Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 30.11.2006
Aktenzeichen: A 6 S 674/05
Rechtsgebiete: AufenthG, EGRL 04/83


Vorschriften:

AufenthG § 60 Abs. 1
AufenthG § 60 Abs. 7
EGRL 04/83 Art. 7
EGRL 04/83 Art. 9
1. Angehörigen der Minderheiten der Ashkali und der "Ägypter" droht bei einer Rückkehr nach Serbien wegen ihrer Volkszugehörigkeit auch im Kosovo weiterhin keine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure, vor der Schutz zu bieten auch internationale Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens wären (Bestätigung und Fortführung der Rechtsprechung des Senats; vgl. Urteil vom 21.03.2006 - A 6 S 1027/05 -).

2. Angehörige der Minderheiten der Ashkali und der "Ägypter" geraten bei einer Abschiebung in den Kosovo aufgrund der dortigen generellen Sicherheitslage und Versorgungslage auch weiterhin in keine extreme Gefahrenlage (Bestätigung und Fortführung der Rechtsprechung des Senats; vgl. Urteil vom 21.03.2006 - A 6 S 1027/05 -).

3. Zum Abschiebungsschutz bei krankheitsbedingter zielstaatsbezogener Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (hier verneint bei posttraumatischer Belastungsstörung).


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

A 6 S 674/05

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG u.a.

hat der 6. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 30. November 2006

am 30. November 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17. Januar 2005 - A 10 K 13991/03 - hinsichtlich seines stattgebenden Teils geändert. Die Klagen werden auch insoweit abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des - gerichtskostenfreien - Verfahrens in beiden Rechtszügen. Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand:

Die 1957 in Pristina (Kosovo)/Serbien/ehemaliges Jugoslawien bzw. 1956 in Obolic (Kosovo)/Serbien/ehemaliges Jugoslawien geborenen und zuletzt in Pristina wohnhaft gewesenen, miteinander verheirateten Kläger sind serbische Staatsangehörige moslemischen Glaubens und gehören nach eigenen Angaben der Volksgruppe der Ashkali an. Am 04.03.2001 waren sie zum Zwecke der Asylantragstellung ins Bundesgebiet eingereist.

Gegenüber der Bundesgrenzschutzinspektion Flughafen Stuttgart hatte der Kläger zu 1 seinerzeit im wesentlichen angegeben, aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Minderheit der Ashkali von albanischen Extremisten bedroht und misshandelt worden zu sein. Zweimal seien Brandsätze auf sein Haus geworfen worden. Seine Frau sei vor seinen Augen misshandelt und vergewaltigt worden. Ihre Ausreise hätten sie mit Ersparnissen sowie mit dem Geld ihres in Deutschland lebenden Sohnes bezahlt. Die Klägerin zu 2 hatte noch angegeben, als Angehörige der Ashkali-Minderheit von den Albanern verfolgt zu werden; die KFOR-Soldaten könnten nicht immer da sein. Vor der dort herrschenden Krise wolle sie ihre Kinder retten. Ständig würden dort Leute umgebracht.

Gegenüber dem Bundesamt hatte der Kläger zu 1 im wesentlichen angegeben, dem Volke der Ashkali anzugehören. Außer seinem Sohn B. wohne auch seine verheiratete Tochter M. in Deutschland. Sein Vater sei bereits verstorben; der Aufenthalt seiner Mutter sei ihm nicht bekannt. Weitere Verwandte habe er in seinem Heimatland nicht; ein Bruder wohne in Mazedonien. Er habe den Beruf eines Schweißers erlernt. Zuletzt habe er sich im Kosovo als Schmuckwarenhändler betätigt. Sein Heimatland habe er im Februar 2001 verlassen; von Skopje/Mazedonien aus seien sie nach Stuttgart weitergereist, da sie sich auch dort nicht mehr sicher gefühlt hätten. Im August 1999 hätten albanische Extremisten seine Frau vergewaltigt; er selbst habe diese schreckliche Tat mit ansehen müssen. Als es schon ein wenig dunkel gewesen sei, seien plötzlich drei bis vier maskierte Personen aufgetaucht, die ihn regel-recht verprügelt hätten; anschließend hätten sie seiner Frau Leid angetan. Er habe blaue Flecken sowie eine blutende Nase davongetragen. Aus Angst habe er die Straftaten nicht bei der Polizei angezeigt. Psychisch lasse ihn jener Vorfall nicht mehr los. In der Folge seien noch zwei Sprengstoffanschläge auf sein Anwesen verübt worden; dies sei im Oktober 1999 gewesen. Nachdem im Februar 2001 erneut fünf bis sechs maskierte albanische Extremisten erschienen seien und ihn unmissverständlich aufgefordert hätten, den Kosovo zu verlassen, seien sie ausgereist. Kehrte er in den Kosovo zurück, würden ihn die albanischen Extremisten bestimmt umbringen.

Die Klägerin zu 2 hatte angegeben, ebenfalls dem Volke der Ashkali anzugehören. Ihre Eltern seien bereits verstorben. Ihre Schwester wohne in Mazedonien, ihre zwei Brüder wohnten in der Schweiz. Verwandte habe sie in ihrem Heimatland nicht. Nachdem die Albaner zurückgekehrt wären, seien sie von albanischen Extremisten aufgesucht worden. Diese hätten ihr Haus durchsucht und Sachen mitgenommen. Zehn Tage später hätten sie zwei Bomben in ihren Garten geworfen. Tags darauf seien erneut maskierte Männer erschienen, hätten ihren Mann bewusstlos geschlagen und sie vergewaltigt. Was ihr Mann hierzu gesagt habe, stimme. Sie seien des Nachts erschienen; drei Tage später seien sie erneut gekommen und hätten gedroht sie umzubringen; mit Waffengewalt seien sie aus ihrem Haus getrieben worden; ihr Haus sei in Brand gesetzt worden. Dies sei ca. zwei Monate nach dem Nato-Bombardement gewesen, als die Albaner wieder zurückgekehrt seien. Sie seien daraufhin zu ihrer Schwester nach Mazedonien gegangen. Der Vorfall mit ihrer Vergewaltigung habe sich ca. 3.00 Uhr nachts zugetragen. Zwei Männer hätten ihren Mann zurückgehalten; einer sei neben ihr gestanden und einer habe sie vergewaltigt; mehr wisse sie nicht, da sie bewusstlos geworden sei. Ihr Mann habe alles gesehen. Nach den zwei Sprengstoffanschlägen seien sie erneut erschienen, hätten alles mitgenommen und dann noch einmal Bomben geworfen. Sämtliche Ereignisse hätten sich ungefähr in einem Zeitraum von zwei bis drei Monaten abgespielt; jeden zweiten bzw. dritten Tag seien sie erschienen und hätten sie aufgefordert wegzugehen. Einen Tag nach ihrer Vergewaltigung hätten sie den Kosovo verlassen. Sie wisse nicht, was sie hier sage, da sie alles vergesse. Es gehe ihr so schlecht; sie bekomme Kopfschmerzen am Hinterkopf, wenn sie sich an jenen Vorfall erinnere. Sie zittere und werde nervös. Eine Rückkehr könne sie sich erst vorstellen, wenn Ashali, Roma und Albaner sich wieder verstünden. Da sie verwirrt und traumatisiert sei, könne sie keine genauen Daten angeben; was ihr Mann gesagt habe, stimme jedoch; dieser sei nicht so sehr verwirrt.

