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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 02.02.2006
Aktenzeichen: A 12 S 929/05
Rechtsgebiete: VwGO, GVG, AsylVfG


Vorschriften:

VwGO § 52 Nr. 2 Satz 3
VwGO § 83
GVG § 17a Abs. 5
AsylVfG § 51 Abs. 1
1. Wird ein Anspruch auf länderübergreifende Umverteilung nach § 51 AsylVfG geltend gemacht, handelt es sich um eine Streitigkeit nach dem Asylverfahrensgesetz, in der gemäß § 52 Nr. 2 S. 3 1. Hs. VwGO das Verwaltungsgericht örtlich zuständig ist, in dessen Bezirk der Ausländer nach dem Asylverfahrensgesetz seinen Aufenthalt zu nehmen hat, und nicht das Verwaltungsgericht, in dessen Bezirk der Ausländer umverteilt werden möchte.

2. Zum Vorliegen eines humanitären Grundes (hier: verneint)


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

A 12 S 929/05

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Umverteilung

hat der 12. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Schwan, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Utz und den Richter am Verwaltungsgericht Döll aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 02. Februar 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12. April 2005 - A 17 K 10806/04 - wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die 1942 geborene Klägerin und der 1937 geborene Kläger sind Eheleute eritreischer Staatsangehörigkeit. Sie reisten im Oktober 2002 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragten am 06.11.2002 ihre Anerkennung als Asylberechtigte. Die Bezirksregierung Arnsberg wies sie mit Verfügung vom 29.01.2003 der Gemeinde xxxxxxxxx, Kreis Coesfeld/Nordrhein-Westfalen zu. Unter dem 14.04.2003 beantragten sie ihre Umverteilung nach Stuttgart. Zur Begründung führten sie aus, sie hätten in xxxxxxxxx keine Verwandten. Niemand spreche ihre Sprache. Da sie beide sehr krank seien und von niemanden unterstützt würden, seien sie völlig hilflos. In Stuttgart lebten Verwandte, die sie im Alltag unterstützen könnten. Die Kläger legten das Schreiben eines in Stuttgart lebenden Neffen der Klägerin vor, in dem sich dieser bereit erklärte, sich um die Kläger zu kümmern. Sie fügten außerdem eine ärztliche Bescheinigung bei. Darin wird ausgeführt, sie seien multimorbid krank. Da sie weder lesen noch schreiben könnten, seien sie nicht in der Lage, für sich einzukaufen und für ihren täglichen Bedarf zu sorgen. Aufgrund ihres Alters und ihrer Struktur sei davon auszugehen, dass sie in nächster Zeit die deutsche Sprache nur in Teilen beherrschen würden. Sie erschienen völlig hilflos. Soweit bekannt, lebten Verwandte im Raum Stuttgart. Es werde deshalb als dringend geboten angesehen, die beiden dorthin zu schicken, um eine vernünftige Versorgung zu gewährleisten. Das Gesundheitsamt des Landkreises Coesfeld führte nach Untersuchung der Kläger in einer Stellungnahme vom 20.12.2003 im wesentlichen aus, sie seien aufgrund ihrer Erkrankung nicht direkt pflege- oder betreuungsbedürftig. Aufgrund des fortgeschrittenen Alters und nicht vorhandener Deutschkenntnisse seien sie jedoch auf Personen angewiesen, die ihnen bei Arztbesuchen etc. zur Seite stehen könnten. Aus amtsärztlicher Sicht werde befürwortet, ihren Aufenthaltsort in den Raum Stuttgart zu verlegen, da dort Verwandte lebten, die eine vernünftige Versorgung gewährleisten könnten.

