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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 21.06.2006
Aktenzeichen: A 3 S 258/06
Rechtsgebiete: AsylVfG


Vorschriften:

AsylVfG § 14a
1. Bestreitet der Kläger das Vorliegen eines verfahrensauslösenden Antrags und geht es ihm (nur) um die Beseitigung der ablehnenden Sachentscheidung und das Offenhalten der Möglichkeit, den Erlass des begünstigenden Verwaltungsakts später zu beantragen, ist die isolierte Anfechtungsklage grundsätzlich statthaft. Ein Rechtsschutzinteresse besteht in derartigen Fällen jedenfalls dann, wenn bereits die Ablehnung des Antrags nachteilige materiell-rechtliche Wirkungen zeitigt.

2. Die Antragsfiktion des § 14 a Abs. 2 Satz 3 AsylVfG gilt auch für Kinder, die vor dem Inkrafttreten dieser Bestimmung ins Bundesgebiet eingereist sind oder hier geboren wurden.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG

Im Namen des Volkes

Urteil

A 3 S 258/06

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Anerkennung als Asylberechtigter

hat der 3. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 21. Juni 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 18. Januar 2006 - A 6 K 10990/05 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung seines Asylantrags und begehrt hilfsweise seine Anerkennung als Asylberechtigter.

Der am 23.04.2004 in Deutschland geborene Kläger ist iranischer Staatsangehöriger. Seine Eltern reisten im Februar 2001 nach Deutschland ein und beantragten die Anerkennung als Asylberechtigte. Ihr Asylverfahren blieb erfolglos. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe wies die gegen den ablehnenden Bescheid des damaligen Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (heute: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt -) erhobene Klage durch Urteil vom 14.04.2005 ab. Das Urteil ist seit dem 01.06.2005 rechtskräftig. Die Eltern des Klägers sind seither im Besitz einer Duldung, da ihre Abschiebung in Ermangelung von Reisedokumenten tatsächlich nicht möglich ist.

Am 19.04.2005 teilte das Regierungspräsidium Karlsruhe - Landesaufnahmestelle für Flüchtlinge - dem Bundesamt die Geburt des zu diesem Zeitpunkt fast ein Jahr alten Klägers mit. Mit Schreiben vom 28.04.2005 teilte das Bundesamt den Eltern des Klägers mit, hinsichtlich ihres Sohnes gelte ein Asylantrag als am 19.04.2005 gestellt. Es sei ihnen jedoch möglich, auf die Durchführung eines Asylverfahrens für ihr Kind zu verzichten. Andernfalls bestehe Gelegenheit, die Asylgründe ihres Sohnes binnen eines Monats vorzutragen. Auf das Schreiben des Bundesamtes reagierten die Eltern des Klägers nicht.

Mit Bescheid vom 21.06.2005 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG und des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen und drohte dem Kläger die Abschiebung in den Iran an. Zur Begründung führte das Bundesamt aus, die den Asylantrag fingierende Vorschrift des § 14 a Abs. 2 AsylVfG erfasse auch solche Fälle, in denen der Asylantrag der Eltern bereits vor Inkrafttreten der Regelung am 01.01.2005 gestellt und das Kind dem Bundesamt gemeldet worden sei. Da der Kläger Asylgründe nicht geltend gemacht habe und die allgemeinen Verhältnisse im Iran nicht auf eine asylerhebliche Verfolgung schließen ließen, könne der Antrag keinen Erfolg haben.

Gegen den ihm am 29.06.2005 zugestellten Bescheid hat der Kläger am 12.07.2005 bei dem Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage erhoben, mit der er die Aufhebung des Bescheides, hilfsweise die Anerkennung als Asylberechtigter und die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG sowie - weiter hilfsweise - die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG begehrt hat. In der Sache hat er (lediglich) geltend gemacht, das Bundesamt habe einen Asylantrag zu Unrecht fingiert.

Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat den angegriffenen Bescheid durch Urteil vom 18.01.2006 aufgehoben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Wortlaut des § 14a AsylVfG lasse eine Anwendung auf den Kläger nicht zu, da dieser weder nach dem 01.01.2005 im Bundesgebiet geboren noch eingereist sei. Hätte der Gesetzgeber, dem die Problematik im Gesetzgebungsverfahren bekannt geworden sei, die Altfälle einbeziehen wollen, hätte er eine Formulierung - wie etwa in § 15a Abs. 1 Satz 1, Abs. 6 AufenthG - gewählt.

