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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 11.04.2002
Aktenzeichen: A 2 S 712/01
Rechtsgebiete: AuslG


Vorschriften:

AuslG § 51 Abs. 1
AuslG § 53 Abs. 4
AuslG § 53 Abs. 6 Satz 1
AuslG § 53 Abs. 6 Satz 2
Sind die Bindungen irakischer Staatsangehöriger aus dem Zentralirak in das verfolgungsfreie Gebiet im Nordirak in Bezug auf die Verschaffung des notwendigen Existenzminimums nicht für die Annahme einer ausreichenden kurdischen Solidarität ihnen gegenüber geeignet, steht dies der Annahme einer inländischen Fluchtalternative in den autonomen Gebieten des Nordirak nicht entgegen. Sie können dort nämlich bei ihrer Rückkehr durch Hilfsorganisationen und lokale Behörden in einer Weise versorgt werden, die zumindest zu keiner Verschlechterung ihrer allgemeinen Lebensumstände gegenüber den Zuständen im Zentralirak führen würde.
A 2 S 712/01

VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

In der Verwaltungsrechtssache

wegen

Anerkennung als Asylberechtigte und Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG

hat der 2. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgerichtshof Dr. Semler und die Richterinnen am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schmitt-Siebert und Schraft-Huber auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 11. April 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 29. Februar 2000 - A 10 K 13504/98 - wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Berufungsverfahrens.

Der Beteiligte behält seine außergerichtlichen Kosten auf sich.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die am 1.12.1955 geborene Klägerin und der am 14.7.1991 geborene Kläger reisten am 8.12.1997 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 17.12.1997 Anträge auf Anerkennung als Asylberechtigte.

Bei ihrer Anhörung beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge gab die Klägerin am 8.1.1998 an, irakische Staatsangehörige arabischer Volkszugehörigkeit und sunnitischen Glaubens zu sein. Ihr Ehemann sei ebenfalls arabischer Volkszugehöriger. Er spreche aber sehr gut kurdisch, weil er fünf Jahre in Kirkuk gewohnt habe. Sie habe ihren Mann im Irak das letzte Mal Ende Juli/Anfang August 1996 gesehen, als sich die Geschehnisse in Arbil abgespielt hätten. Ihr Mann sei damals mit ihrem ältesten Sohn weggegangen. Sie sei jetzt mit den beiden anderen Kindern, mit dem jüngeren Sohn und der Tochter nach Deutschland gekommen. Ihre Eheschließung sei 1978 gewesen. Geheiratet habe sie 1979. Vor 1995 habe die Familie in Bagdad gelebt. Weil ihr Ehemann dort Probleme gehabt habe, sei er im Oktober 1995 zu seinem Großvater gegangen, der in der Nähe von Baquba einen Bauernhof gehabt habe. Sie sei ihm Ende November 1995 gefolgt. Die Familie habe sich bis Ende Juli 1996 auf dem Bauernhof versteckt und sei dann gemeinsam nach Arbil gefahren. Dort habe man beschlossen, dass der Ehemann mit dem ältesten Sohn zusammen das Land verlassen und sie benachrichtigen solle, wann sie nachkommen könne. Daraufhin sei sie mit den beiden jüngeren Kindern nach Bagdad zurückgekehrt und habe dort teilweise bei Verwandten ihres Ehemanns gewohnt, weil ihr eigenes Haus beschlagnahmt worden sei. Weil die Regierung nach ihr gesucht habe, seien sie bis zur Ausreise zwischen Kirkuk, Bagdad und Baquba gependelt, hätten jedoch die meiste Zeit bei ihren Verwandten in Kirkuk verbracht. Den kleinen Sohn habe sie immer mitgenommen, die Tochter ab und zu bei Verwandten in Kirkuk zurückgelassen. Im August 1994 habe sie sich zur Ausreise mit den Kindern entschlossen. Ihr Ehemann habe zweimal bei Nachbarn seiner Eltern von Deutschland aus angerufen. Als sie ihn das zweite Mal selbst gesprochen habe, habe er ihr mitgeteilt, er habe eine Aufenthaltsgenehmigung. Sie möge, wenn möglich, nachkommen. Einer ihrer Onkel habe Freunde in Arbil gehabt, die ihr geholfen hätten, das Land zu verlassen. Am 25.11.1997 sei sie zusammen mit ihrem Onkel und den beiden Kindern von Kirkuk im Taxi nach Arbil gefahren. Sie habe ihren Personalausweis und eine Heiratsurkunde dabeigehabt. Am Checkpoint der Regierung sei festgestellt worden, dass sie Araber seien. Es sei darüber verhandelt worden, wie viel sie zu zahlen hätten, damit sie passieren dürften. Sie habe dann 5000 nicht echte irakische Dollar an die Soldaten bezahlt und danach weiterfahren können nach Arbil, wo sie sich zwei Tage aufgehalten hätten. Danach hätten sie die Reise nach Zakho fortgesetzt. Die Fahrt habe fünf bis sechs Stunden gedauert. In Zakho seien sie drei Tage geblieben. Ihr Onkel habe mit Schleppern verhandelt. Ein Schlepper habe sie dann im Pkw über die grüne Grenze in ein türkisches Dorf gefahren, von wo aus sie in einem Minibus weiterbefördert worden seien. Sie seien später fünf bis sechs Tage mit einem Lkw unterwegs gewesen, aus dem sie nur nachts hätten aussteigen können. Sie wisse deshalb nicht, durch welche Länder sie gefahren seien.

Auf Frage nach den Gründen für ihren Asylantrag erklärte die Klägerin, die Regierung habe Druck ausgeübt. Sie sei des öfteren belästigt worden, da ihr Ehemann das Land schon verlassen gehabt habe und ein Haftbefehl gegen ihn bestanden habe. Ihr Ehemann habe ein Juweliergeschäft in Bagdad betrieben. Nach dem zweiten Golfkrieg sei das Geschäft mit dem Gold nicht gut gegangen. Ihr Ehemann habe deshalb ein weiteres Geschäft mit Zigaretten betrieben und dabei einen Geschäftspartner gehabt, der aus Arbil gestammt habe. Ihr Mann und dessen Geschäftspartner hätten Gold an Geschäftsleute in Arbil verkauft, die es wiederum in den Iran weiterverkauft hätten. Leute des Schwiegersohns Saddam Husseins hätten den Zigarettenhandel im Irak in der Hand. Die Geschäfte, die diese Leute gemacht hätten, seien illegal gewesen. Der Geschäftspartner ihres Ehemanns habe Kontakt zu ihnen aufgenommen und von ihnen Zigaretten gekauft. Dies sei nach dem Golfkrieg 1993/1994 gewesen. Genau könne sie den Zeitpunkt nicht angeben. Ihr Ehemann habe erfahren, dass sein Geschäftspartner festgenommen worden sei. Das genaue Datum wisse sie nicht mehr. Sie nehme jedoch an, es sei im Oktober 1995 gewesen, als er nach Hause gekommen sei und gesagt habe, dass der Geschäftspartner inhaftiert worden sei. Am selben Tag sei er dann auch mit dem ältesten Sohn nach Baquba gegangen. Sie wisse nicht, was mit dem Schwiegersohn Saddams gewesen sei. Als sie zusammen in Baquba gewesen seien, habe ihr Ehemann gesagt, dass sie Zigaretten von Leuten des Schwiegersohns bekommen hätten. Der Schwiegersohn sei 1995 für kurze Zeit in Jordanien gewesen. Danach habe die irakische Regierung eine Amnestie verkündet und er sei zurückgekommen. Kurze Zeit später sei er umgebracht worden. Nach der Inhaftierung seines Geschäftspartners habe ihr Ehemann befürchtet ebenfalls inhaftiert zu werden. Der Geschäftspartner heiße Abu Zaid. Sie habe Bagdad zwei, drei Tage nach dem Weggang ihres Ehemanns verlassen und sei zu ihm nach Baquba gegangen. Auf Frage, wie viele Tage vor dem Weggang ihres Ehemanns aus Bagdad der Schwiegersohn Saddams festgenommen worden sei, gab sie an, dass sei im Juli gewesen. Nachdem sie Bagdad verlassen hätten, hätten sie erfahren, dass das Geschäft und die Zigaretten beschlagnahmt worden seien. Dies sei im November oder im Dezember gewesen, als sie in Baquba gewesen seien.