Mit Bescheid vom 20.02.2004 lehnte die Beklagte den Antrag auf Umverteilung der Kläger nach Stuttgart ab. Zur Begründung führte sie aus, eine länderübergreifende Umverteilung sei nur in den Fällen des § 51 Abs. 1 AsylVfG möglich. Die Kläger beabsichtigten nicht die Herstellung der Haushaltsgemeinschaft mit einem Ehegatten oder einem minderjährigen ledigen Kind. Es lägen aber auch keine sonstigen humanitären Gründe von vergleichbarem Gewicht vor. Verwandtschaftliche Beziehungen könnten nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen Berücksichtigung finden, beispielsweise dann, wenn der Antragsteller aufgrund von Krankheit auf die Lebenshilfe des Verwandten angewiesen sei. Bei der amtsärztlichen Untersuchung seien verschiedene gesundheitliche Beschwerden wie z.B. Hypertonie, Diabetes mellitus, chronische Sinusitis etc., jedoch keine Pflege- oder Betreuungsbedürftigkeit festgestellt worden. Eine Dauermedikation sei nicht erforderlich. Die Behandlung erfolge bereits beim Hausarzt. Probleme bestünden vielmehr im sprachlichen Bereich. Dies allein stelle jedoch keinen Umverteilungsgrund i.S.d. genannten Vorschrift dar. Es sei davon auszugehen, dass die insoweit erforderliche Unterstützung auch durch Sozialdienste vor Ort oder aber durch Landsleute, die in der gleichen Unterkunft oder Umgebung wohnhaft seien, gewährleistet werden könne.

Die Kläger haben am 05.03.2004 beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben mit dem Antrag, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 20.02.2004 zu verpflichten, ihrer Umverteilung nach Stuttgart zuzustimmen. Zur Begründung führten sie aus, sie seien weiterhin nicht in der Lage, ihre allgemeinen Bedürfnisse ohne Hilfe Dritter zu regeln, weswegen eine Umverteilung zu Verwandten als einzig sinnvolle Lösung in Betracht komme, um ihnen ein "Dahinvegetieren" zu ersparen. Die medizinische Betreuung scheitere bereits an der Verständigung bzw. sei stark eingeschränkt. Gerade im Hinblick auf den Diabetes mellitus der Klägerin könne dies weit reichende Konsequenzen haben.

Das Verwaltungsgericht hat - dem Antrag der Beklagten folgend - die Klage mit Urteil vom 12.04.2005 - A 17 K 10806/04 - abgewiesen. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus, die Situation der Kläger unterscheide sich in nicht nennenswerter Weise von der einer Vielzahl von Asylbewerbern. Es sei eher die Regel als die Ausnahme, dass sie in Städten oder Gemeinden untergebracht würden, in denen keine verwandtschaftlichen Beziehungen bestünden. Auch sei es nicht ungewöhnlich, dass sich an ihrem Aufenthaltsort, wohin sie zugewiesen seien, keine Landsleute befänden, mit denen sie in ihrer Muttersprache kommunizieren könnten oder die der deutschen Sprache soweit mächtig seien, dass sie dem Sprachunkundigen bei Behörden- oder Arztbesuchen sowie bei der Verrichtung alltäglicher Tätigkeiten behilflich sein könnten. Ein humanitärer Grund könne auch nicht darin gesehen werden, dass die Klägerin regelmäßig Medikamente zur Behandlung ihrer Erkrankung einnehmen müsse. Auch insoweit liege kein Umstand vor, der ihre Situation von der der zahlreichen übrigen Asylbewerber so wesentlich unterscheide, dass die Anwendung der Ausnahmevorschrift des § 51 Abs. 1 AsylVfG gerechtfertigt wäre. Zudem seien beide Kläger nach der amtsärztlichen Stellungnahme weder pflege- noch betreuungsbedürftig. Gegen ihre angebliche Hilflosigkeit spreche bereits, dass es ihnen gelungen sei, von Eritrea nach Deutschland zu reisen, dass sie hier ein Asylverfahren betrieben und einen Anwalt mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt hätten. Sie seien auch nicht in einem Alter, in dem ohne weiteres von einer Hilflosigkeit bei der Bewältigung des Alltagslebens auszugehen sei. Das Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten der Kläger am 15.04.2005 zugestellt.