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Berufung macht die Beklagte im Einzelnen geltend, § 14a Abs. 2 AsylVfG sei trotz des Fehlens einer ausdrücklichen Übergangsvorschrift auf Kinder, die vor dem 01.01.2005 in Deutschland geboren wurden, anwendbar. Es komme für die Anwendbarkeit auf den Zugang der Anzeige beim Bundesamt an. Die Rechtsfolgen dieser Antragstellung entstünden in der Zukunft. Für eine Anwendbarkeit sprächen auch der Sinn und Zweck der Norm, überlange Aufenthaltszeiten von Familienverbänden durch sukzessive Asylantragstellung zu vermeiden, obwohl keinerlei aufenthaltsrechtliche Perspektive bestehe. Das Vertrauen des Klägers auf den Fortbestand der bisherigen Rechtslage sei nicht schutzwürdig. Es stehe ihm frei, gemäß § 14a Abs. 3 AsylVfG auf die Durchführung eines Asylverfahrens zu verzichten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 18. Januar 2006 - A 6 K 10990/05 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angegriffene Urteil und verweist ergänzend auf die diesem Urteil entsprechende Rechtsprechung des OVG Berlin-Brandenburg. Weiter führt er aus, eine Anwendung des § 14 a Abs. 2 AsylVfG auf Fälle der vorliegenden Art widerspreche dem Gebot der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Schon die Vielzahl der divergierenden Gerichtsentscheidungen zeige, dass die Erstreckung der Vorschrift mit diesem verfassungsrechtlichen Grundsatz im Konflikt stehe. Soweit eine Anwendung auf "Altfälle" dennoch befürwortet werde, müsse dies konsequenterweise auch für die geänderte Fassung des § 26 Abs. 2 AsylVfG gelten mit der Folge, dass Familienangehörige, die den auf § 26 AsylVfG gestützten Asylantrag seinerzeit unverzüglich nach der Anerkennung des Stammberechtigten oder ihrer Geburt hätten stellen müssen, nunmehr - gewissermaßen rückwirkend - von diesem Erfordernis befreit seien. Die Anwendung des § 14 a Abs. 2 AsylVfG auf "Altfälle" sei auch nicht verfahrensökonomisch. Im Gegenteil bewirke sie mit Blick auf die Abschiebung der Restfamilie eher eine Verzögerung des Verfahrens. Obwohl die Asylantragsfiktion dem Wortlaut nach an die Anzeige der Geburt anknüpfe, sei verfahrensauslösend letztlich die Geburt selbst. Diese sei bei Inkrafttreten des Gesetzes indes schon abgeschlossen gewesen.

Dem Senat liegen neben den Gerichtsakten des Berufungsverfahrens die Akten des Bundesamtes und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts - jeweils auch die Verfahren der Eltern des Klägers betreffend - vor. Hierauf wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist nach ihrer Zulassung statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch begründet, denn die im Hauptantrag zulässige (isolierte) Anfechtungsklage bleibt in der Sache ebenso ohne Erfolg wie das hilfsweise zur Entscheidung gestellte Verpflichtungsbegehren.

