Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 04.05.2006
Aktenzeichen: A 2 S 1046/05
Rechtsgebiete: AsylVfG, GFK, EGRL 04/83, AufenthG


Vorschriften:

AsylVfG § 73 Abs. 1 Satz 1
AsylVfG § 73 Abs. 1 Satz 3
AsylVfG § 73 Abs. 2a
GFK Art. 1c Nr. 5 Satz 1
EGRL 04/83 Art. 11
AufenthG § 60 Abs. 1
AufenthG § 60 Abs. 2
AufenthG § 60 Abs. 3
AufenthG § 60 Abs. 5
AufenthG § 60 Abs. 7
AufenthG § 60a
1. Zur Auslegung der Widerrufsbestimmung des § 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG in der seit dem 1.1.2005 geltenden Fassung unter Berücksichtigung der sog. Wegfall-der-Umstände-Klausel in Art. 1 C Nr. 5 GFK und der entsprechenden Bestimmung in Art. 11 der sog. Qualifikationsrichtlinie (im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 1.11.2005 - 1 C 21.04 -, ZAR 2006, 107).

2. Angesichts der derzeitigen Machtverhältnisse im Irak kann mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, dass Anhänger des früheren Baath-Regimes bei realistischer Betrachtung wieder staatliche Herrschaftsgewalt ausüben werden. Eine politische Verfolgung, die eine Verknüpfung mit einer etwaigen früheren Verfolgung durch das Regime Saddam Husseins aufweisen könnte, kann bei einer Rückkehr in den Irak hinreichend sicher ausgeschlossen werden. Politische Verfolgung wegen illegalen Auslandsaufenthalts oder Asylantragstellung im Ausland droht Betroffenen nicht mehr (Bestätigung und Fortführung der Senatsrechtsprechung; vgl. Senatsurteil vom 16.9.2004 - A 2 S 471/02 -).

3. Zur Gefährdung von Familienangehörigen ehemals höherrangiger Baath-Funktionäre durch nichtstaatliche Akteure.

4. § 73 Abs. 1 S. 3 AsylVfG schützt nicht gegen allgemeine Gefahren (wie BVerwG, Urteil vom 1.11.2005, aaO).

5. § 73 Abs. 2 a AsylVfG findet als zukunftsgerichtete Vorschrift keine Anwendung auf asylverfahrensrechtliche Widerrufsbescheide, die vor dem 1.1.2005 ergangen sind (wie BVerwG, Urteil vom 1.11.2005, aaO).

6. Ob wegen der Erweiterung des Tatbestands der politischen Verfolgung auf einen solchen durch nichtstaatliche Akteure gem. § 60 Abs. 1 S. 4 AufenthG die in § 60 Abs. 2 bis 5 AufenthG genannten Menschenrechtsverletzungen auch von nichtstaatlicher Seite ausgehen können, bleibt offen.

7. Die Gewährung von Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung von § 60 Abs. 7 AufenthG ist auch im Hinblick auf die angespannte Sicherheitslage im Irak nicht geboten, weil irakischen Staatsangehörigen auf Grund der derzeitigen Erlasslage ein anderweitiger, gleichwertiger Abschiebungsschutz vermittelt wird. Dies gilt auch im Hinblick auf die durch das Zuwanderungsgesetz geänderte Rechtslage (wie Senatsurteil vom 16.9.2004, aaO).


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

A 2 S 1046/05

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Widerruf der Flüchtlingsanerkennung

hat der 2. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 4. Mai 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 11. Mai 2005 - A 2 K 14087/03 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten, die dieser selbst trägt. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Flüchtlingsanerkennung.

Der am 1.10.1975 in Sulaimaniya/Irak geborene Kläger ist irakischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er reiste am 23.11.1996 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 29.11.1996 seine Anerkennung als Asylberechtigter.

Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlingen - jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge; im Folgenden: Bundesamt - am 5.12.1996 gab er an, er fürchte als Sohn eines ehemaligen kurdischen Ministers für Stiftungs- und Religionsangelegenheiten, der im Jahr 1996 entweder von der irakischen Regierung oder von der DPK getötet worden sei, ebenfalls getötet zu werden. Das Fahrzeug, mit dem er zusammen mit seinem Bruder nach dem Einmarsch der irakischen Regierung in Sulaimaniya im September 1996 geflohen sei, sei unterwegs beschossen worden. Politisch habe er sich nicht betätigt.

Mit Bescheid vom 27.12.1996 lehnte das Bundesamt den Antrag des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigter ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich des Irak vorliegen. Der Kläger habe im Fall einer Rückkehr in den Irak wegen seiner Asylantragstellung im Ausland mit politischer Verfolgung im Sinne des § 51 Abs. 1 AuslG zu rechnen.

Mit Verfügung vom 10.11.2003 leitete das Bundesamt ein Widerrufsverfahren gem. § 73 AsylVfG ein und hörte den Kläger mit Schreiben vom 18.11.2003 zu dem beabsichtigten Widerruf an. Mit Anwaltsschreiben vom 8.12.2003 machte der Kläger geltend, eine verlässliche Zukunftsprognose könne mit Blick auf die Verhältnisse im Irak nicht getroffen werden, weshalb auch nicht beurteilt werden könne, ob etwaige weitere Verfolgungsmaßnahmen ausgeschlossen seien.

Mit Bescheid vom 10.12.2003 widerrief das Bundesamt die im Bescheid vom 27.12.1996 getroffene Feststellung, dass in der Person des Klägers die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, und stellte zugleich das Nichtvorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG fest. Zur Begründung führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, die Voraussetzungen für die Feststellung des Abschiebungsverbots gem. § 51 Abs. 1 AuslG lägen nicht mehr vor. Die Prognose einer drohenden politischen Verfolgung lasse sich nicht mehr treffen, nachdem sich die Herrschaftsverhältnisse im Irak seit der am 20.3.2003 begonnenen Militäraktion grundlegend geändert hätten und keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich seien, dass das frühere Regime unter Saddam Hussein die Staatsmacht wieder erlangen könnte.

Der Kläger hat gegen diesen Bescheid am 22.12.2003 Klage erhoben und u.a. geltend gemacht, der Widerruf sei verfrüht; weder lägen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 73 AsylVfG vor noch sei ihm unter den derzeitigen Verhältnissen eine Rückkehr in den Irak zuzumuten. Der Kläger hat beantragt, den Widerrufsbescheid vom 10.12.2003 aufzuheben.

Die Beklagte ist der Klage unter Hinweis auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid entgegengetreten und hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Der beteiligte Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten (zu dessen Beteiligung im vorliegenden Verfahren vgl. § 87 b AsylVfG i.d.F. des Art. 3 Nr. 48 des Zuwanderungsgesetzes vom 30.7.2004, BGBl. I S. 1950) hat keinen Antrag gestellt und sich zur Sache nicht geäußert.

Mit Urteil vom 11.5.2005 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Widerruf sei nicht zu beanstanden, da die Voraussetzungen des nunmehr anzuwendenden § 60 Abs. 1 AufenthG nicht mehr vorlägen. Nach dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein hätten sich die Verhältnisse im Irak in einer Weise verändert, dass eine von diesem Regime ausgehende Gefahr der politischen Verfolgung landesweit entfallen sei. Früheres Verhalten, das unter dem gestürzten Regime zu einer Gefährdung hätte führen können, insbesondere die illegale Ausreise aus dem Irak, das illegale Verbleiben im Ausland und die dortige Asylantragstellung, habe seine Bedeutung unter dem Gesichtspunkt der politischen Verfolgung verloren. Auch stehe einem Widerruf nicht § 73 Abs. 1 S. 3 AsylVfG entgegen. Sofern der Kläger geltend mache, es sei ihm in der derzeit unsicheren Situation eine Rückkehr in den Irak nicht zuzumuten, sei dieser Einwand unerheblich, da § 73 Abs. 1 S. 3 AsylVfG keinen Schutz vor allgemeinen Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit bezwecke. Soweit der Kläger im Hinblick auf die allgemeine Beendigungsklausel in Art. 1 Buchst. C Nr. 5 der Genfer Flüchtlingskonvention - GFK - und gestützt auf Richtlinien und Stellungnahmen des UNHCR die Bedeutung des § 73 Abs. 1 AsylVfG anders und für sich günstiger auslege, sei dem nicht zu folgen. Maßgeblich sei darauf abzustellen, ob die Umstände, auf Grund deren die Flüchtlingseigenschaft anerkannt worden sei, weggefallen seien. Dies verlange eine prognostische, auf Dauer angelegte Veränderung der bisherigen Verhältnisse, die zur Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft geführt hätten. Eine solche Veränderung sei in Bezug auf das frühere Regime Saddam Husseins eingetreten. Weitergehende Anforderungen stelle Art. 1 Buchst. C Nr. 5 GFK nicht auf. Soweit der UNHCR die Auffassung vertrete, bei sachgerechter Auslegung der GFK seien die Beendigungsvoraussetzungen des Art. 1 Buchst. C Nr. 5 nur dann zu bejahen, wenn der Flüchtling auf Grund der Veränderungen in seinem Heimatstaat effektiven nationalen Schutz erlangen könne, welcher das Vorhandensein einer funktionsfähigen Regierung, grundlegende Verwaltungsstrukturen und eine angemessene Infrastruktur voraussetze, werde verkannt, dass es in die Regelungskompetenz der Vertragsstaaten falle, nach ihrem innerstaatlichen Recht die Folgen des Verlustes der Flüchtlingseigenschaft ausländerrechtlich zu regeln. In diesem Rahmen sei einer allgemein noch unsicheren politischen, wirtschaftlichen oder sozialen Lage im ehemaligen Verfolgerstaat Rechnung zu tragen. Hierbei sei von Bedeutung, dass nach deutschem Recht der Widerruf nach § 73 AsylVfG nicht automatisch dazu führe, dass die hiervon Betroffenen die Bundesrepublik alsbald zu verlassen hätten. Außer über den Widerruf der Rechtsstellung als Flüchtling habe das Bundesamt nämlich auch darüber zu entscheiden, ob Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 ff. AufenthG vorlägen. Außerdem seien als Flüchtling anerkannte Personen im Besitz eines Aufenthaltstitels, über dessen Widerruf die Ausländerbehörden in einem eigenständigen Verwaltungsverfahren zu entscheiden hätten. Deshalb sei auch nicht die Unzumutbarkeit der Rückkehr in den Heimatstaat beim Widerruf der Asylanerkennung wegen Wegfalls der Verfolgungsgefahr gesondert zu prüfen. Diese Prüfung erfolge vielmehr in den für eine Aufenthaltsbeendigung notwendigen weiteren Verfahrensschritten. Dem Widerruf stehe auch nicht § 60 Abs. 1 S. 4 AufenthG entgegen. Soweit der Kläger geltend mache, wegen der herausgehobenen Stellung seines Vaters während des Saddam-Regimes habe er bei einer Rückkehr mit politischer Verfolgung von kurdischer Seite zu rechnen, könne offen bleiben, ob diese Befürchtung bezüglich seines Heimatorts berechtigt sei. Jedenfalls könne er sich einer etwaigen Bedrohung dadurch entziehen, dass er nicht an seinen Heimatort, sondern in einen anderen Teil des Irak zurückkehre.