Zur Begründung ihrer vom Senat mit Beschluss vom 06.10.2005 (A 12 S 466/05) zugelassenen Berufung haben die Kläger fristgerecht im wesentlichen ausgeführt, ihre Asylanträge seien mit Bescheid vom 23.07.2003 durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge abgelehnt worden. Über die dagegen beim Verwaltungsgericht Münster erhobene Klage sei bisher noch nicht entschieden. Sie lebten seit Beginn des Asylverfahrens in einer Asylbewerberunterkunft, die lediglich einmal habe gewechselt werden können, da in der neuen Unterkunft zumindest eine Person sei, die Übersetzungshilfe leisten könne. Da erhebliche Verständigungsschwierigkeiten bei Behörden- und insbesondere bei Arztbesuchen bestünden, sei es nach wie vor dringend angezeigt, dass sie in den räumlichen Bereich von Angehörigen und Bekannten gelangten, die ihnen die erforderliche Unterstützung bieten könnten, damit insbesondere eine hinlängliche medizinische Versorgung gewährleistet sei. Es sei zuzugeben, dass nicht jedwede Belange dazu führen können, dass eine länderübergreifende Umverteilung zu Verwandten stattfinde. Wenn aber die Gesamtsituation für die Betroffenen, aber auch für Ärzte und Behörden derart schwierig und unzumutbar sei, stünden öffentliche Belange der Umverteilung nicht mehr entgegen. Dass sich ihre Situation von der anderer absetze, zeigten deutlich die Ausführungen der Sozialarbeiterin bei der Gemeinde xxxxxxxxx. Es sei zu keinem Zeitpunkt behauptet worden, dass die in Stuttgart lebenden Personen die Kläger vollständig freistellen wollten, etwa durch Gewährung von Wohnraum oder Finanzierung des Lebensunterhaltes. Sie sollten lediglich Hilfestellung bei alltäglichen Verrichtungen und insbesondere bei Arztbesuchen gewähren. Die Kläger legten die Erklärung einer Frau xxxxx xxxxxx, wohnhaft in Stuttgart, vor, die sich bereit erklärte, den Klägern nach ihrem Umzug nach Stuttgart bei alltäglichen Verrichtungen und insbesondere bei Arztbesuchen behilflich zu sein.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12.04.2005 - A 17 K 10806/04 - zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 20.02.2004 zu verpflichten, einer Umverteilung der Kläger nach Stuttgart zuzustimmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Ergänzend führt sie aus, der in Stuttgart lebende Verwandte der Kläger habe in einer Besprechung bei der Beklagten erklärt, er könne seine Tante und seinen Onkel nicht bei sich aufnehmen, da er in einer kleinen Wohnung mit 47 qm zusammen mit Ehefrau und zwei Kindern wohne. Da er zwei Kinder zu versorgen habe, sei es nicht vorstellbar, dass er die Medikamenteneinnahme in Stuttgart kontrollieren könne. Nach den vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen litten die Kläger an Erkrankungen, die üblicherweise bei Menschen im fortgeschrittenen Alter vorkämen. In erster Linie sei es wichtig, dass die Medikamente täglich zu bestimmten Zeiten eingenommen würden. Aus der Stellungnahme der Sozialarbeiterin ergebe sich, dass es sich bei den Klägern vor allem um Menschen handele, die aufgrund von Altersverwirrtheit Verständigungsschwierigkeiten hätten. Danach werde eine Mitbewohnerin im Übergangsheim, die sich mit den Klägern sprachlich verständigen könne, mehrmals, auch nachts, durch sich ständig wiederholende Fragen beansprucht. Eine solche Situation könne in keiner Gemeinschaftsunterkunft befriedigend gelöst werden. Dies treffe für die Gemeinschaftsunterkunft in xxxxxxxxx genauso zu wie für eine solche in Stuttgart. Es sei sogar denkbar, dass bei einer Umsiedlung der Kläger in eine Großstadt und in eine große Gemeinschaftsunterkunft erhebliche Umstellungsprobleme zu einer noch stärkeren Verwirrung führten. Es stelle sich eher die Frage, ob sie nicht in ein Pflegeheim einzuweisen seien, wo die pünktliche Einnahme der Medikamente und eine medizinische Versorgung durch Fachpersonal gewährleistet sei. Der Neffe der Klägerin sei zu ihrer Versorgung in Stuttgart rechtlich nicht verpflichtet. Er wäre auch neben der Versorgung seiner eigenen Familie zur Übernahme einer solchen Aufgabe nicht in der Lage. Die Kläger hätten in der jetzigen Gemeinschaftsunterkunft eine Ansprechpartnerin und Übersetzerin, die sich um sie kümmere und ihr Vertrauen genieße. Seit 06.02.2003 würden sie von der gleichen Gemeinschaftspraxis versorgt. Offensichtlich habe auch die medizinische Versorgung funktioniert.