1. Der auf Aufhebung des ablehnenden Bescheids des Bundesamtes gerichtete Hauptantrag ist als (isolierte) Anfechtungsklage statthaft. Für die Anfechtungsklage gegen die verfügte Abschiebungsandrohung (Ziff. 4 im Bescheid des Bundesamtes), die einen belastenden Verwaltungsakt darstellt, liegt dies auf der Hand und bedarf keiner näheren Erörterung. Statthaft ist aber auch die (isolierte) Anfechtungsklage gegen die ablehnenden Entscheidungen in Ziff. 1 bis 3 des angefochtenen Bescheids. Der Kläger vertritt insoweit die Auffassung, das Bundesamt sei zu Unrecht von der Fiktion eines Asylantrags nach § 14 a Abs. 2 Satz 3 AsylVfG ausgegangen. Damit macht er der Sache nach geltend, es fehle schon an der Sachentscheidungsvoraussetzung des Antrags. Daher habe ein Bescheid - gleich welchen Inhalts - nicht ergehen dürfen. Für dieses Vorbringen, das die Rechtswidrigkeit der Antragsablehnung in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht beinhaltet, ist die isolierte Anfechtungsklage die einzig taugliche Klageart (so im Ergebnis auch OVG Niedersachsen, Urteil vom 15.03.2006 - 10 LB 7/06 -). Insbesondere wäre die - hier hilfsweise erhobene - Verpflichtungsklage, wegen deren Spezialität die Statthaftigkeit der isolierten Anfechtungsklage regelmäßig verneint wird (vgl. ausführlich Bettermann, NJW 1960, 649; Bosch/Schmidt, Praktische Einführung in das verwaltungsgerichtliche Verfahren, 8. Auflage 2005, § 24 I), zur Überprüfung des Einwands des Klägers nicht geeignet. Denn die Verpflichtungsklage könnte nur erfolgreich sein, wenn der Kläger einen Antrag auf Erlass des begünstigenden Verwaltungsakts gestellt hätte (vgl. statt Vieler: Pietzcker, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Loseblattslg., Band 1, Stand Oktober 2005, § 42 Abs.1 RdNr. 96). Das Nichtvorliegen eines Antrags (inzident) feststellen zu lassen, ist jedoch gerade Ziel seines mit dem Hauptantrag verfolgten Aufhebungsbegehrens. Dieses Ziel kann mit der Verpflichtungsklage folglich nicht erreicht werden. Auch eine Klage des Inhalts festzustellen, dass ein Asylantrag nicht als gestellt im Sinne des § 14 a Abs. 2 Satz 3 AsylVfG gilt, wäre wegen der Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der Anfechtungsklage (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO) unzulässig. Bestreitet der Kläger das Vorliegen eines verfahrensauslösenden Antrags und geht es ihm - wie hier - (nur) um die Beseitigung der Sachentscheidung und das Offenhalten der Möglichkeit, den Erlass des begünstigenden Verwaltungsakts später zu beantragen, ist die isolierte Anfechtungsklage grundsätzlich statthaft (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 42 RdNr. 30; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 22 RdNr. 29), sofern das Interesse am Unterbleiben des nicht beantragten begünstigenden Verwaltungsakts von der Rechtsordnung als schützenswert anerkannt wird. Vorliegend ist das Rechtsschutzinteresse aber jedenfalls deswegen zu bejahen, weil es mit der bloßen Antragsablehnung nicht sein Bewenden hat. Denn beließe es der Kläger bei der negativen Entscheidung des Bundesamtes, könnte er einen weiteren Antrag nur unter den (erschwerten) Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG stellen. Zudem wäre die Entscheidung über die Antragsablehnung und - damit einher gehend - über die Feststellung, dass Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen, für die Dauer der Wirksamkeit der entsprechenden Verfügungen nach Maßgabe der §§ 4 Satz 1, 42 Satz 1 AsylVfG zu seinen Lasten verbindlich. In derartigen Fällen der nachteiligen materiell-rechtlichen Wirkung der Antragsablehnung ist von der Zulässigkeit (auch) der isolierten Anfechtungsklage auszugehen (s. im Einzelnen Kopp/Schenke, a.a.O.; vgl. auch BayVGH, Urteil vom 18.03.1983 - 25 B 6285/79 -, BayVBl. 1984, 18 <20>).

Das Rechtsschutzinteresse lässt sich in Bezug auf die somit statthafte isolierte Anfechtungsklage auch nicht mit der Begründung verneinen, der Kläger habe in Gestalt seines auf Anerkennung als Asylberechtigter gerichteten Hilfsantrags einen ausdrücklichen Asylantrag (§ 13 Abs. 1 AsylVfG) gestellt. Denn im Falle der Eventualklagehäufung fällt der Hilfsantrag erst dann zur Entscheidung an, wenn über den Hauptantrag negativ entschieden wurde. Dies war bislang nicht der Fall mit der Folge, dass der Hilfsantrag prozessual noch nicht angefallen und deshalb nicht zu berücksichtigen ist. In materiell-rechtlicher Hinsicht bewirkt dies ebenfalls, dass ein Asylantrag im Sinne des § 13 Abs. 1 AsylVfG nicht gestellt ist. Anträge auf Vornahme eines Verwaltungsakts sind bedingungsfeindlich (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 22 RdNr. 37). Sie können zwar - insoweit vergleichbar der prozessrechtlichen Situation - zueinander im Eventualverhältnis stehen, aber der Hauptantrag selbst muss unbedingt erhoben sein. Daran fehlt es vorliegend. Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass in dem Hilfsantrag ein materieller Asylantrag im Sinne des § 13 Abs. 1 AsylVfG enthalten ist, stünde dieser zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Hauptantrag jedenfalls unter der Bedingung der Abweisung des Hauptantrages und würde deshalb materiell-rechtlich keine Wirkung entfalten. Somit könnte er auch dem Rechtsschutzinteresse für eine isolierte Anfechtungsklage nicht entgegen gehalten werden. Auf die Frage, ob ein im gerichtlichen Verfahren gestellter Verpflichtungsantrag auf Anerkennung als Asylberechtigter überhaupt den Anforderungen an einen - für die Einleitung eines Verfahrens notwendigen (vgl. BayVGH, Urteil vom 10.09.1991 - 19 BZ 90.30695 -, BayVBl. 1992, 21) - Asylantrag genügt und im Sinne des § 45 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG eine rückwirkende Heilung zu bewirken geeignet ist (vgl. dazu VG Braunschweig, Beschluss vom 08.05.2006 - 6 B 150/06 -), kommt es daher nicht an.

2. Die somit insgesamt zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet, denn der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Vorschrift des § 14 a Abs. 2 AsylVfG ist - mit Verfassungsrecht im Einklang stehend - auf den Kläger anwendbar, sodass es nicht an einem Asylantrag als Voraussetzung eines Asylverfahrens fehlt.