Auf die Frage, welche Schwierigkeiten sie selbst mit irakischen Sicherheitsbehörden gehabt habe, gab die Klägerin an, sowohl zu der Zeit, als sie sich bei ihren Eltern in Kirkuk befunden habe als auch zu der Zeit, als sie in Bagdad gelebt habe, seien öfters Geheimdienstmitarbeiter zu ihr gekommen. Sie hätten sie mitgenommen und eine Art Verhör durchgeführt. Ihre Tochter sei zwei- bis dreimal dabeigewesen. Das erste Mal sei sie entweder Ende August oder Anfang September von Kirkuk aus mitgenommen worden. Sie sei zu einem Geheimdienstquartier gebracht, dort zwei Stunden festgehalten und verhört worden. Sie hätten wissen wollen, wo ihr Ehemann sich befinde und welche Art von Geschäften er mit dem Schwiegersohn Saddams betrieben habe. Man habe ihr gesagt, wenn ihr Ehemann nicht zurückkomme, würde sie an seiner Stelle festgenommen. Das letzte Verhör habe im Oktober 1997 stattgefunden. Insgesamt sei sie öfter als zehnmal verhört worden. Sie seien immer mit dem Auto gekommen und hätten sie zu ihrem Quartier mitgenommen. Sie sei auch gefragt worden, wie ihr Ehemann das Land verlassen habe. Sie hätten gesagt, sie wüssten, dass ihr Ehemann im Ausland sei und das Land über den Norden verlassen habe. Wann ihre Tochter bei den Verhören dabeigewesen sei, wisse sie nicht. Ihre Tochter sei jedoch nicht selbst verhört worden, sondern nur mitgekommen. Bei dem letzten Verhör sei ihr die Festnahme für den Fall angedroht worden, dass ihr Ehemann nicht zurückkehren würde. Da sie zuvor erfahren habe, dass ihr Ehemann in Deutschland einen Aufenthalt habe, habe sie mit Hilfe ihrer Familie mit ihren beiden Kindern das Land verlassen. Sie sei aufgefordert worden, sich mit ihrem Ehemann in Verbindung zu setzen, da sie wisse wo er sich aufhalte. Sie habe ihm ausrichten sollen, dass sie eingesperrt und bestraft werden würde, wenn er nicht zurückkehre. Wäre ihr Ehemann zurückgekommen, hätte er sicher dasselbe Schicksal wie sein Geschäftspartner erlitten, der immer noch verschwunden sei und über dessen Verbleib man nichts wisse.

Sie habe Wirtschaftswissenschaften studiert und sei im Ministerium für Wiederaufbau und Bebauung tätig gewesen, wo sie von 1979 bis 1995 Rechnungen geprüft habe. Danach sei sie als Hausfrau zu Hause geblieben. Politisch betätigt habe sie sich nicht. Sie fürchte, dass die Familie bei Rückkehr in den Irak von der Regierung belästigt werde. Sie werde auch bestraft werden, weil sie das Land illegal verlassen habe. Auch würde man ihr vorwerfen, dass sie ihren Ehemann nicht in den Irak zurückgeholt hätte. Die Konsequenzen wären entweder Inhaftierung oder Folter. Ihre Asylgründe sollten auch für ihren Sohn gelten.

Nach der Rückübersetzung stellte die Klägerin klar, sie sei zwei oder drei Tage nach ihrem Ehemann nach Baquba gereist. Es sei jedenfalls kein Monat zwischen ihren Abreisen vergangen.

Mit Bescheid vom 25.8.1998 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Asylantrag der Kläger ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG sowie Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen. Die Kläger wurden aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe bzw. Rechtskraft der Entscheidung zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde ihnen die Abschiebung in den Irak angedroht. Zur Begründung wurde ausgeführt, den Klägern stehe jedenfalls - das Vorliegen der Voraussetzungen für die Asylgewährung hinsichtlich des Zentralirak unterstellt - im Nordirak eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung. Denn der Ehemann der Klägerin sei nach eigenen Angaben Kurde. Auch habe ein Onkel der Klägerin nach ihren Angaben Bekannte im Nordirak.

Dem Asylbegehren könne darüber hinaus deshalb nicht entsprochen werden, weil die Kläger aus einem sicheren Drittstaat im Sinne des Art. 16 a Abs. 2 S. 1 GG eingereist seien (§ 26 a Abs. 1 S. 1 AsylVfG). Abschiebungshindernisse gem. § 53 AuslG lägen gleichfalls nicht vor.

Gegen den ihnen am 11.9.1998 zugestellten Bescheid haben die Kläger am 18.9.1998 Klage mit dem Antrag erhoben, den Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 25.8.1998 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, sie als Asylberechtigte anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG, hilfsweise Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen.

In der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts hat die Klägerin angegeben, die Eltern ihres Ehemanns und ein Teil seiner Geschwister lebten in Bagdad, seine Großeltern mütterlicherseits in Baquba. Ein Teil der Geschwister ihres Ehemanns lebe in Kirkuk. Dort wohnten auch ihre Großeltern väterlicherseits, obwohl sie aus Bagdad stammten. Sie habe sich etwa im Juli 1996 etwa einen Monat zusammen mit ihrem Ehemann bei einer Art Geschäftspartner ihres Ehemanns in Arbil aufgehalten. Ihr Ehemann sei dann von dort aus ausgereist. Eine gemeinsame Ausreise sei aus finanziellen Gründen nicht möglich gewesen. Auf den Vorhalt, dass ihr Ehemann beim Bundesamt angegeben habe, sie hätten vier Kinder, erklärte die Klägerin, ihr Ehemann habe von der bei ihr bestehenden vierten Schwangerschaft vor Ausreise gewusst. Auf den Vorhalt, ihr Ehemann habe angegeben, sein älterer Sohn habe sie, die Klägerin, nach Deutschland bringen sollen, gab sie an, ihr Ehemann habe Kinder aus einer früheren Ehe. Der gemeinte Sohn heiße Mohamed. Ihr Ehemann habe Bagdad verlassen, nachdem sein Teilhaber Abu Zaid im November 1995 im Zusammenhang mit den Geschehnissen um Hussain Kamel festgenommen worden sei. Drei Tage danach sei sie ebenfalls von Bagdad nach Baquba gegangen, wo sie zunächst zusammen mit ihrem Ehemann geblieben sei. Im Juli 1996 seien sie nach Arbil gegangen. Von dort aus sei ihr Ehemann noch im gleichen Monat aus dem Irak ausgereist. Sie sei nach Kirkuk zu ihren Eltern zurückgegangen. Auf Vorhalt, nach ihren Angaben beim Bundesamt habe ihr Ehemann Bagdad im Oktober 1995 verlassen, erklärte die Klägerin, es müsse fast sicher der November gewesen sein. Man könne sich aber zwischen Oktober und November auch vertun, zumal wenn man sich nicht darauf vorbereite, dass nach diesen Daten gefragt werde. Die Klägerin gab weiterhin an, ihr Ehemann sei nach der Festnahme seines kurdischen Teilhabers von dessen Angehörigen Ende November/Anfang Oktober unter dem Verdacht, etwas mit der Festnahme tun gehabt zu haben, bedroht worden. Ihr Ehemann sei am Tag der Festnahme seines Teilhabers von Bagdad nach Baquba gegangen, weil er wegen seiner Verbindung zu Hussain Kamel Angst vor der irakischen Regierung gehabt habe. Sie sei ihm drei Tage später gefolgt. In Baquba hätten sie von Freunden erfahren, nach ihrem Ehemann werde wegen der Zusammenarbeit mit Hussain Kamel gesucht worden. Der gemeinsam betriebene Zigarettenhandel sei Schwarzhandel gewesen.

