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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 21.01.2003
Aktenzeichen: A 9 S 397/00
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 16a
1. Eritreische Volkszugehörige, die von einem Elternteil "eritreischer Abstammung" abstammen, sind gemäß Nr. 2 Abs. 1 und 2 der Eritrean Nationality Proclamation Nr. 21/1992 (Eritreische Staatsangehörigkeitsverordnung Nr. 21/1992) eritreische Staatsangehörige durch Geburt. Dies gilt auch dann, wenn sie im Zeitpunkt ihrer Ausreise - gegebenenfalls sogar seit Geburt - im heutigen Gebiet Äthiopiens gelebt haben.

2. Der von eritreischen Behörden geforderte Nachweis der eritreischen Abstammung steht dem Innehaben der Kraft Gesetzes erworbenen Staatsangehörigkeit nicht entgegen. Der auf Antrag erteilten Staatsangehörigkeitsbescheinigung gemäß Nr. 2 Abs. 4 der Verordnung kommt nur deklaratorische Bedeutung zu.

3. Die Teilnahme am Referendum und/oder der Besitz einer eritreischen ID-Card sind geeignet, den Nachweis der eritreischen Abstammung und damit der eritreischen Staatsangehörigkeit zu führen. Voraussetzung der eritreischen Staatsangehörigkeit sind sie nicht.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

A 9 S 397/00

Verkündet am 21.01.2003

In der Verwaltungsrechtssache

wegen

Asylfolgeantrags

hat der 9. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Schwan, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Prof. Dr. Rennert und den Richter am Verwaltungsgericht Reimann auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 14. Dezember 1999 - A 17 K 12646/99 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des beteiligten Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten, die dieser selbst trägt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt im Wege eines Asylfolgeverfahrens seine Anerkennung als Asylberechtigter sowie Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG und § 53 AuslG sowie die Aufhebung einer gegen ihn ergangenen Abschiebungsandrohung.

Der 1974 (an anderer Stelle der Akten genanntes Datum: xxxxxx1975) geborene Kläger reiste am 13.03.1991 aus Addis Abeba kommend ins Bundesgebiet ein und stellte am 18.03.1991 seinen ersten Asylantrag. Im Rahmen der ersten Anhörung am 14.03.1991 gab er an, nicht politisch aktiv gewesen und nicht von staatlichen Stellen verfolgt worden zu sein. In einer späteren schriftlichen Antragsbegründung sowie der weiteren Anhörung vom 02.03.1994 gab er an, eritreischer Volkszugehöriger, jedoch in Addis Abeba in Äthiopien geboren zu sein. Seine Familie sei seit zwei Generationen in der Opposition aktiv gewesen. Er selbst sei geflohen, weil er die Einberufung zur Armee gefürchtet habe.

Durch Bescheid vom 03.03.1994 lehnte das Bundesamt den Erstantrag ab, stellte fest dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen und drohte dem Kläger die Abschiebung nach Äthiopien an. Die gegen diesen Bescheid erhobene Klage wurde durch das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 13.09.1994 - A 17 K 12285/94 - abgewiesen.

Mit Schriftsatz vom 22.12.1998, beim Bundesamt eingegangen am 28.12.1998, stellte der Kläger einen Asylfolgeantrag. Zu dessen Begründung berief er sich auf eine drohende Deportation nach Eritrea. Er habe aus Telefonaten erfahren, dass seine Schwester, die mit der Familie in Addis Abeba gelebt habe, von den Äthiopiern nach Eritrea deportiert worden sei. Dort lebe sie jetzt bei Verwandten in Asmara. Er sei eritreischer Volkszugehöriger, habe jedoch in Addis Abeba gelebt. Ob er mit der Entstehung des eritreischen Staates eritreischer Staatsangehöriger geworden sei, sei zweifelhaft. Als Aufnahmestaat komme nur Äthiopien in Betracht, da er zu Eritrea keine Beziehungen habe und nicht wüsste, wo er wohnen und überleben könne. Weiter gab er an, er befürchte im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien seine Verhaftung und eine Verfolgung wegen seines Asylantrages. Dessen Stellung werde als gegen den äthiopischen Staat gerichtet angesehen. Angesichts des Krieges seien eritreische Bürger, die in Äthiopien lebten, Repressalien ausgesetzt.

Durch Bescheid vom 19.07.1999 lehnte das Bundesamt die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ab und drohte dem Kläger unter Setzung einer einwöchigen Ausreisefrist die Abschiebung nach Eritrea an.

Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 03.08.1999 beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben und einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt. Zur Begründung hat er ergänzend zum behördlichen Vortrag geltend gemacht, ethnische Eritreer würden im Rahmen einer gezielten Vertreibungspolitik von Äthiopien nach Eritrea abgeschoben. Die antieritreische Stimmung und die Verfolgungsgefahr für wirkliche oder mutmaßliche Regimegegner in Äthiopien nehme zu. Hierzu gehöre auch die Zugehörigkeit zu einer oppositionellen Exilorganisation, wobei bekannt sei, dass der äthiopische Geheimdienst die exilpolitischen Aktivitäten seiner Staatsangehörigen in Deutschland beobachte. Entsprechend habe der VGH Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 11.05.1999 - A 9 S 47/98 - einem Aktivisten der EPRP Asyl zuerkannt.

Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch Beschluss vom 28.09.1999 - A 17 K 12643/99 - abgelehnt. Durch Urteil vom 14.12.1999 - A 17 K 12646/99 - hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist im wesentlichen ausgeführt, der Kläger besitze unabhängig von einer etwa vorliegenden äthiopischen die eritreische Staatsangehörigkeit. Dies ergebe sich aus Ziff. 2 Abs. 4 der Proklamation Nr. 21/1992. Die Voraussetzungen für die eritreische Staatsangehörigkeit seien erfüllt, denn die Vorfahren des Klägers lebten im Jahr 1933 in Eritrea und stammten auch von dort. Daher könne offen bleiben, ob bei der Ausreise (politische) Vorverfolgung durch den äthiopischen Staat vorgelegen habe oder bei einer Rückkehr nach Äthiopien erneut drohe. Wer den Schutz des Heimatstaates in Anspruch nehmen könne, befinde sich in keiner die Asylgewährung rechtfertigenden Notlage. Die Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 AuslG lägen gleichfalls nicht vor. Eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben bestehe nicht. Die Abschiebungsandrohung sei nicht zu beanstanden.

