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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 05.04.2006
Aktenzeichen: A 13 S 302/05
Rechtsgebiete: AufenthG


Vorschriften:

AufenthG § 60 Abs. 1
Zur Frage der politischen Verfolgung von Palästinensern aus dem Westjordanland (hier: verneint).
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

A 13 S 302/05

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 AufenthG

hat der 13. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 05. April 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des VG Stuttgart vom 07.Juni 2004 - A 10 K 10342/03 - im Kostenausspruch dahingehend geändert, dass der Kläger die Kosten des gerichtskostenfreien erstinstanzlichen Verfahrens zu 3/4 und die Beklagte zu 1/4 trägt; im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger ist nach seinen Angaben Palästinenser aus dem Westjordanland (Westbank); er ist im Jahr 1969 geboren. Nachdem er am 21.9.2001 - zuletzt auf dem Landweg - in die Bundesrepublik Deutschland gelangt war, stellte er am 25.9.2001 einen Asylantrag. Zur Begründung trug er beim damaligen Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge im Oktober 2001 vor, er habe zuletzt in Al Khalil (Hebron) gewohnt. Im Juli/August 2001 seien Leute der Hamas zu ihm gekommen, um ihn anzuwerben. Er habe dies aber abgelehnt und die Leute "hingehalten". Mitte August sei er für mehrere Tage von mehreren Hamas-Leuten mitgenommen worden, die ihn zur Übernahme eines Selbstmordattentats bzw. zur Beihilfe dazu hätten überreden wollen. Man habe ihm gesagt, er müsse mit der Hamas zusammenarbeiten, andernfalls müsse man ihn liquidieren. Am dritten Tag habe er sich zur Zusammenarbeit bereiterklärt, und man habe ihn in die Stadt zurückgebracht. Er habe eine zweiwöchige Bedenkzeit (bis zum 1.9.2001) gehabt; bis dahin sei eine endgültige Erklärung und ein entsprechender Eid erwartet worden. Daraufhin sei er über Ägypten und die Türkei ausgereist.

Mit Bescheid vom 30.1.2003 lehnte das damalige Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Asylantrag ab und stellte fest, Abschiebungshindernisse nach § 51 Abs. 1 AuslG und nach § 53 AuslG seien nicht gegeben; dem Kläger wurde für den Fall, dass er die Bundesrepublik Deutschland nicht innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheides verlasse, die Abschiebung nach "Israel/palästinensisches Autonomiegebiet (Westjordanland)" angedroht.

Mit der rechtzeitig erhobenen Klage hat der Kläger beantragt,

Ziff. 2 bis 4 des Bescheides des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 30.1.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten festzustellen, die Voraussetzungen des § 51 AuslG - hilfsweise: des § 53 AuslG seien gegeben.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ist der Kläger zu der Vorgeschichte der Ausreise aus dem Westjordanland angehört worden; in der mündlichen Verhandlung ist ein unbedingter Beweisantrag zur politischen Situation in Israel und in den besetzten Gebieten gestellt worden, mit dem das Vorliegen einer Gruppenverfolgung geltend gemacht worden ist.

Mit Urteil vom 7.6.2004 hat das Verwaltungsgericht Stuttgart ohne vorherige Entscheidung über den Beweisantrag die Nr. 3 im Tenor des Bescheides des damaligen Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 30.1.2003 aufgehoben, soweit darin die Feststellung des Vorliegens von Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 6 AuslG abgelehnt worden ist; es hat die Beklagte verpflichtet festzustellen, für den Kläger seien die Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 AuslG für Israel gegeben. Außerdem hat das Verwaltungsgericht Ziff. 4 des Bescheides des Bundesamts vom 30.11.2003 aufgehoben, soweit darin als Zielstaatsbestimmung "Israel/palästinensisches Autonomiegebiet (Westjordanland)" angegeben worden ist. Im übrigen ist die Klage abgewiesen worden; dem Kläger wurden 5/6 des gerichtskostenfreien Verfahrens auferlegt.

Das Verwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung ausgeführt, die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG seien nicht gegeben; insbesondere liege keine Gruppenverfolgung sämtlicher Palästinenser im Bereich des Westjordanlandes vor. Zwar sei die Sicherheitslage in den palästinensischen Autonomiegebieten wie der Westbank von massiven Terror- und Gegenterrormaßnahmen geprägt, und die Vergeltungsmaßnahmen der israelischen Armee träfen immer wieder auch völlig unbeteiligte Personen. Dies mache die Maßnahmen jedoch nicht bereits zu Verfolgungsmaßnahmen, die gegen jeden dort lebenden Palästinenser allein wegen seiner Gruppenzugehörigkeit gerichtet seien. Was das konkrete Verfolgungsschicksal des Klägers angehe, so sei es unglaubhaft; die Hamas-Bewegung rekrutiere die zu Selbstmordattentaten bereiten Personen nicht auf der Grundlage von Zwang, wie der Kläger behaupte. Allerdings stehe dem Kläger ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG zu, da die Sicherheitslage in den palästinensischen Gebieten extrem angespannt sei; die Annahme einer extremen Gefahrenlage könne jedenfalls nicht ausgeschlossen werden. Ein anderweitiges Abschiebungshindernis nach § 53 AuslG sei allerdings nicht gegeben.

Das Urteil ist dem Kläger am 6.7.2004 zugestellt worden; am 20.7.2004 hat der Kläger die Zulassung der Berufung beantragt.

Mit Beschluss vom 29.3.2005 (zugestellt am 18.04.2005) hat der Senat die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 7.6.2004 nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO (Verletzung des rechtlichen Gehörs) zugelassen; in der am 17.05.2005 eingegangenen Berufungsbegründung beantragt der Kläger nunmehr, das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 7. Juni 2004 dahingehend abzuändern, dass unter Aufhebung der Verfügung des damaligen Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Ziff. 2 bis 4) die Beklagte verpflichtet wird festzustellen, für ihn seien die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG sowie - hilfsweise - Abschiebeverbote im Sinn von § 60 Abs. 2, 3 und 5 AufenthG betreffend Israel und die von Israel besetzten Gebiete Jerusalems, der Westbank und des Gazastreifens gegeben; höchst hilfsweise, das genannte Urteil im Kostenausspruch abzuändern und die Kosten hälftig zu teilen.