Die Klägerin hat einen Haftbefehl des Direktors für die allgemeine Sicherheit vom 17.7.1999 vorgelegt, der den Hinweis enthält, dass Kopien des Befehls an alle Sicherheitseinsatzstellen, Kontrollpunkte und nördlichen Geheimdienstorgane gehen sollen. Nach dem Haftbefehl sind die Klägerin und ihre Familie festzunehmen und ist ihr Vermögen einzuziehen, weil die Klägerin mit einer Gruppierung zusammen den Umsturz des irakischen Systems betrieben hat. Dieses Dokument hätten die Eltern der Klägerin, nachdem sie es mit Sicherheit durch Bestechungsgelder erlangt hätten, per Post gesandt.

Mit Urteil vom 29.2.2000 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Vorbringen der Kläger zu ihren Asylgründen sei insgesamt als unglaubwürdig anzusehen. Die Angaben der Klägerin zu ihren persönlichen Verhältnissen sowie zu den Ausreisegründen ihres Ehemanns stimmten nicht mit dessen Angaben hierzu überein. Herr Jamil Ahmad habe gegenüber dem Bundesamt am 19.9.1996 angegeben, seine Ehefrau heiße Fadel Asswad. Sie sei am 1.12.1955 in Kirkuk geboren. Er habe den Irak am 1.9.1996 von Arbil aus mit einem Kind verlassen und seinen älteren Sohn beauftragt, die übrige dort zurückgelassene Familie außer Landes zu bringen. Er sei kurdischer Volkszugehöriger, in Arbil geboren und neun Jahre lang dort zur Schule gegangen. Wehrdienst habe er von September 1981 bis Dezember 1990 geleistet und in dieser Zeit in Bagdad gewohnt. Im Anschluss daran sei er dort sesshaft geworden.

Die Klägerin habe demgegenüber, abgesehen von dem unterschiedlichen Namen, als Geburtsort Bagdad angegeben und behauptet, ihr Ehemann sei arabischer Volkszugehöriger, der lediglich wegen eines fünfjährigen Aufenthalts in Kirkuk sehr gut kurdisch spreche. Ihren Ehemann habe sie das letzte Mal im Juli/August 1996 in Arbil gesehen, von wo aus er mit seinem ältesten Sohn ausgereist sei.

Zwar lasse sich der Hinweis auf einen älteren Sohn in der Anhörung des Herrn Jamil Ahmad mit einer - von der Klägerin angegebenen - früheren Ehe erklären. Jedoch habe die Klägerin nicht angegeben, von einem Stiefsohn im Auftrag ihres Ehemanns außer Landes gebracht worden zu sein. Sie habe vielmehr erklärt, nicht gewusst zu haben, wann sie nachkommen solle. Ihr Ehemann habe angekündigt, sie zu gegebener Zeit zu benachrichtigen. Bei der Ausreise über Arbil habe ihr Onkel geholfen. Unabhängig von der Unvereinbarkeit dieser Angaben mit den entsprechenden des Ehemanns sei die wesentliche Steigerung des eigenen Vortrags der Klägerin in der mündlichen Verhandlung entscheidend. Dort sei erstmals eine Verfolgung des Ehemanns durch die Verwandten des kurdischen Geschäftspartners angegeben worden. Auch sei ein Haftbefehl gegen die Klägerin wegen eigener Umsturztätigkeiten vorgelegt worden, während bis dahin lediglich von Schwierigkeiten des Ehemanns mit der irakischen Regierung die Rede gewesen sei. Schon die Angaben darüber, wie der Haftbefehl in ihren Besitz gelangt sei, machten dessen Beweiswert zweifelhaft.

Werde der Vortrag der Klägerin, sie stamme aus dem von der Zentralregierung beherrschten Gebiet, zugrundegelegt, komme zwar politische Verfolgung wegen ihrer Asylantragstellung und illegalen Ausreise in Betracht. Eine politische Verfolgung auslösender Asylantrag werde als selbst geschaffener Nachfluchtgrund von Art. 16 a Abs. 1 GG allerdings nur dann erfasst, wenn sich der Ausländer vor dem Verlassen seines Heimatstaats aus politischen Gründen in einer latenten Gefährdungslage befunden habe. Eine solche habe die Klägerin nicht glaubhaft gemacht. Ihr Begehren bleibe aber jedenfalls deshalb ohne Erfolg, weil ihr im Nordirak eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung stehe. Es sei mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass die Klägerin nur dort Aufnahme und Unterstützung finden könne, so dass sie eine existenzielle Not in materieller Hinsicht erleiden müsste. Hierfür spreche zum einen, dass ihre Großeltern, ihre Eltern und weiterhin mindestens noch ein Onkel nach ihren eigenen Angaben in Kirkuk lebten, mithin in einer Stadt, die unweit des kurdischen Autonomiegebiets liege, so dass verwandtschaftliche oder gesellschaftliche Beziehungen in den Nordirak nahelägen. Die Klägerin habe selbst angegeben, dass ihr Onkel in Arbil Bekannte habe und sie sich bereits vor ihrer Ausreise auch ohne ihren Ehemann in Arbil aufgehalten habe. Zudem sei davon auszugehen, dass ihr Ehemann aus Arbil stamme und dort wenn nicht verwandtschaftliche, so doch jedenfalls auf Grund seiner geschäftlichen Tätigkeit im Kurdengebiet gesellschaftliche Beziehungen habe. Letzteres habe die Klägerin bestätigt, indem sie angegeben habe, sich vor der Ausreise ihres Ehemanns mit diesem in Arbil bei einem seiner Geschäftsfreunde aufgehalten zu haben. An diese Kontakte könne die Klägerin wahrscheinlich auch dann anknüpfen, wenn sie allein mit den Kindern zurückkehre.

Bei dieser Sachlage habe die Klägerin auch keinen Anspruch auf die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorlägen. Auch die Voraussetzungen von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG seien nicht gegeben. Ein Ersuchen im Sinne des § 53 Abs. 3 AuslG liege nicht vor.

Auf den Antrag der Kläger hat der Senat die Berufung gegen das ihnen am 25.4.2000 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts mit Beschluss vom 23.7.2001 zugelassen.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 29.2.2000 - A 10 K 13504/98 - zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des entgegenstehenden Bescheids des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 25.8.1998 zu verpflichten, die Kläger als Asylberechtigte anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, hilfsweise, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG gegeben sind.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der beteiligte Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten äußert sich nicht.

Der Senat hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 11.4.2002 informatorisch angehört. Hierbei gab sie ergänzend an: Sie und ihr Ehemann seien Araber, nicht Kurden. Ihr Ehemann spreche kurdisch, weil er eine Zeit lang in Kirkuk gelebt und dort Kontakt zu Kurden gehabt habe. Ihre Eltern lebten in Kirkuk. Sie selbst habe dort bis zu ihrer Eheschließung gewohnt. Nach der Heirat hätten sie noch eine Weile in Kirkuk gelebt und seien dann nach Bagdad gegangen, wo sie bis 1995 gewohnt hätten. Sie habe ihre Berufstätigkeit auch nach der Eheschließung fortgesetzt, allerdings schon vor 1995 damit aufgehört. Sie hätten nach Baquba gehen müssen, weil ihr Ehemann Schwierigkeiten mit der irakischen Regierung gehabt habe. Ihr Ehemann habe Zigarettenschmuggel betrieben und für den Schwiegersohn Saddam Husseins, Hussein Kamel, Geld und Gold in den Iran und nach Dubai transferiert. Ihr Ehemann sei 1996 mit dem ältesten Sohn ausgereist. Sie selbst sei mit zwei Kindern zurückgeblieben. Sie habe mit ihrem Ehemann zusammen drei Kinder. Nach der Ausreise ihres Ehemanns habe sie an verschiedenen Orten gewohnt.

Ihre Großeltern und Eltern sowie ein Onkel väterlicherseits lebten in Kirkuk. Zu weiteren Verwandten habe sie keinen Kontakt.