Mit Bescheid vom 29.08.2002 hatte das Bundesamt die Asylanträge der Kläger abgelehnt und festgestellt, dass auch keine Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorlägen. Zur Begründung war im wesentlichen ausgeführt worden, dass die Kläger aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Gruppe der Ashkali keine politische Verfolgung zu befürchten hätten. Zwar sei es nach Beendigung des Kosovo-Krieges Mitte 1999 zu gewaltsamen Vertreibungsaktionen gegen Roma, Ashkali und Ägypter seitens der albanischen Mehrheitsbevölkerung gekommen. Doch sei die Anzahl der gemeldeten Gewalttaten nach September 1999 merklich zurückgegangen; die Sicherheitslage habe sich seitdem erheblich stabilisiert, wenn auch Übergriffe nicht vollkommen ausgeschlossen werden könnten. Die Situation für die im Kosovo verbliebene Romabevölkerung sei von Ort zu Ort unterschiedlich. Ungeachtet dessen, dass die Sicherheitslage für die Minderheiten nach wie vor schwierig sei sowie Gewalttaten und Bedrohungen noch immer vorkämen, bestehe kein Anspruch auf Asyl bzw. Abschiebungsschutz, weil die entsprechenden Übergriffe keine politische Verfolgung darstellten. Seit dem Abzug der staatlichen Organe der Bundesrepublik Jugoslawien im Juli 1999 übten UNMIK und KFOR im Kosovo die alleinige Staats- und Gebietsgewalt aus. Diese gewährten einschließlich der internationalen Polizeitruppe grundsätzlich allen im Kosovo lebenden Bevölkerungsgruppen mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln Schutz. Dass es ungeachtet prinzipieller Schutzbereitschaft immer wieder zu Übergriffen komme, begründe noch keine asylrechtliche Verantwortlichkeit. Albanische Gruppierungen wie etwa die frühere UCK bzw. Teile oder Mitglieder von deren Nachfolgeorganisation übten keine staatsähnliche Gewalt aus. Auch bei einer Rückkehr in die übrigen Teile der Bundesrepublik Jugoslawien hätten die Kläger aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit keine politische Verfolgung zu befürchten. Die von den Klägern geschilderte Vergewaltigung sei im Übrigen wenig glaubhaft; diese dürfte vielmehr frei erfunden sein. Zwar seien die Kläger als Angehörige der Ashkali von Angehörigen der albanischen Bevölkerungsmehrheit vertrieben worden, doch habe ihre Darstellung von der Vergewaltigung und den verübten Sprengstoffanschlägen keinen realen Hintergrund. Abschiebungshindernisse gemäß § 53 AuslG lägen ebenso wenig vor. Die von ihnen geltend gemachte Gefahr von Übergriffen durch die albanische Bevölkerungsmehrheit stelle eine allgemeine Gefahr dar. Eine extreme konkrete Gefährdung jedes Einzelnen bestehe insoweit nicht. So habe sich die allgemeine Sicherheitslage der ethnischen Minderheit im Kosovo verbessert, die Zahl der registrierten gewaltsamen Übergriffe habe fast überall abgenommen. Zudem seien UNMIK und KFOR nicht nur bereit, sondern in weiten Bereichen auch in der Lage, den Minderheiten Schutz zu gewähren. Eine extreme allgemeine Gefahrenlage ergäbe sich auch nicht aus deren wirtschaftlicher und sozialer Situation.

Im anschließenden Klageverfahren hatte der Kläger zu 1 im wesentlichen noch angegeben, zwei seiner Töchter lebten in Urosevac bzw. Ferizaj (Kosovo). Sein Sohn B. habe inzwischen die deutsche Staatsangehörigkeit erlangt. Seine in Deutschland verheiratete Tochter M. verfüge über ein unbefristetes Aufenthaltsrecht. Sein Sohn B. sei ebenfalls in Deutschland verheiratet und habe einen geregelten Aufenthalt. Er selbst habe im Kosovo in einem Elektrizitätswerk gearbeitet; nebenbei habe er den Beruf eines Goldschmieds ausgeübt und mit einem Partner eine Goldschmiedewerkstatt betrieben. Die Sprengstoffanschläge seien seinerzeit in einem Abstand von drei Tagen erfolgt. Zwei bis drei Wochen nach dem Einrücken der KFOR-Truppen hätten sie den Kosovo verlassen; dies sei 1999, Ende des sechsten Monats gewesen. Da er ziemlich verstört sei, könne er den genauen Monat nicht sagen; er habe Konzentrationsschwierigkeiten, weshalb er schon erwogen habe, einen Arzt aufzusuchen. Nach den zwei Sprengstoffanschlägen seien die Albaner eines Nachts in sein Haus eingedrungen und hätten ihn bewusstlos geschlagen; was mit seiner Frau seinerzeit geschehen sei, könne er deswegen nicht sagen. Erst später habe er von dem Vorfall erfahren, der sich drei Tage nach dem letzten Sprengstoffanschlag ereignet habe. Etwa eine Woche nach dem Geschehen mit seiner Frau seien die Albaner erneut erschienen und hätten ihm mit Schlimmerem gedroht und hätten nochmals eine Bombe auf ihr Haus geworfen. Anschließend seien seine Mutter sowie fünf Onkel erschienen, die ebenfalls bedroht worden seien. Seine Mutter, ein Bruder sowie ein Onkel seien in die USA gebracht worden. Ein Onkel lebe in Novisad/Serbien. Eine Schwester halte sich an der Grenze zu Griechenland bzw. Mazedonien auf; auch sie seien Flüchtlinge. Die UNMIK sei nach wie vor nicht in der Lage, die Sicherheit im Kosovo zu garantieren.

Mit Urteil vom 30.06.2003 hatte das Verwaltungsgericht die dagegen erhobenen Klagen abgewiesen. Aufgrund ihrer widersprüchlichen und vagen Angaben habe sich das Gericht nicht davon zu überzeugen vermocht, dass die die Kläger tatsächlich Opfer der behaupteten Übergriffe geworden seien. Ebenso wenig sei das Gericht davon überzeugt, dass die Klägerin zu 2 Opfer einer Vergewaltigung geworden sei. Auch wenn es einer Frau schwer fallen möge, eine Vergewaltigung im Einzelnen zu schildern, seien deren Angaben derart vage, dass sich das Gericht nicht von der Richtigkeit ihres Vorbringens zu überzeugen vermocht habe. Ebenso wenig sei das Gericht davon überzeugt, dass die festgestellten Widersprüche auf Konzentrationsschwierigkeiten und Verwirrung beruhten. Im Übrigen fehle es an der erforderlichen (quasi-)staatlichen Zurechenbarkeit entsprechender Übergriffe. Dass KFOR-Truppen bzw. UNMIK-Verwaltung nicht immer in der Lage sein mögen, Angehörige ethnischer Minderheiten wirkungsvoll zu schützen bzw. entsprechende Übergriffe zu verhindern, könne eine (quasi-)staatliche Verantwortlichkeit noch nicht begründen. Auch Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG lägen nicht vor. Insbesondere sei nicht zu erwarten, dass die Kläger mit Rücksicht auf die allgemeinen Lebensverhältnisse im Kosovo einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wären.

Am 22./30.10.2003 ließen die Kläger beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge einen Asylfolgeantrag stellen. Die Kläger treffe kein grobes Verschulden, die nunmehr angeführten Gründe nicht bereits durch Rechtsbehelf geltend gemacht zu haben. So habe ihr Sohn B., der als einziger in der Familie deutsch spreche, den bisherigen Prozessbevollmächtigten nicht erreichen können, um ihn mit der Einlegung der Berufung zu beauftragen. Darüber hinaus lägen bei den Klägern Abschiebungshindernisse gemäß § 53 Abs. 6 AuslG vor, die sie aus ebenso wenig von ihnen zu vertretenden Gründen nicht bereits früher hätten geltend machen können. Der Kläger zu 1 befinde sich seit Anfang August 2003 in fachpsychiatrischer Behandlung, da er massiv an einer posttraumatischen Belastungsstörung leide, deren Art und Ausmaß erst zu dieser Zeit erkannt worden sei. Er leide unter ausgeprägten Zeitstörungen und könne biografische Ereignisse lediglich konfus wiedergeben. Vergesslichkeit und nicht altersentsprechende Konzentrationsstörungen beeinträchtigten seine kognitiven Funktionen. Auch trage er sich häufig mit dem Gedanken, sich das Leben zu nehmen. Die gebotene weitere fachpsychiatrische Behandlung sei in seinem Heimatland indessen nicht möglich. Insoweit wurde auf eine fachpsychiatrische Stellungnahme Bezug genommen. Auch die Klägerin zu 2 habe den Wiederaufgreifensgrund nicht bereits früher geltend machen können. Auch sie sei erst seit Anfang August 2003 in fachpsychiatrischer Behandlung, wo sich das ganze Ausmaß des in ihrer Heimat erlittenen Traumas gezeigt habe. Sie sei in hohem Maße depressiv und lediglich aktuell nicht suizidgefährdet. Auch sie sei infolge dessen nicht in der Lage, chronologisch Vorgänge wiederzugeben. Auch sie leide unter deutlichen Konzentrationsstörungen. Vermutlich sei sie derart blockiert, dass sie aus Scham heraus nur sehr schwer in der Lage sei, den wahren, weitaus größeren Umfang der von ihr erlebten Geschehnisse wiederzugeben. Auch insoweit wurde auf eine fachpsychiatrische Stellungnahme Bezug genommen. Vor diesem Hintergrund seien die Ausführungen der Kläger im Erstverfahren in einem anderen Licht zu sehen. Insbesondere könnten an deren Schilderung nicht die für psychisch Gesunde geltenden Maßstäbe angelegt werden. Auch wenn ihre Schilderungen konfus und aufgrund ihrer psychiatrischen Störungen vermeintlich widersprüchlich seien, seien sie doch glaubhaft. So sei trotz traumabedingter Verhaltenheit ein hohes Maß an Detailreichtum festzustellen, der schwerlich erfunden sein könne.