§ 14 a Abs. 2 AsylVfG erfasst in Ermangelung einer ausdrücklichen Übergangsvorschrift neben all den Kindern, die nach dem 01.01.2005 im Bundesgebiet geboren worden oder dorthin eingereist sind, auch vor dem 01.01.2005 im Bundesgebiet geborene Kinder (sog. "Altfälle"), deren Geburt nach Inkrafttreten des § 14 a Abs. 2 AsylVfG angezeigt wurde. Nach der Regelungssystematik des Gesetzgebers des Zuwanderungsgesetzes in Bezug auf Übergangsvorschriften soll das seit dem 01.01.2005 in Kraft befindliche Recht grundsätzlich auch Anwendung auf solche Sachverhalte finden, die bereits in der Vergangenheit begründet worden sind (a). Ausnahmen von dieser Regelungssystematik gebieten für Fälle der vorliegenden Art weder der Wortlaut des § 14 a Abs. 2 AsylVfG (b) noch die übrigen der zu berücksichtigenden Auslegungskriterien (c). Die Grundrechte stehen einer Erstreckung des Anwendungsbereichs des § 14 a Abs. 2 Satz 3 AsylVfG auf vor dem 1. Januar 2005 geborene Kinder nicht entgegen (d).

a) § 14 a AsylVfG ist am 01.01.2005 in Kraft getreten und ist seither geltendes Recht. Namentlich galt es in dem Zeitpunkt, zu dem die Ausländerbehörde dem Bundesamt die Geburt des Klägers angezeigt und damit das Verfahren ausgelöst hat. Ob die Ausländerbehörde zur Anzeige der Geburt des Klägers am 19.04.2005 berechtigt und verpflichtet war, ist keine Frage der temporalen Normgeltung des § 14 a Abs. 2 AsylVfG, sondern eine solche des materiell-rechtlichen Anwendungsbereichs der Norm. Der allgemeine Grundsatz des intertemporalen Verfahrensrechts, dass neues Verfahrensrecht vom Zeitpunkt seines Inkrafttretens an regelmäßig auch anhängige Verfahren erfasst, weshalb ein Beteiligter eine Beeinträchtigung seiner Rechte durch die Rechtsänderung regelmäßig nicht mit Erfolg geltend machen kann (BVerwG, Beschluss vom 06.12.1982 - 9 B 3520.82 -, BVerwGE 66, 312 <314>) ist deshalb im vorliegenden Zusammenhang nicht von weiterführender Bedeutung (insoweit anders OVG Niedersachsen, Urteil vom 15.03.2006, a.a.O.; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25.04.2006 - 6 A 10211/06 -, juris).

Aus einer Gesamtbetrachtung der Übergangsvorschriften des Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz) vom 30.07.2004 ergibt sich, dass der Gesetzgeber diejenigen Sachverhalte, die nicht den (geänderten) Regelungen des Zuwanderungsgesetzes unterfallen sollten, ausdrücklich benannt hat. Dies gilt zunächst für §§ 103, 104 Abs. 1 und 3 AufenthG, die die prinzipielle Weitergeltung einiger bis zum 01.01.2005 in Kraft befindlicher Vorschriften anordnen. Auch die Fortgeltung von Verwaltungsakten auf der Basis des außer Kraft getretenen Rechts ist ausdrücklich normiert worden (§§ 101, 102, 105 AufenthG). In ähnlicher Weise ist dies für die Übergangsvorschrift des § 87 b AsylVfG geschehen, die die (einzige) Ausnahme von der Regel der sofortigen Anwendbarkeit neuen Rechts in Gestalt der partiellen Weitergeltung des § 6 AsylVfG a.F. normiert. Eine Regelung dahingehend, dass § 14 a Abs. 2 AsylVfG nur in den Fällen der Einreise oder Geburt nach dem 01.01.2005 gelten soll, fehlt hingegen. An anderer Stelle des Zuwanderungsgesetzes hat der Gesetzgeber aber solche Regelungen getroffen, wie ein Blick auf § 15 a Abs. 6 AufenthG zeigt. Auch die Übergangsvorschriften aus Anlass der am 01.07.1993 in Kraft getretenen Änderungen (§§ 87, 87 a AsylVfG) verdeutlichen, dass diese - umgekehrte - Regelungssystematik durchaus gebräuchlich und dem Gesetzgeber bekannt ist. Es lässt sich damit feststellen, dass der Gesetzgeber im Zuwanderungsgesetz nicht etwa die ausnahmsweise Anwendung neuen Rechts auf in der Vergangenheit angelegte Sachverhalte angeordnet, sondern - im Gegenteil - wie in § 15 a Abs. 6 AufenthG nur die Ausnahmen von der sofortigen Anwendbarkeit einer Vorschrift geregelt hat. Dies ist zum einen im Hinblick auf das vom Kläger angesprochene, aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Gebot der Normenklarheit von Belang (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 09.04.2003 - 1 BvL 1/03 ua -, BVerfGE 108, 52). Zum anderen bleibt diese Regelungssystematik des Gesetzgebers nicht ohne Einfluss auf die Argumentationslast in Zweifelsfällen: Belegt werden muss der Fall der ausnahmsweisen Nichtanwendbarkeit einer Norm auf Sachverhalte mit Vergangenheitsbezug. Lässt hingegen die Auslegung einer Norm die Erstreckung auf solche Sachverhalte zu, so ist die Anwendung der Norm auf derartige Fälle regelmäßig nicht weiter begründungsbedürftig.