Nach der Ausreise ihres Ehemanns sei sie zum Geheimdienst zitiert worden. Sie sei abgeholt und jeweils direkt in die Zentrale gebracht worden. Man habe sie einmal in die Zentrale nach Bagdad und zweimal in die Zentrale nach Kirkuk gebracht. Dort sei sie nach dem Versteck ihres Ehemanns und danach gefragt worden, mit wem er gearbeitet habe. Ihre Tochter, die Klägerin des Verfahrens A 2 S 713/01, habe sie zu zwei Verhören begleitet. Ihre Tochter sei aber nicht selbst verhört worden. Auf Vorhalt, sie habe gegenüber dem Bundesamt mehr als 10 Verhöre angegeben, erklärte die Klägerin, es hätten mehrere Verhöre bei ihr zu Hause und lediglich drei in Geheimdienstzentralen stattgefunden.

Nach dem in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts vorgelegten Haftbefehl befragt gab sie an, nach dem was sie von ihren Eltern erfahren habe, sei der vorgelegte Haftbefehl gegen sie ergangen, weil der Geheimdienst sie nicht in Kirkuk angetroffen habe.

In Baquba hätten die Großeltern ihres Ehemanns Gärten und Wälder. In den Wäldern gebe es Häuser. In einem davon hätten sie sich versteckt und seien von Mitarbeitern des Großvaters mit Nahrung versorgt worden.

Auf Vorhalt, ihr Ehemann habe gegenüber dem Bundesamt angegeben Kurde zu sein und die Schule in Arbil neun Jahre lang besucht zu haben, erklärte die Klägerin, hiervon wisse sie nichts.

Sie habe ausschließlich Verwandte in Kirkuk. Die Verwandten ihres Ehemanns lebten zum Teil in Baquba und zum Teil in Bagdad. Auf Vorhalt, sie habe gegenüber dem Verwaltungsgericht angegeben, die Geschwister ihres Ehemanns lebten zum Teil in Bagdad und zum Teil in Kirkuk, erklärte die Klägerin, sie sei generell nach Verwandten befragt worden und habe dementsprechend auf verwandtschaftliche Beziehungen nach Bagdad und Kirkuk verwiesen. Ihr Ehemann habe jedenfalls keine Verwandten in Kirkuk.

Der Ehemann der Klägerin wurde in der mündlichen Verhandlung des Senats vom 11.4.2002 als Zeuge vernommen. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Dem Senat liegen die einschlägigen Behörden- und Gerichtsakten vor. Diese waren ebenso Gegenstand des Verfahrens wie die den Beteiligten übersandte Erkenntnismittelliste des Senats und die auszugsweise Übersetzung des niederländischen "Algemeen ambtsbericht Noord-Irak/april 2001, S. 1 bis 22". Auf die genannten Unterlagen des Senats wird ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Kläger ist zulässig, aber nicht begründet. Der geltend gemachte Asylanspruch scheitert schon daran, dass die Kläger nach ihren eigenen Angaben auf dem Landweg und damit aus einem sicheren Drittstaat in das Bundesgebiet eingereist sind (§ 26 a Abs. 1 AsylVfG). Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG oder von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG. Auch die Abschiebungsandrohung ist rechtlich nicht zu beanstanden, so dass das Verwaltungsgericht die Klage zu Recht abgewiesen hat (§ 113 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 S. 1 VwGO).

Nach § 51 Abs. 1 AuslG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Der Begriff des Verfolgten im Sinne des § 51 Abs. 1 AuslG ist , was die Verfolgungsmaßnahmen, die geschützten Rechtsgüter und den politischen Charakter der Verfolgung angeht, mit dem entsprechenden Begriff in Art. 16a Abs. 1 GG identisch (vgl. BVerwG, Urteile vom 18.2.1992 - 9 C 59.91 -, Buchholz 402.25 § 7 AsylVfG 1, und vom 21.2.1992 - 1 C 21.87 -, Buchholz 402.22 Art. 1 GK Nr. 22; auch etwa Kanein/Renner, Ausländerrecht, 6. Aufl., § 51 AuslG Rdnr. 9). Politische Verfolgung im Sinne von Art. 16a Abs. 1 GG ist grundsätzlich staatliche Verfolgung durch Zufügung gezielter Rechtsverletzungen, die den Betroffenen ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen (BVerfG, Beschluss vom 10.7.1989 - 2 BvR 502, 1000, 961/86 -, BVerfGE 80, 315, 345 = DVBl 1990, 101; BVerwG, Urteil vom 22.3.1994 - 9 C 443.93 - , EZAR 043 Nr. 3). Der Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG greift weitergehend aber auch dann ein, wenn etwa politische Verfolgung wegen eines unbeachtlichen Nachfluchtgrunds droht oder ein Asylanspruch an einer früher erlangten anderweitigen Sicherheit vor Verfolgung gemäß § 27 AsylVfG oder der Einreise aus einem sicheren Drittstaat nach § 26a AsylVfG scheitert (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.3.1992 -9 B 235.91 -).

Bei unverfolgt aus dem Heimatstaat ausgereisten Schutzsuchenden gilt der allgemeine Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im Abschiebungsverfahren nach § 51 Abs. 1 AuslG ebenso wie im Anerkennungsverfahren nach Art 16a Abs. 1 GG (vgl. BVerwG, Urteil vom 3.11.1992 - 9 C 21.92 -, InfAuslR 1993, 150). Der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit enthält neben dem Element der Eintrittswahrscheinlichkeit auch das Element der zeitlichen Nähe des befürchteten Eingriffs (BVerwG, Urteil vom 14.12.1993 -9 C 45.92 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 166). Von einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden oder - was gleichbedeutend ist - unmittelbaren Verfolgung ist dann auszugehen, wenn die für die Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 5.11.1991 - 9 C 118.90 -, BVerwGE 89, 162, 169 ff.). Dabei ist eine rein quantitative oder statistische Betrachtung nicht angezeigt (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.7.1991 - 9 C 154.90 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 146). Maßgebend ist letztlich der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit einer Rückkehr in den Heimatstaat; dieser bildet das vorrangige qualitative Kriterium, das bei der Beurteilung anzulegen ist, ob die Wahrscheinlichkeit einer Gefahr "beachtlich" ist ( vgl. BVerwG, Beschluss vom 4.12.1995 - 9 B 79.95 -; BVerwG, Urteil vom 5.11.1991 - 9 C 118.90 -, BVerwGE 89, 162, 169). Die Möglichkeit einer Verfolgung im Heimatland muss derart "real" sein, dass ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr nicht auf sich nimmt, wobei auch die Schwere des befürchteten Eingriffs in gewissem Umfang zu berücksichtigen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 5.11.1991 - 9 C 118.90 -, BVerwGE 89, 162, 169 ff.).

Wer demgegenüber bereits vor der Flucht von Verfolgungsmaßnahmen betroffen oder unmittelbar damit bedroht war, ist nur dann nicht als politisch verfolgt anzusehen, wenn die Wiederholung von Verfolgungsmaßnahmen im Fall einer Rückkehr mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 2.7.1980 - 1 BvR 147, 181, 182/80 -, BVerfGE 54, 341, und vom 10.7.1989 - 2 BvR 502, 1000, 961/86 - , BVerfGE 80, 315, 345; BVerwG, Urteil vom 25.9.1984 - 9 C 17.84 - , BVerwGE 70, 169, 171).

Die Kläger unterlagen nach Überzeugung des Senats in ihrem Heimatland bis zu ihrer Ausreise nicht politischer Verfolgung.