Dem Senat liegen die einschlägige Akte der Beklagten und die Akte des Verwaltungsgerichts vor.

Der Senat hat die Kläger in der mündlichen Verhandlung angehört und Frau xxxxx xxxxxx als Zeugin vernommen. Zum Ergebnis der Anhörung und der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Nach Zulassung durch den Senat ist die Berufung statthaft.

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg ist auch zur Entscheidung über die Berufung zuständig, obwohl anstelle des erstinstanzlich örtlich zuständigen Verwaltungsgerichts Münster das Verwaltungsgericht Stuttgart entschieden hat.

Als Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs auf Umverteilung kommt nur § 51 AsylVfG in Betracht, wonach unter bestimmten Voraussetzungen auf Antrag des Ausländers seinem Umverteilungsbegehren zu entsprechen ist. Da der Anspruch seine rechtliche Grundlage im Asylverfahrensgesetz hat, handelt es sich um eine Streitigkeit nach dem Asylverfahrensgesetz (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 11.12.2000 - 4 Bs 210/00 - juris). Örtlich zuständig für die gerichtliche Entscheidung über diesen Anspruch ist das Verwaltungsgericht, in dessen Bezirk der Ausländer seinen Aufenthalt zu nehmen hat (§ 52 Nr.2 S. 3, 1.Halbsatz VwGO), nicht etwa das Verwaltungsgericht, in dessen Bezirk der Ausländer umverteilt werden will, auch wenn sich die Zuständigkeit für die behördliche Entscheidung - entsprechend landesrechtlicher Regelungen - nach dem Ort richtet, für den der weitere Aufenthalt beantragt wird (§ 51 Abs. 2 S. 2 AsylVfG). Somit hätte das für den Kreis Coesfeld (Nordrhein-Westfalen) zuständige Verwaltungsgericht Münster, nicht aber das Verwaltungsgericht Stuttgart über die Klage entscheiden müssen. Zu einer Verweisung des Rechtsstreits ist der Senat jedoch gemäß § 83 S. 1 VwGO i.V.m. § 17 a Abs. 5 GVG nicht befugt, sondern hat über die Berufung zu entscheiden. Die Beklagte wird allerdings für künftige Fälle ihre Rechtsmittelbelehrung an der aufgezeigten Rechtslage auszurichten haben.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 20.02.2004 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). Ihnen steht der geltend gemachte Anspruch auf länderübergreifende Umverteilung nicht zu.