Auch sei die Feststellung über das Nichtvorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG - jetzt: Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG - nicht zu beanstanden. Weder drohten dem Kläger konkret-individuelle Gefahren durch einen Staat oder eine staatsähnliche Organisation nach § 60 Abs. 2, 3 und 5 AufenthG noch Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG, letztere unabhängig davon, ob sie von einem Staat ausgingen oder ihm zugerechnet werden müssten. Allgemeinen Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG, denen die gesamte Bevölkerung ausgesetzt sei, könne nur durch eine Entscheidung der obersten Landesbehörde nach § 60 a Abs. 1 S. 1 AufenthG Rechnung getragen werden. Auch bestehe kein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots auf der Grundlage einer verfassungskonformen Anwendung von § 60 Abs. 7 AufenthG, da dem Kläger auf Grund der baden-württembergischen Erlasslage ein der gesetzlichen Duldung nach §§ 60 Abs. 7 S. 2, 60 a Abs. 1 S. 1 AufenthG entsprechender, gleichwertiger Abschiebungsschutz zuteil werde, so dass ein Durchbrechen der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG nicht zulässig sei.

Auf Antrag des Klägers hat der Senat mit Beschluss vom 21.11.2005 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG zugelassen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 11.5.2005 - A 2 K 14087/03 - zu ändern und den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 10.12.2003 aufzuheben;

hilfsweise: die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Entscheidung in Nr. 2 des Bescheids zu verpflichten festzustellen, dass in seiner Person die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen.

Er bezieht sich zur Begründung auf sein bisheriges Vorbringen im Berufungszulassungsverfahren. Die Bewertung des Verwaltungsgerichts, wonach ausgeschlossen werden könne, dass das frühere Regime jemals wieder an die Macht komme, habe keine ausreichende Grundlage und bedürfe der Überprüfung. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts müsse § 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG im Hinblick auf die Beendigungsklausel in Art. 1 Buchst. C Nr. 5 GFK und unter Berücksichtigung der Vorwirkungen der sog. Qualifikationsrichtlinie 2004/83/EG im Sinne der Grundsätze ausgelegt werden, wie sie der zur Auslegung der Genfer Konvention zuständige UNHCR aufgestellt habe. Entgegen der Beurteilung des Verwaltungsgerichts lägen die Voraussetzungen einer innerstaatlichen Fluchtalternative bei einem kurdischen Volkszugehörigen, der - wie der Kläger - wegen seines Vaters von kurdischer Seite mit politischer Verfolgung rechnen müsse, nicht vor. Mit dem angegriffenen Urteil werde auch die Bedeutung der Ausschlussklausel des § 73 Abs. 1 S. 3 AsylVfG verkannt. Zweifelhaft sei ferner die Auslegung des § 60 Abs. 2, 3 und 5 AufenthG durch das Verwaltungsgericht, soweit in diesem Rahmen gefordert werde, die konkret-individuelle Gefahr habe von einem Staat oder einer staatsähnlichen Organisation auszugehen. Diese Auslegung berücksichtige nicht die durch § 60 Abs. 1 S. 4 Buchst. c AufenthG eingetretene Rechtsänderung. Unzutreffend sei ferner die Auffassung des Verwaltungsgerichts, auf Grund der Erlasslage sei ein wirksamer, gleichwertiger Abschiebungsschutz gegeben.

Die Beklagte tritt der Berufung entgegen und bezieht sich zur Begründung ihres gegenteiligen Standpunkts auf einen Berufungszulassungsantrag vom 14.12.2005 in einer vergleichbaren Sach- und Rechtslage. Sie beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der beteiligte Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten hat sich im Berufungsverfahren nicht geäußert.

Mit ausländerrechtlicher Verfügung vom 11.7.2005 hat das Landratsamt Ludwigsburg gem. § 52 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG die dem Kläger erteilte, bis 21.11.2006 gültige Aufenthaltserlaubnis auf den Tag des Eintritts der Rechtskraft des Widerrufsbescheids des Bundesamts vom 10.12.2003 widerrufen, den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis abgelehnt, den Kläger zur Ausreise spätestens ein Monat nach Eintritt der Rechtskraft des Widerrufsbescheids des Bundesamts aufgefordert und ihm die Abschiebung in den Irak für den Fall der nicht fristgerechten freiwilligen Ausreise angedroht.

Dem Senat liegen die einschlägigen Behörden- und Gerichtsakten vor. Diese waren ebenso Gegenstand der mündlichen Verhandlung wie die mit der Ladung übersandten Erkenntnismittel des Senats. Auf die genannten Unterlagen sowie die im Berufungsverfahren eingeholte Auskunft des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 5.4.2006 wird ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte trotz Ausbleibens von Beteiligten verhandeln und entscheiden, nachdem in der Ladung auf diese Folge hingewiesen worden ist (§§ 125 Abs. 1, 102 Abs. 2 VwGO).

Die vom Senat zugelassene Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht dessen Klage abgewiesen. Der Widerruf der Feststellung, dass in der Person des Klägers die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (jetzt: § 60 Abs. 1 AufenthG) vorliegen, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO; nachfolgend 1.) Auch hat das Bundesamt zu Recht festgestellt, dass in der Person des Klägers Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG (jetzt: Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG) nicht vorliegen. Der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung von Abschiebungshindernissen besteht nicht (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO; nachfolgend 2.). Hierbei ist für die rechtliche Beurteilung des Senats die nach Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes vom 30.7.2004 (BGBl. I S. 1950) geänderte Rechtslage maßgebend (§ 77 Abs. 1 AsylVfG; vgl. BVerwG, Urteil vom 8.2.2005, BVerwGE 122, 376).

1. Rechtsgrundlage für den angefochtenen Widerrufsbescheid ist § 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG in der seit dem 1.1.2005 geltenden Fassung. Danach sind die Anerkennung als Asylberechtigter und die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (früher: § 51 Abs. 1 AuslG) vorliegen, unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen (zur Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.1992, Buchholz 402.25, § 73 AsylVfG Nr. 1). Dies ist insbesondere der Fall, wenn sich die zum Zeitpunkt der Anerkennung maßgeblichen Verhältnisse nachträglich erheblich und nicht nur vorübergehend so verändert haben, dass bei einer Rückkehr des Ausländers in seinen Herkunftsstaat eine Wiederholung der für die Flucht maßgeblichen Verfolgungsmaßnahmen auf absehbare Zeit mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen ist. Davon ist das Verwaltungsgericht im angegriffenen Urteil zutreffend ausgegangen (a). Rechtlich nicht zu beanstanden ist ferner die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dem Kläger drohe im Fall einer Rückkehr in sein Heimatland auch nicht aus anderen Gründen erneut politische Verfolgung (b) und einem Widerruf stünden auch nicht zwingende, auf früherer Verfolgung beruhende Gründe im Sinne des § 73 Abs. 1 S. 3 AsylVfG entgegen (c). Schließlich begegnet der Widerruf auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht keinen rechtlichen Bedenken (d).

a)

aa) Wie das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 1.11.2005 - 1 C 21.04 -, ZAR 2006, 107 ausgeführt hat, entspricht § 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG seinem Inhalt nach der "Beendigungs-" oder "Wegfall-der-Umstände-Klausel" in Art. 1 C Nr. 5 S. 1 und Nr. 6 S. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention - GFK -. Danach wollte der Gesetzgeber ersichtlich die materiellen Anforderungen aus der GFK übernehmen und als Widerrufsgründe ausgestalten. Im Einzelnen hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt:

"Soweit Art. 1 C Nr. 5 Satz 1 GFK heranzuziehen ist, sind bei der Auslegung der Genfer Flüchtlingskonvention die Art. 31 ff. des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 (BGBl II 1985 S. 926/II 1987 S. 757 - WVRK -) zwar nicht unmittelbar, aber als Ausdruck allgemeiner Regeln des Völkerrechts anwendbar (vgl. Art. 4 WVRK). Nach Art. 31 Abs. 1 WVRK ist ein Vertrag nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Ziels und Zwecks auszulegen (vgl. Urteil vom 17. März 2004 - BVerwG 1 C 1.03 - BVerwGE 120, 206 <209>).

