hamburgisches OVG, Urteil vom 01.09.1999 - 5 Bf 2/92.A -; Hessischer VGH, Urteil vom 13.12.1999 - 12 UE 2984/97.A -; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 29.07.1998 - 3 L 37/96 -; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 30.08.2000 - 11 L 1255/00 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25.01.2000 - 8 A 1292/96.A -, RdNr. 307; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28.02.2000 - 10 A 11821/98.OVG -; OVG Saarland, Urteil vom 29.03.2000 - 9 R 10/98 -; Sächsisches OVG, Urteil vom 27.02.1997 - A 4 S 434/96 -; OVG Thüringen, Urteil vom 25.11.1999 - 3 KO 165/96 -, juris). An dieser Rechtsprechung hat der Senat insbesondere mit Blick auf den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 07.09.1999 festgehalten (vgl. hierzu im Einzelnen das Urteil vom 07.10.1999 - A 12 S 1021/97 -). Bei einer Gesamtwürdigung der vorliegenden Erkenntnismittel besteht demnach eine Verfolgungsgefahr für exilpolitisch aktive kurdische Asylbewerber bei Rückkehr allenfalls dann, wenn der Betreffende öffentlichkeitswirksam und an führender Stelle tätig geworden, die exilpolitische Tätigkeit mithin als exponiert einzustufen ist. Die Betätigung muss sich deutlich von derjenigen der breiten Masse abheben und von einem solchen inhaltlichen Gewicht sein, dass der Betreffende aus der maßgeblichen Sicht des türkischen Staates als ernstzunehmender politischer Gegner oder als wichtiger Informant anzusehen ist. Allgemeine Leitlinien für das Vorliegen einer entsprechenden Verfolgungsgefahr lassen sich dabei - auch im Hinblick auf das Fehlen einer verallgemeinerungsfähigen Anzahl gesicherter Referenzfälle - nicht aufstellen. Die Verfolgungsgefährdung kann vielmehr nur anhand einer sorgfältigen Würdigung und Gewichtung der konkreten Umstände des Einzelfalles bestimmt werden. In der Regel kann jedoch eine Exponiertheit bei massenhaft vorkommenden "Aktivitäten", wie etwa der schlichten Vereinsmitgliedschaft und der damit verbundenen regelmäßigen Zahlung von Mitgliedsbeiträgen und Spenden, der einfachen Teilnahme an Demonstrationen, Hungerstreiks, Autobahnblockaden und ähnlichen Aktivitäten, der Organisation des äußeren Ablaufs solcher Veranstaltungen (z.B. Ordner, Helfer an Informations- und Bücherständen, Verteiler von Flugblättern, Verkäufer von Zeitschriften sowie von Speisen und Getränken), der Teilnahme an Informationsveranstaltungen und Schulungsseminaren sowie der Platzierung von namentlich gezeichneten Artikeln, Anzeigen und Leserbriefen in Zeitungen (vgl. hierzu Auswärtiges Amt, 02.09.1999 an VG Kassel; Oberdiek, 05.11.1998 an VG Sigmaringen; Kaya, 04.06.1998 an VG Freiburg; Taylan, 11.04.1998 an VG Freiburg) - was auch für entsprechende Internet-Aktivitäten gelten dürfte - für sich gesehen nicht angenommen werden (vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28.02.2000 - 10 A 11821/98.OVG -; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25.01.2000 - 8 A 1292/96.A -, RdNrn. 308 ff.). Auch eine Vielzahl von ihrem sachlichen Gehalt nach niedrig profilierten Aktivitäten verleiht der exilpolitischen Tätigkeit als solcher grundsätzlich ebenso wenig ein größeres, die Annahme hinreichender Exponiertheit rechtfertigendes Gewicht, als wenn sie zum Gegenstand der Berichterstattung in den Medien gemacht oder der Betreffende gar wegen seiner Tätigkeit mit einem Strafverfahren überzogen und von einem deutschen Gericht verurteilt worden ist, was den türkischen Behörden auf dem Weg des zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei vereinbarten Strafnachrichtenaustausches bekannt wird. Denn für das Interesse der türkischen Sicherheitskräfte kommt es weder auf die Anzahl der von dem Asylbewerber vorgenommen exilpolitischen Aktivitäten noch auf die Art und Weise an, wie sie bekannt geworden sind, sondern auf deren politisches Gewicht. Der Senat hat ferner mit dem dem Prozessbevollmächtigten des Klägers bekannt gegebenen Urteil vom 22.03.2001 - A 12 S 280/00 - entschieden, dass es bei dieser Bewertung auch in Anbetracht des Lageberichts des Auswärtigen Amtes vom 22.06.2000 (S. 21) bleibt, wonach besonders solche Kurden oder andere türkische Staatsangehörige beim Betreten türkischen Bodens Gefahr liefen, dass sich staatliche Stellen mit ihnen befassten, die in herausgehobener oder jedenfalls erkennbarer Stellung vom Ausland aus für eine in der Türkei verbotene Organisation gearbeitet haben. Damit wird die Möglichkeit angesprochen, dass auch nicht exponierte exilpolitische Betätigungen politische Verfolgung oder für den Abschiebungsschutz bedeutsame Beeinträchtigungen auslösen können. Vor dem Hintergrund der seitherigen Erkenntnislage besteht aber kein Anlass für die Annahme eines Gefährdungsrisikos, das über die auch bisher nicht für ausgeschlossen gehaltenen Einzelfälle hinausgeht. Ein derartiges Risiko trifft Rückkehrer daher nach wie vor nicht mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit (ebenso: Niedersächsisches OVG, Urteil vom 30.08.2000 - 11 L 1255/00 -).