Grundsätzlich hat ein Ausländer, der um Asyl nachsucht, keinen Anspruch darauf, sich in einem bestimmten Land oder an einem bestimmten Ort aufzuhalten (§ 55 Abs. 1 S. 2 AsylVfG). Gemäß § 51 Abs. 1 AsylVfG ist jedoch, wenn der Ausländer nicht oder nicht mehr verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, der Haushaltsgemeinschaft von Ehegatten sowie Eltern und ihren minderjährigen ledigen Kindern oder sonstigen humanitären Gründen von vergleichbarem Gewicht auch durch länderübergreifende Verteilung Rechnung zu tragen. Geht es dem Ausländer um die Aufnahme von familiären Beziehungen - außerhalb der Kernfamilie -, müssen sie ein ähnliches Gewicht aufweisen, wie das Verhältnis zwischen Ehegatten oder zwischen Eltern und ihren Kindern unter 18 Jahren. Dies kann der Fall sein, wenn die betreffende Person auf die Lebenshilfe der anderen aufgrund Krankheit, Schwangerschaft, Alter, Gebrechlichkeit oder mangelnder Deutschkenntnisse angewiesen ist (vgl. Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl., § 50 AsylVfG RdNr. 29). Liegen sonstige humanitäre Gründe von vergleichbarem Gewicht vor, ist das der Behörde zustehende Ermessen in der Regel gebunden (vgl. OVG Bautzen, Beschluss vom 07.04.1999 - A 4 S 78/98 -, AuAS 1999, 215). Über den Antrag nach § 51 Abs. 1 AsylVfG entscheidet die zuständige Behörde des Landes, für das der weitere Aufenthalt beantragt ist (§ 51 Abs. 2 S. 2 AsylVfG). Für die Beurteilung des geltendgemachten Anspruchs ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats maßgeblich (§ 77 Abs.1 S. 1 AsylVfG).

Gemessen hieran liegen die Voraussetzungen für die Umverteilung der Kläger nach Stuttgart nicht vor. Weder begehren sie das Zusammenleben mit Ehegatten, Eltern oder minderjährigen ledigen Kindern noch liegen sonstige humanitäre Gründe von vergleichbarem Gewicht vor. Insbesondere geht es ihnen nicht um die Aufnahme einer Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten, auf deren Lebenshilfe sie angewiesen wären. Der Neffe der Klägerin, der sich (ursprünglich) bereit erklärt hatte, sich um die Kläger zu kümmern, ist unstreitig zu ihrer Aufnahme in seiner nur 47 qm großen Wohnung, in der er gemeinsam mit Ehefrau und zwei Kindern lebt, nicht in der Lage.

Offen bleiben kann, ob verwandtschaftliche Beziehungen auch dann die Annahme eines sonstigen humanitären Grundes i.S.v. § 51 AsylVfG rechtfertigen können, wenn keine Haushaltsgemeinschaft mit einem Verwandten aufgenommen werden soll. Jedenfalls sind enge verwandtschaftliche Beziehungen und die Erbringung von Lebenshilfe in erheblichem Umfang erforderlich (vgl. Marx, AsylVfG, 6. Aufl. 2005, § 50 RdNr. 56 f.). Daran fehlt es hier jedoch. Die Anhörung der Kläger und die Vernehmung der Zeugin in der mündlichen Verhandlung haben ergeben, dass nach einer Umverteilung der Kläger nach Stuttgart Unterstützungsleistungen im Alltag im wesentlichen durch die Zeugin, die mit den Klägern nicht verwandt ist, erbracht werden sollen. Dies wird auch daran deutlich, dass die Kläger anlässlich der Reise zur mündlichen Verhandlung bei der Zeugin und nicht bei dem Neffen übernachtet und sie lediglich von Besuchen der Zeugin an ihrem derzeitigen Wohnort berichtet haben. Von dem Neffen war in der Berufungsbegründung und in der mündlichen Verhandlung allenfalls am Rande die Rede.