b) Unter Berücksichtigung dieses Grundsatzes ist festzustellen, dass die grammatische Auslegung des § 14 a Abs. 2 Satz 3 AsylVfG Fälle der vorliegenden Art nicht von ihrem Anwendungsbereich ausschließt. Nach dieser Vorschrift gilt mit dem Zugang der Anzeige über die Geburt des Kindes beim Bundesamt ein Asylantrag für das Kind als gestellt. Auf welches Kind sich diese Antragsfiktion bezieht, ergibt sich aus § 14 a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG. Danach ist dem Bundesamt unverzüglich anzuzeigen, wenn ein lediges, unter 16 Jahre altes Kind eines Ausländers nach dessen Asylantragstellung ins Bundesgebiet einreist oder hier geboren wird, soweit ein Elternteil eine Aufenthaltsgestattung besitzt oder sich nach Abschluss seines Asylverfahrens ohne Aufenthaltstitel oder mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG im Bundesgebiet aufhält. Die Antragsfiktion des § 14 a Abs. 2 Satz 3 AsylVfG findet damit ohne weiteres Anwendung auf alle nach dem In-Kraft-Treten der Vorschrift am 01.01.2005 (Art. 15 Abs. 3 Zuwanderungsgesetz) eingereisten oder in Deutschland geborenen Kinder im Sinne des § 14 a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG. Dass sie ausschließlich für diese Gruppe von Kindern gilt, wie das Verwaltungsgericht angenommen hat, und zuvor geborene oder eingereiste Kinder von ihrem Geltungsbereich ausschließt, kann dem Wortlaut der Vorschrift aber nicht entnommen werden. Insbesondere lässt die Verwendung der Zeitform des Präsens einen solchen Schluss nicht zu (Schenk, in: Hailbronner, Ausländerrecht, § 14 a AsylVfG RdNr. 24; anders OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 01.02.2006 - 3 B 35.05 -, Asylmagazin 2006, 53). Zum einen bezieht sich die Präsensformulierung hinsichtlich der die Rechtsfolge auslösenden Ereignisse der Einreise oder der Geburt eines unter 16 Jahre alten Kindes auf die zeitliche Abfolge zu der vorangegangenen Asylantragstellung des jeweiligen Elternteils. Insoweit kann aber der Gesetzeswortlaut nicht (nur) so verstanden werden, dass hiermit eine Einreise oder eine Geburt nach Inkrafttreten der gesetzlichen Regelung am 01.01.2005 gemeint ist. Vielmehr lässt sich lediglich eine zeitliche Abfolge dahin erkennen, dass das entsprechende Ereignis eine vorherige Antragstellung eines Elternteiles voraussetzt. Zum anderen hat der Gesetzgeber des Zuwanderungsgesetzes vielfach unterschiedliche Zeitformen verwandt, ohne dass dies verlässliche Rückschlüsse auf den Anwendungsbereich der Norm ermöglicht. So setzt etwa die schon genannte Bestimmung des § 104 Abs. 3 AufenthG, die ebenso wie § 14 a Abs. 2 AsylVfG im Rahmen des Zuwanderungsgesetzes am 01.01.2005 in Kraft getreten ist, voraus, dass ein Ausländer sich schon vor diesem Datum rechtmäßig in Deutschland aufgehalten hat und dessen Kind schon vor diesem Tag geboren wurde. Dem gegenüber wird in § 15 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG das Partizip des Perfekt ("eingereiste Ausländer") gebraucht, obwohl die Regelung nach § 15 a Abs. 6 AufenthG nicht für Personen gilt, die "nachweislich vor dem 01.01.2005 eingereist sind". Die Zeitformen der Vorschriften, die im Zuge des Zuwanderungsgesetzes am 01.01.2005 in Kraft gesetzt wurden, lassen mithin keinen sicheren Schluss auf den davon erfassten Personenkreis zu und können nicht dafür fruchtbar gemacht werden, dass der Gesetzgeber entgegen seinem sonstigen Regelungskonzept in Bezug auf Übergangsvorschriften ausnahmsweise keine sofortige Erstreckung auf in die Vergangenheit reichende Sachverhalte bezweckt hat. Entgegen der Ansicht des OVG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 01.02.2006, a.a.O.) kann auch aus der Verwendung des Wortes "unverzüglich" nicht geschlossen werden, dass damit Geburten oder Einreisen aus der Zeit vor dem 01.01.2005 von der Regelung nicht erfasst werden sollten. Denn die Verpflichtung zu zeitnahem Handeln ist auch sinnvoll und erfüllbar, wenn die Handlungspflicht erst später begründet wird (ebenso OVG Niedersachsen, Urteil vom 15.03.2006 - 10 LB 7/06 -). Die Pflicht zur unverzüglichen Anzeige der Einreise oder Geburt beginnt in diesem Fall mit dem Entstehen der Anzeigepflicht am 01.01.2005. Der Kläger ist somit nach der grammatischen Auslegung vom Anwendungsbereich der Norm nicht ausgeschlossen.