An diesem Maßstab gemessen haben die vorgetragenen Aktivitäten xxxxxxxx xxxxxxx als Teilnehmer an Demonstrationen, politischen Abenden und Hungerstreiks sowie das - nicht hervorgehobene - Engagement als Mitglied des "Kurdistan-Kultur-Zentrums" in Mannheim die Gefährdungsschwelle erkennbar nicht erreicht. Gleiches gilt für seine Teilnahme an einer - gewalttätig verlaufenen - Demonstration vor dem türkischen Generalkonsulat in Karlsruhe im Juni 1993, die im Rahmen eines gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens zu einer Anfrage der Staatsanwaltschaft Karlsruhe bei den türkischen Justizbehörden wegen möglicher Vorstrafen geführt hat. Anders als das Verwaltungsgericht Karlsruhe vermag der Senat nicht zu erkennen, dass xxxxxxxx xxxxxx hierdurch - für die türkischen Verfolgungsorgane erkennbar - in besonderer Weise exponiert worden wäre. Wie das Verwaltungsgericht nicht verkannt hat, ist in der Anfrage der konkrete Tatvorwurf nicht genannt worden. Deshalb ist ihr ohne weiteres weder eine gegen den türkischen Staat gerichtete exilpolitische Tätigkeit zu entnehmen noch ist erkennbar, dass er sich bei der Tat hervorgetan hätte. Außerdem hat die Staatsanwaltschaft Karlsruhe derartige Anfragen in weiteren 80 Fällen unternommen. Wird ferner in Rechnung gestellt, dass xxxxxxxx xxxxxx durch Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom 05.07.1995 (- 5 Cs 61/95 -) vom Vorwurf des Landfriedensbruchs freigesprochen wurde mit der Begründung, dass ihm über eine bloße Teilnahme an der genannten Demonstration hinaus eine aktive Beteiligung an den erfolgten Gewalttätigkeiten nicht habe nachgewiesen werden können, und dass die dem Ermittlungsverfahren zugrunde liegende Tat zeitlich weit zurückliegt (Juni 1993; vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.02.2000 - 10 A 11821/98 -), vermag der Senat nicht festzustellen, dass er sich derart für die kurdische Sache exponiert hat, dass die türkischen Sicherheitskräfte an ihm (heute noch) ein ernsthaftes Verfolgungsinteresse haben könnten.

Unabhängig davon kann die Gefahr sippenhaftähnlicher Maßnahmen aufgrund von in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführten exilpolitischen Aktivitäten von Angehörigen nicht schon dann angenommen werden, wenn die exilpolitische Betätigung in der Bundesrepublik als exponiert einzustufen ist (s. Senatsbeschluss vom 23.10.2000 - A 12 S 1959/99 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25.01.2000 - 8 A 1292/96.A -, RdNr. 374). Vielmehr kommt insoweit die Gleichstellung eines exilpolitisch Aktiven mit einem aufgrund einer Betätigung in der Türkei per Haftbefehl gesuchten "PKK-Aktivisten" nur dann in Betracht, wenn die verfolgungsauslösende exilpolitische Betätigung im Bundesgebiet der Sache nach ein vergleichbares politisches Gewicht aufweist wie eine militante staatsfeindliche Betätigung in der Türkei selbst (Senatsurteil vom 05.04.2001 - A 12 S 198/00 -; vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25.01.2000, a.a.O.). Das Vorliegen dieser Voraussetzung kann mit Blick auf die - sowohl bei der Demonstration vor dem Generalkonsulat in Karlsruhe als auch bei seinem exilpolitischem Engagement im Übrigen - nicht über eine Mitläuferfunktion hinausgegangenen Aktivitäten des Bruders des Klägers nicht angenommen werden.