Der Senat hat die Berufung zugelassen. Zu deren Begründung trägt der Kläger vor, seine Eltern seien in den sechziger Jahren nach Äthiopien gezogen und lebten nunmehr seit ihrer Deportation wieder in Asmara in Eritrea. Im Zeitpunkt seiner Geburt habe es Eritrea noch nicht gegeben, so dass seine Eltern äthiopische Staatsangehörige gewesen seien. Diese Staatsangehörigkeit habe der Kläger von seinen Eltern übernommen und nicht aufgegeben. Ob er die äthiopische Staatsangehörigkeit infolge der Konflikte durch einseitigen Rechtsakt Äthiopiens verloren habe, spiele keine Rolle, jedenfalls habe er nicht die eritreische Staatsangehörigkeit erworben. Der quasi automatische Erwerb einer Staatsangehörigkeit widerspreche allen staatsbürgerrechtlichen und völkerrechtlichen Prinzipien. Jedenfalls sei es nicht so, dass die eritreische Staatsangehörigkeit gleichsam automatisch erworben worden sei, vielmehr werde diese nur auf Antrag erteilt. Weiter wird darauf hingewiesen, dass die Kämpfe zwischen Eritrea und Äthiopien wieder aufgeflammt seien. Dem Kläger drohe die Einberufung zum Wehrdienst und damit ein Fronteinsatz. Schließlich beruft sich der Kläger auf die allgemeine Situation in Eritrea und legt insbesondere die Auskunft von amnesty international vom 28.02.2000 an das VG Köln vor, aus der sich ergebe, dass die eritreische Regierung die Zugehörigkeit zu bzw. Unterstützung von oppositionellen Gruppen nicht dulde. Weiter wird ein englischsprachiger Bericht des US-Departments Department of State von 1999 vorgelegt, in dem von eklatanter Verletzung der Menschenrechte berichtet werde, außerdem der Äthiopien betreffende Bericht der Organisation Human Rights Watch sowie verschiedene Zeitungsartikel.

Zur Abstammung der Eltern bzw. Großeltern des Klägers hat dieser auf gerichtliche Nachfrage mitgeteilt, sein Vater stamme aus Gura in Eritrea und sei "heute" (d.h. im Jahr 2000) 65 Jahre alt. Seine Mutter stamme ebenfalls aus Eritrea und sei jetzt 59 Jahre alt. Der Großvater mütterlicherseits sei ebenfalls in Butuh in Eritrea geboren, auch die Großmutter mütterlicherseits stamme aus Eritrea. Auch die Großeltern väterlicherseits stammten aus Eritrea.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 14.12.1999 - A 17 K 12646/99 - abzuändern und den Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 19.07.1999 aufzuheben und die beklagte Bundesrepublik Deutschland zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG, hilfsweise dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie beruft sich auf die Gründe des angefochtenen Bescheides sowie das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart.

Der Senat hat zur Frage der Staatsangehörigkeit und des Tatbestandes, aufgrund dessen diese erworben wurde, eine Auskunft des Auswärtigen Amtes eingeholt. In der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21.11.2001 heißt es im wesentlichen, das für Staatsangehörigkeitsfragen zuständige Departement für Emigration and Nationality habe auf mündliche Nachfrage erklärt, dass im Ausland lebende Eritreer, die eine fremde Staatsangehörigkeit innehaben, keinen förmlichen Antrag im Sinne von Nr. 2 Abs. 5 der Verordnung Nr. 21/1992 stellen müssen, um als eritreische Staatsangehörige anerkannt zu werden. Sie müssten lediglich ihre Abstammung nachweisen. Es sei ausdrücklich bestätigt worden, dass dies auch für Eritreer gilt, die vorher in Äthiopien lebten und möglicherweise die äthiopische Staatsangehörigkeit besitzen bzw. besaßen.

Der Kläger hält die Auskunft des Auswärtigen Amtes für unverwertbar. Es sei schon unklar, um welche Art von Beweismittel es sich handeln solle. Auch sei völlig unklar, wer mit wem gesprochen habe und von wem die Auskunft letztlich stamme. Jedenfalls sei eine offizielle Stellungnahme der zuständigen eritreischen Behörden nicht erlangt worden was zeige, dass diese im Ausland lebende Eritreer gerade nicht als ihre Staatsangehörige ansehen würden. Auch widerspreche die Praxis der eritreischen Behörden der angeblichen Aussage: Den Abschiebebehörden sei bekannt, dass die eritreischen Auslandsbehörden in Deutschland lebende Flüchtlinge eritreischer Volkszugehörigkeit eher nicht als eigene Staatsangehörige ansähen, indem z.B. keine Rückreisedokumente ausgestellt würden.

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger die gegen die Auskunft des auswärtigen Amtes vorgebrachten Einwände wiederholt und sich darauf berufen, er sei nicht eritreischer Staatsangehöriger. Weiter hat er ausgeführt, er sei jetzt seit 12 Jahren in Deutschland, arbeite hier und unterhalte dadurch nicht nur sich sondern auch seine nach Eritrea deportierte Familie.

Die Beteiligten sind auf die bei der Entscheidung berücksichtigten Erkenntnismittel hingewiesen worden. Dem Gericht liegen die Akten der Beklagten vor. Diese sind ebenso wie die Erkenntnismittelisten Eritrea und Äthiopien Gegenstand der mündlichen Verhandlung geworden. Auf die Behörden- sowie Gerichtsakten wird wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte trotz Ausbleibens von Beteiligten verhandeln und entscheiden, da in der ordnungsgemäßen Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a Abs. 1 GG i.V.m. § 1 Abs. 1 AsylVfG noch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG oder des Vorliegens von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG; unter diesen Umständen begegnet auch die streitige Abschiebungsandrohung keinen rechtlichen Bedenken (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 VwGO).