"Wegfall der Umstände" im Sinne von Art. 1 C Nr. 5 Satz 1 GFK, auf Grund derer die Anerkennung erfolgte, meint danach - ebenso wie im Rahmen von § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG - eine nachträgliche erhebliche und nicht nur vorübergehende Änderung der für die Anerkennung maßgeblichen Verhältnisse. Unter "Schutz" ist nach Wortlaut und Zusammenhang der erwähnten "Beendigungsklausel" ausschließlich der Schutz vor erneuter Verfolgung zu verstehen. Der Begriff "Schutz des Landes" in dieser Bestimmung hat nämlich keine andere Bedeutung als "Schutz dieses Landes" in Art. 1 A Nr. 2 GFK, der die Flüchtlingseigenschaft definiert. Schutz ist dabei bezogen auf die Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen der politischen Überzeugung. Da Art. 1 C Nr. 5 Satz 1 GFK die Beendigung des Flüchtlingsrechts im Anschluss an Art. 1 A Nr. 2 GFK regelt, kann mit "Schutz" nur der Schutz vor Verfolgung gemeint sein (vgl. VGH München, InfAuslR 2005, 43 <44>, VG Dresden, AuAS 2005, 207 <209>; a.M. Salomons/Hruschka, ZAR 2004, 386 <390 f.>). Diese "Beendigungsklausel" beruht nämlich auf der Überlegung, dass in Anbetracht von Veränderungen in dem Verfolgerland ein internationaler (Flüchtlings-)Schutz nicht mehr gerechtfertigt ist, da die Gründe, die dazu führten, dass eine Person zum Flüchtling wurde, nicht mehr bestehen (vgl. Handbuch UNHCR Nr. 115) und damit die Gründe für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und für den internationalen Schutz nachträglich weggefallen sind. Nach allem kann ein Ausländer nach Wegfall der Umstände, auf Grund deren er als Flüchtling anerkannt worden ist, es im Sinne von Art. 1 C Nr. 5 Satz 1 GFK nicht mehr ablehnen, den Schutz des Staates seiner Staatsangehörigkeit (wieder) in Anspruch zu nehmen. Dazu muss allerdings feststehen, dass ihm bei einer Rückkehr nunmehr auch nicht aus anderen Gründen Verfolgung droht. Dagegen werden allgemeine Gefahren (z.B. auf Grund von Kriegen, Naturkatastrophen oder einer schlechten Wirtschaftslage) von dem Schutz des Art. 1 A Nr. 2 GFK nach Wortlaut und Zweck dieser Bestimmung ebenso wenig umfasst wie von Art. 1 C Nr. 5 Satz 1 GFK (anders offenbar die UNHCR-Richtlinien zum internationalen Schutz: Beendigung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des Art. 1 C (5) und (6) des Abk. von 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 10. Februar 2003, NVwZ Beilage Nr. I 8/2003, S. 57 <59>, wo u.a. eine "angemessene Infrastruktur" verlangt wird, "innerhalb derer die Einwohner ihre Rechte ausüben können, einschließlich ihres Rechtes auf eine Existenzgrundlage") . Ob dem Ausländer wegen allgemeiner Gefahren im Herkunftsstaat eine Rückkehr unzumutbar ist, ist beim Widerruf der Asyl- und Flüchtlingsanerkennung mithin nach § 73 Abs. 1 AsylVfG nicht zu prüfen. Schutz kann insoweit nach den allgemeinen Bestimmungen des deutschen Ausländerrechts gewährt werden (vgl. namentlich § 60 Abs. 7 Satz 2 und § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Im Übrigen führt der Widerruf der Asyl- und Flüchtlingsanerkennung nicht ohne weiteres zum Verlust des Aufenthaltstitels. Dieser kann vielmehr nach § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG von der Ausländerbehörde nur auf der Grundlage einer Ermessensentscheidung widerrufen werden (vgl. auch Urteil vom 20. Februar 2003 - BVerwG 1 C 13.02 - BVerwGE 117, 380 zu der Vorgängerbestimmung des § 43 Abs. 1 Nr. 4 AuslG), bei der die öffentlichen Belange hinsichtlich einer etwaigen Beendigung des Aufenthalts im Einzelfall mit dem privaten Interesse des Ausländers an seinem Verbleib in Deutschland abzuwägen sind."

Der erkennende Senat schließt sich dieser Beurteilung an. Kann unter "Schutz" im Sinne des Art. 1 C Nr. 5 S. 1 GFK nur der Schutz vor Verfolgung und nicht auch Schutz vor allgemeinen Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit gemeint sein, so ist auch der vom Kläger herangezogenen Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.4.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - sog. Qualifikationsrichtlinie - (Amtsblatt Nr. L 304 vom 30.9.2004) keine weitergehende Bedeutung beizumessen. Ungeachtet der Frage, inwieweit einer solchen Richtlinie vor Ablauf der Umsetzungsfrist bereits rechtliche Vorwirkungen beizumessen sind (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 12.5.2005, VBlBW 2005, 303), kommt der hier einschlägigen Regelung in Art. 11 Abs. 1 Buchst. e der Qualifikationsrichtlinie keine andere materielle Bedeutung zu als Art. 1 C Nr. 5 GFK, dessen Wortlaut lediglich wiederholt wird. Vielmehr wird die hier vertretene Auffassung durch den Wortlaut in Art. 11 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie bestätigt, wonach die Mitgliedsstaaten bei der Prüfung von Absatz 1 Buchst. e und f zu untersuchen haben, ob die Veränderung der Umstände erheblich und nicht nur vorübergehend ist, so dass die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung nicht länger als begründet angesehen werden kann. Auch dieser Gesichtspunkt spricht dafür, bei der Prüfung der "Beendigungsklausel" des § 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG in Verb. mit Art. 1 C Nr. 5 S. 1 GFK darauf abzustellen, ob in Anbetracht der Veränderungen in dem Verfolgerland ein internationaler Flüchtlingsschutz nicht mehr gerechtfertigt ist, weil die Gründe, die dazu führten, dass eine Person zum Flüchtling wurde, nicht mehr bestehen.

bb) Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil mit zutreffender Begründung die Voraussetzungen eines Widerrufs der Flüchtlingseigenschaft des Klägers im Hinblick auf die veränderten Verhältnisse im Irak seit der Militäraktion vom 20.3.2003 bejaht. Der Senat folgt der Einschätzung des Verwaltungsgerichts, der Sturz des Baath-Regimes unter Saddam Hussein und der anschließende politische Systemwechsel hätten die vom früheren Regime ausgehende Gefahr einer politischen Verfolgung landesweit entfallen lassen. Es sei nichts dafür ersichtlich, dass das frühere Regime jemals wieder an die Macht kommen und staatliche Verfolgungsmaßnahmen veranlassen könnte. Derzeit und für die nächste Zukunft sei eine politische Verfolgung des Klägers, die eine Verknüpfung mit einer etwaigen früheren Verfolgung durch das Regime Saddam Husseins aufweisen könnte, bei einer Rückkehr in den Irak deshalb hinreichend sicher ausgeschlossen. Früheres Verhalten, das unter dem gestürzten früheren Regime zu einer Gefährdung hätte führen können, insbesondere die illegale Ausreise aus dem Irak, das illegale Verbleiben im Ausland und die dortige Asylantragstellung oder sonstiges vom früheren Regime als feindselig empfundenes Verhalten habe deshalb seine Bedeutung für den geltend gemachten Anspruch auf Beibehaltung des Status nach § 51 Abs. 1 AuslG/§ 60 Abs. 1 S. 1 AufenthG verloren. An dieser Einschätzung, die der des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 25.8.2004, NVwZ 2005, 89) und des erkennenden Senats (Beschluss vom 26.4.2004 - A 2 S 172/02 - und Urteil vom 16.9.2004 - A 2 S 471/02 -) entspricht, hält der Senat auch im Hinblick auf die zwischenzeitliche politische Entwicklung im Irak fest. Entgegen der Ansicht des Klägers ist gegenwärtig nichts dafür ersichtlich, dass die durch Erlass Nr. 1 der US-Verwaltung im Irak verbotene Baath-Partei bzw. ehemalige Anhänger dieser Partei an die Macht zurückkehren könnten. Dagegen sprechen Verlauf und Ergebnis des politischen Prozesses, wie er sich nach der formalen Beendigung der amerikanisch-britischen Besatzung am 28.6.2004 und der Wiederherstellung der nationalen Souveränität des Irak darstellt. Die am 30.1.2005 durchgeführten ersten demokratischen Wahlen haben trotz der Nichtteilnahme großer Teile der sunnitischen Bevölkerung und einiger Unregelmäßigkeiten, vor allem im Norden des Landes, zu einer demokratischen Legitimierung der irakischen Regierung geführt (AA, Lagebericht Irak, Stand November 2005). Die von der schiitischen Bevölkerungsmehrheit getragene Schiiten-Allianz, die als Sieger mit absoluter Mehrheit aus der Wahl hervorgegangen ist, ist mit der zweitstärksten Kraft, der Kurden-Allianz, eine Koalition eingegangen und hat trotz des weitgehenden Boykotts der Wahl durch die sunnitische Minderheitsbevölkerung eine Übergangsregierung gebildet, die weitgehend dem ethnischen und religiösen Proporz im Lande Rechnung trägt. Danach stellen die Schiiten den Ministerpräsidenten und 16 Minister, die Kurden 8 Minister, die Sunniten 6, Christen und Turkmenen je einen Minister. Zum Staatspräsidenten wurde am 6.4.2005 der Kurde Dschalal Talabani gewählt. Seine Stellvertreter sind der bisherige Finanzminister Dr. Adil Abd Al-Mahdi (Schiit) und der bisherige Staatspräsident Scheich Ghasi Al-Yawer (sunnitischer Araber). Die neu gewählte Übergangsregierung ist in ihren Entscheidungsbefugnissen inhaltlich nicht beschränkt. Gesetze werden von der gewählten Übergangs-Nationalversammlung erlassen. Am 15.10.2005 hat die irakische Bevölkerung in einem Referendum die neue irakische Verfassung bei einer Wahlbeteiligung von 63 % angenommen. Die Verfassung bestimmt, dass Irak ein demokratischer, föderaler und parlamentarisch-republikanischer Staat ist. Der Islam ist Staatsreligion und eine Hauptquelle der Gesetzgebung. Die Verfassung enthält einen umfassenden Menschenrechtskatalog und garantiert eine Frauenquote von 25 % im Parlament. Die Öleinkünfte werden gemeinsam von Zentral- und Regionalregierungen verwaltet. Am 19.10.2005 hat ein irakisches Sondergericht zur Aufarbeitung der Verbrechen des ehemaligen Regimes das erste Verfahren gegen Saddam Hussein sowie sieben weitere Repräsentanten des früheren Regimes eröffnet. Gegenstand des Verfahrens ist die Tötung von 143 schiitischen Moslems im Jahre 1982 in Dschulail (AA, Lagebericht Irak, Stand November 2005).