c) Auch die systematische und die teleologische Auslegung schließen nicht aus, dass § 14 a Abs. 2 Satz 3 AsylVfG auf "Altfälle" wie den hiesigen Anwendung findet. Die Einführung der genannten Norm steht in einem engen systematischen Zusammenhang mit der Änderung des § 26 Abs. 2 AsylVfG. Nach der bis 31.12.2004 geltenden Fassung des § 26 AsylVfG setzte die Anerkennung eines Kindes eines Asylberechtigten voraus, dass dieses unverzüglich nach seiner Einreise einen Asylantrag gestellt hatte. Dieses Erfordernis ist mit der Neuregelung entfallen. Die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/420 S. 109) bemerkt hierzu, dass hierdurch bei den Kindern, die vor Vollendung des 16. Lebensjahres ins Bundesgebiet eingereist sind, keine inhaltliche Änderung entstehe, da insoweit die Fiktionswirkung des § 14 a Abs. 2 Satz 3 AsylVfG greife. 16- bis 18-jährige ledige Kinder könnten künftig bis kurz vor Vollendung des 18. Lebensjahres mit der Asylantragstellung warten. Ob diese Erwägungen der Bundesregierung inhaltlich in jeder Hinsicht zutreffen, erscheint zwar fraglich. Denn die Anzeigepflicht nach § 14 a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG knüpft nicht nur an die Geburt oder die Einreise in das Bundesgebiet, sondern zusätzlich an einen ganz bestimmten Aufenthaltsstatus an, der demjenigen des Stammberechtigten, der Familienasyl oder Familienabschiebungsschutz nach § 26 AsylVfG allein zu vermitteln in der Lage ist, regelmäßig nicht entsprechen wird. Soweit nämlich Asylberechtigte - wie regelmäßig - über einen Aufenthaltstitel gemäß §§ 25 Abs. 1, 26 Abs. 3 AufenthG verfügen werden, ist die Einreise ihrer unter 16 Jahre alten Kinder nicht anzeigepflichtig im Sinne des § 14 a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG. Insoweit dürfte das von der Bundesregierung angenommene Zusammenspiel der §§ 14 a Abs. 2 und 26 Abs. 2 AsylVfG daher fraglich sein (anders aber OVG Niedersachsen, Urteil vom 15.03.2006, a.a.O.). Dessen ungeachtet hat der Gesetzgeber jedenfalls eine systematische Verknüpfung beider Vorschriften hergestellt und geht - wenn auch möglicherweise teilweise unzutreffend - davon aus, dass § 14 a Abs. 2 AsylVfG hinsichtlich der Einreise von unter 16 Jahre alten Kindern Asylberechtigter an die Stelle der bisherigen Regelung des § 26 Abs. 2 AsylVfG getreten ist. Die Richtigkeit dieser Erwägung zugrunde gelegt, spräche dies - worauf das OVG Niedersachsen mit näherer Begründung (a.a.O.) zutreffend hinweist - eher für, jedenfalls aber nicht gegen eine Erstreckung des § 14 a Abs. 2 AsylVfG auch auf "Altfälle". Jedenfalls - und dies ist entscheidend - ist aus all dem klar zu erkennen, dass der Wille des Gesetzgebers darauf gerichtet ist, auch vor dem 01.01.2005 geborene oder eingereiste Kinder zu erfassen.