Gegen sie selbst gerichtete oder ihnen vor ihrer Ausreise unmittelbar drohende, vom Schutzbereich des § 51 Abs. 1 AuslG erfasste staatliche Verfolgungsmaßnahmen haben die Kläger schon nicht schlüssig vorgetragen. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass der Schutzsuchende sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darlegen muss. Ihm obliegt es, bei den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen, von sich aus eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, sein Begehren lückenlos zu tragen, und er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26.10.1989 - 9 B 405.89 -, InfAuslR 1990, 38, und Urteil vom 24.3.1987 - 9 C 321.85 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 64). An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es in der Regel, wenn der Schutzsuchende im Lauf des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder auf Grund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheinen, sowie auch dann, wenn er sein Vorbringen im Lauf des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.11.1990 - 2 BvR 1095/90 -, InfAuslR 1991, 94, 95; BVerwG, Urteil vom 30. 10. 1990 - 9 C 72.89 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 135; Beschluss vom 21.7.1989 - 9 B 239.89 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 113).

Bei ihrer Anhörung durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge am 8.1.1998 hat die Klägerin lediglich angegeben, es seien des öfteren Geheimdienstmitarbeiter zu ihr gekommen, als sie sich bei ihren Eltern in Kirkuk befunden habe bzw. als sie in Bagdad gewesen sei. Sie hätten sie mitgenommen und mit ihr eine Art Verhör durchgeführt. Auf die Frage, in welchem Zeitraum und wie oft sie zu Verhören mitgenommen worden sei, hatte die Klägerin angegeben, das erste Mal sei sie bei einem Aufenthalt in Kirkuk Ende August oder Anfang September 1996 zum Geheimdienstquartier mitgenommen, dort zwei Stunden festgehalten und verhört worden. Sie sei nach dem Aufenthaltsort ihres Ehemanns und der Art seiner Geschäfte mit Hussein Kamel befragt worden. Für den Fall, dass ihr Ehemann nicht zurückkehre, sei ihr Festnahme angedroht worden. Letztmals sei sie im Oktober 1997 vernommen worden. Insgesamt hätten mehr als 10 Verhöre stattgefunden. Sie seien immer mit einem Auto gekommen und hätten sie mit zu ihrem Quartier genommen. Die Geheimdienstmitarbeiter hätten wissen wollen, wie ihr Ehemann das Land verlassen habe. Sie hätten ihr mitgeteilt, sie wüssten, dass ihr Ehemann im Ausland sei und das Land über den Norden verlassen habe. Beim letzten Mal sei ihr mit Festnahme für den Fall gedroht worden, dass ihr Ehemann nicht zurückkehren werde. Für den Fall einer unterstellten Rückkehr in den Irak befürchte sie Bestrafung wegen illegalen Verlassens des Landes und den Vorwurf, ihren Ehemann nicht in den Irak zurückgeholt zu haben. Sie selbst habe sich nicht politisch betätigt. Auf die Frage, ob sie noch weitere Angaben machen wolle, hatte die Klägerin erklärt: "Nein, das war alles". Die Vollständigkeit und Richtigkeit des Anhörungsprotokolls hatte die Klägerin unterschriftlich bestätigt.

Mit diesen Angaben sind die gegenüber dem erk. Senat gemachten nicht in Übereinstimmung zu bringen. Dort hat die Klägerin erklärt, sie sei vom Geheimdienst einmal in dessen Zentrale in Bagdad und zweimal in die Zentrale in Kirkuk mitgenommen worden. Die Anzahl von Verhören hat sie auf ausdrückliche Nachfrage des Gerichts nochmals bestätigt. Auf Vorhalt der gegenüber dem Bundesamt angegebenen Zahl von mehr als 10 Verhören hat die Klägerin erklärt, nur drei dieser Verhöre hätten in der Geheimdienststelle stattgefunden und im Übrigen sei sie zu Hause verhört worden. Damit ist der Widerspruch in ihren Erklärungen insoweit nicht plausibel gemacht. Denn die Klägerin hat gegenüber dem Bundesamt ausdrücklich angegeben, immer mit dem Auto zu diesen Verhören in das Quartier des Geheimdienstes verbracht worden zu sein.

Umstände, die die Feststellung der Echtheit des von ihr erst in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts vorgelegten Haftbefehls zuließen (§ 98 VwGO i.V.m. § 438 Abs. 1 ZPO), hat die Klägerin auch in der mündlichen Verhandlung des erk. Senats nicht mitgeteilt. Sie hat auch weiterhin keinerlei politisches Engagement gegen den irakischen Staat geltend gemacht, was auch schwerlich in Übereinstimmung mit der von ihr behaupteten beruflichen Tätigkeit im Ministerium für Wiederaufbau und Bebauung in der Zeit von 1979 bis 1995 vereinbar wäre. Die Zweifel an der Echtheit der vorgelegten Urkunde werden weiter dadurch verstärkt, dass die zunehmende Korruption im Irak nach der Erkenntnislage den Irakern den Zugang zu "echten" und gefälschten Dokumenten zusehends erleichtert (AA, Lagebericht vom 5.9.2001; vgl. auch DOI an VG Münster vom 19.2.2002).

Die Angaben der Klägerin sind nach alledem nach Überzeugung des Senats schon nicht geeignet, die Annahme einer Vorverfolgungssituation zu begründen.

Daneben ist die Glaubhaftigkeit der Angaben der Klägerin insgesamt erschüttert. Dies ergibt sich schon aus ihrem Vorbringen zur Volkszugehörigkeit ihres Ehemanns. Diese hat sie sowohl beim Bundesamt als auch gegenüber dem erk. Senat mit arabisch angegeben und sich damit in Widerspruch zu den Angaben ihres Ehemanns in dessen Verfahren vor dem Bundesamt gesetzt. Dort hatte er sich als Kurden bezeichnet. Die von ihm als Zeuge in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erstmals aufgestellte Behauptung, er habe dies nur getan, um Übereinstimmung mit den ihn als Iraker ausweisenden -gefälschten - Personalpapieren herzustellen, kann nicht geglaubt werden. Denn der Zeuge hat - ohne durch das vorgelegte Personalpapier hierzu genötigt gewesen zu sein - gegenüber dem Bundesamt auch angegeben, neun Jahre in Arbil die Schule besucht zu haben und erst zur Ableistung des Militärdienstes 1981 in Bagdad ansässig geworden zu sein. Die Annahme der Richtigkeit dieser Aussage konnte der Zeuge nicht durch die zu Beginn seiner Einvernahme aufgestellte Behauptung erschüttern, er habe immer in Bagdad gelebt und dort die Schule besucht. Dies gilt schon deshalb, weil er auf den Vorhalt des beim Bundesamt angegebenen langjährigen Aufenthalts in Arbil nunmehr behauptete, die Schule in Kirkuk besucht zu haben, und auf den Vorhalt der Behauptung, immer in Bagdad gelebt zu haben, erklärte, ein drei-bis vierjähriger Aufenthalt der Familie in Kirkuk hindere eine derartige Aussage nach dem Sprachgebrauch seines Heimatlandes nicht.

Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Er geht vielmehr davon aus, dass der Zeuge seine Volkszugehörigkeit im Verfahren vor dem Bundesamt zutreffend angab und seine Angaben gegenüber dem erk. Senat dem Zweck dienten, die Annahme einer Fluchtalternative der Familie in den autonomen Kurdenprovinzen im Nordirak zu verhindern.

Den danach unverfolgt ausgereisten Klägern droht im Falle ihrer Rückkehr in den Irak auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung wegen des hier betriebenen Asylverfahrens und ihres mehrjährigen Aufenthalts in Deutschland.

Dies nimmt der Senat allerdings nicht schon deshalb an, weil nach der Erkenntnislage manches dafür spricht, dass es in der gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation des Iraks auch für Behörden und Regierungsstellen plausibel ist, dass das Land aus wirtschaftlichen Gründen verlassen wird und eine Aufenthaltsnahme im westlichen Ausland nur über die Beantragung von Asyl erlangt werden kann, weshalb die Rückkehr auch in den Zentralirak nicht zwingend zu Problemen mit den Behörden führt.