Am 15. Dezember 2005 fanden im Irak Parlamentswahlen statt. Von den 275 Parlamentssitzen errangen die religiösen Schiiten-Allianz 128, das kurdische Wahlbündnis 53 und die sunnitische Irakische Konsensfront 44 Sitze. Die Bildung einer neuen "Regierung der nationalen Einheit" hat sich um vier Monate verzögert, da sowohl die Kurden als auch die Sunniten den bisherigen schiitischen Ministerpräsidenten und Regierungschef Dschaafari ablehnen (SZ vom 18.4.2006). Inzwischen haben sich die beteiligten Parteien auf den Schiiten Dschawad al Maliki als künftigen Ministerpräsidenten geeinigt, der nunmehr mit der Regierungsbildung beauftragt ist (StZ vom 4.5.2006).

Angesichts der geschilderten Entwicklung der Machtverhältnisse, die von einer überwältigenden Mehrheit der unter dem (sunnitischen) Baath-Regime unterdrückten schiitischen und kurdischen Bevölkerungsmehrheit geprägt ist, hält es der erkennende Senat mit hinreichender Sicherheit für ausgeschlossen, dass Anhänger des früheren Baath-Regimes bei realistischer Betrachtung wieder staatliche Herrschaftsgewalt ausüben werden (ebenso Bay. VGH, Urteil vom 3.3.2005 - 23 B 04.30692 - juris). Davon zu unterscheiden ist die - vom Senat nach gegenwärtigem Sachstand nicht zu beantwortende - Frage, ob die irakische Regierung im Hinblick auf die äußerst angespannte Sicherheitslage angesichts täglicher Terroranschläge militanter Gruppierungen ihren Anspruch auf staatliche Machtausübung behaupten kann oder ob sich die Verhältnisse insbesondere nach dem Anschlag auf das schiitische Heiligtum von Samarra am 22. Februar 2006 und den anschließenden Überfällen von schiitischen Milizionären auf Sunniten auf einen offenen Bürgerkrieg hin entwickeln (NZZ vom 1.3.2006).

Soweit der Kläger im Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 4.5.2006 im Wege eines Hilfsbeweisantrags die Einholung von Gutachten des UNHCR und der Schweizerischen Flüchtlingshilfe zum Beweis der "Tatsache" beantragt, "dass auf Grund der derzeitigen katastrophalen Sicherheitslage trotz der Besatzungstruppen nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass dem Kläger bei einer Rückkehr aus anderen Gründen politische Verfolgung droht und dass die derzeitige Veränderung der politischen und sicherheitsrelevanten Umstände noch nicht auf Dauer ist bzw. sich noch im vorübergehenden Zustand befindet, also von einer endgültigen Änderung noch nicht gesprochen werden kann, auch zumindest im Sinne der EU-Richtlinie noch nicht von einem dauerhaften Wegfall der Verfolgung gesprochen werden kann" (Hilfsbeweisantrag zu 1.), zielt dieser Antrag schon nicht auf den Beweis konkreter Tatsachen, sondern auf eine Bewertung, der eine Rechtsauffassung zugrunde liegt, die der Senat nach den obigen Ausführungen (zu 1 a, aa) nicht teilt. Denn auf die allgemeine Sicherheitslage im Herkunftsstaat kommt es bei der Anwendung des § 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG in Verbindung mit der Beendigungsklausel des Art. 1 C Nr. 5 GFK und der dazu ergangenen sog. Qualifikationsrichtlinie nicht an. Dem "Beweisantrag" brauchte der Senat somit schon aus Gründen des materiellen Rechts nicht nachzukommen. Soweit der Kläger ferner (Hilfsbeweisantrag zu 2.) die Einholung von Gutachten der genannten Stellen zum Beweis der Tatsache beantragt, "dass dem Kläger bei einer Rückkehr eine Gefahr für Leib und Leben jederzeit akut droht, allein durch die realistische jederzeitige Möglichkeit, bei einem Attentat oder bei Kämpfen zu sterben oder verletzt zu werden", kommt dem im Rahmen des Widerrufs der Flüchtlingseigenschaft gem. § 51 Abs. 1 AuslG bzw. § 60 Abs. 1 AufenthG keine rechtliche Bedeutung zu, da der unter Beweis gestellte Sachverhalt schon nicht unter die Voraussetzungen einer politischen Verfolgung im Sinne der genannten Vorschriften zu fassen wäre. Soweit damit allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG erfasst sind, bedarf es zu dieser Frage keiner Beweiserhebung, da der Kläger auf Grund der derzeitigen landesrechtlichen Erlasslage anderweitigen gleichwertigen Abschiebungsschutz genießt und es aus Gründen der Verfahrens- und Prozessökonomie keiner Klärung der Frage bedarf, ob die derzeit prekäre Sicherheitslage im Irak die Annahme einer extremen Gefahrenlage im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts rechtfertigt (s. die nachfolgenden Ausführungen unter 2 c). Soweit der Kläger schließlich (als Hilfsbeweisantrag zu 3.) die Einholung von Gutachten der genannten Stellen beantragt "zum Beweis der weiteren Tatsache, dass der Kläger auf Grund des Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland und auf Grund der in der Bundesrepublik Deutschland begangenen Straftaten vom deutschen und vom US-Geheimdienst ins Visier genommen wurde und deshalb bei einer Rückkehr oder bei einer Abschiebung sofort durch den US-Geheimdienst inhaftiert würde verbunden mit Verhören einschließlich Folter und Misshandlung und Inhaftierung auf unbestimmte Zeit, indem dem Kläger politische Gegnerschaft und Terrorismusvorwürfe unterstellt werden", handelt es sich um einen Beweisausforschungsantrag, da "ins Blaue hinein" Behauptungen aufgestellt werden, für die tatsächliche Grundlagen fehlen. Vielmehr soll erst die Beweiserhebung selbst die entscheidungserheblichen Tatsachen und Behauptungen aufdecken (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 27.2.1998 - A 14 S 417/98 - mit Verweis auf BVerwG, Beschluss vom 5.10.1990, Buchholz 442.40, § 9 Nr. 6). Der Kläger hat im bisherigen Verfahren weder vor dem Bundesamt noch vor dem Verwaltungsgericht Anhaltspunkte genannt, die dafür sprechen könnten, dass er auf Grund seines Aufenthalts im Bundesgebiet und auf Grund der von ihm begangenen Straftaten in das Blickfeld der genannten Geheimdienststellen geraten sein könnte. Anhaltspunkte für die Richtigkeit dieser Behauptung sind in keiner Weise ersichtlich, so dass auch insoweit die im Wege des Hilfsbeweisantrags begehrte Einholung von Gutachten der bezeichneten Stellen nicht geboten war.