Für die Anwendbarkeit der Vorschrift auch auf Altfälle spricht außer den vorstehenden Gründen vor allem auch eine an Sinn und Zweck orientierte Auslegung des § 14 a Abs. 2 Satz 3 AsylVfG. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/420 S. 108) dient § 14 a AsylVfG dem Zweck, durch die "Fiktion der Asylantragstellung für ledige Kinder bis zum vollendeten 16. Lebensjahr" zu verhindern, "dass durch sukzessive Asylantragstellung überlange Aufenthaltszeiten in Deutschland ohne aufenthaltsrechtliche Perspektive für die Betroffenen entstehen. Damit würden "auch die in der Vergangenheit regelmäßig als notwendig erachteten Altfall- oder Härtefallregelungen weitgehend entfallen können". Der in dieser Weise zum Ausdruck gebrachte Gesetzeszweck kommt aber nur dann umfassend (optimal) zum Tragen, wenn auch die Altfälle von der Norm des § 14 a Abs. 2 AsylVfG erfasst werden. Dem Gesetzgeber ist daher zu unterstellen, dass er die von ihm als Missbrauch und Umgehung angesehene Vorgehensweise, bei drohender Abschiebung sukzessiv Asylanträge für minderjährige Kinder zu stellen, möglichst rasch, umfassend und effektiv unterbunden wissen will (so OVG Niedersachsen, Urteil vom 15.03.2006, a.a.O.). Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers diesbezüglich in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, § 14 a Abs. 2 AsylVfG wirke eher verfahrensunökonomisch und aufenthaltsverlängernd, mag dies im Einzelfall dann der Fall sein, wenn das Bundesamt nicht nach § 30 Abs. 3 Nr. 7 AsylVfG verfährt und den Asylantrag (nur) als schlicht unbegründet ablehnt. Dies ändert aber weder etwas an der gegenteiligen Einschätzung des Gesetzgebers, auf die es mit Blick auf die Auslegung des Vorschrift vornehmlich ankommt, noch darf verkannt werden, dass jedenfalls in der Regel die (Gesamt-)Aufenthaltszeiten einer erfolglos um Asyl nachsuchenden Familie durch die Einführung des § 14 a Abs. 2 AsylVfG abnehmen werden.

d) Ergibt sich nach Vorstehendem unter Berücksichtigung der gängigen Auslegungstopoi, dass Fälle der vorliegenden Art nicht vom Anwendungsbereich des § 14 a Abs. 2 Satz 3 AsylVfG ausgeschlossen sind, stellt sich die Frage, ob die Anwendung des § 14 a Abs. 2 Satz 3 AsylVfG auf den Kläger auch mit Verfassungsrecht im Einklang steht. Dies ist der Fall. Namentlich ist darin keine echte Rückwirkung der Norm zu erblicken. Eine Rechtsnorm entfaltet Rückwirkung, wenn der Beginn ihres zeitlichen Anwendungsbereichs auf einen Zeitpunkt festgelegt ist, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm gültig geworden ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.5.1986 - 2 BvL 2/83 -, BVerfGE 72, 200 <241>). Der zeitliche Anwendungsbereich einer Norm bestimmt, in welchem Zeitpunkt die Rechtsfolgen einer gesetzlichen Regelung eintreten sollen. Grundsätzlich gestatten die Grundrechte nur ein belastendes Gesetz, dessen Rechtsfolgen für einen frühestens mit der Verkündung beginnenden Zeitraum eintreten. Die Anordnung, eine Rechtsfolge solle schon für einen vor dem Zeitpunkt der Verkündung der Norm liegenden Zeitraum eintreten (Rückbewirkung von Rechtsfolgen, "echte" Rückwirkung), ist - von wenigen Ausnahmen abgesehen - in aller Regel unzulässig. Der von einem Gesetz Betroffene muss grundsätzlich bis zum Zeitpunkt der Verkündung einer Neuregelung darauf vertrauen können, dass er nicht nachträglich einer bisher nicht geltenden Belastung unterworfen wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.05.1986, a.a.O. S. 242, 254). Dieser Schutz des Vertrauens in den Bestand der ursprünglich geltenden Rechtsfolgenlage beruht verfassungsrechtlich vorrangig auf den allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen insbesondere des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit (vgl. statt Vieler BVerfG, Beschluss vom 03.12.1997 - 2 BvR 882/97 -, BVerfGE 97, 67 <78>).

Demgegenüber betrifft die tatbestandliche Rückanknüpfung ("unechte" Rückwirkung) nicht den zeitlichen, sondern den sachlichen Anwendungsbereich einer Norm. Die Rechtsfolgen eines Gesetzes treten erst nach Verkündung der Norm ein, deren Tatbestand erfasst aber Sachverhalte, die bereits vor Verkündung "ins Werk gesetzt" worden sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 08.07.1971 - 1 BvR 766/66 -, BVerfGE 31, 275 <292 ff.>; Beschluss vom 14.05.1986, a.a.O. S. 242). Diese Tatbestände, die den Eintritt ihrer Rechtsfolgen von Umständen aus der Zeit vor ihrer Verkündung abhängig machen, unterliegen weniger strengen Beschränkungen als die Rückbewirkung von Rechtsfolgen.