Politisch Verfolgter nach Art. 16 a Abs. 1 GG ist, wer für seine Person die aus Tatsachen begründete Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung hegen muss. Eine begründete Furcht vor politischer Verfolgung besteht dann, wenn im Falle der Rückkehr in den Heimatstaat bei verständiger Würdigung der gesamten Umstände des Falles politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Hat ein Asylbewerber schon einmal politische Verfolgung erlitten, so kann ihm der asylrechtliche Schutz nur dann versagt werden, wenn eine Wiederholung der Verfolgungsmaßnahmen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist (vgl. BVerfG, Urt. v. 10.07.1989 - 2 BvR 502, 1000, 961/86, BVerfGE 80, 315 <344>); BVerwG, Urt.v. 31.03.1981, Buchholz 402.24, § 28 AuslG Nr. 27; BVerwGE 67, 314).

Bei der Prüfung der Frage, auf welchen Staat als (potentiellen) Verfolgerstaat abzustellen ist, ist davon auszugehen, dass politische Verfolgung Missbrauch hoheitlicher Herrschaftsmacht durch Ausgrenzung Einzelner aus der übergreifenden Friedensordnung wegen unverfügbarer persönlicher Merkmale wie Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischer Überzeugung ist. Da der Einzelne ohne den Schutz einer staatlichen Ordnung nicht menschenwürdig existieren kann, bietet ihm das Asylrecht im Falle seiner Verfolgung durch den Heimatstaat eine subsidiäre Zuflucht. Diese Sichtweise begrenzt zugleich den Schutzbereich des Asylgrundrechts aus Art. 16a Abs. 1 GG; sie gilt gleichermaßen für den asylrechtlichen Abschiebungsschutz nach § 51 AuslG und für den Begriff des Flüchtlings im Sinne des Art. 1 A und 33 des Abkommens über die Rechtstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention). Schutzlos ist ein politisch Verfolgter aber nur, solange er anderweitig keinen wirksamen Schutz genießt. Ist sein Heimatstaat der Verfolger, beseitigt die Schutzgewährung durch einen Drittstaat die Schutzlosigkeit (vgl. § 27 AsylVfG). Verfolgt ihn sein - mit dem Staat seiner Staatsangehörigkeit nicht identischer - Aufenthaltsstaat, beseitigt die Schutzgewährung durch den Heimatstaat seine Schutzlosigkeit. Ein Asylanspruch besteht deshalb nicht, wenn ein Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Asylsuchende besitzt, bereit und fähig ist, diesen gegen Verfolgungsmaßnahmen eines anderen Staates zu schützen. Dieser für das Asylrecht nach dem Grundgesetz geltende Grundsatz der Subsidiarität liegt auch Art. 1 A Nr. 2 Abs. 1 Genfer Konvention zugrunde. Danach sind Personen, die eine Staatsangehörigkeit besitzen nur dann Flüchtlinge, wenn sie des Schutzes desjenigen Staates entbehren, dem sie angehören (vgl. BVerwG, Urteil vom 06.08.1996 - 9 C 172/95 -, BVerwGE 101, 328).

Bei Anlegung dieser Maßstäbe scheitert die Asylanerkennung daran, dass der Kläger die Staatsangehörigkeit Eritreas innehat und er dort vor politischer Verfolgung sicher ist.

Die Frage, welche Staatsangehörigkeit eine Person innehat, bestimmt sich nach dem Staatsangehörigkeitsrecht des in Frage kommenden Staates, denn Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit werden grundsätzlich durch innerstaatliche Rechtsvorschriften geregelt. Der Kläger konnte ausgehend von seiner Abstammung und seinem Geburtsort im - auch jetzigen - Gebiet Äthiopiens bis zur Unabhängigkeit des Staates Eritrea zunächst nur die äthiopische Staatsangehörigkeit innehaben. Mit Eintritts der Unabhängigkeit Eritreas im Jahr 1993 ist er jedoch - zusätzlich - eritreischer Staatsangehöriger geworden, ohne dass es hierzu eines Einbürgerungsaktes oder der Verleihung der eritreischen Staatsangehörigkeit bedurfte. Dies ergibt sich aus Folgendem:

Der Erwerb der eritreischen Staatsangehörigkeit richtet sich nach der Eritrean Nationality Proclamation No. 21/1992 (Eritreische Staatsangehörigkeitsverordnung Nr. 21/1992, vgl. die Übersetzung in der Anlage der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 12.09.1995 an das VG Wiesbaden, im folgenden bezeichnet als "Verordnung"). Der Erwerb der Staatsangehörigkeit durch Geburt ist geregelt in deren Nr. 2. Diese lautet ausweislich der genannten Übersetzung wie folgt:

Abs. 1: Wer in Eritrea oder im Ausland als Kind eines Vaters oder einer Mutter eritreischer Abstammung geboren ist, ist eritreischer Staatsangehöriger durch Geburt.

Abs. 2: "Eritreischer Abstammung" ist, wer 1933 seinen Aufenthalt in Eritrea hatte.

Abs. 3: Wer in Eritrea als Kind unbekannter Eltern geboren ist, wird bis zum Beweis des Gegenteils als eritreischer Staatsangehöriger durch Geburt betrachtet.

Abs. 4: Wer durch Abstammung oder Geburt Eritreer ist, erhält auf Antrag eine Staatsangehörigkeitsbescheinigung vom Ministerium des Innern.

Abs. 5: Wer durch Geburt Eritreer ist, seinen Aufenthalt im Ausland hat und eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzt, hat einen Antrag an das Ministerium des Innern zu richten, wenn er förmlich auf seine ausländische Staatsangehörigkeit zu verzichten und die eritreische Staatsangehörigkeit zu erwerben wünscht oder wenn er wünscht, dass nach Vorlage ausreichender Gründe seine eritreische Staatsangehörigkeit anerkannt wird, während er seine fremde Staatsangehörigkeit beibehält.