b) Im Ergebnis zutreffend hat das Verwaltungsgericht erkannt, dass dem Widerruf nicht die Regelung in § 60 Abs. 1 S. 4 AufenthG entgegensteht. Da der Senat - wie oben ausgeführt - gem. § 77 Abs. 1 AsylVfG die im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geltende Rechtslage zu berücksichtigen hat, ist im vorliegenden Widerrufsverfahren zu prüfen, ob dem Kläger politische Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 S. 1 AufenthG auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen (§ 60 Abs. 1 S. 4 Buchst. b AufenthG) oder von nichtstaatlichen Akteuren (§ 60 Abs. 1 S. 4 Buchst. c AufenthG) droht. Hierbei kann der Senat offen lassen, welcher Wahrscheinlichkeitsmaßstab gilt, wenn die für die Zukunft befürchteten Verfolgungsmaßnahmen keinerlei Verknüpfung mehr mit den früheren aufweisen, die zur Anerkennung geführt haben (ebenso BVerwG, Urteil vom 1.11.2005, aaO unter Verweis auf BVerwG, Urteil vom 24.11.1992, aaO). Auch bedarf im vorliegenden Sachverhalt keiner abschließenden Klärung, ob dem Kläger eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 60 Abs. 1 S. 4 Buchst. c AufenthG zur Verfügung steht, wie das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil erkannt hat. Denn es kann nach den dem Senat vorliegenden Erkenntnissen mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, dass dem Kläger wegen der herausgehobenen Stellung seines Vaters während des Saddam-Regimes bei einer Rückkehr in den Irak politische Verfolgung von kurdischer Seite droht. Nach Einschätzung des Deutschen Orient-Instituts (Auskunft vom 18.10.2004 an das VG Karlsruhe; vom 31.3.2005 an das VG Braunschweig und vom 31.10.2005 an das VG Bayreuth) gibt es keine Anhaltspunkte für Racheakte an früheren Funktionsträgern des Baath-Regimes, auch wenn privat motivierte Racheakte im Einzelfall jedenfalls dann nicht ausgeschlossen werden können, wenn der ehemalige Repräsentant des früheren Regimes "Blut an den Händen" hat. Keinesfalls werden aber nach der Einschätzung des Deutschen Orient-Instituts Familienangehörige des Funktionsträgers in etwaige Racheakte einbezogen. Diese Einschätzung teilt das Europäische Zentrum für kurdische Studien in seiner Auskunft vom 17.12.2004 an das VG Köln. Danach sind Racheakte gegen Verwandte ehemaliger Baathisten dort nicht bekannt. Wenn überhaupt Racheakte stattfänden, dann gegen den Funktionsträger selbst, sofern sich dieser Grausamkeiten habe zuschulden kommen lassen. Nach Einschätzung des Europäischen Zentrums für kurdische Studien wäre es "untypisch", wenn Verwandte belangt würden. Diese Stelle hält die Gefahr noch geringer bei Rückkehrern in die kurdisch verwalteten Gebiete, wenn keine nachweisbaren Verbrechen begangen worden sind. Schließlich gibt es nach Einschätzung der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (Auskunft vom 27.1.2006; Irak: Gefährdung von ehemaligen Mitgliedern der Baath-Partei) wenig Hinweise auf eine Gefährdung von Familienmitgliedern ehemals höherrangiger Baath-Mitglieder; nach dortiger Erkenntnis werden Familienmitglieder oder Personen, welche ehemaligen Baath-Funktionären nahe standen, wegen unter Saddams Regime begangener Verbrechen nicht ins Visier genommen. Werden allerdings Angriffe auf ehemalige Baath-Mitglieder unternommen, während sich diese in unmittelbarer Nähe ihrer Familienangehörigen befinden, sei damit zu rechnen, dass diese vom Angriff ebenso getroffen werden könnten.

Bei Würdigung dieser Erkenntnisse hält der Senat eine Gefährdung durch nichtstaatliche Akteure im Sinne des § 60 Abs. 1 S. 4 Buchst. c AufenthG mit hinreichender Wahrscheinlichkeit für ausgeschlossen. Der Kläger hat sich während seines Aufenthalts im Irak nach eigenen Angaben politisch nicht betätigt. Ein Anlass, ihn wegen eigener, unter dem Regime Saddam Husseins begangener Taten heute zur Rechenschaft zu ziehen, besteht daher nicht. Seine Befürchtung, von kurdischer Seite mit politischer Verfolgung überzogen zu werden, leitet der Kläger ausschließlich daraus her, dass er der Sohn eines ehemaligen kurdischen Ministers für Stiftungs- und Religionsangelegenheiten während des Baath-Regimes ist. Sein Vater ist aber bereits seit dem Jahr 1996 tot. Als Familienangehöriger eines ehemaligen Funktionsträgers hat der Kläger nach den obigen Ausführungen keine politische Verfolgung seitens nichtstaatlicher Akteure im Sinne des § 60 Abs. 1 S. 4 Buchst. c AufenthG zu befürchten.

c) Entgegen der Auffassung des Klägers steht einem Widerruf auch nicht § 73 Abs. 1 S. 3 AsylVfG entgegen. Nach dieser Vorschrift ist von einem Widerruf abzusehen, wenn sich der Ausländer auf zwingende, auf früheren Verfolgungen beruhende Gründe berufen kann, um die Rückkehr in den Staat abzulehnen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, oder in dem er als Staatenloser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 1.11.2005 (aaO) zu § 73 Abs. 1 S. 3 AsylVfG Folgendes ausgeführt:

"Diese Regelung ist offenbar Art. 1 C Nr. 5 Satz 2 und Nr. 6 Satz 2 GFK nachgebildet, der dem UNHCR (NVwZ, Beilage Nr. I 2003, S. 57 <59> m.w.N.) zufolge in der Staatenpraxis als Ausdruck eines humanitären Grundsatzes des Flüchtlingsrechts über seinen Wortlaut hinaus nicht nur auf sog. statutäre Flüchtlinge nach Art. 1 A Nr. 1 GFK, sondern auch auf Flüchtlinge im Sinne des Art. 1 A Nr. 2 GFK angewendet wird (vgl. auch Köfner/Nicolaus, Grundlagen des Asylrechts in der Bundesrepublik Deutschland, 1986, Band 2, S. 605).

§ 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG enthält danach eine einzelfallbezogene Ausnahme von der Beendigung der Flüchtlingseigenschaft, die unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen von Satz 1 der Vorschrift gilt. Von einem Widerruf ist dann abzusehen, wenn sich aus dem konkreten Flüchtlingsschicksal besondere Gründe ergeben, die eine Rückkehr unzumutbar erscheinen lassen. Maßgeblich sind somit Nachwirkungen früherer Verfolgungsmaßnahmen, ungeachtet dessen, dass diese abgeschlossen sind und sich aus ihnen für die Zukunft keine Verfolgungsgefahr mehr ergibt. Der Rückkehr in den Heimatstaat müssen (gegenwärtige) zwingende Gründe entgegenstehen (d.h. eine Rückkehr muss unzumutbar sein). Diese Gründe müssen außerdem auf einer früheren Verfolgung beruhen. Zwischen der früheren Verfolgung und der Unzumutbarkeit der Rückkehr muss daher bereits nach dem Wortlaut der Bestimmung ein kausaler Zusammenhang bestehen.

Dagegen schützt auch diese Vorschrift nicht gegen allgemeine Gefahren. Ebenso wenig können aus ihr allgemeine, von den gesetzlichen Voraussetzungen losgelöste Zumutbarkeitskriterien hergeleitet werden, die einem Widerruf der Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung entgegenstehen. § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG trägt vielmehr der psychischen Sondersituation solcher Personen Rechnung, die ein besonders schweres, nachhaltig wirkendes Verfolgungsschicksal erlitten haben und denen es deshalb selbst lange Zeit danach - auch ungeachtet veränderter Verhältnisse - nicht zumutbar ist, in den früheren Verfolgerstaat zurückzukehren (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 73 AsylVfG Rn. 29 m.w.N.). Die Signatarstaaten hatten bei der Schaffung des zugrunde liegenden Art. 1 C Nr. 5 Satz 2 GFK das Schicksal jüdischer Flüchtlinge aus dem nationalsozialistischen Deutschland vor Augen (vgl. Takkenberg/Tahbaz, The collected Travaux preparatoires of the 1951 Geneva Convention Relating to the Status of Refugees, Band III S. 481 ff.)."

Mit zutreffender Begründung hat das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil einen solchen Ausnahmefall in der Person des Klägers verneint. Soweit dieser wegen der derzeitigen Sicherheitslage im Irak eine Rückkehr in sein Heimatland für unzumutbar ansieht, ist dieser Einwand im vorliegenden Zusammenhang rechtlich unerheblich, da § 73 Abs. 1 S. 3 AsylVfG nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 1.11.2005, aaO) - der sich der Senat anschließt - keinen Schutz vor allgemeinen Gefahren gewährt und aus dieser Vorschrift keine von den gesetzlichen Voraussetzungen losgelöste Zumutbarkeitskriterien hergeleitet werden können. Dasselbe gilt für den Einwand des Klägers, er halte sich seit nunmehr achteinhalb (jetzt neuneinhalb) Jahren im Bundesgebiet auf und habe seit langem "jegliche Brücken" in den Irak abgebrochen. Dieser Umstand begründet nach den obigen Ausführungen schon tatbestandlich keinen Sachverhalt, der eine einzelfallbezogene Ausnahme von der Beendigung der Flüchtlingseigenschaft in Anwendung des § 73 Abs. 1 S. 3 AsylVfG rechtfertigt.