Da § 14 a Abs. 2 Satz 3 AsylVfG zwar an einen in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt (Geburt oder Einreise eines Kindes von Ausländern nach Stellung eines Asylantrags) anknüpft, Rechtsfolgen aber nicht rückbewirkt, kann von einer echten Rückwirkung nicht die Rede sein. Vielmehr knüpft die Norm nur tatbestandlich an ein in der Vergangenheit liegendes Ereignis an und unterwirft dieses Ereignis einer (gegenwärtigen) Anzeigepflicht. In solchen Fällen der unechten Rückwirkung ist das Vertrauen des Normadressaten in den Fortbestand der gesetzlichen Regelung gegen die Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit abzuwägen (BVerfG, Beschluss vom 5.2.2002 - 2 BvR 305/93 ua. -, BVerfGE 105, 17 <40>). Diese Abwägung ergibt im vorliegenden Fall, dass das durch Auslegung ermittelte Ergebnis mit Verfassungsrecht im Einklang steht. Die hier in Rede stehende unechte Rückwirkung ist zur Erreichung der vom Gesetzgeber vorgegebenen Zielsetzung, sukzessive Asylantragstellungen und - hieraus resultierende - überlange Aufenthaltszeiten in Deutschland ohne aufenthaltsrechtliche Perspektive gerade im Zusammenwirken mit § 30 Abs. 3 Nr. 7 AsylVfG zu verhindern, geeignet und erforderlich. Der Kläger, der insoweit schon von der Nichteignung der Norm auszugehen scheint, vermochte ein besser oder auch nur gleich geeignetes Mittel zur Vermeidung sukzessiver Asylantragstellungen und hieraus resultierender überlanger Aufenthaltszeiten in Deutschland nicht aufzuzeigen. Solche Alternativregelungen sind auch nicht ersichtlich. Die Erstreckung der Norm auf den Kläger ist auch angemessen. Das Interesse des Klägers an der Beibehaltung des im Zeitpunkt seiner Geburt bestehenden Zustandes wiegt deutlich geringer als das gegenläufige öffentliche Interesse. Der Kläger hatte vor der Verkündung des Zuwanderungsgesetzes nichts "ins Werk gesetzt", was durch § 14 a Abs. 2 AsylVfG gleichsam entwertet würde. Er bzw. seine Eltern hatten lediglich davon abgesehen, einen Asylantrag zu stellen, und ein solcher wurde seinerzeit auch nicht fingiert. Das Interesse am Fortbestand dieser verfahrensrechtlichen Situation kann folglich nur darin bestehen, den Zeitpunkt der Einleitung eines Asylverfahrens selbst und unabhängig von einer gesetzlichen Antragsfiktion bestimmen zu können. Diesem - schon an sich nicht in einem dem Anliegen des Gesetzgebers vergleichbaren Maße - schützenswerten Interesse wird zum einen durch die Verzichtsklausel in § 14 a Abs. 3 AsylVfG Rechnung getragen. Zum anderen bleibt es dem Kläger - sollte er politische Verfolgung zu einem späteren Zeitpunkt zu gewärtigen haben - unbenommen, dies zum Anlass eines weiteren Asylantrags zu machen, der nach Maßgabe des § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG einer Prüfung anhand des Asylgrundrechts zugänglich wäre. Wie auch der vorliegende Fall, in welchem der Kläger hilfsweise einen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter gestellt hat, zeigt, ist die Durchführung eines Asylverfahrens als solches kein Umstand, der eine Ausnahme von dem durch Auslegung bestätigten Regelungskonzept des Gesetzgebers in Gestalt einer verfassungskonformen Interpretation des § 14 a Abs. 2 Satz 3 AsylVfG erforderlich machte. Das Bundesamt hat daher zu Recht aufgrund der Anzeige der Ausländerbehörde ein Asylverfahren für den Kläger durchgeführt. Die im Hauptantrag allein auf Aufhebung des Bescheides der Beklagten gerichtete Anfechtungsklage des Klägers ist dem zu Folge unbegründet.

3. Der auf Anerkennung als Asylberechtigter und auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG gerichtete Hilfsantrag des Klägers ist ebenso zulässig wie dessen weiterer, auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG gerichteter Hilfsantrag. Die Hilfsanträge sind aber unbegründet. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat auch auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung keine individuellen Asylgründe für den Kläger vorgetragen. Die allgemeinen Verhältnisse im Iran lassen auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Kläger in Deutschland als Kind von Asylbewerbern geboren wurde, nicht erwarten, dass dieser derzeit politische Verfolgung oder die in § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG bezeichneten Gefahren mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu gewärtigen hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG. Der Senat lässt wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) die Revision zu, da es sich bei der Frage, ob § 14 a Abs. 2 AsylVfG auf vor dem 1. Januar 2005 geborene ausländische Kinder anwendbar ist, um eine obergerichtlich unterschiedlich beantwortete Rechtsfrage des revisiblen Rechts handelt, die im Interesse der Einheit und Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen das Urteil steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu.



Ende der Entscheidung

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