Der Kläger ist zwar in Addis Abeba geboren, wo auch bis zu seiner Ausreise ansässig war. Jedoch stammen, wie die gerichtliche Nachfrage ergeben hat, die Eltern und Großeltern des Klägers aus Eritrea und sind eritreischer Abstammung im Sinne der Nr. 2 Abs. 2 der Verordnung. Der Begriff der "eritreischen Abstammung" in Nr. 2 Abs. 2 der Verordnung ist nicht mit der eritreischen Volkszugehörigkeit identisch, sondern verlangt darüber hinaus den Aufenthalt einer Person im Gebiet des heutigen Eritrea im Jahr 1933. Nach Nr. 2 Abs. 1 der Verordnung vermitteln diese Personen die eritreische Staatsangehörigkeit ihren Abkömmlingen. Danach hat der Kläger nach Nr. 2 Abs. 1 der Verordnung durch Geburt die eritreische Staatsangehörigkeit erlangt, denn seine Vorfahren lebten 1933 im Gebiet des heutigen Eritrea. Nr. 2 Abs. 4 der Verordnung sieht für diesen Fall vor, dass auf Antrag eine Staatsangehörigkeitsbescheinigung erstellt wird. Die Erteilung der Staatsangehörigkeitsbescheinigung setzt die eritreische Staatsangehörigkeit voraus. Die Bescheinigung begründet nicht eine ansonsten nicht bestehende Staatsangehörigkeit, sondern dokumentiert nur ihr Vorhandensein. Sie hat also nur deklaratorische Wirkung.

In seiner Auskunft vom 02.02.2001 an das Verwaltungsgericht Gießen führt das Auswärtige Amt aus, nach seinen Erkenntnissen gelte die Verbalnote der eritreischen Regierung vom 20.09.1993 zum Staatsangehörigkeitsrecht weiterhin. Mit dieser wurde u.a. bestätigt, dass es hinsichtlich des Erwerbs der eritreischen Staatsangehörigkeit keine Sonderregelungen für im Ausland lebende Personen gibt. Somit findet die Staatsangehörigkeitsverordnung auch auf solche eritreischstämmige Personen Anwendung, die vor der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland in Äthiopien gelebt haben und nicht über eine ID-Karte Eritreas verfügen. In dieser Auskunft ist weiter ausgeführt, die Problematik bei der Ausstellung von Personaldokumenten zum Zwecke der Heimreise an eritreische Staatsangehörige liege im Wesentlichen im praktischen Bereich, nämlich in der Erbringung des Nachweises über die eritreische Staatsangehörigkeit. Personen die den Erwerb der eritreischen Staatsangehörigkeit nicht durch Vorlage von Personaldokumenten (z.B. Geburtsurkunde) belegen können, werden danach üblicherweise durch die Botschaft bzw. das Generalkonsulat aufgefordert, drei Zeugen, die ihrerseits nachweislich die eritreische Staatsangehörigkeit besitzen müssen, beizubringen.

Entgegen der Ansicht des Klägers unterfällt er -selbst wenn seine frühere äthiopische Staatsangehörigkeit fortbestehen sollte- nicht der Regelung in Nr. 2 Abs. 5 der Verordnung. Zur Klärung der Frage, ob eine von Eltern eritreischer Abstammung abstammende Person, die vor der Ausreise nach Deutschland in Äthiopien gelebt hat und auch dort geboren wurde, die eritreische Staatsangehörigkeit unmittelbar nach Nr. 2 Abs. 1 - 4 der Verordnung erworben hat oder ob sie diese nur auf Antrag aufgrund Nr. 2 Abs. 5 der Verordnung erwerben könnte, hat der Senat eine Auskunft des Auswärtigen Amtes eingeholt. Nach dieser Auskunft vom 21.11.2001 hat das für Staatsangehörigkeitsfragen zuständige Department für Immigration and Nationality von Eritrea auf mündliche Nachfrage erklärt, dass im Ausland lebende Eritreer, die eine fremde Staatsangehörigkeit innehaben, keinen förmlichen Antrag im Sinne von Nr. 2 Abs. 5 der Verordnung stellen müssen, um als eritreische Staatsangehörige anerkannt zu werden. Faktisch würde jeder im Ausland lebende Eritreer, auch wenn er eine fremde Staatsangehörigkeit besitzt, als eritreischer Staatsangehöriger anerkannt, wenn er seine Abstammung nachweisen oder gegebenenfalls Zeugen für seine Abstammung benennen könne. Üblicherweise würden Eritreer bei der jeweiligen Auslandsvertretung vorsprechen und beispielsweise eine ID-Card oder einen eritreischen Reisepass beantragen. Mit diesem Antrag müssen Nachweise über die eritreische Abstammung eingereicht bzw. Zeugen, die die Abstammung bestätigen können, benannt werden. Die Angaben werden vor Ort in Eritrea überprüft. Sind sie zutreffend und ist die eritreische Abstammung damit belegt, wird der Antragsteller als eritreischer Staatsangehöriger angesehen und das beantragte Dokument ausgestellt. Es wurde ausdrücklich bestätigt, dass dies auch für Eritreer gilt, die vorher in Äthiopien lebten und möglicherweise die äthiopische Staatsangehörigkeit besitzen bzw. besaßen.