Der Kläger trägt vor, unabhängig von der von ihm geltend gemachten individuellen Verfolgung durch die Hamas-Bewegung sei er ebenso wie alle in der von Israel besetzten Westbank lebenden Palästinenser einer politisch motivierten Gruppenverfolgung durch die israelische Besatzungsmacht ausgesetzt. Dies ergebe sich aus der völkerrechtswidrigen israelischen Besatzungspolitik, die auf der Grundlage der Zerstückelung des besetzten Gebiets in mehrere Zonen (A, B und C) mit zahlreichen Kontrollstellen zur Durchführung zahlreicher gezielter militärischer Aktionen geführt habe; das erklärte Ziel dieser Aktionen sei es auch nach den Verlautbarungen der israelischen Behörden, angebliche Terroristen zu ermorden. Wahllos und in großem Umfang würden auch Zivilopfer in Kauf genommen, Kleinkinder und wehrlose Frauen nicht ausgenommen. Seit dem Regierungsantritt von Sharon seien Tausende von Palästinenser in den fraglichen Gebieten getötet und Zehntausende verletzt worden; nahezu jede in der Westbank lebende palästinensische Familie habe Opfer von Verhaftungen, Misshandlungen, schweren Verletzungen und Tötungen zu beklagen. Israel missachte das Völkerrecht, indem es auch bei Verhaftungen und Gerichtsverfahren grundsätzlich israelisches Militärrecht anwende; außerdem widerspreche die Annexion des Gebiets und der Siedlungsbau in den besetzten Gebieten dem Völkerrecht sowie wiederholten Resolutionen der Vereinten Nationen einschließlich des UN-Sicherheitsrats. Israel sei nicht bereit, bereits geschlossene Vereinbarungen einzuhalten; es kontrolliere die wirtschaftlichen Ressourcen der besetzten Gebiete und untergrabe planvoll die Existenzgrundlage der Bevölkerung. Die Lebens-, Menschenrechts- und Sicherheitssituation der gesamten palästinensischen Bevölkerung habe sich in den vergangenen Jahren kontinuierlich und phasenweise dramatisch verschlechtert; praktisch die gesamte palästinensische Bevölkerung in der palästinensischen Westbank sei recht- und schutzloses Objekt der israelischen Militärgewalt. Im Rahmen von sog. Antiterroraktionen werde gezielt die soziale, technologische, medizinische und sonstige Infrastruktur zerstört. Das bedeute einen starken Druck auf die palästinensische Bevölkerung, das Land zu verlassen. Die Praxis und die Ziele Israels würden auch in dem völkerrechtswidrigen Bau des "Sperrwalls" auf dem besetzten Territorium deutlich; der Internationale Gerichtshof in Den Haag habe dies bereits am 9.7.2004 verbindlich festgestellt. Auf diese Ausführungen werde verwiesen. Insgesamt bedürfe es einer umfassenden Beweisaufnahme zu dieser Situation; eine inländische Fluchtalternative sei jedenfalls nicht gegeben. Schließlich sei auch die durch das Gericht vorgenommene Kostenquotelung (5/6 zu 1/6) fehlerhaft und werde der Bedeutung des Streitgegenstandes nicht gerecht.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, Hinweise auf eine asylrechtlich relevante Gruppenverfolgung gebe es aus der seriösen Presse nicht. Bei den Aktionen der israelischen Behörden im Rahmen der Terrorismus-Bekämpfung komme es sicherlich zu Opfern unter der Zivilbevölkerung und auch in Einzelfällen zu Menschenrechtsverletzungen; es seien aber keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass diese Einzelfälle als systematische Verfolgung aller Palästinenser oder einer bestimmten Gruppe davon gewertet werden könne. Im übrigen halte sie den individuellen Sachvortrag des Klägers zu einer Verfolgung durch Leute der Hamas-Bewegung für unglaubhaft.

In der mündlichen Verhandlung vom 24. August 2005 hat der Senat den Kläger zu den Gründen angehört, aus denen er sein Herkunftsgebiet verlassen hat. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf die Niederschrift hierüber verwiesen.

Durch Beschluss vom 24. August 2005 hat der Senat Beweis erhoben über die Frage, ob der Staat Israel die Wiedereinreise eines aus Al Khalil (Westbank) stammenden, dort registrierten, alleinstehenden staatenlosen Palästinensers (Alter: 35 Jahre), nicht im Besitz eines Aufenthaltsrechts für israelische Gebiete, der das Autonomiegebiet über Ägypten illegal im Jahre 2001 verlassen hat und sich seitdem im Bundesgebiet als Asylbewerber aufhält, in das Gebiet der Westbank oder/und den Gaza-Streifen gestattet.

Der Senat hat das Deutsche Orient-Institut, das Auswärtige Amt, die Botschaft des Staates Israel und die Palästinensische Generaldelegation um entsprechende Auskunft gebeten. Die Befragten haben sich mit Schreiben vom 10.11.2005 (Auswärtiges Amt), 21.11.2005 (Botschaft) und 28.11.2005 Generaldelegation) bzw. noch gar nicht (Deutsches Orient-Institut) gemeldet. Wegen des Inhalts wird auf die Akten verwiesen.

Dem Senat liegen die den Kläger betreffenden Akten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge sowie die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Stuttgart vor; auf den Inhalt dieser Akten wird verwiesen. Sie waren Gegen- stand der Verhandlung und Beratung ebenso wie die Erkenntnismittel und die die aktuelle Lage in den Palästinensergebieten betreffenden Zeitungsartikel, die in das Verfahren eingeführt worden sind.

Entscheidungsgründe:

Die nach ihrer Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers hat nur hinsichtlich des Kostenausspruchs des angefochtenen erstinstanzlichen Urteils Erfolg; mit den übrigen Anträgen bleibt der Kläger erfolglos. Ihm steht der mit der Berufung in erster Linie weiterverfolgte Anspruch auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Absatz 1 AufenthG nämlich nicht zu, und die Beklagte kann auch nicht zur (hilfsweise beantragten) Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Absätze 2, 3 und 5 AufenthG verpflichtet werden (siehe § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

I.

Der Hauptantrag des Klägers ist auf die Verpflichtung des Beklagten zur Feststellung gerichtet, in seiner Person seien die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 AufenthG gegeben; diese Vorschrift tritt unabhängig davon, welche inhaltlichen Änderungen sie gebracht hat, aus Rechtsgründen an die Stelle der ursprünglich beantragten Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (siehe § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG).

