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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 19.03.2001
Aktenzeichen: A 3 S 192/01
Rechtsgebiete: AsylVfG


Vorschriften:

AsylVfG § 6 Abs. 2
Es ergibt sich aus dem Gesetz und ist durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass die Zulässigkeit einer Beanstandungsklage des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten das Vorliegen eines besonderen Kontroll- oder Beanstandungsinteresses nicht voraussetzt.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

A 3 S 192/01

In der Verwaltungsrechtssache

wegen

Anerkennung als Asylberechtigter und Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG;

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der 3. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Stopfkuchen-Menzel, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Schieber und den Richter am Verwaltungsgericht Kappes

am 19. März 2001

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Beigeladenen auf Zulassung der Berufung gegen das Zwischenurteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 22. Dezember 2000 - A 11 K 10511/00 - wird abgelehnt.

Gründe:

Der Antrag des Beigeladenen, die Berufung gegen das Zwischenurteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, ist statthaft (Eyermann/Happ, VwGO, 11. Aufl., 2000, § 124 RdNr. 18 und Eyermann/Jörg Schmidt, a.a.O., § 109 RdNr. 4) und auch im Übrigen zulässig. Er hat aber gleichwohl keinen Erfolg. Der vom Beigeladenen in Anspruch genommene Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) liegt nicht vor.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn mit ihr eine grundsätzliche, bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine im Bereich der Tatsachenfeststellungen bisher obergerichtlich nicht geklärte Frage von allgemeiner Bedeutung aufgeworfen wird, die für die Vorinstanz von Bedeutung war und sich in dem erstrebten Berufungsverfahren stellen würde und die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts berufungsgerichtlicher Klärung bedarf. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die vom Beigeladenen als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage, "ob bei der Beurteilung der Zulässigkeit von Klagen des Bundesbeauftragten ein Rechtsschutzbedürfnis überhaupt zu prüfen ist und verneint kann, oder ob nicht im Rahmen der Prüfung dieses Rechtsschutzbedürfnisses ein objektives Kontroll- oder Beanstandungsinteresse des Bundesbeauftragten vorliegen muss, ausgerichtet an den von der Bundesregierung aufgestellten Regelungsinhalten für die Rechtsmitteltätigkeit des Bundesbeauftragten in der BT-Drs. 12/2718, S. 56, wonach der Bundesbeauftragte eine einheitliche Entscheidungspraxis des Bundesamtes sicherstellen, Fragen von grundsätzlicher Bedeutung einer höchstrichterlichen Klärung zuführen und das Auseinanderlaufen der Entscheidungspraxis der verschiedenen Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichte verhindern soll, um ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage bejahen zu können", ist nicht klärungsbedürftig. Die Beantwortung dieser Frage ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz; diese Frage ist zudem höchstrichterlich geklärt.

Nach § 6 Abs. 2 AsylVfG kann sich der Bundesbeauftragte an den Asylverfahren vor dem Bundesamt und an Klageverfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit beteiligen (Satz 1) und kann er gegen Entscheidungen des Bundesamtes klagen (Satz 3). Aus dem Wortlaut dieser Vorschrift ergibt sich eine Beschränkung des ausdrücklich eingeräumten Klagerechts des Bundesbeauftragten nicht. Vielmehr ist das Klagerecht an keine weiteren Voraussetzungen geknüpft und erfasst grundsätzlich alle Entscheidungen des Bundesamtes (BVerwG, Urteil vom 27.6.1995 - 9 C 7.95 -, BVerwGE 99, 38; Thüringer Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 9.12.1999 - 3 KO 401/96 -, NVwZ 2000, Beilage Nr. 6, 69). Eine einschränkende Auslegung dieser Vorschrift, wie sie dem Beigeladenen vorschwebt, ist nicht gerechtfertigt. Die Befugnis zur Korrektur des Wortlauts steht den Gerichten nur begrenzt zu und ist unter anderem dann gegeben, wenn die Beschränkung des Wortsinns einer gesetzlichen Regelung aufgrund des vom Gesetzgeber mit ihr verfolgten Regelungsziels geboten ist, die gesetzliche Regelung also nach ihrem Wortlaut Sachverhalte erfasst, die sie nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht erfassen soll (BVerwG, Urteil vom 27.6.1995 - 9 C 7.95 - a.a.O.). Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber die Zulässigkeit von Klagen des Bundesbeauftragten vom Vorliegen eines besonderen Beanstandungs- oder Kontrollinteresses hat abhängig machen wollen, liegen nicht vor. Insbesondere kann daraus, dass die Institution des Bundesbeauftragten eine einheitliche Entscheidungspraxis des Bundesamtes und der Verwaltungsgerichte sicherstellen und Fragen grundsätzlicher Bedeutung einer ober- bzw. höchstrichterlichen Klärung zuführen soll (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 19.12.2000 - 2 BvR 143/98 -; BVerwG, Urteil vom 27.6.1995 - 9 C 7.95 - a.a.O.; BT-Drs. 9/875 S. 20, 10/3489 S. 7 und 12/2718 S. 55 f; Schenk in Hailbronner, AuslR, Stand Oktober 2000, B 2 § 6 RdNr. 2 f), nicht geschlossen werden, der Gesetzgeber habe dem Bundesbeauftragten entgegen dem Wortlaut des § 6 Abs. 2 AsylVfG nur ein eingeschränktes Klagerecht einräumen wollen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich der Gesetzgeber in Kenntnis und unter Berücksichtigung der Aufgabenbereiche des Bundesbeauftragten dafür entschieden hat, es der Ermessensentscheidung des Bundesbeauftragten zu überlassen, wie er seine Beteiligungsbefugnis und seine Klagemöglichkeiten ausübt.