Denn auch das Deutsche Orient-Institut geht weiterhin von der nicht kalkulierbaren Gefahr aus, dass eine Sicherheitsuntersuchung des Heimkehrenden - und sei es auch zur Befriedigung wirtschaftlicher Interessen des an der Untersuchung beteiligten Geheimdienstpersonals - zur Verfolgung führen kann. Eine Sicherheit vor Verfolgung auf Grund des Dekrets des Revolutionären Kommandorats Nr. 110 vom 28.6.1999, dessen Fortgeltung ohne zeitliche Begrenzung zum Jahrestag des Amnestieerlasses durch das irakische Außenministerium verkündet worden ist, nimmt das Deutsche Orient-Institut ebenso wenig wie das Auswärtige Amt an. Dabei ist für das Deutsche Orient-Institut maßgebend, dass in den achtziger Jahren ausgegebene Amnestien nicht eingehalten worden sind (vgl. zum Ganzen DOI, Gutachten vom 24.7.2000 für VG Arnsberg und vom 5.9. und 31.10.2000 für VG Osnabrück). Das Auswärtige Amt warnt außerdem wegen des willkürlichen und unsystematischen Vorgehens der irakischen Justiz und der Sicherheitsdienste vor einer Überschätzung irakischer Amnestiegesetze (AA, Lagebericht vom 5.9.2001; vgl. dazu auch AA vom 13.6.1997 an VG Freiburg und vom 25.5.1998 an VG Aachen sowie Lagebericht vom 25.10./16.11.1999). Dass das IKRK im Irak demgegenüber unter Verweis auf das Amnestiedekret von 1999 zur Rückkehr in den Irak aufruft und dem Dekret wohl Glaubwürdigkeit beimisst, veranlasst zu einer anderen Betrachtungsweise ebenso wenig wie der Umstand, dass dem UNHCR in Bagdad und dem IKRK in Bagdad keine Erkenntnisse über strafrechtliche Verfolgungen von freiwillig zurückgekehrten Flüchtlingen vorliegen. Denn Anhaltspunkte dafür, ob und inwieweit die Erkenntnisse des UNHCR und des IKRK bezüglich der irakischen Flüchtlinge aus Iran überhaupt auf irakische Staatsangehörige, die aus dem westlichen Ausland in den Irak zurückkehren, übertragbar sind, sind nicht ersichtlich. Der Umstand, dass zwischen Iran und Irak im März 2001 ein Abkommen über die wechselseitige Rückkehr von Flüchtlingen geschlossen wurde, dürfte vielmehr eher dagegensprechen.

Wenn daher dem Auswärtigen Amt folgend, das am 28.2.2001 mitgeteilt hat, es könne nicht nachvollzogen werden, "wie das DOI zu von seinen abweichenden Erkenntnissen gelangt" sei, weiterhin davon ausgegangen wird, jedenfalls ein langjähriger Aufenthalt im (westlichen) Ausland führe bei einer Rückkehr in den Irak beachtlich wahrscheinlich zu asylerheblichen Nachteilen in Anknüpfung an die tatsächliche oder vermutete politische Überzeugung (vgl. Senatsurteil vom 5.12.2000 - A 2 S 1/98 -), führt dies nach Auffassung des Senats gleichwohl nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zur Gefahr politischer Verfolgung bei Rückkehr aus dem Bundesgebiet, denn den Klägern würde im Nordirak eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung stehen.

Diese setzt - als ungeschriebenes, anspruchsausschließendes Tatbestandsmerkmal - voraus, dass der Betroffene in den in Betracht kommenden Gebieten seines Heimatstaates vor politischer Verfolgung hinreichend sicher ist und ihm jedenfalls dort auch keine anderen Nachteile und Gefahren drohen, die nach ihrer Intensität und Schwere einer im Sinne des § 51 Abs. 1 AuslG erheblichen Rechtsgutbeeinträchtigung aus politischen Gründen gleichkommen (BVerfG, Beschluss vom 10.7.1989 - 2 BvR 502, 1000, 961/86 -, BVerfGE 80, 315, 316, 342; BVerwG, Urteile vom 15.5.1990 - 9 C 17.89 -, BVerwGE 85, 139, 146, und vom 23.7.1991 - 9 C 154.90 -, BVerwGE 88, 367, 378), sofern diese existenzielle Gefährdung am Herkunftsort so nicht bestünde (BVerfG, Beschluss vom 10.7.1989 - 2 BvR 502/85 -, E 80, 315 <343 f.>; Beschluss vom 10.11.1989 - 2 BvR 1501/84 -, E 81, 58 <65 f.>; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 16.6.2000 - 9 B 255.00 -, Buchholz 402.240 § 51 AuslG Nr. 34 und BVerfG, Beschluss vom 30.12.1991 - 2 BvR 406.91 -). Denn dem von regionaler politischer Verfolgung Betroffenen darf zwar nicht zugemutet werden, sich infolge seiner Flucht vor der politischen Verfolgung erstmals andersgearteten, aber doch gleichgewichtigen Beeinträchtigungen auszusetzen; sind diese jedoch landesweit gegeben, so erleidet der Flüchtling auf Grund eines verfolgungsbedingten Ortswechsels innerhalb seines Herkunftsstaats keine unzumutbare Verschlechterung seiner (allgemeinen) Lebensumstände (BVerwG, Urteil vom 14.12.1993 - 9 C 45.92 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 166). Dem liegt der Grundsatz der Subsidiarität zugrunde, wonach derjenige des Schutzes in der Bundesrepublik Deutschland nicht bedarf, dem auf dem Territorium seines Heimatstaates eine verfolgungsfreie Zuflucht offen steht (ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, vgl. zuletzt Urteil vom 8.12.1998 - 9 C 17.98 -; ebenso: Hailbronner, Ausländerrecht, Ordner 2, Stand: Oktober 1998, Art. 16 a GG, Rdnr. 210), weil das Asylrecht nicht vor der Rückführung in ein verfolgungssicheres Gebiet schützt, wenn die dort herrschende Notlage keine andere ist als die am Herkunftsort.

Der Zeitpunkt für den Vergleich der einander gegenüberzustellenden wirtschaftlichen Situationen hängt davon ab, für welchen Zeitpunkt die Frage des Bestehens einer inländischen Fluchtalternative zu beantworten ist. Geht es darum, ob der Asylsuchende vorverfolgt ausgereist ist, also ob er landesweit in einer ausweglosen Lage war oder an den Ort einer inländischen Fluchtalternative hätte ausweichen können, kommt es für die Erheblichkeit einer dort bestehenden wirtschaftlichen Notlage darauf an, ob eine derartige Notlage im Zeitpunkt der Ausreise auch am Herkunftsort - die dortige Verfolgung hinweggedacht - bestanden hat. Bejahendenfalls scheidet eine Vorverfolgung aus.

Ist die Frage zu beantworten, ob dem unverfolgt Ausgereisten, der von einer nachträglichen regionalen Verfolgung betroffen ist, ein objektiver Nachfluchtgrund zur Seite steht, so kommt es darauf an, ob eine inländische Fluchtalternative im Zeitpunkt des Entstehens des Nachfluchttatbestands gegeben war.

Dabei muss die wirtschaftliche Lage, die im verfolgungsfreien Gebiet herrscht, mit der Lage verglichen werden, die im Zeitpunkt der Rückkehr in den Heimatstaat am Herkunftsort besteht, wenn es um die Frage geht, ob jedenfalls aus gegenwärtiger Sicht eine innerstaatliche Fluchtalternative besteht. Entscheidend ist, ob eine am verfolgungssicheren Ort bestehende Notlage derjenigen am Herkunftsort gleicht. Ist das der Fall, so kommt auch hier die Gewährung von Asyl nicht in Betracht. Wirtschaftliche Not an einem verfolgungssicheren Ort des Heimatstaats macht einen solchen Ort nur dann als innerstaatliche Fluchtalternative ungeeignet, wenn sie am Herkunftsort - ohne die dortige Verfolgung - so nicht bestünde, wenn diese Not also ihre Ursache nicht in der Verfolgung hat (BVerwG, Urteil vom 9.9.1997 - 9 C 43.96 -, BVerwGE 105, 204).