Mit Bescheid vom 02.12.2003 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge die Anträge der Kläger auf Durchführung weiterer Asylverfahren ebenso ab wie deren Anträge auf Wiederaufnahme der Verfahren bezüglich der Feststellung zu § 53 AuslG. Die Voraussetzungen nach § 51 Abs. 1 - 3 VwVfG seien nicht erfüllt. Abgesehen davon lägen auch die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG nicht vor. Die Asylanträge der Kläger seien nicht nur wegen widersprüchlicher Angaben, sondern auch deswegen abgelehnt worden, weil die (quasi-)staatliche Zurechenbarkeit entsprechender Übergriffe fehle. Nach wie vor könne nicht davon ausgegangen werden, dass albanische Gruppierungen staatsähnliche Gewalt ausübten. Auch die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens zur Feststellung nach § 53 AuslG seien nicht gegeben. Weder lägen die Voraussetzungen des § 51 VwVfG vor, noch lägen Gründe vor, die es unabhängig davon rechtfertigten, die bisherige Entscheidung gemäß § 49 VwVfG zu ändern. So lägen Abschiebungshindernisse gemäß § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG nach wie vor nicht vor. So habe die Gesundheitsversorgung im Kosovo im Laufe der vergangenen Jahre soweit wieder hergestellt werden können, dass die medizinische Grundversorgung der Bevölkerung gesichert sei. Medizinische Dienstleistungen in den öffentlichen Einrichtungen und die Versorgung mit notwendigen Medikamenten seien für den Patienten grundsätzlich kostenfrei erhältlich. Allerdings könne es bei der Medikamentenversorgung in den staatlichen Gesundheitszentren zu Engpässen kommen. Jene seien dann aber oft in privaten Apotheken erhältlich. Wenn auch bestimmte Personengruppen mit ernsten Problemen konfrontiert seien, drohten doch im allgemeinen keine gesundheitlichen Risiken und Gefahren, die nicht beherrschbar wären. § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG sei indessen vorliegend schon deshalb nicht anwendbar, weil es sich in Anbetracht der Vielzahl traumatisierter Personen in bzw. aus dem Kosovo bei den gesundheitlichen Gefahren infolge unzureichender Behandlung um allgemeine Gefahren handle. Im Übrigen seien posttraumatische Belastungsstörungen und depressive Episoden im Kosovo medizinisch behandelbar; eine medikamentöse Therapie sei sichergestellt; auch eine regelmäßige psychotherapeutische Gesprächstherapie sei durchführbar. Wegen etwaiger Wartezeiten im öffentlichen Gesundheitssystem könnten gegebenenfalls auch privat praktizierende Psychotherapeuten in Anspruch genommen werden. Schließlich könne auch davon ausgegangen werden, dass sich die Kläger eine derartige Behandlung leisten könnten, nachdem sich der Kläger zu 1 zuletzt als Schmuckwarenhändler betätigt und für seine Ausreise insgesamt 16.000,-- DM aufgewendet habe.

Gegen den am 03.12.2003 als Einschreiben zur Post gegebenen Bescheid haben die Kläger am 15.12.2003 Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart erheben lassen, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgen. Insoweit nahmen sie auf fachpsychiatrische Stellungnahmen des sie behandelnden Arztes Bezug.

Mit Urteil vom 17.01.2005 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet festzustellen, dass bei den Klägern die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen, und den Bescheid des Bundesamts insoweit sowie hinsichtlich seiner Ziff. 2 aufgehoben. Die Kläger hätten Anspruch auf Feststellung, dass bei ihnen ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 1 AufenthG vorliege. Hinsichtlich einer Anerkennung als Asylberechtigte lägen freilich die Voraussetzungen des § 51 VwVfG nicht vor. Weder hätten sie ihrer Verpflichtung aus § 51 Abs. 2 VwVfG genügt, noch hätten sie dargelegt, dass die in der Sache vorgetragenen Wiederaufnahmegründe geeignet seien, insoweit eine günstigere Entscheidung herbeizuführen. Soweit sie sich auf psychische Erkrankungen berufen und insoweit ärztliche Atteste vorgelegt hätten, lägen weder neue Beweismittel vor, noch ergäbe sich aus jenen eine veränderte Sache- oder Rechtslage. Abgesehen davon, dass ihre Asylanträge im Erstverfahren nicht nur wegen widersprüchlicher Angaben abgelehnt worden seien, seien die von ihnen vorgelegten fachpsychiatrischen Stellungnahmen schon deshalb keine neuen Beweismittel für die seinerzeit geltend gemachten Vorfluchtgründe, weil die objektiven Erlebnisse nicht Gegenstand der ärztlichen Begutachtung gewesen seien. Es sei gerichtsbekannt, dass mit psychiatrisch-psychotherapeutischen Mitteln nicht sicher erschlossen werden könne, ob in der Vorgeschichte das vorgetragene Ereignis tatsächlich stattgefunden habe. Auch aus der psychopathologischen Symptomatik lasse sich kein Kriterium gewinnen, anhand dessen über die Glaubwürdigkeit anamnestischer Angaben entschieden werden könne. Eine diagnostische Untersuchung im Hinblick auf eine etwa vorliegende psychische Störung sei etwas völlig anderes als eine Glaubhaftigkeitsbegutachtung.

Zwar handle es sich nach den Behördenakten bei den Klägern um Angehörige der Minderheitengruppe der Ashkali, doch könne die Gefahr einer unmittelbaren staatlichen politischen Verfolgung allein aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit ausgeschlossen werden. Insbesondere fehle es an Anhaltspunkten dafür, dass entsprechende Übergriffe von den derzeit im Kosovo die alleinige Herrschaftsgewalt ausübenden KFOR-Truppen bzw. der UNMIK-Verwaltung unterstützt, gebilligt oder tatenlos hingenommen würden. Die Klagen seien demgegenüber begründet, soweit die Kläger in der mündlichen Verhandlung ein Wiederaufgreifen des Verfahrens im Hinblick auf die Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 1 AufenthG begehrt hätten; denn insoweit habe sich die Rechtslage durch das Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes zum 01.01.2005 nachträglich zu ihren Gunsten geändert; die Kläger hätten auch einen Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen dieser Vorschrift. So sei auf der derzeitigen Tatsachengrundlage davon auszugehen, dass Angehörige der Minderheiten, zu denen auch die Kläger gehörten, bei einer Rückkehr in den Kosovo in die erhebliche Gefahr gerieten, Opfer von den staatlichen bzw. internationalen Organisationen nicht effektiv beherrschbarer Übergriffe zu werden. Dies reiche für die Annahme aus, den Klägern drohe im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 4c AufenthG wegen ihrer Zugehörigkeit zur Minderheit der Ashkali "erweislich" Verfolgung durch "nicht-staatliche Akteure", gegen die internationale Organisationen Schutz zu bieten nicht in der Lage seien. Angesichts der Heftigkeit, der Zahl der handelnden nicht-staatlichen Akteure und des Hintergrunds der Übergriffe vom März 2004, der nach der Erkenntnislage weitere derartige Übergriffe befürchten lasse, könne nicht von einer bloß theoretischen Möglichkeit einer Verfolgung der Minderheiten ausgegangen werden. Nach dem Ablauf der in zahlreichen Orten erfolgten Übergriffe könnten die Kläger auch nicht auf ein regionales Ausweichen innerhalb des Kosovo verwiesen werden. Für sie bestehe auch keine inländische Fluchtalternative im restlichen Serbien oder Montenegro. Die Klagen seien schließlich auch insofern begründet, als die Aufhebung von Ziff. 2 des angefochtenen Bescheides begehrt werde. So hätte das Bundesamt gemäß § 31 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG von einer Feststellung zu § 53 AuslG absehen können. Über den Hilfsantrag der Kläger habe danach nicht mehr entschieden werden müssen.

Auf Antrag der Beklagten hat der Senat durch Beschluss vom 14.07.2005 - A 6 S 179/05 -, ihr zugestellt am 26.07.2005, die Berufung zugelassen.