Bei einer wertenden Gesamtschau (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12.07.1983, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 10) ist deshalb mit sippenhaftähnlichen Maßnahmen im Falle der Rückkehr des Klägers nicht zu rechnen. Für eine dem Kläger günstige Risikoprognose spricht dabei auch, dass die Zugehörigkeit des Klägers zur Familie xxxxxxx bis zu seiner Ausreise im April 1995 in der Türkei keine im Rahmen des § 51 Abs. 1 AuslG erheblichen Reaktionen der türkischen Sicherheitskräfte ausgelöst hat und dass sich die Brüder xxxxxxxx und xxxxxxxxx mit einem gesicherten Aufenthaltsstatus dauerhaft in Deutschland aufhalten und es auch deshalb nicht nahe liegt, dass wegen ihnen (noch) ein besonderes Informationsinteresse der Sicherheitsorgane am Kläger bestehen könnte.

bb) Besonderheiten liegen bei dem Kläger auch nicht wegen eigener exilpolitischer Tätigkeiten vor. Die vorgetragenen Aktivitäten des Klägers insbesondere als einfacher Teilnehmer an Hungerstreiks und öffentlichen Kundgebungen sowie als Mitglied einer kurdischen Volkstanzgruppe und die durch nichts hervorgehobene Betätigung in dem "Kurdischen Verein" in Karlsruhe hat die nach den oben unter aa) aufgezeigten Maßstäben maßgebliche Gefährdungsschwelle ersichtlich nicht erreicht.

cc) Im vorliegenden Fall ergeben sich "Besonderheiten" schließlich auch nicht im Zusammenhang mit der Erfüllung der Wehrpflicht.

Nach dem türkischen Wehrpflichtgesetz (Gesetz Nr. 1111 vom 21.06.1927) beginnt die Wehrpflicht am 1. Januar des Jahres, in dem das 20. Lebensjahr vollendet wird. Ein Recht zur Verweigerung des Wehrdienstes besteht nicht (Rumpf, 23.01.2001 an VG Augsburg; Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 22.06.2000). Wehrpflichtige werden im Alter von 19 Jahren zur Musterung aufgefordert. Die Einberufung zum Wehrdienst erfolgt grundsätzlich zum 1. Mai oder zum 1. November desjenigen Jahres, in dem der Wehrpflichtige das 21. Lebensjahr vollendet (vgl. hierzu Niedersächsisches OVG, Urteil vom 22.01.1998 - 11 L 4300/96 -). Nach der im Februar 1994 beschlossenen Änderung des Militärstrafrechts (Art. 63 MilitärStGB) ist für Wehrpflichtige, die nicht zur Musterung erscheinen, für Gemusterte, die bei Eintritt in das 20. Lebensjahr noch nicht beim Personenstandsamt registriert und auch nicht bei den Militärbehörden erfasst sind, sowie für Wehrpflichtige, die sich trotz Einberufung dem Wehrdienst entziehen, eine abgestufte Bestrafung mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren vorgesehen, die abhängig ist von der Dauer der Entziehung und davon, ob sich der Betroffene stellt oder ob er gefasst wird (zum Strafmaß im einzelnen vgl. Auswärtiges Amt, 09.03.1998 an VG Bremen). Art. 66 MilitärStGB sieht für Fahnenflucht Freiheitsstrafen von einem Jahr bis zu drei Jahren vor (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 22.06.2000). Was das Strafmaß anbelangt, wird bei Wehrdienstentziehung anders als bei Desertion nicht nach Verbleib in der Türkei oder Ausreise ins Ausland unterschieden (Auswärtiges Amt, 09.03.1998 an VG Bremen; Kaya, 17.03.1997 an VG Stuttgart). In der Praxis, die sich durch öffentliche Zustellung entsprechender Urteile über das türkische Amtsblatt verfolgen lässt, orientieren sich die Gerichte am unteren Bereich des Strafrahmens. Die Verurteilungen schwanken zwischen sieben Tagen und fünf Monaten. Darüber hinaus bis zu fünfzehn Monaten gehen die Strafen in der Praxis erst, wenn Art. 66 MilitärStGB zur Anwendung kommt, was voraussetzt, dass der Wehrdienst bereits angetreten wurde. Überwiegend weisen die Urteile die Umwandlung der Freiheitsstrafen in Geldstrafen aus, die inflationsbedingt - umgerechnet - meist nur wenige DM ergeben (zum Ganzen Rumpf, 23.01.2001 an VG Augsburg).