Die Grundsätze über die inländische Fluchtalternative sind auf die Verhältnisse im Nordirak anwendbar, obwohl der irakische Staat seine Gebietsgewalt dort vorübergehend faktisch verloren hat (BVerwG, Urteil vom 8.12.1998 - 9 C 17.98 -). Die irakische Staatsmacht übt gegenwärtig keine effektive Gebietsgewalt in den nordirakischen Kurdenprovinzen Dohuk, Arbil und Sulaimaniya aus, von der politische Verfolgung im Sinne von § 51 Abs. 1 AuslG ausgehen könnte. Es gibt gegenwärtig auch keine Anzeichen dafür, dass sich an dieser Situation in absehbarer Zeit etwas ändern wird. Demgegenüber ist ebenso wenig festzustellen, dass der irakische Staat seine Gebietsherrschaft dort endgültig verloren hat, so dass diese Region asylrechtlich zum Ausland zu zählen wäre. An dieser Einschätzung im Urteil vom 21.1.1999 (A 2 S 2429/98) war auch für die Folgezeit festzuhalten, wie im Urteil vom 5.12.2000 dargelegt ist. Sie trifft auch heute noch zu. Denn nach wie vor liegen keine konkreten Erkenntnisse dazu vor, dass die Regierung in Bagdad einen Versuch unternimmt, ihre Staatsgewalt auf die Autonomiegebiete im Nordirak auszudehnen (dazu der Lagebericht des AA vom 5.9.2001, S. 9).

Geklärt ist auch, dass in der diese Gebiete umfassenden Schutzzone für irakische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit keine Gefahr politischer Verfolgung durch den irakischen Staat droht, es sei denn, sie seien in das Blickfeld dieses Regimes getreten und würden deshalb gesucht (dazu das genannte Urteil vom 21.1.1999).

Dafür spricht im Falle der Kläger jedoch nichts.

Die Kläger sind danach auf das verfolgungsfreie Gebiet im Nordirak zu verweisen. Die mündliche Verhandlung hat zwar nicht ergeben, dass sie über verwandtschaftliche Beziehungen in den Nordirak verfügen. Der Senat geht indessen davon aus, dass die Kläger wegen der geschäftlichen Beziehungen des Zeugen in den Nordirak jedenfalls ein "Leumundszeugnis" bekommen könnten, das ihnen bei einer Befragung durch die nordirakischen Stellen helfen und sie gegen den Verdacht - sofern er nicht wegen ihrer persönlichen Umstände ohnehin schon auszuschließen ist - schützen könnte, sie beabsichtigten sich als Agenten des Zentralirak zu betätigen (vgl. zum Risiko derartiger Verdächtigungen UNHCR vom 23.11.2001 für OVG Magdeburg). Dies gilt umso mehr, als die Klägerin in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts zusätzlich angegeben hat, sich mit ihrem Ehemann zusammen vor dessen Ausreise 1996 etwa vier Wochen im Rahmen eines Logierbesuchs bei einer "Art Geschäftspartner" ihres Ehemanns aufgehalten zu haben. In diesem Zusammenhang hatte die Klägerin auch angegeben, ihr Ehemann habe noch weitere Bekannte in Arbil. Selbst wenn diese Verbindung nicht für die Annahme ausreicht, dass die Kläger auf eine ausreichende kurdische Solidarität ihnen gegenüber rechnen können, die ihnen das notwendige Existenzminimum im Nordirak verschafft, kann doch davon ausgegangen werden, dass sie insoweit durch Hilfsorganisationen und lokale Behörden in einer Weise versorgt werden, die zumindest zu keiner Verschlechterung ihrer allgemeinen Lebensumstände gegenüber den Zuständen im Zentralirak, aus dem sie kommen, führen würde.

Die dem Senat vorliegenden Erkenntnismittel gehen übereinstimmend davon aus, dass sich die sozial-ökonomische Situation im Nordirak seit 1999 verbessert hat und die allgemeinen Lebensumstände dort günstiger als im Zentralirak sind (vgl. dazu Algemeen ambtsbericht Noord-Irak/april 2001; AA, Lagebericht vom 5.9.2001; DOI vom 20.11.2001 für OVG Magdeburg).

Als Grund dafür wird übereinstimmend angegeben, dass die Lieferungen im Rahmen des "Oil-for-Food"-Programms im Norden eine wesentlich höhere Quote pro Kopf der Bevölkerung zulassen als im Zentral- und Südirak (Bevölkerungsanteil der Nordprovinzen 12,5 %, bereitgestellte Quote aus den "Oil-for-Food"-Erlösen ca. 13 % / Bevölkerungsanteil des Zentral- und Südirak 87 %, bereitgestellte Quote aus den "Oil-for-Food"-Erlösen seit Dezember 2000 etwa 59 %), dass sie direkt von den VN-Organisationen und ausländischen NROs betreut werden und erhebliche Gewinne aus Transitgebühren und Schmuggelaktivitäten hinzukommen. Die VN-Aktivitäten, finanziert aus dem mit über 13 % überproportional hohen Anteil an den Erlösen aus den irakischen Ölverkäufen, umfassen im Gegensatz zum Zentralirak auch den Bildungs-, Wirtschafts- und Wohnbausektor (AA, Lagebericht vom 5.9.2001). Sodann werden Kaufanträge des irakischen Regimes häufig deshalb nicht genehmigt, weil die gewünschten Güter - wie etwa Techniken zur Wasseraufbereitung, zur Instandsetzung der Stromversorgung - auch militärisch eingesetzt werden können. Die Lieferwünsche des Nordirak werden dagegen in aller Regel unproblematisch erfüllt, wobei das Office for the Iraq Program der UNO die Verteilung der für die Kurden zustehenden Gelder im Namen des irakischen Regimes übernimmt (DOI, Gutachaten für OVG Magdeburg vom 23.11.2001).

Der zunehmende Wohlstand kommt allerdings der Bevölkerung im Nordirak nicht in gleichem Maß zugute. Auch kann nicht die Rede von einer verhältnismäßigen Einkommens- und Wohlstandsverteilung sein. Heimatlose und alleinstehende Frauen mit Familien stehen im Allgemeinen unten an der Einkommensleiter. Hilfsorganisationen und lokale Behörden achten jedoch darauf, dass die wichtigsten Lebensbedürfnisse, wie Nahrung und Obdach, der am meist verletzbaren Gruppen im Nordirak durch Gratisabgabe von Gütern und Dienstleistungen erfüllt werden. Heimatlose werden durch die lokalen Behörden, durch Nichtregierungsorganisationen, ICRC, IFRC und VN-Organisationen unterstützt. Dies gilt auch auch für sunnitische und schiitische Araber, die im Allgemeinen anders als etwa Kurden aus dem Zentralirak nicht über Verbindungen in den Nordirak verfügen. Auch die Heimatlosen haben einen Vorteil von den verbesserten sozialökonomischen Umständen im Nordirak. Hilfsaktivitäten, gerichtet auf Heimatlose, werden von VN-Instanzen (WHO, UNDP, UNHCR, UNICEF, FAO usw.) und von Nichtregierungsorganisationen unternommen. Viele Heimatlose sind in alten Schulen, Fabriken, Hotels, verlassenen Kasernen, Fords, Baracken, Notwohnungen und Zelten untergebracht. Internationale Organisationen haben in den vergangenen Jahren an verschiedenen Stellen im Nordirak neue Unterkünfte gebaut, um Heimatlosen ein besseres Obdach zu bieten. Die große Zunahme von verfügbaren Fonds aus dem Oil-for-Food-Programm hat in dem vergangenen Zeitraum für einen Aufschwung an neuen Bauprojekten gesorgt. Auf dem Gebiet der Unterkünfte konnte deshalb in dem vergangenen Zeitraum ein substantieller Fortschritt gebucht werden. Dem entsprechend müssen im Nordirak jetzt kaum noch Heimatlose in Zelten untergebracht werden (Algemeen ambtsbericht Noord-Irak; hinsichtlich der Aufnahme von Arabern in die Flüchtlingslager im Nordirak: mündliche Erläuterung des UNHCR-Gutachtens vom 23.11.2001 in der Sitzung des OVG Magdeburg vom 6.12.2001).