Nach § 60 Abs. 1 AufenthG darf in Anwendung des Abkommens vom 28.07.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (GFK) ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Eine Verfolgung im Sinne dieser Vorschrift kann - wie § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG klarstellt - ausgehen vom Staat selbst, von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen, oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die zuvor genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten; dies gilt nach der gesetzlichen Regelung unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative. Eine begründete Furcht vor Verfolgung besteht nach ganz herrschender asylrechtlicher Rechtsprechung dann, wenn im Fall der Rückkehr in den Heimatstaat bei verständiger Würdigung der gesamten Umstände eine an die genannten Merkmale anknüpfende Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht; in diesem Punkt (Maßstab) ist die frühere Rechtsprechung zu § 51 Abs. 1 AuslG bzw. Art. 16 a GG (siehe BVerfG, Urteil vom 10.07.1989 - 2 BvR 502, 1000 und 961/86 -, BVerfGE 80, 315, 344; BVerwG, Urteil vom 31.03.1981 - 9 C 237/80 - Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nr. 27; BVerwG, Urteil vom 02.08.1983 - 9 C 599/81 -, BVerwGE 67, 314 und ständige Rechtsprechung) trotz der sonst bestehenden Unterschiede des § 60 Abs. 1 AufenthG zur Vorgängervorschrift und zu Art. 16 a GG (siehe dazu z.B. Hailbronner, Ausländerrecht, RdNrn. 20 f. zu § 60 AufenthG) nach wie vor relevant. In der Sache würde sich im Übrigen für den hier zu entscheidenden Fall nichts ändern, wenn bei Prüfung der Verfolgungsprognose auf die zur GFK entwickelten Maßstäbe zurückgegriffen und für eine positive Entscheidung verlangt wird, dass der Betroffene "vernünftige Gründe" zur Annahme hat, wegen eines Verfolgungsgrundes verfolgt zu werden (zu dem bei der Auslegung der GFK anzulegenden Maßstab siehe z.B. den Kommentar des UNHCR zur Richtlinie 2004/83 vom 30.09.2004 - OJ L 304/12). Auch für § 60 Abs. 1 AufenthG ist außerdem davon auszugehen, dass eine Verfolgung eines Ausländers "wegen" seiner politischen Überzeugung oder eines anderen verfolgungsrelevanten Merkmals dann erfolgt, wenn dem Einzelnen in Anknüpfung an ein solches Merkmal gezielt Rechtsverletzungen zugefügt werden, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen (siehe grundsätzlich BVerfG, a.a.O., S. 339 und Hailbronner, a.a.O., RdNr. 41 zu § 60 AufenthG). Dem entspricht trotz der Verwendung anderer Begriffe und eines abweichenden Prüfungsschemas in der Sache die für die Auslegung des § 60 Abs. 1 AufenthG jedenfalls ab dem Ende des Umsetzungszeitraums zusätzlich heranzuziehende sog. Qualifikationsrichtlinie 2004/83/EG (Art. 9), die als Schutzgründe solche Handlungen beschreibt, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere derjenigen Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist, oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der vorstehend beschriebenen Weise betroffen ist (zur Frage der Umsetzung und der im Rahmen richtlinienkonformer Auslegung denkbaren Heranziehung dieser Richtlinie siehe Hailbronner, a.a.O, RdNr. 34; Marx, InfAuslR 2005, 219, OVG Lüneburg, Beschluss vom 18.05.2005 - 1 A 152/02 - juris, und UNHCR NVwZ 2005, 541, aber auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20.04.2005 - A 8 S 264/05 -; OVG Schleswig, Beschluss vom 13.07.2005 - 1 LA 68.05 -, AuAS 2005, 263 und OVG Münster, Beschluss vom 18.05.2005 - 11 A 533/05 A -). Der Senat geht dabei davon aus, dass der sog. herabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab, den die Rechtsprechung für Fälle der Vorverfolgung im Asylrecht entwickelt hat, auch für Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 1 AufenthG gilt (vgl. dazu Hailbronner, a.a.O., RdNr. 88 zu § 60 AufenthG und Marx, AsylVfG, 2005, Rdnr.286; siehe auch Art. 4 Abs. 4 der RL 2004/83/EG). Danach kann einem Betroffenen, der bereits einmal Verfolgung in diesem Sinne erlitten hat, der Schutz der Vorschrift nur dann versagt werden, wenn eine Wiederholung der Verfolgungsmaßnahmen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 10.07.1989, a.a.O., S.344 und die weiteren Nachweise oben S.8); in derartigen Fällen liegen - mit anderen Worten - eher "vernünftige Gründe" für eine Verfolgungsfurcht als bei noch nicht erlittener Vorverfolgung vor.

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt, dass das auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 AufenthG gerichtete Begehren des Klägers keinen Erfolg haben kann; "vernünftige Gründe" für eine von § 60 Abs. 1 AufenthG erfaßte Verfolgungsfurcht sind nicht gegeben. Es bestehen bereits erhebliche Zweifel daran, ob der Kläger als durch einen der in der Vorschrift genannten Akteure Vorverfolgter sein Heimatland verlassen hat (1). Selbst wenn man dies jedoch annehmen würde, wäre er bei einer zu unterstellenden Rückreise vor erneuter Verfolgung sicher (2). Auch sonst droht ihm bei einer Rückkehr keine der in § 60 Abs. 1 AufenthG genannten Gefahren in erforderlicher Intensität und im erforderlichen Ausmaß (3); dies gilt sowohl für eine - möglicherweise eine politische Verfolgung darstellende - "Aussperrung" aus dem Heimatland durch den Staat Israel (3.1) als auch für die von dem Kläger in erster Linie geltend gemachte Gruppenverfolgung (3.2).

1. Zur Frage der individuellen Vorverfolgung hat der Kläger auch noch im Berufungsverfahren vorgetragen, er sei durch die Hamas im Jahr 2001 angeworben worden; vor dem Verwaltungsgericht hatte er dazu konkret ausgeführt, er sei im Juli/August "mitgenommen" und zur Übernahme eines Selbstmordauftrags veranlasst worden. Man habe ihn zwei Tage festgehalten und ihm gedroht, er müsse mit der Hamas zusammenarbeiten, sonst werde man ihn liquidieren. Das Verwaltungsgericht hat dem Kläger diese Behauptung nicht abgenommen und in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, es entspreche nicht der "Politik" der Hamas, Palästinenser mit Zwang zur Zusammenarbeit zu bewegen, da man auf genügend Freiwillige zurückgreifen könne. Dies bestätigt die Auskunftslage (siehe Auskünfte des Auswärtigen Amts vom 04.03.2002 und des Deutschen Orientinstituts - DOI - vom 06.05.2002, beide an VG Ansbach). Das Auswärtige Amt hat seine Einschätzung der Situation auch dem Senat gegenüber noch einmal bekräftigt und ausgeführt, ihm sei bisher nicht bekannt, dass die Hamas Palästinenser zur Kooperation zwinge; gerade die Hamas (gemeint ist wohl: anders als andere Palästinenserorganisationen) baue vielmehr auf die Freiwilligkeit der Unterstützung durch die Bevölkerung (Auskunft an den Senat vom 10.11.2005). Der Senat folgt dieser Auffassung. Der Hinweis des Bevollmächtigten des Klägers, die Hamas gehe ohnehin nicht durch unmittelbaren Zwang vor, sondern handle eher nach dem Prinzip "Zuckerbrot und Peitsche", zieht dies nicht entscheidend in Zweifel. Nach wohl allgemein verbreiteter und auch vom Bundesverwaltungsgericht vertretenen Einschätzung (siehe dazu Urteil vom 03.12.2004 - LA 10/02 -, NVwZ 2005, 1435) handelt es sich bei der Hamas um eine Bewegung, die ein einheitliches, in den Aktivitäten allerdings übergreifendes Netzwerk politischer und sozialer, aber auch terroristischer Aktivitäten bildet (a.a.O., Seite 1437). Von daher ist ohne weiteres denkbar, dass die Hamas ihre Rekrutierungspolitik mit sozialen Aktivitäten (z.B. zugunsten der Familien von Aktivisten und Attentätern) verknüpft. Zudem deutet der Hinweis des - allgemein durchaus glaubwürdig wirkenden - Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 05. April 2006 auf die Rolle seines (inzwischen verstorbenen) Onkels in dieser Angelegenheit in die Richtung, dass der Kläger bei der versuchten Anwerbung und Entführung das Opfer einer privaten Erbschaftsintrige geworden ist; einer solchen Interpretation des Vorfalls stünde dann die Auskunftslage nicht entgegen, da es sich dann gerade nicht um eine "echte" Anwerbung durch die Hamas gehandelt hätte. Auch wäre daran zu denken, dass die von ihm wenig konkret geschilderte Verfolgung durch die Hamas - diese bereits für die fragliche Zeit als taugliches Verfolgungssubjekt im Sinn von § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG unterstellt - dann nur an seine Rolle im Erbschaftsstreit und damit nicht an ein Merkmal im Sinn des § 60 Abs. 1 AufenthG anknüpfte (zur Frage der erkennbaren Gerichtetheit der Anknüpfung siehe etwa BVerfG, Beschluss vom 27.04.2004 - 2 BvR 1318/03 -, BayVBl. 204, 691). Auch würde sich die Frage der Intensität der Rechtsgutverletzung (Entführung) und der Plausibilität der Drohungen stellen (siehe dazu BVerfG, Beschluss vom 11.05.1992 - 2 BvR 1549/91 -, InfAuslR 1992, 294 und Beschluss vom 28.01.1993 - 2 BvR 1803/92 -, InfAuslR 1993, 142).