Der Senat hat keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser Auskunft zu zweifeln. Dass sie dem Auswärtigen Amt nicht direkt durch offizielle Stellen gegeben wurde, steht ihrer Richtigkeit nicht entgegen. Es ist vielmehr vielfach erforderlich und üblich, Vertrauenspersonen einzuschalten, um Informationen etwa zu einer Verwaltungspraxis zu erhalten. Soweit der Kläger offenbar meint, die hier erlangte Information sei nicht zutreffend bzw. nicht zuverlässig, sind hierfür keine Belege oder auch nur nachprüfbare Anhaltspunkte vorgelegt worden. Dass die Informationsquellen nicht ins letzte offengelegt sind, steht für sich deren Verwertbarkeit nicht generell entgegen. Derartiges ist oftmals schon zum Schutz der Informanten erforderlich. Im übrigen ist diese Praxis nicht spezifisch für das Auswärtige Amt. Auch andere Auskunftsstellen geben ihre Informationsquellen oftmals nicht preis. Der Hinweis des Klägers auf angeblich gemachte Erfahrungen der Abschiebebehörden führt zu nichts anderem. In der Auskunft des Auswärtigen Amtes wird gerade auch dargelegt, dass - unabhängig von der rechtlichen Situation - der Nachweis der eritreischen Abstammung im Einzelfall oftmals schwierig sein kann. Dies mag die behaupteten Schwierigkeiten der Abschiebebehörden erklären, so dass es insoweit auch keiner weiteren Ermittlungen bedarf. Nach dieser Auskunft geht der Senat davon aus, dass der Kläger durch Geburt als Kind von Eltern eritreischer Abstammung die eritreische Staatsangehörigkeit erlangt hat. Dass er in Äthiopien geboren wurde, im Zeitpunkt der Unabhängigkeit Eritreas dort gelebt hat und von dort ins Bundesgebiet ausgereist ist, ändert daran nichts. Denn die hier vorliegende Fallgruppe wird nach der genannten Auskunft von den eritreischen Behörden der Nr. 2 Abs. 1 - 4 der Verordnung zugeordnet, so dass die eritreische Staatsangehörigkeit kraft Gesetzes besteht und eine Staatsangehörigkeitsbescheinigung lediglich deklaratorische Wirkung hat. Aus dem Umstand, dass der Betroffene seine eritreische Abstammung nachweisen muss, ist nicht zu folgern, dass eine Fallgruppe des Absatzes 5 vorläge. Es handelt sich dabei vielmehr lediglich um das Erfordernis, die tatbestandlichen Voraussetzungen der kraft Verordnung bestehenden Staatsangehörigkeit nachzuweisen.

Die sonstigen dem Senat vorliegenden Erkenntnisse führen zu keiner anderen Beurteilung:

Günther Schröder (langjährig in Äthiopien und Eritrea für kirchliche Organisationen tätig gewesener sozialwissenschaftlicher Berater, vgl. Protokoll der Vernehmung durch das VG Gießen v. 08.08.2000) führt in seiner Stellungnahme vom 31.01.2001 an das VG Kassel aus, das eritreische Staatsangehörigkeitsrecht definiere als Geburts-Eritreer im Gegensatz zu Einbürgerungs-Eritreern jede Person, die vor 1933 auf eritreischem Territorium lebte und deren Nachfahren in männlicher und weiblicher Linie. Die eritreische Abstammung und damit das Recht auf eritreische Staatsbürgerschaft wäre gegenüber den eritreischen Behörden durch den Nachweis zu belegen, dass wenigstens ein Angehöriger der Familie vor 1933 auf dem Territorium des heutigen Eritrea gelebt hat. In Abwesenheit von verlässlichen Melderegistern für die zurückliegenden Jahrzehnte wird von den eritreischen Behörden das glaubwürdige Zeugnis von wenigstens drei erwachsenen Personen aus dem beanspruchten Herkunftsgebiet innerhalb Eritreas als Nachweis akzeptiert. Wenngleich sich diese Auskunft hierzu nicht explizit äußert, ist ihr jedoch hinreichend deutlich zu entnehmen, dass bei entsprechender Abstammung die eritreische Staatsangehörigkeit kraft Gesetzes besteht und es eines staatlichen Verleihungsaktes nicht bedarf. Denn die Prüfung der eritreischen Behörden beschränkt sich danach auf die Abstammung von eritreischstämmigen Eltern und führt dann ohne weiteres zur Bestätigung der Staatsangehörigkeit.

Das Institut für Afrikakunde führt bereits in seiner Auskunft vom 15.11.1999 an das VG Gießen aus, jede Person, die von mindestens einem eritreischen Elternteil abstamme, sei eritreischer Staatsbürger. Lediglich für Exileritreer, die der Auflage, zwei Prozent ihres Einkommens als Steuern an die eritreische Regierung abzuführen, nicht nachkämen, gebe es Probleme dergestalt, dass sie zwar in der Regel nach Eritrea einreisen könnten, dort jedoch keine behördlichen Dienstleistungen in Anspruch nehmen könnten. Auch in der Auskunft des Instituts für Afrikakunde vom 18.11.1999 ist ausgeführt, die eritreische Verfassung garantiere allen Personen mit mindestens einem eritreischen Elternteil die Staatsbürgerschaft. Da die Klägerin jenes Verfahrens in Asmara geboren und ihre Eltern eritreischer Herkunft seien, sei mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der eritreische Staat sie als Staatsbürgerin anerkennen werde. In seiner Auskunft vom 12.07.2000 bestätigt das Institut für Afrikakunde wiederum, dass die eritreische Verfassung allen Personen mit mindestens einem eritreischstämmigen Elternteil die eritreische Staatsangehörigkeit garantiere. Die (in jenem Verfahren) in Äthiopien als Kind eritreischer Eltern geborene Klägerin werde von den eritreischen Behörden als Eritreerin betrachtet. In der genannten Auskunft ist weiter ausgeführt, dass die äthiopischen Behörden Personen, die am eritreischen Unabhängigkeitsreferendum teilgenommen hätten, diese nunmehr als eritreische Staatsangehörige betrachten würden. Bei der Abhaltung des Referendums hätten alle zur Teilnahme registrierten Eritreer einen eritreischen Personalausweis und damit die eritreische Staatsangehörigkeit erhalten. Dies habe auch alle im Exil lebenden Eritreer einschließlich der in Äthiopien ansässigen betroffen. In der Auskunft des Instituts für Afrikakunde vom 08.12.2000 an das VG Kassel ist ausgeführt, die (damalige) provisorische Regierung Eritreas, die 1991 die Macht übernommen hatte, habe die Registrierung zur Teilnahme am Referendum mit einer Registrierung als eritreische Staatsbürger verbunden. Die registrierten Personen hätten ein ID-Card erhalten, die sie gleichzeitig nach eritreischem Recht als eritreische Staatsbürger ausweise. Inzwischen solle die Eritreische Botschaft aber an alle Personen eritreischer Volkszugehörigkeit Pässe ausstellen, wobei teilweise von Problemen berichtet werde, wenn die Antragsteller die von der eritreischen Regierung erhobene Steuer von zwei Prozent für im Ausland lebende Eritreer nicht entrichtet hätten. Nach der letztgenannten Auskunft kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Teilnahme am Referendum von den eritreischen Behörden als Voraussetzung für den Erwerb der Staatsangehörigkeit gesehen werde. Auch aus der Auskunft des Instituts für Afrikakunde vom 21.03.2001 kann dieser Schluss nicht gezogen werden. Darin ist zwar ausgeführt, Personen eritreischer oder halberitreischer Abstammung, die am Unabhängigkeitsreferendum teilgenommen hätten, gälten seitens der eritreischen Behörden als eritreische Staatsbürger. Beim Registrierungsverfahren für das Referendum 1993 sei ihnen eine eritreische Identitätskarte ausgestellt worden, die eine Einreise nach Eritrea ermögliche. Dem kann jedoch nicht entnommen werden, dass die Teilnahme am Referendum Voraussetzung für den Erhalt der eritreischen Staatsbürgerschaft ist. Vielmehr ergibt sich daraus, dass Personen, die am Referendum teilgenommen und eine ID-Card erhalten haben, damit den Nachweis der eritreischen Abstammung und damit der eritreischen Staatsangehörigkeit geführt haben. Dies ändert nichts daran, dass auch Personen, die nicht an dem Referendum teilgenommen haben, bei Abstammung von zumindest einem eritreischstämmigen Elternteil die eritreische Staatsangehörigkeit innehaben. Sie können lediglich den Nachweis der Abstammung bzw. Staatsangehörigkeit nicht durch die Referendumsteilnahme erbringen.

