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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 20.10.2006
Aktenzeichen: A 9 S 1157/06
Rechtsgebiete: VwGO, AsylVfG


Vorschriften:

VwGO § 108 Abs. 1 Satz 1
VwGO § 138 Nr. 3
AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 3
AsylVfG § 78 Abs. 4 Satz 4
Die Feststellung eines behaupteten traumatisierenden Ereignisses ist Gegenstand der gerichtlichen Sachverhaltswürdigung, nicht aber Gegenstand eines Sachverständigengutachtens zur Frage des Vorliegens einer posttraumatischen Belastungsstörung.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

A 9 S 1157/06

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Anerkennung als Asylberechtigte und Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 AufenthG

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der 9. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg am 20. Oktober 2006

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 9. Juni 2006 - A 2 K 259/06 - wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens.

Gründe:

Der Antrag bleibt ohne Erfolg.

Der in Anspruch genommene Zulassungsgrund des Vorliegens eines Verfahrensmangels in Form der Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) bei der Ablehnung von Hilfsbeweisanträgen rechtfertigt aus den mit dem Antrag angeführten Gründen die Zulassung der Berufung nicht.

Die Klägerin hat einen Gehörsverstoß bereits nicht ausreichend und schlüssig dargelegt, obwohl dies erforderlich gewesen wäre (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG). Hierzu ist in dem Antrag auf Zulassung der Berufung mitzuteilen, welchen Inhalt die behaupteten und als übergangen gerügten Beweisthemen der Hilfsbeweisanträge hatten. Denn es ist nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichtshofs, das Vorbringen der Klägerin anhand der Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts zu ergänzen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.02.2005 - 1 B 10.05 -, Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 36 zur Darlegungslast nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Die Hilfsanträge sind so wiederzugeben, dass der Verwaltungsgerichtshof anhand der Zulassungsbegründungsschrift nachprüfen kann, ob die Behauptung in ihrem Ausgangspunkt zutrifft. Es ist gerade Sinn des Darlegungserfordernisses, die Überprüfung im Zulassungsverfahren durch einen vollständigen Sachvortrag soweit als möglich zu entlasten.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wäre im Übrigen auch unbegründet. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch die Ablehnung der in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsbeweisanträge liegt nicht vor. Es wäre nur dann der Fall gewesen, wenn das Verwaltungsgericht die Beweisanträge aus Gründen abgelehnt hätte, die im geltenden Prozessrecht keine Stütze finden (BVerfGE 69, 141 (144) m.w.N.). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Insbesondere durfte das Verwaltungsgericht die Hilfsbeweisanträge, soweit diese auf Einholung eines Glaubhaftigkeitsgutachtens zum Verfolgungsvortrag gerichtet sind, als unzulässig zurückweisen, weil es ausschließlich Sache des Tatrichters ist, sich selbst nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO die notwendige Überzeugungsgewissheit von der Wahrheit des Parteivortrags zu verschaffen. Die Feststellung der Wahrheit von Angaben des Asylbewerbers oder der Glaubhaftigkeit einzelner Tatsachenbehauptungen unterliegt als solche nicht dem Sachverständigenbeweis (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.02.2005, a.a.O.). Bei den Hilfsbeweisanträgen ging es auch nicht darum, wie dies nunmehr im Zulassungsantrag anzuklingen scheint, durch ein Sachverständigengutachten klären zu lassen, ob das Aussageverhalten der Klägerin aufgrund einer posttraumatischen Belastungsstörung beeinflusst war und das Verwaltungsgericht deshalb zu einer anderen Beweiswürdigung hätte gelangen können. Dem Umstand, dass es Aufgabe der Verwaltungsgerichte ist, die Frage nach der Glaubhaftigkeit und dem Wahrheitsgehalt des von dem Schutzsuchenden zur Stützung seines Begehrens im gerichtlichen Verfahren unterbreiteten konkreten Sachverhaltes zu beantworten, entspricht es aus medizinischer Sicht, dass eine posttraumatische Belastungsstörung nur diagnostiziert werden kann, wenn ein Trauma nachgewiesen ist, wenn also vom Gericht, nicht vom Gutachter, nachgewiesen bzw. wahrscheinlich gemacht werden kann, dass das behauptete traumatisierende Ereignis stattgefunden hat. Der objektive Ereignisaspekt ist nicht Gegenstand der gutachtlichen Untersuchung zur posttraumatischen Belastungsstörung. Mit psychiatrisch-psychotherapeutischen Mitteln kann nicht sicher geschlossen werden, ob tatsächlich in der Vorgeschichte ein Ereignis vorlag und wie dieses geartet war (vgl. Ebert/Kindt, VBlBW 2004, 41 ff.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Das Zulassungsverfahren ist gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 30 RVG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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