2. Letztlich kann der Senat diese Fragen jedoch offen lassen; selbst wenn man davon ausgeht, dass der Kläger durch die Hamas vor seiner Ausreise im Jahr 2001 zur Übernahme eines Attentats oder zur Unterstützung entsprechender Aktivitäten der Hamas gezwungen werden sollte und ihm für den Fall der Weigerung Sanktionen bis hin zur Liquidation angedroht wurden, wäre er bei einer Rückkehr in die palästinensischen Gebiete vor erneuter Bedrohung durch diesen Akteur im Sinne des herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstabs "hinreichend sicher"; das bedeutet gleichzeitig, dass "vernünftige Gründe" für Verfolgungsfurcht im Sinn der oben zitierten Auffassung zur GFK nicht angenommen werden können. Noch weniger kann davon gesprochen werden, dass (sogar) die beachtliche Wahrscheinlichkeit erneuter Rechtsbeeinträchtigung bestehe.

Hinreichende Verfolgungssicherheit im Sinn des § 60 Abs. 1 AufenthG, der GFK und auch der genannten Richtlinie 2004/83/EG ist gegeben, wenn sich eine Wiederholungsgefahr ohne ernsthafte Zweifel an der Sicherheit des Verfolgten für den Fall einer Rückkehr in sein Heimatland ausschließen lässt (siehe Marx a.a.O. RdNr. 287, vgl. auch die Formulierungen aus der Rechtsprechung des BVerfG und des BVerwG, zit. oben S. 9). Diese Voraussetzungen liegen hier vor, wie sich aus folgenden Überlegungen ergibt:

Bei der Frage einer Wiederholungsgefahr betreffend die von dem Kläger behauptete Verfolgung durch die Hamas geht der Senat von dem Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 05. April 2006 aus, wonach anzunehmen ist, dass es sich bei dem damaligen, mit Drohungen verbundenen Versuch, den Kläger zur Übernahme eines Attentats zu veranlassen, um eine Intrige seines Onkels handelte, der offenbar versucht hat, den Kläger auf diesem Weg aus den bestehenden Erbschaftsstreitigkeiten auszuschalten. In dieser Sicht hat der der Hamas angehörende oder nahe stehende Onkel diese Organisation für seine privaten Zwecke instrumentalisiert. Geht man von dieser - durch den Bruder des Klägers, der die Familie im Westjordanland vor kurzem besuchte, bestätigten - Annahme aus, so scheidet bei realistischer Betrachtung eine Wiederholung einer entsprechenden Verfolgung des Klägers durch die Hamas aus. Hierfür spricht nicht nur die Zeitdifferenz zwischen dem damaligen Anwerbeversuch (2001) und einer - unterstellten - Rückkehr des Klägers im Jahr 2006, sondern auch die Tatsache, dass von keiner Seite und zu keinem Zeitpunkt berichtet worden ist, die Hamas suche auch jetzt noch nach dem Kläger oder setze z. B. seinetwegen seine noch in Al Khalil lebende Familie unter Druck. Eine Wiederholungsgefahr wäre ohnehin dadurch gemindert, dass die Hamas, die bereits im letzten Jahr öffentlich auf terroristische Aktionen gegen Israel verzichtet hat, aufgrund der neuesten Entwicklung in den palästinensischen Gebieten als Regierungspartei auftritt und aus Gründen auch der internationalen Anerkennung und Unterstützung in der Praxis die früheren terroristischen Aktionen jedenfalls nicht verstärkt hat; eher ist von einer Abschwächung dieses "Flügels" der Hamas auszugehen. Entscheidend kommt hinzu, dass der Onkel des Klägers, auf den die damalige Aktivität der Hamas ihm gegenüber zurückzuführen war, vor zwei Jahren verstorben ist; von dieser Seite hat der Kläger damit offenbar nichts mehr zu befürchten. Für ihn ist im Verhältnis zur Hamas die Situation nicht anders als vor 2001, also in einer Zeit, für die der Kläger keinerlei Repressalien durch die Hamas berichtet hat.

3. Dem Kläger droht bei einer Rückkehr in das Westjordanland trotz der im Hilfsbeweisantrag geschilderten (und im wesentlichen auch unstreitigen) Zustände keine Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG; dies gilt sowohl unter dem Aspekt der "Aussperrung" (3.1) als auch dem der Gruppenverfolgung (3.2). Auf die Frage, ob der Kläger in dem von Israel den Palästinensern übergebenen Gaza-Streifen eine "inländische Fluchtalternative" hat, kommt es damit aus Rechtsgründen nicht an.

3.1 In der Rechtsprechung ist es anerkannt, dass bei dauerhafter Einreiseverweigerung durch den Heimatstaat unter dem Gesichtspunkt einer "Aussperrung" oder "Ausgrenzung" politische Verfolgung vorliegen kann (siehe dazu allgemein BVerwG, Urteil vom 22.02.2005 - 1 C 17.03 - NVwZ 2005, 1191 m.w.N. aus der Rechtsprechung und Beschluss vom 01.08.2002 - 1 B 6/02 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 263; speziell zu Palästinensern siehe OVG Schleswig, Urteil vom 18.11.1998 - 2 L 9/96 -, InfAuslR 1999, 285; BVerwG, Urteil vom 15.10.1985 - 9 C 3/85 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr.38; BayVGH, Urteil vom 01.02.1993 - 24 B 90.30632 - juris). Handelt es sich - wie hier - um Staatenlose, so bedeutet dies nicht, dass politische Verfolgung in einem solchen Fall von vornherein ausscheidet (so aber Marx, a.a.O., RdNr. 221 zu § 1). Es kommt vielmehr darauf an, ob ein Staat einem Staatenlosen, der im Staatsgebiet seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (vgl. § 3 AsylVfG), die Wiedereinreise "aus nichtpolitischen Gründen" verweigert, ob die Verweigerung also auf Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder auf die politische Überzeugung zielt (so ausdrücklich BVerwG, Urteil vom 15.10.1985, a.a.O., m.w.N.; ähnlich auch Urteil vom 22.02.2005, a.a.O.). Dabei ist, wie das Bundesverwaltungsgericht gleichfalls im vorliegenden Zusammenhang entschieden hat (Beschluss vom 01.08.2002, a.a.O.) nicht auf die subjektiven Motive des Verfolgenden abzustellen, sondern auf die objektive Gerichtetheit der Maßnahme. Dass die Staatenlosigkeit des Klägers politische Verfolgung wegen Rückkehrverbots nicht von vornherein ausschließt, ergibt sich auch daraus, dass der Staat Israel das Westjordanland einschließlich Ost-Jerusalem annektiert hat und insofern zu der dort ansässigen palästinensischen Bevölkerung in einer rechtlichen Beziehung steht, die aus asylrechtlicher Sicht - und ebenso aus der Sicht des § 60 Abs. 1 AufenthG - der Beziehung zwischen einem Staat und seinen Bürgern gleichkommt (so OVG Schleswig, a.a.O.). Insofern ist für eine Schlechterstellung solcher (früherer) Einwohner kein Raum.