d) Die angefochtene Widerrufsentscheidung des Bundesamts ist auch in verwaltungsverfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Ob der Widerruf, wie in § 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG vorgesehen, unverzüglich erfolgt ist, bedarf keiner Erörterung, da das Gebot des unverzüglichen Widerrufs ausschließlich öffentlichen Interessen dient, so dass ein Verstoß hiergegen keine subjektiven Rechte des betroffenen Ausländers verletzen kann (BVerwG, Urteil vom 1.11.2005, aaO, m.w.N.). Auch aus der am 1.1.2005 in Kraft getretenen Regelung in § 73 Abs. 2 a AsylVfG kann der Kläger nichts zu seinen Gunsten herleiten. Nach Satz 1 dieser Vorschrift hat die Prüfung, ob die Voraussetzungen für einen Widerruf nach Abs. 1 oder eine Rücknahme nach Abs. 2 vorliegen, spätestens nach Ablauf von drei Jahren nach Unanfechtbarkeit der Entscheidung zu erfolgen. Das Ergebnis ist der Ausländerbehörde mitzuteilen (Satz 2). Ist nach der Prüfung ein Widerruf oder eine Rücknahme nicht erfolgt, so steht eine spätere Entscheidung nach Abs. 1 oder Abs. 2 im Ermessen (Satz 3). Diese Bestimmung findet auf die hier angefochtene - vor dem 1.1.2005 ergangene - Widerrufsentscheidung des Bundesamts (vom 10.12.2003) keine Anwendung. Das mit der Vorschrift neu eingeführte mehrstufige Prüfungsverfahren, das erkennbar in einem engen Zusammenhang mit dem ebenfalls am 1.1.2005 in Kraft getretenen § 26 AufenthG steht, kann sich schon nach dem Gesetzeswortlaut nur auf den Fall beziehen, dass bei Inkrafttreten der Vorschrift weder ein Widerruf noch eine Rücknahme der Anerkennung erfolgt ist. Es handelt sich daher um einen in die Zukunft gerichteten Auftrag an das Bundesamt, dem die gesetzgeberische Erwägung zugrunde liegt, mit der Einführung einer obligatorischen Prüfungspflicht den Vorschriften über den Widerruf und die Rücknahme mehr praktische Bedeutung zu verleihen (ebenso BVerwG, Urteil vom 1.11.2005, aaO). Für eine rückwirkende Geltung des § 73 Abs. 2 a AsylVfG mangelt es an einer entsprechenden Übergangsvorschrift. Der vorliegende Sachverhalt gibt keinen Anlass zur Erörterung der Frage, ob diese Bestimmung darüber hinaus nur für den Widerruf von Anerkennungsbescheiden gilt, die nach dem 1.1.2005 ergangen sind (vgl. dazu das Senatsurteil vom heutigen Tag im Berufungsverfahren A 2 S 1122/05). Offen bleiben kann ferner die Frage, ob die Jahresfrist nach § 49 Abs. 2 S. 2 VwVfG in Verb. mit § 48 Abs. 4 VwVfG auch bei asylverfahrensrechtlichen Widerrufsverfügungen nach § 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG Anwendung findet, da die Jahresfrist, die frühestens nach Anhörung des Klägers mit einer angemessenen Frist zur Stellungnahme zu laufen beginnt (BVerwG, Urteil vom 1.11.2005, aaO), hier jedenfalls eingehalten ist.

2. Der Kläger hat auch nicht den gegen die Beklagte hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf Feststellung des Vorliegens eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG. Da mit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes am 1.1.2005 der bis dahin geltende § 53 AuslG durch die inhaltlich entsprechenden Absätze 2 bis 7 des § 60 AufenthG ersetzt wurde (Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drucks. 15/420 zu § 60 AufenthG), müsste das Bundesamt zum heutigen Zeitpunkt feststellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen (zur Befugnis des Bundesamts zu einer derartigen Entscheidung im Widerrufsverfahren in analoger Anwendung der §§ 24 Abs. 2, 31 Abs. 2 S. 1, 31 Abs. 3 S. 1, 32, 39 Abs. 2 und § 73 Abs. 1 bis 3 AsylVfG vgl. BVerwG, Urteil vom 20.4.1999, InfAuslR 1999, 373 sowie VGH Bad.-Württ., Urteil vom 22.2.2006 - 11 S 1066/05 -). Mit zutreffender Begründung hat das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil einen dahingehenden Anspruch des Klägers verneint.

a) Ob der Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2, 3 und 5 AufenthG eine konkret-individuell drohende Gefahr durch einen Staat oder eine staatsähnliche Organisation voraussetzt (so BVerwG, Urteil vom 17.10.1995, BVerwGE 99, 331) oder ob wegen der Erweiterung des Tatbestands der politischen Verfolgung durch sog. nichtstaatliche Akteure gem. § 60 Abs. 1 S. 4 AufenthG die in § 60 Abs. 2 bis 5 AufenthG genannten Menschenrechtsverletzungen nunmehr auch von nichtstaatlicher Seite ausgehen können, wie der Kläger geltend macht (ebenso UNHCR vom 23.12.2004; amnesty international in Asyl-Info 11/2004, S. 4, 5; vgl. auch Renner, Ausländerrecht, Kommentar, 8. Aufl., § 60 AufenthG Rdnr. 36 mit Hinweis darauf, dass sich die Divergenz zwischen der Rechtsprechung des EGMR und des Bundesverwaltungsgerichts bei Umsetzung der Richtlinie 2004/83/EG erledigen wird), bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung, da nach den obigen Ausführungen dem Kläger weder von staatlicher noch von nichtstaatlicher Seite die Gefahr der Folter oder der Todesstrafe oder einer sonstigen menschenrechtswidrigen Behandlung im Sinne des § 60 Abs. 2, 3 und 5 AufenthG mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen (1 a und b) verwiesen werden.

b) Dem Kläger drohen bei einer Rückkehr in den Irak auch keine landesweiten Gefahren, die ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG begründen. Nach dieser Vorschrift, die - abgesehen von der Änderung der "Kann"- in eine "Soll"-Rechtsfolge - hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen inhaltlich dem bisherigen § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG entspricht (s. auch Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 15/420 zu § 60 AufenthG) soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Für die Annahme einer solchen Gefahr genügt indes nicht die lediglich denkbare Möglichkeit, Opfer von Eingriffen in die genannten Rechtsgüter zu werden. Gefordert ist vielmehr die beachtliche Wahrscheinlichkeit eines derartigen Eingriffs. Die Annahme einer "konkreten" Gefahr setzt - wie durch Satz 2 des § 60 Abs. 7 AufenthG deutlich wird - eine einzelfallbezogene, individuell bestimmte und erhebliche Gefährdungssituation voraus, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie vom Staat ausgeht oder ihm zugerechnet werden muss (BVerwG, Urteil vom 17.10.1995, BVerwGE 99, 324, 330; Urteil vom 12.7.2001, BVerwGE 115, 1, 7 ff. zu § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG). Anhaltspunkte dafür, dass im Fall des Klägers ein Abschiebungshindernis in unmittelbarer Anwendung des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG vorliegen könnte, sind nach den obigen Ausführungen nicht ersichtlich.

Auch bei der allgemein unsicheren Lage, den terroristischen Anschlägen und den wirtschaftlich schlechten Lebensumständen handelt es sich um Gefahren allgemeiner Art, die nicht zum Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG führen, weil ihnen die gesamte Bevölkerung des betroffenen Landes - wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß - ausgesetzt ist. Individuelle Gefährdungen des Ausländers, die sich aus allgemeinen Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG ergeben, können auch dann nicht als Abschiebungshindernis unmittelbar nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG berücksichtigt werden, wenn sie durch Umstände in der Person oder in den Lebensverhältnissen des Ausländers begründet oder verstärkt werden, aber nur typische Auswirkungen der allgemeinen Gefahrenlage sind (Senatsurteil vom 16.9.2004 - A 2 S 471/02 - mit Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 8.12.1998, BVerwGE 108, 77 zu § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG).

c) Mit zutreffender Begründung hat das Verwaltungsgericht ferner einen Anspruch des Klägers auf Feststellung eines Abschiebungshindernisses auf der Grundlage einer verfassungskonformen Anwendung von § 60 Abs. 7 AufenthG verneint. Der Senat folgt der Auffassung des Verwaltungsgerichts, ein Durchbrechen der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG komme nicht in Betracht, da dem Kläger auf Grund der baden-württembergischen Erlasslage ein der gesetzlichen Duldung nach §§ 60 Abs. 7 S. 2, 60 a AufenthG entsprechender, gleichwertiger Abschiebungsschutz zuteil werde. Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 16.9.2004, aaO, zu der inhaltsgleichen Regelung im früheren § 53 Abs. 6 S. 2 AuslG Folgendes ausgeführt:

"Ausnahmsweise dürfen das Bundesamt und die Verwaltungsgerichte im Einzelfall Ausländern, die zwar einer gefährdeten Gruppe im Sinne von § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG angehören, für welche aber ein Abschiebestopp nach § 54 AuslG nicht besteht, Schutz vor der Durchführung der Abschiebung in verfassungskonformer Handhabung des § 53 Abs. 6 AuslG zusprechen, wenn die Abschiebung wegen einer außergewöhnlichen Gefahrenlage im Zielstaat Verfassungsrecht verletzen würde. Das ist der Fall, wenn der Ausländer in Folge einer Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde. Dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 GG als Ausdruck eines menschenrechtlichen Mindeststandards, jedem betroffenen Ausländer trotz Fehlens einer Ermessensentscheidung nach §§ 53 Abs. 6 Satz 2, 54 AuslG Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG zu gewähren. Gleiches folgt mit Rücksicht auf das gesetzliche Schutzkonzept auch dann, wenn der Abschiebung zwar anderweitige - nicht unter § 53 Abs. 1, 2, 4 und Abs. 6 Satz 1 AuslG oder § 54 AuslG - fallende Hindernisse entgegenstehen, diese aber keinen gleichwertigen Schutz bieten.

Gleichwertig ist ein anderweitiger Schutz nur, wenn er dem entspricht, den der Ausländer bei Vorliegen eines Erlasses nach § 54 AuslG hätte oder den er bei Anwendung des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG erreichen könnte. Anderweitiger vergleichbarer Schutz vor Abschiebung besteht ferner dann, wenn der Ausländer im entscheidungserheblichen Zeitpunkt bereits im Besitz einer Aufenthaltsgenehmigung als eines weiterreichenden Titels zum legalen Aufenthalt oder zumindest einer Duldung ist, die aus asylverfahrensunabhängigen Gründen erteilt worden ist und deren Schutzwirkung nicht hinter der einer gesetzlichen Duldung nach § 41 AsylVfG zurückbleibt. Dies dient auch der Verfahrens- und Prozessökonomie, das Bundesamt und die Gerichte von der - u.U. aufwändigen - Prüfung einer extremen Gefahrenlage zu entlasten, wenn der Aufenthalt des Ausländers wegen eines anderweitigen Bleiberechts oder Abschiebungshindernisses ohnehin nicht in engem zeitlichem Zusammenhang mit dem negativen Abschluss des Asylverfahrens beendet werden kann.