Am 29.07./02.08.2005 hat sich die Beklagte zur Begründung ihrer Berufung in vollem Umfang auf ihre Ausführungen in ihrer Antragsschrift vom 15.02.2005 sowie auf den Beschluss des Senats bezogen. In ihrer Antragsbegründung hatte die Beklagte auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs verwiesen, wonach Angehörige der Ashkali und Roma im Kosovo seit dem Einmarsch der KFOR-Truppen im Juni 1999 keiner ethnisch motivierten unmittelbaren oder mittelbaren staatlichen Verfolgung ausgesetzt seien. Eine die Zurechenbarkeit begründende Schutzunfähigkeit oder Schutzunwilligkeit bestehe nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts schließlich nicht bereits dann, wenn in dem zu beurteilenden Einzelfall effektiver staatlicher Schutz nicht geleistet worden sei. Mangelnde Schutzfähigkeit könne vielmehr erst angenommen werden, wenn der Staat zur Verhinderung von Übergriffen prinzipiell und auf gewisse Dauer außerstande sei. In dem maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung könne indessen weder davon ausgegangen werden, dass die KFOR-Truppen bzw. die UNMIK prinzipiell und auf gewisse Dauer zur Gewährung von Schutz für die Roma bzw. Ashkali/Ägypter außerstande seien, noch dass sie grundsätzlich keinen effektiven Schutz gewährten. Die Sicherheitslage habe sich nicht zuletzt aufgrund der Bemühungen der Staatengemeinschaft wesentlich verbessert, wenn sie auch weiter als schwierig bezeichnet werden müsse. Dies hätten die ethnischen Auseinandersetzungen im März 2004 gezeigt. Allerdings seien diese in erster Linie zwischen Albanern und Serben ausgetragen worden. Auch wenn die KFOR - wie in Vustri/Vucitrn - Vertreibungen und Zerstörungen häufig nicht habe verhindern können, habe sie doch die Bevölkerung zu evakuieren und dadurch schwere Verletzungen und Todesfälle zu verhindern vermocht. Nach Verstärkung durch 2000 Mann sei es schließlich gelungen, die Gewalt einzudämmen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17. Januar 2005 - A 10 K 13991/03 - zu ändern und die Klagen insgesamt abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen, vorsorglich, die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen eines Abschiebungshindernisses gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG vorliegen.

Hierzu tragen sie im wesentlichen noch vor, dass sich die Lage im Frühjahr 2004 für die Ashkali deutlich verschärft habe, nachdem die vorhandenen Spannungen eskaliert seien. Daran habe sich seither nichts geändert, auch wenn vergleichbare Vorfälle nicht mehr festzustellen gewesen seien. Jederzeit könne es zu neuerlichen Übergriffen wie damals kommen. Im Übrigen ließen die psychosomatischen Krankheitssymptome der Kläger und ihre damit einhergehenden körperlichen und psychischen Beschwerden eine Rückkehr in ihr Heimatland als unzumutbar erscheinen. Insoweit nehmen sie auf fachärztliche Atteste, ärztliche Gutachten sowie einen diagnostischen Bericht des Behandlungszentrums für Folteropfer Ulm Bezug. Sechs ihrer Kinder lebten in Deutschland; ihr 30-jähriger Sohn B., der inzwischen die deutsche Staatsangehörigkeit erworben habe, habe sich nunmehr gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder B. mit einem Betrieb für Industriedienstleistungen selbständig gemacht. In diesem arbeite auch der Kläger zu 1 mit. Ihre älteste, 1974 geborene Tochter wohne weiterhin im Kosovo. Auf Vorhalt seiner widersprüchlichen Angaben hinsichtlich der geltend gemachten Vergewaltigung seiner Ehefrau hat der Kläger zu 1 ausgeführt, sich stets dahin eingelassen zu haben, dass er, bevor er bewusstlos geworden sei, noch mitbekommen habe, dass ein Mann über seiner Frau gewesen sei.

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze verwiesen. Dem Senat liegen die einschlägigen Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts vor. Diese waren ebenso Gegenstand der mündlichen Verhandlung wie die in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte trotz Ausbleibens der Beklagten und des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten verhandeln und entscheiden, weil in der rechtzeitig bewirkten Ladung darauf hingewiesen worden war (§ 102 Abs. 2 VwGO).

Die vom Senat zugelassene Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Klagen, soweit sie auf die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG gerichtet sind, zu Unrecht stattgegeben. Die Kläger haben auch weder Anspruch auf Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG noch darauf, dass über ihre Wiederaufgreifens-Anträge erneut entschieden wird (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO).

1. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts droht den Klägern, die der Ashkali-Minderheit in der Region Prishtina angehören (vgl. hierzu Schweizerische Flüchtlingshilfe, Gutachten zur Lage der Roma in Kosovo v. 26.09.2006), für den Fall einer Rückkehr nach Serbien wegen ihrer Volkszugehörigkeit auch im Kosovo keine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure, vor der Schutz zu bieten auch internationale Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens wären (vgl. § 60 Abs. 1 Satz 4 c AufenthG).

Dass sich eine entsprechende gruppengerichtete Verfolgung der Minderheit der Ashkali durch nichtstaatliche Akteure im Kosovo nicht feststellen lässt, hat der Senat bereits mit Urteil vom 21.03.2006 - A 6 S 1027/05 - entschieden. Diese Bewertung bezieht sich auf assimilierte Roma, mithin auf Roma, die sich vor den Pogromen im Jahre 1999 noch selbst als Albaner identifizierten, (regelmäßig) nur albanisch sprechen, typischerweise albanische Namen tragen und Muslime sind (vgl. Der Einzelentscheider-Brief 01/2000, S. 1; AA, Lagebericht, S. 14; auch IM BW, Erlass v. 17.04.2000 - 4-13-JUG/90 -). Diese sind grundsätzlich weniger durch Übergriffe gefährdet, da sie in albanischer Umgebung aufgrund ihrer Assimilation nicht ohne weiteres als Roma zu identifizieren sind (vgl. hierzu kritisch Schweizerische Flüchtlingshilfe, a.a.O., v. 26.09.2006) und sich auch der Vorwurf der Kollaboration mit den Serben in erster Linie gegen die serbokroatisch sprechenden orthodoxen Cergari Roma richtet (vgl. hierzu Der Einzelentscheider-Brief 01/2000, S. 1; AA, Lagebericht, S. 14). Insofern gilt die Bewertung des Senats gleichermaßen für die (regelmäßig) nur albanisch sprechenden, muslimischen "Ägypter", die von der albanischen Bevölkerungsmehrheit zwar ebenfalls als Ashkali bezeichnet werden (vgl. Stellungnahme des Vereins der Ägypter v. 28.11.1999 an den UNO-Sonderbeauftragten für Menschenrechte), jedoch eine eigenständige Minderheit bilden (vgl. demgegenüber VGH Bad.-Württ., Urt. v. 12.01.2005 - 7 S 1769/02 -). So grenzen sie sich einerseits von den Albanern, andererseits aber auch von den Roma und Ashkali ab, da sie nicht aus Indien, sondern aus Ägypten stammen wollen (vgl. hierzu Der Einzelentscheider-Brief 01/2000, S. 1; AA, Lagebericht, S. 14; auch IM BW, Erlass v. 17.04.2000 - 4-13-JUG/90 -). Den Selbstzurechnungen zur Minderheit der Ashkali oder der Ägypter kommt freilich im Hinblick auf eine Verfolgungsgefahr keine entscheidende Bedeutung zu, da es hierbei oft nur um unterschiedliche politische Programme und Interessen geht (vgl. Schweizer Flüchtlingshilfe, a.a.O., v. 26.06.2006). Soweit in vorliegendem Zusammenhang von Bedeutung hat der Senat in seinem Urteil vom 21.03.2006 im Wesentlichen Folgendes zur Verfolgungssituation dieser Minderheit ausgeführt:

Es ist nicht beachtlich wahrscheinlich, dass die staatlichen Stellen (z.B. der lokale, multi-ethnische Kosovo Police Service KPS) und internationalen Organisationen (insbesondere KFOR und UNMIK) im Kosovo nicht in der Lage oder nicht willens sind, den Klägern als Volkszugehörigen der Ashkali Schutz vor Verfolgung zu bieten (vgl. § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG).