Der Senat vermag auch nicht festzustellen, dass die Kläger aus gesundheitlichen Gründen dringend auf die Hilfe der Zeugin angewiesen sind. Ihre medizinische Versorgung ist nach den zur Verfügung stehenden Erkenntnissen an ihrem derzeitigen Wohnort gewährleistet. Die Kläger werden seit Beginn der Unterbringung in xxxxxxxxx im Februar 2003 von derselben Hausarztpraxis betreut, die sich ebenfalls in xxxxxxxxx befindet. Der Klägerin werden - wie in der mündlichen Verhandlung dargelegt wurde - zweimal pro Tag die zur Behandlung des Diabetes mellitus erforderlichen Insulinspritzen verabreicht. Diese Aufgabe wird allem Anschein nach von einer Pflegestation übernommen. Die Klägerin sprach in diesem Zusammenhang von "Nonnen". Dass es in den vergangenen ca. drei Jahren zu konkreten gesundheitlichen Gefährdungen gekommen ist, kann weder den vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen sowie der von der Beklagten eingeholten Stellungnahme der Unteren Gesundheitsbehörde entnommen werden noch haben die Kläger in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage des Senats entsprechende Vorfälle schildern können. Nicht ersichtlich ist, dass gerade aufgrund von Sprachschwierigkeiten bzw. der fehlenden Betreuung durch Verwandte oder Bekannte der Kläger gesundheitlichen Gefährdungen nicht (rechtzeitig) begegnet werden konnte oder es zu solchen Gefährdungen etwa im Zusammenhang mit der regelmäßigen Einnahme von Medikamenten gekommen ist. Für die Bewältigung der alltäglichen Probleme steht den Klägern eine Sozialarbeiterin zur Verfügung, die für die Betreuung der Asylbewerber und Aussiedler in xxxxxxxxx zuständig ist. Aus deren Stellungnahme vom 10.11.2005 ergibt sich auch, dass sich eine Mitbewohnerin in der Gemeinschaftsunterkunft, in der die Kläger untergebracht sind, mit ihnen verständigen kann und - soweit wie möglich - hilft. Dem Vorbringen der Kläger in der mündlichen Verhandlung kann nicht entnommen werden, dass sich die Mitbewohnerin inzwischen nicht mehr dort aufhält oder nicht mehr zur Unterstützung der Kläger bereit ist.

Auch ist nicht zu erwarten, dass sich im Falle eines Umzugs der Kläger nach Stuttgart ihr Gesundheitszustand wesentlich verbessern würde oder eventuellen akuten Gefährdungen ihrer Gesundheit besser begegnet werden könnte. Die Vertreterin der Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass zur Unterbringung der Kläger lediglich eine Gemeinschaftsunterkunft in Degerloch zur Verfügung stehe, die 330 Plätze habe. Die Zeugin wohnt in Stuttgart-Zuffenhausen, mithin im Norden Stuttgarts; Degerloch hingegen befindet sich im Süden Stuttgarts. Weder dem Vorbringen der Kläger noch den Angaben der Zeugin in der mündlichen Verhandlung ist zu entnehmen, dass sich die Kläger überwiegend bei der Zeugin aufhalten sollen oder umgekehrt. Die Zeugin will die Kläger bei Einkäufen, Arztbesuchen und Behördengängen unterstützen. Sie wäre mithin im Regelfall nicht zu einer sofortigen Hilfe in der Lage. Auch müssten sich im Falle eines Umzugs zunächst Ärzte und Betreuer mit den Klägern und ihren (gesundheitlichen) Problemen vertraut machen. Die Kläger wären gezwungen, sich in einem neuen Umfeld, insbesondere einer großen Gemeinschaftsunterkunft und einer unbekannten (Groß-)Stadt zurechtzufinden. Dies dürfte angesichts ihrer "Altersverwirrtheit" (vgl. die Stellungnahme der Sozialarbeiterin) jedenfalls in der Anfangszeit zu nicht unerheblichen Eingewöhnungsproblemen führen. Sollten sie - wofür insbesondere die Stellungnahme der Sozialarbeiterin spricht - auf eine ständige Beaufsichtigung angewiesen sein, könnte dem durch die beabsichtigte - nur punktuelle - Hilfe der Zeugin nicht Rechnung getragen werden.

Der Senat verkennt nicht, dass die Kläger in ihrer derzeitigen Unterkunft aufgrund fehlender Kontakte zu Landsleuten und Verwandten und der bestehenden Sprachbarriere sozial isoliert sind. Angesichts dessen ist der Wunsch nach einem Umzug in eine Stadt, in der sich Personen mit ähnlichem kulturellen Hintergrund und gleicher Sprache aufhalten, verständlich. Ihre Situation stellt sich insoweit aber nicht als untypisch im Vergleich zu anderen Asylbewerbern dar, denen die Eingewöhnung in eine sprach- und kulturfremde Umgebung ebenfalls (psychische) Probleme bereitet.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 159 S. 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylVfG nicht erhoben.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.

Ende der Entscheidung

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