amnesty international führt in der Auskunft vom 11.12.2000 an das VG Magdeburg aus, einem Kind eritreischer Eltern würde die eritreische Staatsangehörigkeit zustehen. Weiter heißt es, dass die Klägerin jenes Verfahrens die Staatsangehörigkeit bei eritreischen Behörden beantragen müsse, weil sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb Eritreas habe. Dies steht nicht im Widerspruch zur Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21.11.2001. Die "Beantragung" der Staatsangehörigkeit bedeutet nämlich nicht, dass dies zwingend der Antrag auf Verleihung nach Nr. 2 Abs. 5 der Verordnung sein müsse, vielmehr kann sich dies auch auf den Antrag auf (bestätigende) Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsdokumentes beziehen.

Die Stellungnahme des UNHCR zu Staatsangehörigkeits- und Statusfragen in Zusammenhang mit dem Konflikt zwischen Äthiopien und Eritrea vom August 1999 (als Anlage enthalten bei der Auskunft von amnesty international vom 10.11.1999 an das VG Wiesbaden) ist nicht eindeutig. In ihr ist einerseits ausgeführt, Art. 3 der eritreischen Verfassung bestimme, dass Kinder mit Geburt die eritreische Staatsangehörigkeit erwerben, wenn ein Elternteil die eritreische Staatsbürgerschaft besitzt. Die Verordnung Nr. 21/1992 regele den Erwerb der eritreischen Staatsangehörigkeit. Nach Art. 2 Abs. 2 hänge die eritreische Herkunft davon ab, ob eine Person bereits 1933 ihren ständigen Aufenthalt in Eritrea hatte. Eine solche Person ist eritreischer Abstammung. Jeder, der einen Vater oder eine Mutter eritreischer Abstammung habe, erwerbe automatisch die eritreische Staatsangehörigkeit. Andererseits wird in der Stellungnahme ausgeführt, dass eine Person, der die eritreische Staatsangehörigkeit durch Geburt zusteht, wenn sie sich im Ausland aufhält und die Staatsangehörigkeit eines anderen Landes hat, die eritreische Staatsangehörigkeit beim Innenministerium beantragen muss, wenn sie die andere Staatsangehörigkeit ablegen und die eritreische Staatsangehörigkeit annehmen möchte oder sie neben der fremden Staatsangehörigkeit beibehalten möchte. Die meisten Personen, auf die diese Regelung zutreffe, seien Personen mit Wohnsitz Äthiopien. Weiter wird ausgeführt, es könne weder angenommen werden, dass die Teilnahme am Referendum gleichbedeutend mit der Aufgabe einer anderen Staatsangehörigkeit gewesen sei, noch könne davon ausgegangen werden, dass alle Personen eritreischer Volkszugehörigkeit mit der Unabhängigkeit Eritreas notwendigerweise eritreische Staatsangehörige geworden seien. Der UNHCR scheint sonach einerseits davon auszugehen, dass für den Erwerb der eritreische Staatsangehörigkeit nach Nr. 2 Abs. 1 bis 4 der Verordnung die Abstammung von eritreischstämmigen Eltern entscheidend ist, dass andererseits jedoch die Fallgruppe der Personen, die zwar von eritreischstämmigen Eltern abstammen, jedoch in Äthiopien leben bzw. gelebt haben, nach Nr. 2 Abs. 5 der Verordnung zu beurteilen wäre. Indes kann der letztgenannten Einschätzung angesichts der eindeutigen Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21.11.2001 an den VGH Baden-Württemberg nicht mehr gefolgt werden. Unabhängig davon, ob der Wortlaut der Verordnung 21/1992 eine andere Handhabung tragen würde, geht nach dieser Auskunft die Praxis des eritreischen Staates dahin, Personen, die nach ihrer Abstammung von zumindest einem eritreischstämmigen Elternteil die eritreische Staatsangehörigkeit erlangt haben, nach Nr. 2 Abs. 4 der Verordnung zu beurteilen, dass es also nicht des konstitutiven Erwerbs der Staatsangehörigkeit nach Nr. 2 Abs. 5 der Verordnung bedarf. Maßgebend ist dabei insbesondere auch, dass sich die in der Stellungnahme vom August 1999 vertreten Auffassung des UNHCR offenbar aus einer Auslegung des Wortlauts der Verordnung ergibt, während die Auskunft des Auswärtigen Amtes an die praktische Handhabung durch die eritreischen Behörden anknüpft. Auch die Auskunft des UNHCR vom 06.02.2001 an das VG Gießen führt zu keiner anderen Einschätzung. Diese befasst sich ausschließlich mit Fragen der Staatsangehörigkeit bzw. des Nachweises der Staatsangehörigkeit solcher Personen, die von Äthiopien nach Eritrea deportiert wurden. Sie erlaubt keine Beurteilung des staatsangehörigkeitsrechtlichen Status von Personen, die zwar zunächst in Äthiopien gelebt haben, dann jedoch in der Bundesrepublik ein Asylverfahren durchlaufen haben und nach dessen Abschluss nach Eritrea einreisen möchten.