An der Schutzwilligkeit dieser Organisationen bestehen keine Zweifel. Sie wird belegt durch den hohen Aufwand der internationalen Staatengemeinschaft für den Kosovo-Einsatz, die unmittelbare Reaktion auf die März-Unruhen und die jüngsten Erklärungen des Präsidenten des UN-Sicherheitsrats vom 24.10.2005 und des Rats der EU vom 07.11.2005. Der UN-Sicherheitsrat stimmte am 24.10.2005 der Aufnahme von Verhandlungen über den künftigen Status des Kosovo zu, durch die ein multi-ethnisches und demokratisches Kosovo geschaffen werden solle (BAMF-Information Serbien und Montenegro, Kosovo, Aktuelle Lage - Ein Jahr nach den Unruhen, Mai 2005, S. 21).

Auch ausreichende Schutzfähigkeit liegt nach Überzeugung des Senats vor. Insoweit kommt es, wie dargelegt, darauf an, ob geeignete Schritte eingeleitet worden sind und ob die Angehörigen der Minderheit der Ashkali Zugang zu diesem Schutz haben. Dies ist im Kosovo der Fall. Der Aufbau einer lokalen, multi-ethnischen Polizei (Kosovo Police Service, KPS) ist weit vorangeschritten. Zur Zeit (Stand: Oktober 2005) sind 2160 Vollzugsbeamte der internationalen Polizei vor Ort im Einsatz, darunter 238 Polizisten aus Deutschland, und ca. 16.620 KFOR-Soldaten stationiert; an diesem Einsatz beteiligt sich Deutschland mit ca. 2.600 Soldaten (Stand: November 2005, siehe Auswärtiges Amt, Lagebericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien und Montenegro <Kosovo> vom 22.11.2005, S. 6). KFOR und UNMIK haben auf die Unruhen vom März 2004 unmittelbar reagiert und sind auf mögliche Ausschreitungen jetzt wesentlich besser vorbereitet. Die Bundeswehr vor Ort wurde mit Tränengas und Schlagstöcken ausgerüstet. KFOR verfügt über eine flexible Einsatztaktik, stärkere und hochmobile Kräfte, Distanz- und Wirkmittel. Um den Schutzauftrag zu erfüllen, betreibt sie Kontroll- und Beobachtungspunkte und setzt motorisierte und Fußpatrouillen ein. Schwerpunkte der KFOR-Patrouillen sind Minderheitenenklaven, kulturelle Stätten und potenzielle Rückkehrerorte. Eskorten schützen Einzelfahrzeuge oder Konvois (BAMF-Information Serbien und Montenegro, Kosovo, Aktuelle Lage - Ein Jahr nach den Unruhen, Mai 2005, S. 4). Dementsprechend ist es in der Zwischenzeit auch nicht mehr zu weiteren vergleichbaren Unruhen gekommen. Vielmehr ist es den Sicherheitskräften offensichtlich gelungen, bereits ein gutes halbes Jahr nach diesen Unruhen die Durchführung der zweiten Parlamentswahlen am 23.10.2004 als Grundstein eines demokratischen politischen Systems so zu gewährleisten, dass sie insgesamt friedlich und ohne Zwischenfälle verliefen und den Kriterien des Europarats entsprachen (Auswärtiges Amt, Lagebericht, a.a.O., S. 2).

Die Schutzfähigkeit wird in zahlreichen Stellungnahmen - mittelbar - bestätigt. Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) teilt die Einschätzung, dass sich die allgemeine Sicherheitslage im Kosovo insbesondere in der zweiten Jahreshälfte 2004 insgesamt wieder stabilisiert hat. Er teilt mit, die ernsthaften Bemühungen der provisorischen Selbstverwaltungsorgane im Kosovo bei der effektiven Umsetzung von Normen insbesondere zum Umgang mit ethnischen Minderheiten hätten neue Hoffnungen auf Rückkehrmöglichkeiten in zahlreiche Gemeinschaften geweckt. Gemessen an der Zahl schwerwiegender Verbrechen gegenüber Angehörigen ethnischer Minderheiten habe sich auch die Sicherheitslage im Kosovo verbessert. Seit dem gewaltsamen Tod eines 16jährigen Kosovo-Serben, der am 06.06.2004 aus einem vorüber fahrenden Auto erschossen worden sei, seien keine weiteren Berichte über ethnisch motivierte Tötungsverbrechen bekannt geworden. Erste Fortschritte seien nach Berichten der Vereinten Nationen und internationaler Menschenrechtsorganisationen auch bei der Verfolgung der Verantwortlichen für die März-Ausschreitungen zu verzeichnen (UNHCR-Position zur fortdauernden Schutzbedürftigkeit von Personen aus dem Kosovo, März 2005). Die Gesellschaft für bedrohte Völker, die im übrigen eine Stabilisierung der Sicherheitslage bestreitet, stimmt darin überein, dass es seit März 2004 nicht mehr zu größeren Übergriffen gegen die Roma und Ashkali gekommen ist (Schrift der Gesellschaft für bedrohte Völker vom Juni 2005 mit dem Titel "Roma und Ashkali im Kosovo: verfolgt, vertrieben, vergiftet!", Ergebnisse einer Recherche vom Dezember 2004 bis Mai 2005, S. 13). Für die Stabilisierung der Situation spricht auch, dass die fragile Sicherheitslage nicht wie vom UNHCR befürchtet, im Jahr 2005 erneut "umgekippt" ist. Aus all dem ergibt sich, dass aus den inzwischen zwei Jahre zurückliegenden Unruhen vom März 2004 jedenfalls heute nichts mehr für die mangelnde Schutzfähigkeit hergeleitet werden kann.

Die Annahme, dass die internationalen Organisationen ausreichend Schutz gewähren können, wird auch nicht dadurch widerlegt, dass einige Beobachter Menschenrechtsverletzungen befürchten. Schikanemaßnahmen wie Beleidigungen, Beschimpfungen, Benachteiligung bei Ämtern, Ausgrenzung bei Arztbesuchen und ähnliches (vgl. etwa von Holtey, die Gesellschaft für bedrohte Völker und das Auswärtige Amt, Lagebericht, a.a.O.) verbleiben unterhalb der Schwelle der Erheblichkeit (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989, BVerfGE 80. 315, 334 f. und Art. 9 der Qualifikationsrichtlinie). Soweit Beobachter (wie die Gesellschaft für bedrohte Völker und von Holtey, a.a.O.) davon ausgehen, dass Ashkali schwere Menschenrechtsverletzungen befürchten müssten, ist dies nicht durch konkrete Vorfälle belegt und schlägt sich auch in der Kriminalstatistik nicht nieder. Auch sehen selbst Beobachter, die die Sorge vor schweren Menschenrechtsverletzungen teilen und vor einer Zwangsrückführung der Minderheiten warnen, bei einer Gesamtwürdigung dennoch die Möglichkeit einer freiwilligen Rückkehr als gegeben. Insbesondere die Schweizerische Flüchtlingshilfe schätzt die Lage für Ashkali im Kosovo mittlerweile anders ein als vor einem Jahr und hält eine freiwillige Rückkehr mittlerweile grundsätzlich für möglich; sie sieht die Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung im wesentlichen nur für Personen, die im Verdacht der Kollaboration mit der serbischen Verwaltung stünden oder verdächtigt würden, an Plünderungen beteiligt gewesen zu sein (SFH, Positionspapier "Asylsuchende Roma aus dem Kosovo" vom 19.10.2005 gegenüber dem Update vom 24.05.2004). Auch der UNHCR bezieht die Gefahr ethnisch motivierter Zwischenfälle mit tätlichen Angriffen auf Personen nur auf die Situation der Kosovo-Serben, Roma und Albaner, wenn sie in dem jeweiligen Gebiet die Minderheit darstellen; diese Personengruppen sollten nur auf strikt freiwilliger Grundlage zurückkehren. Angehörige der Volksgruppen der Ashkali und der Ägypter erführen hingegen, abgesehen von vereinzelten Ausnahmen, insgesamt mehr Toleranz und hätten nur noch in Einzelfällen ein Bedürfnis nach internationalem Schutz, das in einem umfassenden individuellen Verfahren geprüft werden solle (UNHCR-Position zur fortdauernden Schutzbedürftigkeit von Personen aus dem Kosovo, März 2005). Ferner hält auch die Hintergrundnote der UNMIK vom Dezember 2005, auf die sich die Kläger berufen, die gestufte Rückführung der Minderheiten für grundsätzlich möglich und schließt lediglich die Rückkehr einzelner Personen wie chronisch Kranker und unbegleiteter Kinder aus. Der UN-Sonderbotschafter Kai Eide bewertet die Sicherheitslage für die Minderheitenangehörigen in seinem Bericht vom 07.10.2005 an den UN-Sicherheitsrat zwar für die Angehörigen von Minderheiten als beunruhigend ("troubling"), bezeichnet sie jedoch als "insgesamt stabil". Auch die problematischen und mitunter divergierenden Einschätzungen der Sicherheitslage durch verschiedene Vertreter der internationalen Gemeinschaft (z.B. UNMIK, KFOR, UNHCR, vgl. AA, Lagebericht S. 9) können die beachtliche Wahrscheinlichkeit mangelnden Schutzes nicht belegen. Dass die Standards einer toleranten, demokratischen und multi-ethnischen Gesellschaft im Kosovo (UNMIK-Papier vom 10.12.2003) nur teilweise erreicht worden sind, das Verhältnis der verschiedenen ethnischen Gruppen untereinander sehr gespannt und die Sicherheitslage nach allgemeiner Einschätzung nicht stabil ist, steht dieser Einschätzung nicht entgegen. Denn eine instabile Sicherheitslage begründet für sich genommen noch nicht die beachtliche Wahrscheinlichkeit von Verfolgung. Ebenso unerheblich ist das subjektive Empfinden der Betroffenen, die teilweise kein Vertrauen gegenüber den Sicherheits- und Justizbehörden haben (AA, Lagebericht, a.a.O., S. 15; UNHCR-Position vom März 2005, a.a.O.); entscheidend ist nicht dieses subjektive Empfinden, sondern der objektiv zu erlangende Schutz für die Betroffenen.