Die aufgeworfene Frage ist auch durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt und dahingehend zu beantworten, dass die Zulässigkeit einer Klage des Bundesbeauftragten ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis im Sinne eines objektiven Kontroll- oder Beanstandungsinteresses nicht voraussetzt (a.A. VG Düsseldorf, Urteil vom 5.8.1999 - 18 K 13055/94.A -, InfAuslR 2000, 48; VG Bayreuth, Urteil vom 22.7.1998 - B 6 K 97.31202 -, ZDWF, Asylmagazin 5/98, S. 47). Das Bundesverwaltungsgericht hat ausgeführt, dem Bundesbeauftragten sei in § 6 Abs. 2 AsylVfG ohne Bindung an weitere Voraussetzungen die Befugnis eingeräumt, sich an Klageverfahren in Asylangelegenheiten vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu beteiligen und gegen Entscheidungen des Bundesamtes zu klagen. Bestimmte Einschränkungen für die Ausübung dieser Befugnis sehe das Gesetz nicht vor, insbesondere auch nicht die Rücksichtnahme auf individuelle Belange des Asylbewerbers (BVerwG, Beschluss vom 24.6.1999 - 9 B 18.99 -, zit. nach juris; vgl. auch Beschluss vom 17.5.1999 - 9 B 259.99 - zit. nach juris). Die am Wortlaut des § 6 Abs. 2 Satz 3 AsylVfG orientierte Annahme eines unbeschränkten Klagerechts des Bundesbeauftragten gegen alle Entscheidungen des Bundesamtes nach dem Asylverfahrensgesetz begegne keinen durchgreifenden Bedenken. Eine Einschränkung enthalte die Vorschrift nicht, ihr Wortlaut biete keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass der Bundesbeauftragte nur befugt sein soll, gegen bestimmte Entscheidungen des Bundesamtes zu klagen (BVerwG, Urteil vom 6.8.1996 - 9 C 169/95 -, BVerwGE 101, 323; vgl. auch OVG Hamburg, Beschluss vom 11.3.1998 - Bf VI 140/97 -, zitiert nach juris). Seine Beteiligungsbefugnis unterliege vorbehaltlich von Weisungen des Bundesministers des Innern (§ 5 Abs. 4 AsylVfG <a.F. = § 6 Abs. 4 AsylVfG n.F.>) keiner besonderen sachlichen oder zeitlichen Einschränkung (BVerwG, Beschluss vom 11.3.1983 - 9 B 2597.82 -, BVerwGE 67, 64). Wie das Bundesverwaltungsgericht weiter entschieden hat, ist der Bundesbeauftragte nach § 6 Abs. 2 AsylVfG auch dann befugt, gegen ein der Asylklage stattgebendes Urteil Berufung einzulegen, wenn er in vergleichbaren Fällen Asylanerkennungsbescheide des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge hat bestandskräftig werden lassen (Beschluss vom 3.6.1999 - 9 B 180.96 -, zit. nach juris). Hieraus ist zu schließen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Zulässigkeit einer Klage des Bundesbeauftragten das Vorliegen eines Kontroll- oder Beanstandungsinteresses nicht voraussetzt. Anhaltspunkte dafür, dass diese Frage erneut klärungsbedürftig geworden sei, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten (Eyermann/Jörg Schmidt, a.a.O., RdNr. 2).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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