Ein Durchbrechen der Sperrwirkung des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG ist unter dem Gesichtspunkt der Gleichwertigkeit demnach nicht zulässig, wenn ebenso wie bei einem Erlass nach § 54 AuslG eine entsprechende sonstige Erlasslage besteht. Für diese ist ebenso wie bei § 54 AuslG nur maßgebend, ob sie besteht und anwendbar ist. Ein Durchbrechen der o.g. Sperrwirkung ist ferner nicht zulässig, wenn der Betroffene einen Abschiebungsschutz besitzt, den er bei unmittelbarer Anwendung des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG erreichen könnte. Wird ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG festgestellt, ist die Abschiebung in den betreffenden Staat - ohne Aufhebung der Androhung und der Ausreispflicht -in widerruflicher Weise für die Dauer von zunächst drei Monaten ausgesetzt (§ 41 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 AsylVfG); nach Ablauf von drei Monaten entscheidet die Ausländerbehörde - unter Beachtung der Bindungswirkung der Entscheidung zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG nach § 42 AsylVfG - über die Erteilung einer Duldung (§ 41 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG) (zum Ganzen vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 12.7.2001, BVerwGE 114, 379 f. = NVwZ 2001, 1420 f., m.w.N. zur Rspr. des Gerichts).

Ein danach gleichwertiger Abschiebungsschutz besteht im Falle des Klägers auf der Grundlage der baden-württembergischen Erlasslage. Nach dem Beschluss der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren vom 21.11.2003 (abgedruckt u.a. in Asylmagazin 2003, 15) hat eine freiwillige Rückkehr in den Irak Vorrang vor der zwangsweisen Rückführung dorthin, von der erst nach Schaffung eines abgestimmten Konzepts des Bundes mit den Ländern Gebrauch gemacht werden soll. Dem Rechnung tragend hat das Innenministerium Baden-Württemberg durch Erlass vom 27.11.2003 (4-13-IRK/12) entschieden, dass irakischen Staatsangehörigen Duldungen erteilt werden bzw. ausgesprochene Duldungen verlängert werden.

Einen entsprechenden Beschluss hat die Konferenz der Innenminister und -senatoren in ihrer Sitzung vom 7. und 8. Juli 2004 gefasst, für dessen Umsetzung das Innenministerium Baden-Württemberg mit Erlass vom 29.7.2004 (4-13-IRK/12) eine weitere Regelung getroffen hat. Danach ist eine freiwillige Rückkehr in den Irak grundsätzlich möglich und zumutbar und es kommt daher die Erteilung und Verlängerung von Aufenthaltsbefugnissen nach § 30 Abs. 3 und Abs. 4 AuslG in der Regel nicht mehr in Betracht. Jedoch können Duldungen weiterhin für jeweils drei Monate verlängert werden. Sobald Rückkehrmöglichkeiten gegeben seien, wird das Innenministerium darüber informieren. Da sich die Frage nach der Gleichwertigkeit auf den Abschiebungsschutz bezieht (und beschränkt), ist es rechtlich unerheblich, dass die Erlasslage auch von der Möglichkeit der freiwilligen Rückkehr der Betroffenen in den Irak ausgeht und deshalb die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis für Betroffene ausschließt. Folgt aus dem Nachrang der verfassungskonformen Anwendung von § 53 Abs. 6 AuslG deren Nichtanwendung dann, wenn der Ausländer bereits eine den vergleichbar wirksamen Abschiebungsschutz vermittelnde Duldung besitzt oder diese ihm auf Grund der ausländerrechtlichen Erlasslage gewährt wird oder gewährt werden muss, so kommt es nicht darauf an, ob der Schutz auf rechtlichen - insbesondere inlandsbezogenen - Abschiebungshindernissen, die auch die Zumutbarkeit der freiwilligen Rückkehr ausschließen, oder lediglich auf faktischen Abschiebungshindernissen beruht. Denn auch der auf § 54 AuslG beruhende Abschiebungsschutz umfasst keine Feststellung zur Zumutbarkeit einer freiwilligen Rückkehr, da er nach politischem Ermessen gewährt wird. Abschiebungsschutz in diesem Sinn kann auch dann gewährt werden, wenn dieser weder einfachgesetzlich noch verfassungsrechtlich zwingend geboten ist.

Der nach allem entscheidungserhebliche gleichwertige Abschiebungsschutz ist entsprechend der o.a. Erlassregelung gewährleistet, nach der irakischen Staatsangehörigen mit Blick auf die derzeitigen Verhältnisse in ihrem Heimatland eine dreimonatige Duldung zu erteilen ist. Der hiervon gleichfalls erfasste Kläger steht im rechtlichen Ergebnis deshalb nicht schlechter als er im Falle der Gewährung von Abschiebungsschutz durch einen Erlass nach § 54 AuslG stünde. Dann hätte ein auf § 53 Abs. 6 AuslG in verfassungskonformer Anwendung gestütztes Feststellungsbegehren zwar keinen Erfolg, indes wäre eine Rechtsschutzlücke nicht gegeben. Sollte der durch die in Rede stehende Erlasslage vermittelte Abschiebungsschutz entfallen, kann der Betroffene unter Berufung auf eine extreme Gefahrenlage jederzeit ein Wiederaufgreifen des Verfahrens fordern. Bis zu einer Entscheidung des Bundesamts darf die Abschiebung nur vollzogen werden, wenn der Betroffene zuvor Gelegenheit zur Inanspruchnahme verwaltungsgerichtlichen (Eil-)Rechtsschutzes hatte (dazu BVerwG, Urt. vom 12.7.2001, a.a.O., m.w.N.)...."

An dieser Beurteilung hält der Senat auch im Hinblick auf die durch das Zuwanderungsgesetz geänderte Rechtslage fest. Zwar ist § 41 AsylVfG durch Art. 3 Nr. 27 des Zuwanderungsgesetzes gestrichen worden, so dass ein Durchbrechen der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG (früher § 53 Abs. 6 S. 2 AuslG) nicht mehr mit der Begründung abgelehnt werden kann, der Betroffene besitze im Hinblick auf die geltende Erlasslage in gleicher Weise Abschiebungsschutz, den er bei unmittelbarer Anwendung des § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG - mit der Rechtsfolge der gesetzlichen Duldung gem. § 41 Abs. 1 S. 1 und S. 2 AsylVfG - erreichen könnte. Dennoch kommt eine verfassungskonforme Anwendung des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke im Fall des Klägers hier nicht in Betracht, da er anderweitigen, gleichwertigen Abschiebungsschutz auf Grund der baden-württembergischen Erlasslage genießt, wie das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt hat. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anderweitiger Abschiebungsschutz (nur) gleichwertig, wenn er dem entspricht, den der Ausländer bei Vorliegen eines Erlasses nach § 54 AuslG (jetzt: § 60 a Abs. 1 AufenthG) hätte oder den er bei Anwendung des § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG erreichen könnte (BVerwG, Urteil vom 12.7.2001, BVerwGE 114, 379, 384; insoweit bestätigend BVerwG, Beschluss vom 17.9.2005 - 1 B 13.05 (1 PKH 7.05) -, wonach es bei der Prüfung, ob die ausländerrechtliche Erlasslage einen vergleichbar wirksamen Schutz vor Abschiebung vermittelt, nur auf die Schutzwirkung der gesetzlichen Duldung nach § 41 AsylVfG a.F. oder eines Erlasses nach § 54 AuslG im Hinblick auf eine drohende Abschiebung ankommt). Zwar gibt es derzeit in Baden-Württemberg in Bezug auf den Personenkreis, dem der Kläger angehört, keinen Erlass gem. § 60 a Abs. 1 AufenthG (der dem früheren § 54 AuslG entspricht; vgl. hierzu die Begründung des Gesetzes in BT-Drucks. 15/420 zu § 60 Abs. 11 AufenthG = jetzt § 60 a AufenthG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich der Senat angeschlossen hat (Urteil vom 16.9.2004, aaO), hindert jedoch ebenso wie bei einem Erlass nach § 54 AuslG (jetzt § 60 a Abs. 1 AufenthG), der nicht auf die Gewährung von verfassungsrechtlich gebotenem humanitären Abschiebungsschutz beschränkt ist, auch jede andere ausländerrechtliche Erlasslage ein Durchbrechen der Sperrwirkung des § 53 Abs. 6 S. 2 AuslG (jetzt § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG), "weil und sofern sie dem einzelnen Ausländer einen vergleichbar wirksamen Schutz vor Abschiebung vermittelt, wobei es lediglich darauf ankommt, ob der Erlass im maßgeblichen Zeitpunkt besteht und anwendbar ist" (BVerwGE 114, 379, 385). Dies ist nach Überzeugung des erkennenden Senats hier der Fall. Das Innenministerium Baden-Württemberg hat auf die gerichtliche Anfrage vom 28.3.2006 zur landesrechtlichen Erlasslage in Bezug auf die Rückführung irakischer Staatsangehöriger unter dem 5.4.2006 (Az.: 4-13-IRK/12) Folgendes mitgeteilt:

"Zwangsweise Rückführungen in den Irak richten sich maßgeblich nach der Beschlusslage der Innenministerkonferenz. Den Beschluss, den die Innenministerkonferenz auf ihrer Sitzung am 7. und 8. Juli 2004 zur Rückführung von Flüchtlingen aus dem Irak gefasst hat, haben wir mit Schreiben vom 29. Juli 2004, Az.: 4-13-IRK/12 in eine landesrechtliche Regelung umgesetzt. Dieses Schreiben ist auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt maßgeblich, da sich die Beschlusslage der Innenministerkonferenz seither nicht geändert hat. Zuletzt hat sie in ihrer Sitzung am 24. Juni 2005 die Einschätzung des Bundes geteilt, dass ein Beginn von zwangsweisen Rückführungen derzeit noch nicht möglich ist. Ferner wurde beschlossen, dass die Rückführung von Personen, die schwere Straftaten begangen haben, und sonstigen Personen, die die innere Sicherheit gefährden, zu einem frühestmöglichen Zeitpunkt angestrebt werden sollte.