Da danach im Ergebnis davon auszugehen ist, dass die Minderheit der Ashkali im Kosovo hinreichenden Schutz findet, kommt es nicht mehr darauf an, dass, soweit Angehörige dieser Minderheit gleichwohl Opfer von Verfolgungsmaßnahmen werden, eine die Regelvermutung eigener Gefährdung der Kläger begründende "Verfolgungsdichte" nicht zu befürchten ist. Hiergegen sprechen schon die Opferzahlen in der Kriminalstatistik, in der die Minderheit der Ashkali weder nach den absoluten Zahlen noch nach dem Verhältnis zum Bevölkerungsanteil besonders häufig als Verbrechensopfer genannt wird. Im Jahr 2004 gab es im Kosovo 87 Mordopfer, von denen etwa ein Viertel zu den Minderheiten gehörte (13 % Kosovo-Serben und 11 % Angehörige anderer Minderheiten); von den 172 im Jahr 2004 registrierten interethnischen Vorfällen waren die Opfer in 111 Fällen Kosovo-Serben, in 20 Fällen Kosovo-Albaner, in 16 Fällen Roma, in 16 Bosniaken, in 3 Kroaten und in 2 Türken gewesen (Auswärtiges Amt, Lagebericht, a.a.O., S. 10). Soweit die Volksgruppe der Ashkali in diesem Zusammenhang nicht erwähnt wird, ist davon auszugehen, dass sie insoweit der Gruppe der Roma zugerechnet wird. Die Aussagekraft dieser Kriminalstatistik wird auch nicht dadurch entwertet, dass anzunehmen ist, dass daneben eine Dunkelziffer nicht angezeigter Straftaten besteht. Im Ergebnis richtet sich jedenfalls nur ein Bruchteil der Kapitalverbrechen und der interethnischen Vorfälle im Kosovo gegen die Minderheit der Ashkali. Dies deckt sich im übrigen mit der Einschätzung des Auswärtigen Amtes (Lagebericht S. 15), dass sich die Unruhen im März 2004 nicht eigentlich gegen die Ashkali und Ägypter als albanisch-sprachige Minderheiten gerichtet und dementsprechend für diese Gruppen trotz einzelner Vorkommnisse die Lage nicht nachhaltig destabilisiert hätten.

An dieser Bewertung ist auch bei Berücksichtigung der inzwischen vorliegenden neueren Erkenntnisquellen (vgl. etwa Schweizerische Flüchtlingshilfe, Zur Lage der Roma in Kosovo v. 26.04.2006, Kosovo: Sicherheit und Gerechtigkeit für die Minderheiten v. 20.09.2006; AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien (Kosovo) vom 29.06.2006 <Lagebericht>; UNHCR, Position zur fortdauernden Schutzbedürftigkeit von Personen aus dem Kosovo v. Juni 2006) festzuhalten. Zwar kommt die Schweizerische Flüchtlingshilfe bei der Beschreibung der Situation im Bereich der Strafverfolgung und der Eigentumsrechte in ihrem Gutachten vom 20.09.2006 zu dem Schluss, dass die strukturellen Defizite des polizeilichen und gerichtlichen Strafverfolgungssystems noch nicht behoben seien und damit (in diesem Bereich) von einer ausreichenden, effektiven und effizienten Schutzgewährung für die Minderheiten nicht gesprochen werden könne. Doch führen die beschriebenen Defizite nicht dazu, dass mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen wäre, dass die staatlichen Stellen und internationalen Organisationen vor einer "Verfolgung" i. S. des § 60 Abs. 1 Satz 4c AufenthG Schutz zu bieten nicht in der Lage wären (vgl. auch Art. 9 und 7 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates v. 29.04.2004 <Qualifikationsrichtlinie>). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die internationalen und nationalen Sicherheitskräfte - wovon auch die Schweizerische Flüchtlingshilfe ausgeht - heute besser als noch im Jahre 2004 in der Lage wären, etwaige, gegen die Minderheiten gerichtete - erhebliche - Verfolgungshandlungen von vornherein zu verhindern. Dem entsprechend hatte sich die Schweizerische Flüchtlingshilfe auch bereits in ihrem Gutachten zur Lage der Roma vom 26.04.2006 weiterhin nur gegen eine "z w a n g s w e i s e Rückkehr sämtlicher Angehöriger von Roma-Gemeinschaften" gewandt und konkrete Sicherheitsbedenken letztlich nur für den Fall geltend gemacht, dass innerhalb eines albanischen Umfeldes der Verdacht der Kollaboration mit der serbischen Verwaltung oder der Beteiligung an Plünderungen bestehe. Auch der UNHCR geht in seiner Position vom Juni 2006 ungeachtet der Defizite im Bereich der Strafverfolgung davon aus, dass Angehörige der Ashkali und Ägypter im Allgemeinen nicht mehr internationalen Schutzes bedürften, deren Asylbegehren vielmehr nur noch einzelfallbezogen geprüft werden sollten. Für die Richtigkeit dieser Bewertung spricht nicht zuletzt der Umstand, dass nach den Vorfällen im März 2004 offenbar keine in vorliegendem Zusammenhang erheblichen Übergriffe gegenüber Angehörigen der verschiedenen Roma-Gemeinschaften mehr zu verzeichnen sind (vgl. Lagebericht, S. 13 ff.).

Dass ungeachtet der vorstehenden, allgemein für die Minderheit der Ashkali geltenden Bewertung für die Kläger anderes zu gelten hätte, vermag der Senat indes nicht zu erkennen. Diese sind auch aufgrund ihres Aussehens (vgl. hierzu Schweizerische Flüchtlingshilfe, a.a.O., v. 26.04.2006) nicht ohne weiteres als Angehörige einer Roma-Gemeinschaft zu identifizieren. Hinzukommt, dass sie jedenfalls bei ihrer im Kosovo wohnhaften Tochter Unterkunft finden könnten, so dass sie sich auch insofern nicht in einer besonders verletzlichen Situation befänden (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, a.a.O., v. 26.04.2006). An der Einschätzung der Situation ändert auch nichts, dass die Kläger schon einmal erheblichen Übergriffen seitens der albanischen Bevölkerungsmehrheit ausgesetzt sein wollen. Davon, dass solche tatsächlich stattgefunden hätten, kann aufgrund des rechtskräftigen Urteils vom 30.06.2003 - A 10 K 13002/02 - nicht ausgegangen werden. Dass insofern auch keine Wiederaufgreifensgründe dargetan sind, hat das Verwaltungsgericht überzeugend ausgeführt.

2. Die Kläger haben auch weder Anspruch auf Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzungen (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.03.1996, Buchholz 402.240 § 53 AuslG 1990 Nr. 3) des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG noch auf erneute Bescheidung ihrer Anträge auf Wiederaufgreifen des auf eine solche Feststellung gerichteten Verfahrens. Hierbei kann dahinstehen, ob die Voraussetzungen nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG erfüllt wären. Denn die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen jedenfalls nicht vor. Insoweit bestünde auch kein Anlass, das Verfahren nach § 51 Abs. 5 i. V. m. §§ 48, 49 VwVfG wieder aufzugreifen (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.10.2004, BVerwGE 122, 103).