Auf Grund der insgesamt günstigeren Verhältnisse im Nordirak gestalten sich danach die allgemeinen Verhältnisse für die Teile der irakischen Bevölkerung, die auf den "Warenkorb" des "Oil-for-Food-Programms" zur Deckung ihres Nahrungs-Grundbedarfs angewiesen sind, dort besser als im Zentral- und Südirak (so ausdr.: DOI vom 20.11.2001 an OVG Magdeburg), obwohl die im "Warenkorb" zusammengefassten Nahrungsmittel nach einem zwischen der irakischen Regierung und dem Sanktionskomitee ausgehandelten Plan für den gesamten Irak, also auch für den Nordirak, auf Veranlassung des Bagdader Regimes einheitlich eingekauft werden. Hinzu kommt, dass die Verteilung der Rationen im Zentral-Süd-Irak durch die irakische Regierung erfolgt, die diese Möglichkeit auch zur Disziplinierung und Diskriminierung benutzt, etwa hierdurch gezielt vermeintliche Gegner zur Umsiedlung zwingt (vgl. AA, Lagebericht vom 5.9.2001), während die Verteilung im Nordirak dem World-Food-Programm der UNO (WFP) obliegt, wobei die Lebensmittelpakete in den von VN-Organisationen betriebenen Lagern direkt verteilt werden (DOI Gutachten vom 23.11.2001 für OVG Magdeburg und mündliche Erläuterung des UNHCR-Gutachtens vom 23.11.2001).

Soweit der UNHCR in seinem Gutachten vom 23.11.2001 (an OVG Magdeburg) darauf hingewiesen hat, in den nördlichen Provinzen sei verunreinigtes Wasser ein immer noch verbreitetes Problem und Wasserproben hätten ergeben, dass in den Stadtzentren von Arbil und Dohuk das Wasser zum Konsum ungeeignet sei, in den kleinstädtischen und ländlichen Gebieten im Nordirak gehe die bakteriologische Verunreinigung über die von der World-Health-Organisation (WHO) erstellten Grenzwerte hinaus, geht dieses Statement auf den diesem Gutachten angehefteten Bericht des Security Council vom 28.9.2001 zurück, nach dem immerhin 90 % der Bevölkerung mit vorbehandeltem Wasser versorgt werden kann, wobei allerdings Verunreinigung ein weit verbreitetes Problem ist. Es würden aber ständig Anstrengungen unternommen um die Situation zu verbessern. Demgegenüber ist davon die Rede, dass im Zentral- und Südirak das Wasser zum Teil in Tankwagen geliefert werden musste, wobei lediglich 25 bis 50 % des Bedarfs erfüllt werden konnte. In diesem Zusammenhang wird der Mangel von Laborausstattung und Chemikalien zur Wasserbehandlung erwähnt. 70 % der gelieferten Leitungen könnten derzeit wegen unzureichender Transport- und Konstruktionsausstattung nicht verlegt werden. Dem entspricht es, dass das Orient-Institut in seinem Gutachten vom 20.11.2001 (an OVG Magdeburg) darauf hinweist, dass das im "Warenkorb" enthaltene Babymilchpulver schlechterdings wertlos sei, wenn kein sauberes Wasser zur Zubereitung der Babynahrung zur Verfügung stehe, soweit das Sanktionenkomitee den Einkauf von Wasseraufbereitungsanlagen verhindere, weil diese etwa auch zu militärischen Zwecken benutzt werden könnten. Hingegen besteht nach Kenntnis des Deutschen Orient-Instituts in den kurdischen Nordprovinzen kein grundsätzliches Wasserproblem, vielmehr ist allgemein der Zugang zu Trinkwasser in dem nötigen Umfang vorhanden. Im Hinblick hierauf kann auch dann nicht von einer schlechteren Wasserversorgung der Heimatlosen in den Lagern im Nordirak ausgegangen werden, wenn etwa 40 % von ihnen in Unterkünften leben müssen, die hinsichtlich der Wasserversorgung unter dem Durchschnitt der dortigen Bevölkerung liegen (UNHCR vom 23.11.2001 für OVG Magdeburg).

Nach alledem ist die Versorgung im Nordirak keinesfalls schlechter als die im Zentralirak. Dies gilt auch für heimatlose Flüchtlinge. Ist die Bevölkerung im Irak gleichwohl allgemein den Gesundheitsgefahren ausgesetzt, die sich langfristig aus Fehl- und Mangelernährung ergeben, kann hieraus auch nicht die Verpflichtung des Bundesamts folgen, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG festzustellen. Denn erhebliche konkrete Gefahren für Leib und Leben, denen die Bevölkerung allgemein ausgesetzt ist, werden nach § 53 Abs. 6 S. 2 AuslG lediglich bei der Entscheidung nach § 54 AuslG berücksichtigt. In diesen Fällen einer allgemeinen Gefahr gilt im Grundsatz - d.h. wenn keine extremen Gefahren vorliegen - die Sperrwirkung des § 54 i.V.m. § 53 Abs. 6 S. 2 AuslG, d.h. ein Abschiebungsschutz kann ohne Erlass nach § 54 AuslG nicht gewährt werden, weil dies wegen der Vielzahl der Anwendungsfälle und der daraus resultierenden Präzedenzwirkung einer politischen Entscheidung der obersten Landesbehörde vorbehalten bleiben soll (BVerwG, Urteil vom 17.10.1995 - 9 C 9.95 -, BVerwGE 99, 324 und dem folgend Treiber in GK-AuslR 2000, § 53 Rdnr. 245). Die Sperrwirkung des § 53 Abs. 6 S. 2 AuslG entfällt jedoch dann, wenn nach Art. 1 und 2 GG bei entsprechender Gefahrenverdichtung Abschiebungsschutz zwingend verfassungsrechtlich geboten ist und § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG - mit auf Null reduziertem Ermessen - deshalb zwingend zur Anwendung kommen muss (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urteil vom 17.10.1995 - 9 C 9.95 -, BVerwGE 99, 324 und BVerfG, Beschluss vom 21.12.1994 - 2 BvL 81 und 21/92 -, InfAuslR 1995, 251). Eine extreme Gefahrenlage, bei deren Vorliegen die Sperrwirkung durchbrochen wird, setzt eine extrem hohe Gefahr in dem Sinne voraus, dass der Betroffene "durch die Abschiebung unmittelbar, nämlich sehenden Auges dem sicheren Tod aus(ge)liefert würde (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 17.10.1995, aaO). Eine derartige Gefahrenlage besteht allerdings nicht nur, wenn Tod oder schwerste Verletzungen, gewissermaßen noch am Tag der Ankunft im Abschiebestaat, sondern beispielsweise auch, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (BVerwG, Beschluss vom 26.1.1999 - 9 B 617.98 -, InfAuslR 1999, 265). Dies ist nicht schon anzunehmen, weil etwa die im Warenkorb des WFP enthaltenen Lebensmittel zu einer einseitigen Mangelernährung führen.

Schließlich scheidet der Nordirak für die Kläger auch nicht wegen fehlender zumutbarer Erreichbarkeit von vornherein als sicherer Landesteil, in dem sie Zuflucht finden können, aus (dazu BVerwG, Urteil vom 16.1.2001 - 9 C 16.00 -). Die vom Senat angenommene Möglichkeit, den Norden des Iraks über die Türkei zu erreichen, ist nach wie vor eröffnet. Selbst wenn eine zwangsweise Abschiebung durch die Türkei wegen fehlender Bereitschaft der türkischen Behörden zur Ermöglichung des Transits zur Zeit nicht möglich ist (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 5.9.2001), ändert allein diese Tatsache nichts an der grundsätzlichen Eignung dieser Rückreiseroute (dazu das o.a. Urteil vom 21.1.1999).

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO, § 162 Abs. 3 (entspr.) VwGO und § 83b Abs. 1 AsylVfG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Ende der Entscheidung

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