Die in der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21.11.2001 angesprochene Praxis der eritreischen Behörden steht auch mit dem Wortlaut der Nr. 2 der Verordnung in Einklang, insb. behält deren Abs. 5 auch hiernach einen eigenen Regelungsinhalt: Nach Nr. 2 Abs. 1 und 2 der Verordnung sind eritreische Staatsangehörige durch Geburt nicht alle Personen, die von eritreischen Volkszugehörigen abstammen, sondern nur solche, die von Personen "eritreischer Abstammung" (die also 1933 in Eritrea lebten) abstammen. Wer hingegen "nur" eritreischer Volkszugehöriger ("durch Geburt Eritreer") ist, jedoch nicht das weitere Merkmal der Abkunft von Personen "eritreischer Abstammung" erfüllt, kann unter den weiteren Voraussetzungen des Abs. 5 die Option für die eritreische Staatsangehörigkeit ausüben. Mit dem Begriff "durch Geburt Eritreer" meint Nr. 2 Abs. 5 der Verordnung somit ersichtlich nicht Personen, die durch Geburt eritreische Staatsangehörige (i.S.v. Nr. 1 Abs. 1 der Verordnung) sind, denn mit dieser Auslegung würde Abs. 5 in sich widersprüchlich: Sein Regelungsgehalt läge dann im Erwerb der eritreischen Staatsangehörigkeit durch Personen, die diese schon innehaben. Damit kann Abs. 5 auch nicht als (abschließende) Spezialregelung für Fälle doppelter Staatsangehörigkeit angesehen werden.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Kläger angesichts seiner Abstammung von eritreischstämmigen Eltern aufgrund der Nr. 2 Abs. 1 bis 4 der Verordnung kraft Gesetzes die eritreische Staatsangehörigkeit erworben hat. Der Umstand, dass die eritreischen Behörden einen Nachweis der eritreischen Abstammung verlangen, steht dem Innehaben der Staatsangehörigkeit nicht entgegen. Insoweit ist zu unterscheiden zwischen dem Bestehen der eritreischen Staatsangehörigkeit und dessen Nachweis. Sollte dem Kläger dieser Nachweis nicht gelingen oder sollte er sich weigern, die Nachweise zu erbringen oder an deren Erbringung mitzuwirken, hätte dies allenfalls das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses (§ 55 Abs. 2 AuslG) zur Folge, wäre jedoch für einen Asylanspruch irrelevant. Anhaltspunkte dafür, dass die eritreischen Behörden an den Nachweis überzogene Anforderungen stellen würden, um so faktisch die Anerkennung der Staatsangehörigkeit zu vereiteln, bestehen nicht.

Der Kläger ist danach eritreischer Staatsangehöriger. Anhaltspunkte für eine vom eritreischen Staat ausgehende Verfolgung sind nicht ersichtlich. Offenbleiben kann, ob dem Kläger in Eritrea eine Einberufung zum Militärdienst drohen würde. Weder die Einberufung noch die Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung stellen schlechthin eine politische Verfolgung dar: Die Heranziehung zum Wehrdienst ist nur dann politische Verfolgung, wenn sie neben der Erfüllung einer allgemeinen staatsbürgerlichen Pflicht auch darauf gerichtet ist, den Betroffenen wegen eines asylerheblichen Persönlichkeitsmerkmals zu treffen (vgl. BVerfG, Beschl.v. 11.12.1985, BVerfGE 71, 276, 294; BVerwG, Urteile v. 25.06.1991, InfAuslR 91, 310, 313 und v. 24.11.1992, DVBl. 1993, 395). Anhaltspunkte, dass in Eritrea bei einer Einberufung an asylerhebliche Merkmale angeknüpft würde, besteht nicht. Bei der Heranziehung zum Militärdienst werden alle Gruppen der Gesellschaft gleich behandelt, eine Unterscheidung nach Rasse, Religion bzw. Nationalität findet nicht statt (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Eritrea vom 15.10.2002, Stand September 2002). Soweit der Kläger insb. unter Hinweis auf die Auskunft von amnesty international vom 28.02.2000 an das VG Köln in der Sache geltend macht, die eritreische Regierung dulde keinesfalls die Zugehörigkeit zu oppositionellen Gruppen bedarf dies ebenfalls keiner weiteren Überprüfung und Erörterung, da der Kläger nicht geltend macht, einer solchen eritreischen Oppositionsgruppe anzugehören. Vielmehr hat er im Klageverfahren Furcht vor einer Beobachtung durch den äthiopischen Geheimdienst wegen unterstellter exiloppositioneller Aktivitäten gegen Äthiopien geltend gemacht. Dies wie auch die befürchtete Deportation nach Eritrea wäre jedoch allein dem äthiopischen Staat zuzurechnen. Der Kläger kann mithin in Eritrea Sicherheit vor Verfolgung erlangen und ist daher auf die Gewährung politischen Asyls nicht angewiesen. Ihm ist die Rückkehr nach Eritrea möglich und zumutbar. Der von den eritreischen Behörden geforderte Nachweis der Abstammung lässt, wie bereits ausgeführt, nicht den Schluss auf eine fehlende Aufnahmebereitschaft Eritreas zu.