Ausgehend hiervon kann nicht ausgeschlossen werden, dass der mittlerweile 23jährige Kläger einen im Zusammenhang mit der Erfüllung der Wehrpflicht stehenden Straftatbestand verwirklicht hat. Eine etwaige Bestrafung von Kurden wegen Wehrdienstentziehung knüpft indes nicht an asylerhebliche Merkmale an (vgl. die dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mitgeteilten Urteile des Senats vom 22.07.1999 - A 12 S 1891/97 - und vom 07.10.1999 - A 12 S 981/97 -; ebenso z.B. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25.01.2000 - 8 A 1292/96.A -, RdNrn. 353 ff.).

Ebenso droht Kurden aus der Türkei weder durch die Einberufung noch bei der Ableistung des Wehrdienstes politische Verfolgung (vgl. die genannten Senatsurteile). Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass das türkische Militär seine frühere Praxis geändert hat und mittlerweile türkische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit während des Wehrdienstes auch in ihrer Herkunftsregion einsetzt (Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 07.09.1999 und vom 22.06.2000; ai, 13.01.1999 an VG Koblenz; Schlussbericht über das 6. Country of Origin Information Seminar des ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation -, vom 13./14.11.2000 in Wien, S. 97). Für einen aktiven Kampfeinsatz kurdischer Wehrpflichtiger im Rahmen der Auseinandersetzungen zwischen dem türkischen Militär und der PKK im Südosten der Türkei fehlt es nach wie vor an greifbaren Anhaltspunkten (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25.01.2000 - 8 A 1292/96.A -, RdNrn. 345 ff.; OVG Saarland, Beschluss vom 27.10.2000 - 9 Q 56/0 -), so dass die frühere Einschätzung des Senats, ein derartiger aktiver Kampfeinsatz im Krisengebiet sei jedenfalls nicht beachtlich wahrscheinlich (Urteile vom 22.07.1999 - A 12 S 1891/97 - und vom 21.07.1998 - A 12 S 2806/96 -), aufrechtzuerhalten ist. Dies gilt um so mehr, als die PKK - auch als Folge der wiederholten Aufrufe Öcalans zur Aufgabe des bewaffneten Kampfes - zwischenzeitlich ihre bewaffneten Aktionen jedenfalls weitgehend eingestellt hat und deshalb im Südosten der Türkei nur noch vereinzelte Zusammenstösse zwischen Armee-Einheiten und Angehörigen der PKK zu verzeichnen sind (vgl. den Schlussbericht über das 6. Country of Origin Information Seminar des ACCORD, a.a.O., S. 97; Kaya, 10.03.2001 an VG Sigmaringen; Rumpf, 23.01.2001 an VG Augsburg; Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 22.06.2000; vgl. auch ai, Jahresbericht 2001, S. 574 sowie OVG Saarland, Beschluss vom 27.10.2000 - 9 Q 56/0 -).

II.

Es besteht nach den obigen Darlegungen auch keine konkrete Gefahr der Folter (§ 53 Abs. 1 AuslG), der unmenschlichen Behandlung (§ 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK; vgl. BVerwG, Urteil vom 15.04.1997, BVerwGE 104, 260) oder sonst eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben und Freiheit (§ 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG).

III.

Schließlich begegnet die vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge gemäß §§ 34 AsylVfG, 50 AuslG erlassene Abschiebungsandrohung im angegriffenen Bescheid keinen rechtlichen Bedenken (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.04.1997, a.a.O.).

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO entsprechend; Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b Abs. 1 AsylVfG).

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.

Ende der Entscheidung

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