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für ihn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Insofern fehlt es jedoch weiterhin an hinreichend konkreten Anhaltspunkten. Solche ergeben sich weder aus der generellen Sicherheits- und Versorgungslage im Kosovo (a) noch aus den besonderen, gerade bei den Klägern vorliegenden gesundheitlichen Umständen (b).

a) Bei einer allgemeinen Gefahrenlage können, wenn eine Anordnung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG nicht vorliegt, die Voraussetzungen für ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur festgestellt werden, wenn die Gefahrenlage landesweit so beschaffen ist, dass der von einer Abschiebung Betroffene gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert oder der extremen Gefahr ausgesetzt wäre, mangels ausreichender Existenzmöglichkeiten an Hunger oder Krankheit zu sterben (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.10.1995 - 9 C 9.95 -, BVerwGE 99, 324 = NVwZ 1996, 199). Eine derartige extreme Gefahrenlage lässt sich vorliegend jedoch nicht feststellen. Die Kläger müssen weder mit einem Leben unter dem Existenzminimum noch mit sonstigen lebensbedrohenden Gefahren und Nachteilen bei ihrer Rückkehr in den Kosovo rechnen. Dass insbesondere Angehörige der Minderheit der Ashkali aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage im Kosovo regelmäßig in keine extreme Gefahrenlage geraten, ergibt sich bereits aus den obigen Feststellungen. Aus der dortigen Versorgungssituation folgt nichts anderes. Insofern hat der Senat in seinem Urteil vom 21.03.2006 Folgendes ausgeführt:

Sie ist im Kosovo zwar schwierig. Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist aber gewährleistet. Die Bevölkerung des Kosovo ist bis auf wenige Ausnahmen (z.B. sozial schwache Bewohner von Enklaven) nicht mehr auf die Lebensmittelversorgung durch internationale Hilfsorganisationen angewiesen. Bedürftige Personen erhalten Unterstützung in Form von Sozialhilfe, die sich allerdings auf sehr niedrigem Niveau bewegt und damit als alleinige Einkommensquelle unter Berücksichtigung der Lebenshaltungskosten kaum zum Leben ausreicht (AA, Lagebericht, a.a.O., S. 19). Der UNHCR widerspricht dieser Einschätzung nicht, sondern bestätigt sie mittelbar, indem er die Hauptprobleme der Minderheiten benennt, die in anderen Bereichen als der Lebensmittelversorgung liegen. Er verweist auf die noch immer gravierenden Hindernisse für Angehörige ethnischer Minderheiten beim Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen im Bereich des Gesundheitswesens, des Schulwesens, der Justiz und der öffentlichen Verwaltung und auf strukturelle Defizite des gesamten öffentlichen Sektors, die die Verfügbarkeit entsprechender Versorgungsleistungen beeinträchtigten (Position zur fortdauernden Schutzbedürftigkeit von Personen aus dem Kosovo, März 2005, S. 3). Dem gegenüber hält die Gesellschaft für bedrohte Völker ("Roma und Ashkali im Kosovo: verfolgt, vertrieben, vergiftet", Juni 2005, S. 8) die humanitäre Lage der Minderheiten der Roma und Ashkali für katastrophal. Es herrsche Mangel an allem. Es fehle an Grundnahrungsmitteln, Heizmaterial, Kleidung und Schuhen. Ihre medizinische Versorgung sei nach wie vor unzureichend. Wirtschaftliches und soziales Elend, hohe Arbeitslosigkeit, Streitigkeiten zwischen der mehrheitlich albanischen Bevölkerung und der zahlenmäßig größten Minderheitengruppe, den Serben, verunsicherten Roma, Ashkali und Ägypter zusätzlich. Damit wird jedoch nur eine sehr allgemeine und pauschale Einschätzung der Versorgungslage ("Mangel an allem") gegeben, ohne konkrete Fälle und Beispiele zu benennen und ohne eine extreme Gefahr nachvollziehbar aufzuzeigen. Dafür dass die Grundversorgung der Bevölkerung gesichert ist, spricht auch der Umstand, dass nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes (Lagebericht, a.a.O., S. 18) und auch der UNMIK nicht die Nahrungsmittelversorgung, sondern die Wohnraumversorgung prioritär ist; UNMIK bezeichnet insoweit die Unterkunftsfrage für rückkehrende Angehörige der Gruppen der Roma, Ashkali und Ägypter seit dem Sommer 2005 als extrem problematisch (AA, Lagebericht, a.a.O., S. 18). Auch die Zahl der freiwilligen Rückkehrer in den Kosovo spricht für ausreichende Lebens- und Überlebensmöglichkeiten. Im Jahr 2004 sind allein aus Deutschland 204 Minderheitenangehörige mit Hilfe von Förderprogrammen freiwillig zurückgekehrt, im Jahr 2005 waren es bis zum 31. Oktober nochmals 245 Minderheitenangehörige. Insgesamt kehrten zwischen 2000 und März 2005 nach UNHCR 12.471 Minderheitenangehörige in den Kosovo zurück (AA, Lagebericht, a.a.O., S. 17 f.).

Auch an dieser allgemeinen Bewertung ist bei Berücksichtigung der neueren Erkenntnisquellen (vgl. bereits oben) festzuhalten; diese enthalten letztlich keine über die bisherige Erkenntnislage hinausgehenden Erkenntnisse. Dass für die Kläger gleichwohl anderes zu gelten hätte, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, zumal diese notfalls bei ihrer ältesten Tochter Unterkunft finden könnten.

b) Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen allerdings auch dann vor, wenn - was die Kläger vorliegend geltend machen - sich die Krankheit eines ausreisepflichtigen Ausländers in seinem Heimatstaat verschlimmert, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort faktisch unzureichend sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.07.1999 - BVerwG 9 C 2.99 - juris, v. 27.04.1998, Buchholz 402.240 § 53 AuslG 1990 Nr. 12 u. v. 25.11.1997, BVerwGE 105, 383; Beschl. v. 24.05.2006 - BVerwG 1 B 118.05 - juris). Die befürchtete Verschlimmerung gesundheitlicher Beeinträchtigungen als Folge fehlender Behandlungsmöglichkeiten im Zielland der Abschiebung muss dabei zu einer erheblichen Gesundheitsgefahr führen, also eine "Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität" erwarten lassen; dies wäre dann der Fall, "wenn sich der Gesundheitszustand ... wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern würde" (vgl. Urt. v. 29.07.1999, a.a.O.). Eine (erhöhte) "existentielle" oder extreme Gefahr, die den betroffenen Ausländer im Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem Tod oder schwersten Verletzung ausliefern würde (vgl. Urt. v. 17.10.1995, BVerwGE 99, 324 <328>), wäre lediglich insofern von Bedeutung, als in einem solchen Fall ein nach den §§ 48, 49 VwVfG bestehendes Wiederaufgreifensermessen auf Null reduziert wäre; Hinweise, dass die von den Klägern geltend gemachten Erkrankungen in Serbien oder doch im Kosovo derart verbreitet wären, dass von einer allgemeinen Gefahr i. S. des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG auszugehen wäre, liegen nicht vor. Konkret ist die Gefahr, wenn die zu befürchtende Verschlechterung "alsbald nach der Rückkehr" einträte, weil der Ausländer auf dort unzureichende Möglichkeiten zur Behandlung angewiesen wäre und anderswo wirksame Hilfe nicht in Anspruch nehmen kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.07.1999, a.a.O.). Behandlungsmöglichkeiten sind dann unzureichend, wenn eine notwendige ärztliche Behandlung oder Medikation für die betreffende Krankheit in dem Herkunftsstaat wegen des geringeren Versorgungsstandards generell nicht verfügbar ist. Eine zielstaatsbezogene Gefahr für Leib und Leben besteht darüber hinaus aber auch dann, wenn die notwendige Behandlung oder Medikation zwar allgemein zur Verfügung steht, dem betroffenen Ausländer individuell jedoch aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht zugänglich ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.10.2002, Buchholz, 402.240 § 53 AuslG Nr. 66; anders BayVGH, Beschl. v. 13.09.2000 - 19 ZB 00.31925 -: kein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis). Zu klären bliebe solchenfalls, ob sich eine, aus einem derart beschränkten Zugang zu einer Heilbehandlung folgende Gesundheitsgefahr als individuelle Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG oder aber als Auswirkung einer allgemeinen Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AuslG darstellte (offen gelassen von BVerwG, Urt. v. 29.04.2002, Buchholz, 402.240 § 53 AuslG Nr. 60). In Anwendung obiger Grundsätze lägen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG im Hinblick auf die von den Klägern in erster Linie geltend gemachte posttraumatische Belastungsstörung und die damit einhergehende schwere depressive Episode (vgl. fachpsychiatrische Stellungnahme v. 13.08.2003) allenfalls dann vor, wenn sich ihr Gesundheitszustand im Falle einer Rückkehr in den Kosovo infolge einer Retraumatisierung oder aber deshalb wesentlich verschlechterte, weil sie dort nur unzureichend behandelt werden könnten. Beides lässt sich indessen nicht feststellen.