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt allerdings, dass nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, Israel werde den Kläger allein wegen seiner Volkszugehörigkeit endgültig nicht mehr in das Westjordanland oder aber den Gazastreifen einreisen lassen. Die Außengrenzen der besetzten Gebiete - jedenfalls gilt dies noch für das Westjordanland - sind seit langem der israelischen Verwaltung unterstellt; eine Ein- bzw. Ausreise ohne israelische Kontrolle ist nicht möglich (siehe DOI, Gutachten vom 03.03.2003). Hieran hat sich nach der Kenntnis des Senats durch die jüngste Entwicklung (Wahlen in den Palästinensergebieten, aber auch in Israel) nichts geändert. Es mag durchaus sein, dass Israel noch immer "viel daran setzt" (DOI, a.a.O.), möglichst viele Palästinenser zum dauerhaften Verlassen der besetzten Gebiete zu veranlassen, und hierzu u. a. auch das Mittel einer sog. Rückkehr-Verzichtserklärung einsetzt (DOI, .a.a.O.). Eine solche Erklärung hat der Kläger allerdings nicht abgegeben, so dass eine Verweigerung der Rückkehr aus diesem Grund bei ihm nicht in Betracht kommt. Auf den die Rückkehrproblematik betreffenden Beweisbeschluss des Senats hin hat das Auswärtige Amt mitgeteilt, palästinensischen Volkszugehörigen, die im Bevölkerungsregister verzeichnet seien und über eine palästinensische Personenkennziffer verfügten - dies trifft für den Kläger zu -, könne durch die zuständigen Passbehörden ein Reisepass ausgestellt werden; diese Personen hätten damit ein Rückkehrrecht in die palästinensischen Gebiete (Auskunft vom 10.11.2005). Die Auskunft geht zwar, wie der Prozessbevollmächtigte des Klägers zu Recht anmerkt, irrtümlich davon aus, dem Kläger sei bereits ein Reisepass ausgestellt worden; dies entwertet aber die Aussage zu den rechtlichen Auswirkungen eines solchen Dokuments bei einem Rückreiseversuch nicht. Was die Ausstellung eines Passes für den Kläger angeht, so ist die palästinensische Autonomiebehörde, wie der Kläger selbst einräumt, dazu (unter Mitwirkung israelischer Behörden) in der Lage. Die Auslandsvertretung der Palästinenser in der Bundesrepublik, die Generaldelegation Palästinas, hat dem Kläger unmittelbar allerdings auf Anfrage mitgeteilt, sie könne ihm "zur Zeit" kein Reisedokument ausstellen. Das bisherige Abkommen zwischen der PLO und Israel berechtige nur Palästinenser, die in den Selbstverwaltungsgebieten lebten, palästinensische Reisedokumente zu erhalten. Die Pässe müssten dort bei den zuständigen Behörden beantragt werden. Im gleichen Schreiben teilt die Generaldelegation Palästinas jedoch auch mit, die Frage des zukünftigen Status der im Ausland lebenden Palästinenser und die Regelung ihrer Rückkehr werde verhandelt, sei aber noch nicht geklärt. Selbst wenn damit davon auszugehen ist, dass jedenfalls zur Zeit ohne den Besitz entsprechender Passdokumente eine Überwindung der von Israel kontrollierten Außengrenzen und damit eine Rückkehr in das Westjordanland nur schwer möglich ist - zumal die Aufnahme von Verhandlungen zwischen Israel und der eine palästinensische "Regierung" bildenden Hamas noch ungewiss ist - ist es höchst fraglich, ob bereits jetzt von einer auf Dauer bestehenden "Aussperrung" des Klägers ausgegangen werden kann. Die Praxis des Staates Israel scheint insofern seit jeher "flexibel" zu sein (siehe schon BayVGH, Urteil vom 01.02.1993, a.a.O.; siehe auch VG Braunschweig, Urteil vom 11.10.2001 - 3 A 42/00 -, juris). Selbst wenn man hier aber im Hinblick auf die Prognosekriterien im Asylrecht über eine bloße "Momentaufnahme" hinaus auf die Prognose für "absehbare Zeit" abstellt (siehe dazu BVerwG, Urteile vom 31.03.1981 - 9 C 237/80 -, und vom 27.04.1982 - 9 C 308/81 -, Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nrn. 27 und 37), würde es an der für die Verfolgungsrelevanz der Einreiseverweigerung notwendigen politischen "Gerichtetheit" (siehe BVerwG, Beschluss vom 01.08.2002, a.a.O.) fehlen, da Palästinensern, die im Besitz entsprechender Identitätspapiere sind, ohne weiteres die Einreise gestattet wird. Eine Einreiseverweigerung knüpft also nicht an die Volkszugehörigkeit, sondern an die ungeklärte Identität bzw. Herkunft des Betreffenden an - eine bei vielen Staaten übliche und jedenfalls nicht von vornherein illegitime Praxis. Hiervon abgesehen steht durchaus nicht fest, dass die Behörden Israels bei der Passbeschaffung (u.U. durch Beauftragte) nicht mitwirken würden (iehes. auch DOI, Auskunft vom 14.04.2005). Allerdings würde den Kläger insofern auch eine Mitwirkungspflicht treffen, der er - was seine Personaldaten angeht - offenbar nicht nachkommen will. Der Senat hält es jedoch - anders als der Prozessbevollmächtigte des Klägers in seinem Schriftsatz vom 30.11.2005 - durchaus für zumutbar, die von der Botschaft Israels verlangten Personendaten an diese zu übermitteln. Anders wäre dies, wenn bereits die Tatsache des Asylantrags oder der Begründung dieses Antrags den Betreffenden in Israel einer Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG aussetzen würde; Anhaltspunkte zu einer solchen Annahme ergeben sich aus den dem Senat vorliegenden Erkenntnisquellen jedoch nicht.

3.2. Auch unter dem Gesichtspunkt der Gruppenverfolgung kann der Kläger die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 AufenthG nicht verlangen.

Voraussetzung für die Annahme einer die Schutzgewährung nach § 60 Abs. 1 AufenthG auslösenden Gruppenverfolgung (zur Abgrenzung von der Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer "bestimmten sozialen Gruppe" im Sinn von § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG und Art. 10 Abs. 1 d der Richtlinie 2004/83 siehe Marx, a.a.O., RdNr. 230 zu § 1) ist zunächst, dass die zu befürchtenden oder bereits festgestellten Verfolgungsmaßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an das die verfolgte Gruppe kennzeichnende Merkmal - etwa die Volkszugehörigkeit - treffen; außerdem ist eine bestimmte Verfolgungsdichte oder aber sind sichere Anhaltspunkte für das Vorliegen eines staatlichen Verfolgungsprogramms erforderlich, und in diesem Zusammenhang muss es sich um die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in geschützte Rechtsgüter handeln, dass nicht mehr nur vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder eine Vielzahl einzelner Übergriffe vorliegen. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und im Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Dabei müssen Intensität und Anzahl aller Verfolgungshandlungen auch zur Größe der Gruppe in Beziehung gesetzt werden; allein die Feststellung zahlreicher oder häufiger Eingriffe reicht nicht aus (zu diesen allgemein anerkannten Grundsätzen und Voraussetzungen vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.01.1991 - 2 BvR 902/85 u. a. -, BVerfGE 83, 216, 231; BVerwG, Urteil vom 05.07.1994 - 9 C 158.94 -, BVerwGE 96, 200, 202 und 205; Urteil vom 30.04.1996 - 9 C 170.95 -, BVerwGE 101, 123, 125; BVerfG, Beschluss vom 11.05.1993 - 2 BvR 2245/92 -, InfAuslR 1993, 304, 306; OVG Münster, Urteil vom 14.02.2006 - 15 A 2119/02 A - juris sowie Marx, a.a.O., RdNr. 52 f. zu § 1). Als "Akteur" einer Gruppenverfolgung im Sinn des § 60 Abs. 1 AufenthG kommt im vorliegenden Fall der Staat Israel in Betracht; auch bei Einbeziehung der jüngsten Entwicklung in den Palästinensergebieten ("Freigabe" des Gazastreifens, Wahlen und Bildung einer "Regierung" durch die Hamas) hat der Senat keine Zweifel daran, dass Israel nach wie vor als Staatsmacht auch im Westjordanland präsent ist und dass ein Staat "Palästina" nicht existiert (siehe dazu OVG Lüneburg, Beschluss vom 21.04.2004 - 11 LA 61/04 -, NVwZ-RR 2004, 788 m.w.N.; siehe auch BVerwG, Beschluss vom 25.05.1993 - 1 B 21/93 -, InfAuslR 1993, 298).