Nachdem der Kläger in Eritrea eine verfolgungsfreie Zuflicht finden kann, bedarf es keiner weiteren Prüfung, ob ihm in Äthiopien politische Verfolgung drohen könnte. Offen bleiben kann insbesondere auch, ob der Kläger neben der eritreischen noch die äthiopische Staatsangehörigkeit innehat.

Der Kläger hat somit keinen Anspruch aus Art. 16 a Abs. 1 GG. Damit ist auch ein Abschiebungshindernis nach § 51 Abs. 1 AuslG, das in seinen Voraussetzungen mit denen des Asylanspruchs im Wesentlichen identisch ist, nicht gegeben.

Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG liegen gleichfalls nicht vor. Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 1 bis 4 AuslG scheiden aus, zumal eine "unmenschliche Behandlung" nach § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK zielgerichtete Maßnahmen staatlicher oder dem Staat zurechenbarer Kräfte erfordert (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.04.1997, InfAuslR 1997, 341; vom 17.10.1995, NVwZ 1996, 476 und vom 04.06.1996, InfAuslR 1996, 289), wofür bezogen auf den Kläger in Eritrea jegliche Anhaltspunkte fehlen.

Schließlich kann sich der Kläger auch nicht auf § 53 Abs. 6 AuslG berufen. Nach dieser Vorschrift kann von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht (Satz 1); Gefahren in diesem Staat, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, werden bei Entscheidungen nach § 54 AuslG berücksichtigt (Satz 2). Mit dieser Regelung soll nach dem Willen des Gesetzgebers erreicht werden, dass dann, wenn eine bestimmte Gefahr der ganzen Bevölkerung oder einer im Abschiebezielstaat lebenden Bevölkerungsgruppe gleichermaßen droht, über deren Aufnahme oder Nichtaufnahme nicht im Einzelfall durch das Bundesamt und eine Ermessensentscheidung der Ausländerbehörde, sondern für die ganze Gruppe der potentiell Betroffenen einheitlich durch eine politische Leitentscheidung des Innenministeriums befunden wird (vgl. BVerwG, Urteile vom 17.10.1995, BVerwGE 99, 324 und vom 27.04.1998, AuAS 1998, 243). Allgemeine Gefahren im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG können daher auch dann nicht Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG begründen, wenn sie den Ausländer konkret und in individualisierbarer Weise betreffen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.10.1995, a.a.O.). Trotz bestehender konkreter erheblicher Gefahr ist danach die Anwendbarkeit des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG im Verfahren eines einzelnen Ausländers "gesperrt", wenn dieselbe Gefahr zugleich einer Vielzahl weiterer Personen im Abschiebezielstaat droht (BVerwG, Urteil vom 27.04.1998, a.a.O.).

Diese Entscheidung des Bundesgesetzgebers haben die Verwaltungsgerichte zu respektieren. Sie dürfen daher im Einzelfall Ausländern, die einer gefährdeten Gruppe angehören, für die ein Abschiebestopp nach § 54 AuslG nicht besteht, nur dann ausnahmsweise Schutz vor der Durchführung der Abschiebung in verfassungskonformer Anwendung des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG zusprechen, wenn keine anderen Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG gegeben sind, eine Abschiebung aber Verfassungsrecht verletzten würde (stRspr; vgl. BVerwG, Urteile vom 17.10.1995, a.a.O. und vom 27.04.1998, a.a.O.). Das ist dann der Fall, wenn der Ausländer in seinem Heimatstaat einer extremen Gefahrenlage dergestalt ausgesetzt wäre, dass er im Falle seiner Abschiebung dorthin gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert sein würde. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, dem einzelnen Ausländer unabhängig von einer ministeriellen Ermessensentscheidung Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG zu gewähren.

Eine extreme Gefahrenlage in diesem Sinne kann im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats (vgl. § 77 AsylVfG) nicht angenommen werden. Zwar hat der Konflikt mit Äthiopien im Jahr 2000 die Wirtschaft zum Erliegen gebracht. In Folge des Krieges gibt es noch weiträumig verminte Gebiete, deren Säuberung noch Jahre in Anspruch werden wird. Die Nahrungsmittelproduktion, die auch in Friedenszeiten nicht vollständig zur Ernährung der Bevölkerung ausreicht, ist durch eine Dürreperiode im Jahr 2000 fast völlig ausgefallen. Die internationale Gebergemeinschaft hat etwa 60 % der Bevölkerung als für Nahrungsmittelhilfe bezugsberechtigt identifiziert und entsprechend versorgt. Dadurch ist die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 15.10.2002, Stand September 2002). Allerdings berichten jüngste Meldungen - primär bezogen auf Äthiopien, jedoch auch Eritrea betreffend - von einer neuerlichen Dürre in der Region, die zusätzliche Hilfsmaßnahmen der internationalen Gebergemeinschaft erforderlich machen würden (vgl. etwa Frankfurter Rundschau v. 13.11.2002 "Auf den Albtraum folgt der Horror" und vom 14.11.2002 und Nürnberger Nachrichten vom 12.11.2002 "Nur Haut und Knochen"). Auch dem kann jedoch nicht entnommen werden, dass es derzeit derart gravierende Versorgungsmängel geben würde, die die Rückkehrer der Gefahr des Verhungerns aussetzen würde. Eine flächendeckende lebensbedrohliche Unterversorgung ist nicht ersichtlich, so dass eine Abschiebung gegenwärtig nicht "sehenden Auges in den sicheren Tod" erfolgen würde.

Die auf Eritrea lautende Abschiebungsandrohung ist nicht zu beanstanden (§§ 34, 38 AsylVfG, § 50 AuslG).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Ende der Entscheidung

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