Für eine durch eine Retraumatisierung bedingte Gesundheitsverschlechterung von besonderer Intensität fehlt es an jeglichen konkreten Anhaltspunkten. Solche lassen sich insbesondere weder den vorgelegten ärztlichen Gutachten vom 12.01.2005 und 07.08.2006 noch dem Diagnostischen Bericht vom 20.11.2006 entnehmen. Abgesehen davon, dass von den als (möglicherweise) ursächlich bezeichneten Ereignissen aufgrund des rechtskräftigen Urteils vom 30.06.2003 nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgegangen werden kann, wird in jenen Gutachten lediglich eine "weitere Verschlechterung des psychischen Befindens bzw. der psychischen Situation" erwartet, was indes noch keine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität erkennen lässt. Lediglich ergänzend sei bemerkt, dass die anamnestischen Angaben der Klägerin zu 2 im Behandlungszentrum für Folteropfer weitere Ungereimtheiten und Widersprüche enthalten; auch die Einlassungen des Klägers zu 1 in der mündlichen Verhandlung sind mit seinen bisherigen Angaben nicht ohne weiteres in Einklang zu bringen.

Dass sich der Gesundheitszustand der Kläger aufgrund der im Kosovo nur eingeschränkt zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Behandlung psychischer Erkrankungen, insbesondere einer posttraumatischen Belastungsstörung (vgl. hierzu Schweizerische Flüchtlingshilfe, Gutachten zur Behandlung einer psychischen Erkrankung in Kosovo v. 02.05.2005; BAMF -IZAM -, Serbien und Montenegro/Kosovo 9. Gesundheitswesen, Dez. 2005, S. 32 ff., 58 ff.; UNHCR, Stellungnahme v. 18.07.2005 an VG Koblenz; Gierlichs, ZAR 2006, 277) wesentlich verschlechtern könnte, lässt sich gleichfalls nicht feststellen. Dies erscheint schon deshalb unwahrscheinlich, weil die den Klägern attestierte depressive Symptomatik auch im Bundesgebiet nur "unzureichend erfolgreich" behandelt werden konnte (vgl. fachärztliches Attest v. 13.01.2005); dem entsprechend wurde das psychiatrische Zustandsbild des Klägers zu 1 als unverändert bezeichnet und der Gesundheitszustand der Klägerin zu 2 als unverändert schlecht eingestuft (vgl. fachärztliche Atteste v. 10.08.2006). Mit einer "allenfalls Erfolg versprechenden intensiven Psychotherapie" (vgl. fachärztliches Attest v. 13.01.2005) bzw. "stabilisierenden traumaspezifischen Psychotherapie" (vgl. Diagnostischer Bericht des Behandlungszentrums für Folteropfer v. 20.11.2006) wurde demgegenüber noch nicht einmal begonnen. Eine etwa nur im Bundesgebiet mögliche Verbesserung ihres Gesundheitszustandes können die Kläger unter Berufung auf das fakultative Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG jedoch von vornherein nicht beanspruchen (vgl. OVG NW, Beschl. v. 14.06.2005, AuAS 2005, 189 <190>); insoweit führt auch der Hinweis auf eine "notwendige Operation" der Klägerin zu 2 wegen einer Innenmeniskusläsion im linken Kniegelenk (vgl. ärztliches Gutachten v. 07.08.2006) zu keiner anderen Beurteilung. Im Hinblick auf eine Unterbrechung der im Bundesgebiet bereits durchgeführten - medikamentösen - Behandlung lässt sich eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität ebenso wenig feststellen. So lässt sich den ärztlichen Gutachten vom 12.01.2005 und 07.08.2006 schon nicht entnehmen, inwiefern die Kläger zur Vermeidung einer solchen ungeachtet dessen auf die bisherige Medikation angewiesen wären, dass die bei ihnen vorliegende chronifizierte schwere depressive Symptomatik dadurch bislang kaum aufzulockern war (vgl. fachärztliches Attest v. 13.01.2005). Eine medizinische, insbesondere medikamentöse Behandlung wäre im Übrigen auch im Kosovo grundsätzlich möglich (vgl. Deutsches Verbindungsbüro Kosovo, Auskünfte v. 27.09.2006, v. 02.08.2006, v. 21.07.2006 u. v. 22.09.2003). Zu einer solchen hätten die Kläger auch als Angehörige der Volksgruppe der Ashkali grundsätzlich Zugang (vgl. BAMF - IZAM -, a.a.O., S. 39; Lagebericht, S. 23). Jene bzw. die in der "essential drugs list" aufgeführten Psychotherapeutika wären für sie auch kostenlos erhältlich (vgl. Deutsches Verbindungsbüro Kosovo, Auskunft v. 21.07.2006 u. v. 02.08.2006; Lagebericht, S. 24).

Inwiefern der Umstand, dass der Kläger zu 1 nach dem ärztlichen Gutachten vom 07.08.2006 bereits mehrere Ohnmachtsanfälle erlitten haben und inzwischen auch an einer chronischen obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) leiden soll, eine andere Beurteilung rechtfertigen sollte, ist nicht ersichtlich. Unabhängig davon, ob insoweit überhaupt Behandlungsbedürftigkeit besteht, wäre letztere auch im Kosovo grundsätzlich behandelbar (vgl. Deutsches Verbindungsbüro Kosovo, Auskunft v. 14.06.2004). Zu den insoweit erforderlichen Zuzahlungen wäre der Kläger zu 1 jedenfalls aufgrund zumutbarer Unterstützungsleistungen seiner im Bundesgebiet lebender Kinder auch in der Lage. Auch der nach dem vorgenannten Gutachten schwer einstellbare Diabetes mellitus Typ II b, an dem die Klägerin zu 2 mittlerweile leiden soll, wäre - erforderlichenfalls - im Kosovo behandelbar (vgl. Deutsches Verbindungsbüro Kosovo, Auskunft v. 19.04.2004). Die Behandlung von Diabetes-Patienten ist im dortigen öffentlichen Gesundheitswesen kostenfrei (vgl. zum Ganzen BAMF - IZAM -, a.a.O., S. 50 f.); die erforderlichen Medikamente wären jedenfalls aufgrund zumutbarer Unterstützungsleistungen erreichbar. An der Beurteilung änderte auch nichts, sollte die Behandlung wegen etwaiger Komplikationen ergänzend mit Insulin durchgeführt werden müssen. Solches ist in ausreichenden Mengen vorhanden; zumindest Insulin mit Wirkstoff Isophan (Protaphan) ist in Krankenhäusern für Patienten auch kostenlos erhältlich (vgl. BAMF - IZAM -, a.a.O., S. 50 f.); im Übrigen sowie bei Engpässen wäre die Klägerin zu 2 an die dortigen Apotheken zu verweisen; aufgrund zumutbarer Unterstützungsleistungen ihrer im Bundesgebiet lebender Kinder wären erforderliche Insulingaben auch erreichbar. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Behandlung der ihr attestierten Zuckerkrankheit zur Vermeidung einer Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität künftig nur noch mit Insulin durchgeführt werden könnte, lassen sich dem ärztlichen Gutachten vom 07.08.2006 nicht entnehmen.

Soweit schließlich in den ärztlichen Gutachten vom 07.08.2006 eine ständige persönliche Betreuung und Begleitung gerade durch den (welchen?) Sohn der Kläger für notwendig erachtet wird, stünde schon kein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis in Rede (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.10.2002, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 66). Soweit demgegenüber auf das Fehlen jeglicher Betreuung im Kosovo abgestellt werden sollte, wäre nicht ersichtlich, inwiefern eine solche bei Bedarf nicht auch von der nach wie vor im Kosovo lebenden ältesten Tochter der Kläger geleistet werden könnte. Für eine ständige Betreuungsbedürftigkeit fehlt es ohnehin an konkreten Anhaltspunkten.

Nach alldem waren das Urteil antragsgemäß zu ändern und die Klagen auch insoweit abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO entspr., § 83 b AsylVfG sowie einer entsprechender Anwendung von § 162 Abs. 3 VwGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Ende der Entscheidung

Zurück