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall führt zu dem Ergebnis, dass der Kläger eine Gruppenverfolgung von Palästinensern im Gebiet des Westjordanlandes nicht mit Erfolg geltend machen kann. Der Senat bestätigt damit seine bisherige Rechtsprechung (siehe insbes. Beschlüsse vom 18.06.2002 - A 13 S 430/02 und vom 13.08.2003 - 13 S 283/02 -) und schließt sich im Ergebnis der schon bisher in der Rechtsprechung der Instanzgerichte ganz herrschenden Auffassung an (siehe etwa VG Arnsberg, Urteil vom 21.11.2005 - 13 K 3577/04 A -; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 12.05.2005 - 14a K 4970/04 A -; VG Aachen, Urteil vom 07.09.2004 - 3 K 1655/04 A -; VG Düsseldorf, Urteil vom 07.02.20043 - 21 K 3794/00 A -; VG Braunschweig, Urteil vom 11.10.2001 - 3 A 42/00; vgl. auch VG Berlin, Beschluss vom 10.03.2005 - 34 X 52.04 -; alle juris).

In der angefochtenen Entscheidung hat das Verwaltungsgericht zur Situation im Westjordanland in dem für das Gericht nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt Mitte 2004 bereits ausgeführt, die Sicherheitslage dort sei geprägt von massiven Terror- und Gegenterrormaßnahmen; die Vergeltungsmaßnahmen der israelischen Armee in den Autonomiegebieten träfen aufgrund des rigorosen Vorgehens der Armee immer wieder auch völlig unbeteiligte Personen, bei denen nicht einmal der Verdacht einer terroristischen Betätigung bestehe (etwa Verwandte, Nachbarn) oder die sich lediglich zufällig in der Nähe einer gesuchten Person aufhielten. Es hat - im Zusammenhang mit § 53 Abs. 6 AuslG - außerdem darauf hingewiesen, es bestehe in den Orten nahe der Grenzlinie zum Westjordanland die Gefahr von Anschlägen, insbesondere Selbstmordattentaten; außerdem seien große Teile der Gebiete durch Israel praktisch dauerhaft besetzt und zum Teil auch gesperrt, und es komme immer wieder zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen der israelischen Armee und der palästinensischen Bevölkerung. Der in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht unbedingt gestellte - und im Berufungsverfahren als Hilfsantrag aufrechterhaltene - Beweisantrag des Klägers geht ebenfalls von einer "unerträglich verschärften militärischen- und Sicherheitssituation" aus; er weist auf die Zerstückelung des Palästinensergebiets und darauf hin, dass der nach den Feststellungen des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag als völkerrechtswidrig beurteilte Bau des "Sperrwalls" deutlich auf eine Zerstörung der sozialen, technologischen, medizinischen und wirtschaftlichen Infrastruktur hindeute. Nahezu jede palästinensische Familie habe inzwischen Opfer von Verhaftungen, Misshandlungen, schweren Verletzungen oder Tötungen zu beklagen; das bedeute einen starken Druck auf die palästinensische Bevölkerung, das Land zu verlassen. Im Kern unterscheidet sich die Tatsachengrundlage, von der das Verwaltungsgericht ausgegangen ist und die der Senat zu aktualisieren hat, nicht von dem im Verfahren unter Beweis gestellten Vortrag des Klägers, so dass die hilfsweise beantragte Beweiserhebung aus Rechtsgründen nicht erforderlich ist.

Was die erforderliche Aktualisierung angeht, so hat sich zwischenzeitlich die Situation und insbesondere Sicherheitslage im Westjordanland aus der Sicht der Palästinenser nach der Einschätzung des Senats (siehe § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) trotz der neuen politischen Entwicklung sowohl in Israel als auch in den Palästinensergebieten nicht entscheidend geändert; sie hat sich jedenfalls nicht entscheidungserheblich verschlechtert. Die "Freigabe" des Gaza-Streifens durch den Staat Israel, die durch die Palästinenser-Organisationen als "Sieg" ihrer bisherigen Politik empfunden worden ist, hat einerseits eine entsprechende Dynamik auch für die Entwicklung im Westjordanland ausgelöst. Die erklärte Absicht der neuen israelischen Regierung, trotz erheblichen Widerstands in Israel und bei der Siedlerbewegung selbst weitere Siedlungen im Westjordanland aufzugeben, kann diese Dynamik u.U. verstärken. In die gleiche Richtung geht die Absicht der neuen Regierung, den Grenzwall zu verlegen und auf diese Weise zur Schaffung klarer Grenzen zwischen Israel und den Palästinensergebieten beizutragen und die bestehende Zersplitterung zu vermindern. Andererseits ist die die jetzige "Regierung" bildende Hamas, deren erklärtes Ziel es bisher war, den Staat Israel zu zerstören und durch einen moslemischen Staat zu ersetzen, und die bisher Friedensinitiativen und friedliche Lösungen als ihren Überzeugungen zuwiderlaufend abgelehnt hat (siehe Art. 13 der sog. Hamas-Charta), durch ihren Wahlerfolg in eine schwierige Situation geraten: Von ihr werden international Zugeständnisse hinsichtlich des Existenzrechts Israels erwartet, obwohl aus ihrer Sicht nur geringe "Gegenleistungen" Israels angeboten werden. Die im Programm der bei den israelischen Wahlen siegreichen Kadima-Partei vorgesehene teilweise Räumung von Siedlungen bleibt zahlenmäßig begrenzt, und nach wie vor soll das Westjordanland durch lange und breite Siedlungsstreifen zerstückelt bleiben (siehe dazu Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 02.04.2006, Seite 10). Immerhin bestehen noch weit über 100 jüdische Siedlungen im Westjordanland (siehe FR vom 24.08.2005, Seite 6), und mehrere große jüdische Siedlungsblöcke, die die israelische Regierung bis zu der von ihr für das Jahr 2010 prognostizierten endgültigen Schaffung von Staatsgrenzen zwischen Israel und den palästinensischen Gebieten vorsieht, machen die bisherigen Hoffnungen der palästinensischen Organisationen auf Jerusalem als Hauptstadt eines künftigen palästinensischen Staates zunichte (siehe dazu Die Welt vom 10.03.2006). Auch führt Israel seine bisherige Praxis der Terrorismusbekämpfung u. a. mit gezielten Tötungen fort; dass dabei auch Unschuldige ums Leben kommen, wird nach wie vor in Kauf genommen (siehe dazu FAZ vom 08.03.2006). Was angesichts dieser Situation die künftige Politik der Hamas angeht, sind Voraussagen mit asylrechtlicher Relevanz gegenwärtig nach allgemeiner Einschätzung so gut wie unmöglich. Auch ihre Gegner gestehen der Hamas allerdings eine gewisse Flexibilität zu, wenn sie nur akzeptable Gegenleistungen erhält (siehe dazu Jüdische-Allgemeine vom 09.02.2006). Verhandlungen mit Israel über das weitere Schicksal des Westjordanlandes sind zur Zeit zwar ausgesetzt, andererseits aber - vor allem unter Berücksichtigung der finanziellen Situation und der Rolle Europas in diesem Zusammenhang - auch nicht ausgeschlossen. Im wesentlichen wird es um Detailfragen der Grenzziehung und die Rolle Jerusalems gehen (siehe dazu das Interview mit einem Hamasführer im SPIEGEL vom 06.02.2006). Bereits am Tag nach den israelischen Wahlen haben führende Vertreter der Hamas erklärt, eine Hamas-Regierung könne eine Lösung des schwierigen Nahost-Konflikts erzielen, wenn auch Israel daran interessiert sei (siehe dazu Stuttgarter Zeitung, 31.03.2006, Seite 5). Die Hamas wird möglicherweise auch deswegen für israelische Politiker als Gesprächspartner in Betracht kommen, weil andere palästinensische Gruppen, wie etwa der islamische Djihad, sich weitaus militanter zeigen und bereits gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Palästinenserorganisationen zu verzeichnen sind. Im übrigen kommt es insofern auch auf die Politik der EU an, die mit der sog. Tullamore-Erklärung im März 2004 die Unterstützung für den israelischen Teilabzug unter bestimmten Bedingungen formuliert hat und in ihre Planungen auch den nördlichen Bereich des Westjordanlandes miteinbezieht (siehe dazu FR vom 11.08.2005, Seite 7).