Bei unserem Schreiben vom 29. Juli 2004 handelt es sich um keine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60 a Abs. 1 AufenthG. Eine entsprechende Entscheidung ist auch nicht beabsichtigt. Vielmehr wird mit dem Schreiben lediglich die übereinstimmend vertretene Auffassung der derzeitigen tatsächlichen Unmöglichkeit von zwangsweisen Rückführungen in den Irak wiedergegeben. Für eine geordnete zwangsweise Rückführung in den Irak wären nach Auskunft des BMI entsprechende, derzeit aber nicht bestehende Vereinbarungen mit der Zentralregierung in Bagdad erforderlich. Daher hat die Arbeitsgemeinschaft Rückführung (AG Rück) der Bundesländer auf ihrer letzten Tagung am 27./28.10.2005 zum Ausdruck gebracht, dass weiterhin von einer tatsächlichen Unmöglichkeit der Rückführung in den Irak ausgegangen werde.

Da die Abschiebung von irakischen Staatsangehörigen derzeit aus tatsächlichen Gründen unmöglich ist, sind die Ausländerbehörden des Landes nach § 60 a Abs. 2 AufenthG zur Duldungserteilung verpflichtet. Ein Ermessen besteht insoweit nicht. Dieses besteht lediglich bezüglich der Länge der Duldungserteilung. Diesbezüglich enthält unser Schreiben die Vorgabe, dass die Duldungen grundsätzlich für drei Monate verlängert werden können."

Auch wenn die in diesem Schreiben dargestellte Erlasslage keine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60 a Abs. 1 AufenthG umfasst, handelt es sich dennoch um eine "andere ausländerrechtliche Erlasslage" im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 12.7.2001, aaO), die ein Durchbrechen der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG hindert. Dem steht nicht entgegen, dass der Erlass auf der faktischen Undurchführbarkeit von Abschiebungen beruht, da ebenso wie bei einem Erlass nach § 60 a Abs. 1 AufenthG, der nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (aaO) nicht auf die Gewährung von verfassungsrechtlich gebotenem humanitären Abschiebungsschutz beschränkt ist, jede andere ausländerrechtliche Erlasslage ein Durchbrechen der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG hindert, weil und sofern sie dem einzelnen Ausländer einen vergleichbar wirksamen Schutz vor Abschiebung vermittelt.

Eine solche Sachlage ist hier gegeben, da irakischen Staatsangehörigen Duldungen erteilt, bzw. für drei Monate verlängert werden, mithin eine Gleichwertigkeit des Abschiebungsschutzes mit einem solchen nach § 60 a Abs. 1 AufenthG hergestellt ist, welcher eine gewisse Beständigkeit der Aussetzung der Abschiebung in Abhängigkeit von einer Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse oder doch jedenfalls der politischen Entschließung umfasst (VG Karlsruhe, Urteil vom 9.11.2005, mitgeteilt in Asylmagazin 3/2006, S. 13 f.). Hat der Kläger somit Abschiebungsschutz, der nicht hinter dem zurücksteht, den er bei Bestehen einer auf § 60 a Abs. 1 AufenthG gestützten vorübergehenden Aussetzung der Abschiebung erhielte, bedarf es mangels einer verfassungswidrigen Schutzlücke keiner verfassungskonformen Anwendung des § 60 Abs. 7 AufenthG. Dies wäre nur dann erforderlich, wenn der Betroffene sonst gänzlich schutzlos bliebe, d.h., wenn seine Abschiebung in den gefährlichen Zielstaat ohne Eingreifen des Bundesamts oder der Verwaltungsgerichte tatsächlich vollzogen würde (BVerwGE 114, 379, 384). Eine solche Situation ist hier schon deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger bei einem Wegfall des durch die Erlasslage gewährten Abschiebungsschutzes jederzeit unter Berufung auf eine extreme Gefahrenlage ein Wiederaufgreifen des Verfahrens vor dem Bundesamt verlangen kann, da die gerichtlich bestätigte negative Feststellung zu § 60 Abs. 7 AufenthG nur mit dem Inhalt bestandskräftig werden kann, den die letzte verwaltungsgerichtliche Entscheidung zugrunde gelegt hat und bis zu einer Entscheidung des Bundesamts über einen solchen Wiederaufgreifensantrag die Abschiebung nur vollzogen werden darf, wenn dem Kläger zuvor Gelegenheit zur Inanspruchnahme verwaltungsgerichtlichen (Eil-)Rechtsschutzes gegeben worden ist (BVerwGE 114, 379, 388 unter Verweis auf BVerwGE 110, 74, 80 f.; zur Ermessensreduzierung auf Null bei der Entscheidung über das Wiederaufgreifen des Verfahrens, wenn der Ausländer im Zielstaat einer extremen individuellen Gefahr ausgesetzt wäre vgl. auch BVerwG, Urteil vom 20.10.2004 - 1 C 15.03 -, BayVBl. 2005, 414).

Besteht somit nach der geltenden Erlasslage ein gleichwertiger Abschiebungsschutz, kann der Senat eine verfassungskonforme Anwendung des § 60 Abs. 7 AufenthG bereits hieran scheitern lassen. Einer Klärung der Frage, ob die prekäre Sicherheitslage im Irak, die nach Einschätzung des Auswärtigen Amts im Lagebericht vom 24.11.2005 den Wiederaufbau und das Alltagsleben im Irak nachhaltig negativ beeinträchtigt und dazu führt, dass der Staat die Sicherheit seiner Bürger nicht gewährleisten kann, die Annahme einer extremen Gefahrenlage im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts rechtfertigt, bedarf es aus Gründen der Verfahrens- und Prozessökonomie nicht.

d) Unabhängig von den obigen Ausführungen kommt im Fall des Klägers eine verfassungskonforme Anwendung des § 60 Abs. 7 AufenthG zur Vermeidung einer Schutz- oder Rechtsschutzlücke auch aus den nachfolgenden Gründen nicht in Betracht: Ein gleichwertiger Schutz vor Abschiebung besteht nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (E 114, 379, 385) auch dann, wenn der Ausländer im entscheidungserheblichen Zeitpunkt u.a. bereits im Besitz einer Aufenthaltsgenehmigung als eines weiterreichenden Titels zum legalen Aufenthalt ist. In dieser rechtlichen Situation befindet sich der Kläger zwar nicht mehr, wenn der mit Bescheid des Landratsamts Ludwigsburg vom 11.7.2005 verfügte Widerruf der dem Kläger auf Grund seiner Rechtsstellung als Flüchtling erteilten, bis 26.11.2006 gültigen Aufenthaltserlaubnis gem. § 52 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG wirksam wird, was dann der Fall ist, wenn die in diesem Bescheid enthaltene aufschiebende Bedingung des "Eintritts der Rechtskraft zum Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 10.12.2003" erfüllt ist. Gleichwohl stünde dem Kläger dann die in Nr. 3 des Bescheids vom 11.7.2005 gewährte einmonatige Ausreisefrist nach Eintritt der Rechtskraft der asylverfahrensrechtlichen Widerrufsverfügung zur Verfügung, um gegebenenfalls um Rechtsschutz gegenüber einer beabsichtigten Abschiebung in einen Zielstaat nachzusuchen, in dem er einer extremen individuellen Gefahrensituation ausgesetzt würde.

Da der Kläger zudem nach eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung gegen den Widerruf seiner Aufenthaltserlaubnis gem. § 52 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG Widerspruch und Klage eingelegt hat, ist er darüber hinaus durch die aufschiebende Wirkung dieser Rechtsbehelfe vor einer Abschiebung geschützt. Zwar lassen Widerspruch und Klage die Wirksamkeit des Widerrufs der Aufenthaltserlaubnis unberührt , da es sich insoweit um einen "sonstigen Verwaltungsakt" im Sinne des § 84 Abs. 2 S. 1 AufenthG handelt, der die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts beendet (Renner, aaO, § 52 AufenthG Rdnr. 9). Die aufschiebende Wirkung hat jedoch zur Folge, dass der Verwaltungsakt nicht vollziehbar ist, d.h. nicht zwangsweise durchgesetzt werden kann (Renner, aaO, § 84 Rdnr. 4). Ist der Kläger auf Grund der jedenfalls vollzugshemmenden Wirkung seines Rechtsbehelfs gem. § 84 Abs. 2 S. 1 AufenthG für die Dauer seines gegen den Widerruf seiner Aufenthaltserlaubnis eingeleiteten Rechtsschutzverfahrens vor einer Abschiebung geschützt, und steht deshalb eine Abschiebung des Klägers auch nicht "aktuell an" (BVerwG, Urteil vom 20.10.2004, aaO), so besteht mangels einer mit verfassungs- und menschenrechtlichen Mindeststandards nicht zu vereinbarenden Schutz- bzw. Rechtsschutzlücke auch keine Notwendigkeit für eine verfassungskonforme Auslegung des § 60 Abs. 7 AufenthG.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 (entspr.) VwGO, § 83 b AsylVfG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Ende der Entscheidung

Zurück