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Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 23.07.2002
Aktenzeichen: A 3 S 558/02
Rechtsgebiete: GG, EMRK, AsylVfG, Dubliner Übereinkommen
Vorschriften:
GG Art. 6 | |
EMRK Art. 8 | |
AsylVfG § 29 Abs. 3 | |
Dubliner Übereinkommen Art. 3 Abs. 4 |
A 3 S 558/02
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss
In der Verwaltungsrechtssache
wegen
Anerkennung als Asylberechtigter und Feststellung des Vorliegens
der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG;
hier: Antrag auf Zulassung der Berufung
hat der 3. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Stopfkuchen-Menzel, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Fricke und den Richter am Verwaltungsgerichts Milz
am 23. Juli 2002
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 6. Juni 2002 - A 11 K 10878/02 - wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Berufungszulassungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beteiligten, die dieser auf sich behält.
Gründe:
Der auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) gestützte Antrag des Klägers hat keinen Erfolg.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Sache nur dann, wenn mit ihr eine grundsätzliche, bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine im Bereich der Tatsachenfeststellungen bisher obergerichtlich nicht geklärte Frage von allgemeiner Bedeutung aufgeworfen wird, die sich in dem erstrebten Berufungsverfahren stellen würde und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts berufungsgerichtlicher Klärung bedarf. Die Darlegung dieser Voraussetzungen erfordert wenigstens die Bezeichnung einer konkreten Frage, die sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für das Berufungsverfahren erheblich sein wird. Darüber hinaus muss die Antragsschrift wenigstens einen Hinweis auf den Grund enthalten, der die Anerkennung der grundsätzlichen, d.h. über den Einzelfall hinausgehenden Bedeutung der Sache rechtfertigen soll (vgl. BVerwG, Urteil vom 31.7.1984, - 9 C 46/84 - BVerwGE 70, 24).
Eine solche Rechtsfrage wurde vom Kläger nicht vorgetragen.
Mit seinem Zulassungsantrag will der Kläger geklärt wissen, ob einem Asylbewerber grundsätzlich ein Anspruch zusteht, dass sein Asylverfahren - in Abweichung von zwischenstaatlichen Zuständigkeitsregeln - zur Herstellung der Familieneinheit im Bundesgebiet durchgeführt wird. Zur Begründung des Antrags ist ausgeführt, bei der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 4 des Dubliner Übereinkommens seien Art. 6 GG und Art. 8 EMRK zu berücksichtigen. Diese Bestimmungen stünden jeder Trennung einer Kernfamilie mit Kleinkind entgegen. Insofern sei auch eine kürzere Trennung unzumutbar. Die Beantwortung der als grundsätzlich anzusehenden Frage sei für eine Vielzahl von Fällen von Bedeutung, nämlich immer dann, wenn nach Geburt eines Kindes für die Asylverfahren der Eltern verschiedene Vertragsstaaten zuständig seien. Bedenken gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestünden auch deswegen, weil das Verwaltungsgericht davon ausgegangen sei, dass die Geburt des Kindes im Bundesgebiet keine Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland für die Behandlung des Asylbegehrens des Vaters bewirkt habe.
Damit hat der Kläger keine Rechtsfrage vorgetragen, die sich in dem erstrebten Berufungsverfahren stellen würde und die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts berufungsgerichtlicher Klärung bedürfte. Denn die Beantwortung der Frage ergibt sich bereits aus dem Gesetz und ist im übrigen durch die höchstgerichtliche Rechtsprechung erfolgt.
Der Kläger ist nach eigenem Vortrag ohne gültiges Reisepapier und Sichtvermerk illegal nach Frankreich und von dort in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Wegen seines Reisewegs sind die Voraussetzungen des Art. 6 Satz 1 des Dubliner Übereinkommens vom 15.6.1990, veröffentlicht mit Gesetz vom 27.6.1994 (BGBl. II 1994, 791) - DÜ - erfüllt und ist die Republik Frankreich damit für die Prüfung des Asylantrags zuständig. Das französische Innenministerium hat am 21.2.2002 der Rückführung des Klägers nach Frankreich zugestimmt. Nachdem die Republik Frankreich für die Durchführung des Asylverfahrens auf Grund des Art. 6 Satz 1 DÜ zuständig und die Rückführung des Klägers nach Frankreich möglich ist, ist der in der Bundesrepublik Deutschland gestellte Asylantrag des Klägers nach § 29 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. AsylVfG unbeachtlich und der Kläger daher auf die Stellung eines Asylantrags in Frankreich verwiesen.
Danach besteht kein Anspruch auf die Durchführung eines Asylverfahrens in Deutschland.
Ein solcher Anspruch ergibt sich auch nicht bei Berücksichtigung des Grundrechts des Klägers aus Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG und seiner Rechtsstellung aus Art. 8 Abs. 1 EMRK. Denn es ist im Hinblick auf die sich aus Art. 6 GG und Art. 8 EMRK ergebenden Schutzwirkungen nicht zu beanstanden, dass die Familieneinheit für die Dauer der Durchführung der Asylverfahren in unterschiedlichen Mitgliedsstaaten nicht gewährleistet wird. Eine kurzfristige Trennung des Asylbewerbers von seiner Ehefrau und dem durch die Ehefrau versorgten minderjährigen Kind führt daher nicht grundsätzlich zu einer Verletzung des Grundrechts aus Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG und der Rechtsstellung aus Art. 8 Abs. 1 EMRK (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.7.1998 - 2 BvR 99/97 - NVwZ 1999; Gemeinschaftskommentar zum Asylverfahrensgesetz 1992, Stand Juni 2002, Band II, § 29 AsylVfG Rdnr. 90 ff.; Hailbronner, Kommentar zum Ausländerrecht, Stand Mai 2002, § 29 AsylVfG Rdnr. 28 ff.; Marx, Kommentar zum Asylverfahrensgesetz, 4. Auflage, § 29 Rdnr. 31 ff.).
Die Wahrnehmung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 4 DÜ in Verbindung mit dem Beschluss Nr. 1/2000 des Ausschusses nach Art. 18 DÜ vom 31.10.2000 (AblEG Nr. L / 281) ist damit nicht grundsätzlich geboten, wenn die Durchführung des Asylverfahrens in einem anderen Mitgliedsstaat zu einer kurzfristigen Trennung des Asylbewerbers von seiner Ehefrau und dem durch die Ehefrau versorgten minderjährigen Kind führt.
Gründe, die eine Zulassung der Berufung rechtfertigen würden, liegen danach nicht vor. Sie sind auch nicht gegeben, soweit der Kläger unter dem Vorwand der Grundsatzrüge Bedenken gegen die Richtigkeit des angegriffenen verwaltungsgerichtlichen Urteils vorbringt.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 (entsprechend) VwGO. Das Zulassungsverfahren ist gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG gerichtskostenfrei. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 83 b Abs. 2 AsylVfG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG).
Ende der Entscheidung
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