Zur Sicherheitslage in den Palästinensergebieten ist nachzutragen: Der "Country-Report of Human Rights" des amerikanischen Außenministerium (im Folgenden: cr) listet für das vergangene Jahr 2005 für die palästinensischen Gebiete Übergriffe und Machtmissbrauch durch israelische Sicherheitskräfte auf und stellt eine allgemeine institutionelle, rechtliche und soziale Diskriminierung der Bewohner arabischer Siedlungen fest; im Jahr 2005 waren nicht nur zahlreiche Opfer aufgrund palästinensischer Aktionen und Selbstmordanschläge, sondern (auf der palästinensischen Seite) auch aufgrund israelischer Aktionen zu beklagen. Durch israelische Militäroperationen wurden ca. 900 Palästinenser getötet und es gab zahlreiche ernsthafte Übergriffe auf Zivilisten, die durch die israelischen Sicherheitskräfte nicht untersucht worden sind (cr Seite 23). Zahlreiche derartige Einzelfälle aus dem vergangenen Jahr werden in diesem Bericht aufgelistet (cr, Seite 23 bis 32). Auch sonst gehen die mit der Situation in den Palästinensergebieten befassten Gerichte davon aus, dass durch die "zuweilen bürgerkriegsähnlichen" Auseinandersetzungen zwischen der israelischen Armee und den Palästinensern (siehe VG Düsseldorf, a.a.O.) und durch die schlechte wirtschaftliche Lage und weitere schwere Menschenrechtsverletzungen an der palästinensischen Zivilbevölkerung (VG Berlin, a.a.O.) eine Situation entstanden ist, die die Palästinenser als "unterdrücktes" Volk erscheinen lässt und einer Rückkehr dorthin entgegenstehen kann. Die dem Senat vorliegenden Auskünfte bestätigen andererseits, dass Israel den einzelnen (nicht als Aktivist hervorgetretenen) Palästinenser nicht asylrelevant verfolgt (DOI vom 06.04.2005 und vom 22.03.2004; siehe auch Auswärtiges Amt, Auskunft vom 12.02.2004 an VG Hannover). Aus einer völkerrechtlichen Bewertung der israelischen Politik, die der Kläger im Zusammenhang mit dem Bau des "Sperrwalls", der Besiedlungs- und Besatzungspolitik und der sog. gezielten Tötungen vermißt, ergibt sich wegen der unterschiedlichen rechtlichen Ebenen eine Gruppenverfolgung des Klägers jedenfalls nicht, insofern hat der Senat keine Grundsatzentscheidung zu treffen. Anders als das Verwaltungsgericht hält der Senat allerdings Maßnahmen der genannten Art nicht für eine von vornherein legitime und daher asylrechtlich unerhebliche Terrorismusbekämpfung. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind Maßnahmen, die der Terrorismusbekämpfung dienen, nur dann nicht asylbegründend - und damit auch nicht schutzbegründend nach § 60 Abs. 1 AufenthG -, "wenn und soweit sie sich auf die Abwehr des Terrorismus beschränken". Wird hingegen über die Bekämpfung von Straftaten hinaus der politische Gegner - in Anknüpfung an ein asylerhebliches Merkmal - verfolgt, kommt den dabei ergriffenen staatlichen Maßnahmen asylbegründende Wirkung zu (so BVerfG, Beschluss vom 15.02.2000 - 2 BvR 752/97 -, InfAuslR 2000, 254, 258). Terrorismusabwehr gilt (allein) dem aktiven Terroristen, dem Teilnehmer an oder einem Unterstützer von terroristischen Aktivitäten (BVerfG, a.a.O., Seite 257; weitere Nachweise aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei Roeser, EuGRZ 2005, 90; siehe auch BVerwG, Urteil vom 25.07.2000 - 9 C 28.99 -, InfAuslR 2001, 48, 50; Renner, ZAR 2003, 55). Im vorliegenden Fall wird der Kläger - insofern besteht unter den Beteiligten Einigkeit - von Seiten des Staates Israel unter keinem Gesichtspunkt als ein des Terrorismus oder der Beteiligung an terroristischen Aktionen Verdächtiger eingestuft; unter diesem Gesichtspunkt kann damit nicht davon ausgegangen werden, er werde Opfer einer gezielten Maßnahme, wie sie der Staat Israel gegenüber Personen ergreift, die entsprechender Aktivitäten verdächtig sind (siehe dazu Auskunft des DOI vom 06.04.2005 und vom 22.03.2004; Auswärtiges Amt, a.a.O.). Allerdings läuft der Kläger - wie jede Person, die sich dort aufhält - Gefahr, auch als Unbeteiligter ein Opfer von freiheitsbeschränkenden Maßnahmen (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 25.07.2000, a.a.O., Seite 50) oder auch einer gezielt gegen Terroristen gerichteten militärischen Aktion Israels zu werden. Dieses unbestreitbare Risiko mag - ebenso wie das Risiko, zu den Opfern eines durch eine palästinensische Aktion durchgeführten Anschlags zu gehören oder gewissermaßen zwischen die Fronten innerpalästinensischer Auseinandersetzungen zu geraten - in Verbindung mit den zahlreichen sonstigen Behinderungen, Einschränkungen und auch Unterdrückungsmaßnahmen ein Abschiebungsverbot im Sinn des § 60 Abs. 7 AufenthG zu begründen, rechtfertigt aber nicht die Annahme einer auf die Volkszugehörigkeit des Klägers als Palästinenser "zielenden" oder "gerichteten" Verfolgung. Hiergegen spricht bereits die Tatsache, dass auch innerhalb der Grenzen des Staates Israel selbst eine große Zahl Palästinenser - zum großen Teil mit israelischer Staatsbürgerschaft - lebt und dass auch israelische Staatsbürger - was terroristische Aktionen angeht - einem entsprechenden Gefahrenpotential ausgesetzt sind. Mit der Besetzung der palästinensischen Gebiete, insbesondere des Westjordanlandes, und den Maßnahmen, die Israel weiterhin die Dominanz in diesem umstrittenen Gebiet sichern sollen, verfolgt Israel kein die Palästinenser als Volksgruppe treffendes Verfolgungsprogramm, sondern diese Maßnahmen werden aus militärisch/territorialen Gründen und aus dem existentiellen Sicherheitsbedürfnis des eigenen Staates abgeleitet. Insofern ist die Situation eher der klassischen Besetzung militärisch relevanter Gebiete von Drittländern oder deren völkerrechtlich durchaus fragwürdigen Eingliederung zu vergleichen (siehe dazu auch BVerwG, Beschluss vom 05.05.2003 - 1 B 234/02 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 271 betr. China und Tibet). Was das Kriterium der "Dichte der Verfolgungsschläge" angeht, sprechen bereits die Zahlenverhältnisse gegen Gruppenverfolgung im Sinn von § 60 Abs. 1 AufenthG: Im Bereich des Westjordanlandes leben etwa 2,4 Millionen Palästinenser; zu dieser Zahl sind die oben mitgeteilten - und dem Staat Israel zuzurechnenden - "Opferzahlen" auf palästinensischer Seite in Bezug zu setzen (siehe auch Human Rights Watch, Januar 2005). Bei der gebotenen wertenden Betrachtung kann damit - was das Risiko einer dem Staat Israel als verfolgungsbegründend zuzurechnenden und dem Bereich der legitimen Terrorismusabwehr überschreitenden Lebens- oder Leibesgefährdung angeht - nicht von einer ausreichenden "Verfolgungsdichte" oder gar von einem entsprechenden staatlichen "Verfolgungsprogramm" im Sinne der oben angeführten Rechtsprechung gesprochen werden. Zu diesem Ergebnis führt auch nicht die - rechtlich gebotene - kumulative Einbeziehung der sonstigen Lebensbedingungen und Risiken, die der Prozessbevollmächtigte des Klägers zutreffend mit dem Begriff umschrieben hat, es gehe dem Staat Israel darum, die Palästinenser wenn nicht zu vertreiben (siehe DOI vom 03.03.2003), so doch wenigstens "klein zu halten". Die in diesem Zusammenhang einzubeziehende Einschränkung der Bewegungsfreiheit insbesondere durch den Trennungswall im Westjordanland mit mehreren hundert "Checkpoints" (siehe Human Rights Watch, a.a.O.) trifft zwar auch den Kläger, soweit er sich im Westjordanland bewegen will; im Bereich seiner unmittelbaren Herkunft wird er hiervon jedoch nicht berührt. Der Kläger gehört auch nicht zu denjenigen Betroffenen, bei denen entsprechende Absperrmaßnahmen (z. B. betreffend landwirtschaftliche Flächen) existenzbedrohend wirken. Auch hierbei geht es - wie zu betonen ist - nicht um die Frage der Völkerrechtswidrigkeit der Absperrungsmaßnahmen oder der Siedlungspolitik - Ende 2004 beantwortet sie der "Economic and Social Council der Vereinten Nationen als "now clear" - , sondern um die konkrete Gefährdungssituation des Klägers als eines nicht exponierten, aus Al Khalil stammenden "einfachen" Palästinensers.

II.

Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 und 5 AufenthG hat das Verwaltungsgericht - damals noch als Abschiebungshindernisse nach § 53 Absätze 1, 2 und 4 AuslG - geprüft und zutreffend verneint; mit der Berufung werden diese Feststellungen nicht angegriffen, und auch der Senat hat keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger bei einer Rückkehr in das Westjordanland Folter (§ 60 Abs. 2 AufenthG), die Todesstrafe (§ 60 Abs. 3 AufenthG) oder insbesondere eine unmenschliche Behandlung im Sinn von Art. 3 der EMRK (§ 60 Abs. 5 AufenthG) droht. Stichhaltige Gründe für ein nach Art. 3 EMRK erforderliches "reales Risiko" einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung sind nicht gegeben (zum Maßstab bei Risiken im Sinn der genannten Vorschriften siehe z.B. EGMR, Urteil vom 06.03.2001 - Hilal -, Az. 45276/99 -, InfAuslR 2001, 417). Insofern gelten die gleichen Erwägungen wie zu der Frage, ob - den Kläger betreffend - "gute Gründe" für die Annahme einer Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG bestehen.

III.

Erfolg hat die Berufung allerdings, soweit der Kläger mit ihr (höchst hilfsweise) die Kostenentscheidung des Verwaltungsgerichts (5/6 Kostenlast für den Kläger, 1/6 Kostenlast für die Beklagte) angreift. Der nach § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO festzusetzende Grad des Unterliegens in erster Instanz beträgt nach Auffassung des Senats lediglich 3/4, so dass die Beklagte nicht 1/6, sondern 1/4 der Kosten des (gerichtskostenfreien) Verfahrens zu tragen hat.

An einer entsprechenden Korrektur der Kostenentscheidung ist der Senat durch § 158 Abs. 1 VwGO nicht gehindert. Die Kostenentscheidung ist nur dann nicht anfechtbar, wenn gegen die Hauptentscheidung kein - oder kein zulässiges - Rechtsmittel eingelegt wird. Die Voraussetzung der Rechtsmitteleinlegung in der Hauptsache hat der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde bzw. Berufung erfüllt. Die Begründetheit des in der Hauptsache eingelegten Rechtsmittels ist für die Anfechtbarkeit der Kostenentscheidung nicht erforderlich (vgl. zur gleich lautenden Vorschrift des § 99 ZPO: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, RdNr. 34 zu § 99).

Was die vom Verwaltungsgericht festgelegte Quote angeht, so geht der Senat von einem Unterliegen des Klägers (nur) zu 3/4 aus; er orientiert sich dabei an den asylrechtlich gesetzlich festgelegten Streitwerten (siehe § 83 b AsylVfG a. F. bzw. jetzt § 30 Satz 1 RVG). Das Bundesverwaltungsgericht steht zwar auf dem Standpunkt, dass im Verhältnis von Asyl und § 51 AuslG einerseits und § 53 AuslG andererseits eine Aufteilung von 2/3 zu 1/3 geboten ist (siehe BVerwG, Urteil vom 09.05.1998, - 9 C 5.98 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 198); im vorliegenden Fall hatte das Verwaltungsgericht allerdings lediglich über die Klage auf Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 51 Abs. 1 AuslG und (hilfsweise) von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG und nicht auch über die Asylberechtigung zu entscheiden. Insofern erscheinen beide Begehren (jetzt: § 60 Abs. 1 AufenthG einerseits, § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG andererseits) als gleichrangig. Da das Verwaltungsgericht lediglich das Abschiebungshindernis des § 53 Abs. 6 AuslG, aber kein sonstiges Abschiebungshindernis festgesetzt hat, ist die Quote insofern noch einmal zu unterteilen (siehe BVerfG, Beschluss vom 11.01.2004 - 2 BvR 387/00 -, NVwZ 2005, 323 m.w.N.), so dass sich aufgrund der positiven Feststellung zu § 53 Abs. 6 AuslG ein Bruchteil von 1/4 als Obsiegen des Klägers ergibt.

IV.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO; die Beklagte ist im Berufungsverfahren nur zu einem geringen Teil (Kostenentscheidung des erstinstanzlichen Gerichts) unterlegen, so dass der Senat diesen geringen Teil nach seinem Ermessen kostenrechtlich nicht ins Gewicht fallen lässt.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.

Ende der Entscheidung

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