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Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 18.06.2001
Aktenzeichen: D 17 S 2/01
Rechtsgebiete: LDO
Vorschriften:
LDO § 12 Abs. 2 Satz 1 | |
LDO § 14 | |
LDO § 19 Abs. 1 Satz 1 | |
LDO § 60 Abs. 1 Nr. 7 |
2. Zur Reichweite der Bindungswirkung eines rechtskräftigen Strafurteils.
3. Zur Frage eines Maßnahmeverbots bei zeitlich weit zurückliegendem Dienstverfahren.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Urteil
Verkündet am 18.6.2001
In dem Disziplinarverfahren
wegen Dienstvergehens
hat der 17. Senat - Disziplinarsenat - des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Prof. Dr. Schmidt, die Richter am Verwaltungsgerichtshof Schefzik und Wiegand sowie die Beamtenbeisitzer Oberstudiendirektor Göpfert und Oberstudienrätin Klages in der Hauptverhandlung vom 18. Juni 2001
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Ruhestandsbeamten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen - Disziplinarkammer - vom 26. Januar 2001 - D 10 K 1/00 - wird zurückgewiesen.
Der Ruhestandsbeamten trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Gründe:
I.
1. Der am 19.4.1932 geborene Ruhestandsbeamte studierte nach dem Abitur, das er im Jahre 1951 ablegte, Schulmusik, Mathematik und Latein. 1956 bestand er die Staatliche Prüfung für private Musiklehrer mit der Gesamtnote "befriedigend". Vom 1.11.1958 bis 31.12.1963 war er als Lehrer für Mathematik und Latein an einem privaten Gymnasium in xxxxxxxxxx tätig. Während dieser Zeit studierte er ab Sommersemester 1960 an der Universität Tübingen das nicht-künstlerische Pflichtfach Latein. Im Juni 1963 bestand er die Künstlerische Prüfung in Musik für das Lehramt an Gymnasien mit dem wissenschaftlichen Beifach Latein (Note "befriedigend") und im folgenden Jahr die Pädagogische Prüfung mit Auszeichnung.
Mit Wirkung vom 7.1.1965 wurde der Ruhestandsbeamte unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Studienassessor ernannt und in den öffentlichen Schuldienst am xxxxxxxx-xxxxxx-xxxxxxxxx xxxxxxxxxx übernommen. Mit Wirkung vom 2.3.1968 wurde er unter Verleihung der Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit zum Studienrat ernannt. Am 1.3.1970 wurde er zum Oberstudienrat und am 1.5.1972 zum Studiendirektor befördert. Am 12.11.1973 wurde er letztmals beurteilt mit der Empfehlung, dass er für würdig und geeignet gehalten werde, die Leitung auch eines großen Gymnasiums zu übernehmen; seine ausgezeichneten mathematischen Kenntnisse und Fähigkeiten und seine ausgeprägten naturwissenschaftlichen und technischen Interessen würden ihn sicher auch mit den fachbedingten Besonderheiten eines mathematisch-naturwissenschaftlichen Gymnasiums fertig werden lassen. Mit Wirkung vom 1.8.1974 erfolgte seine Ernennung zum Oberstudiendirektor und Leiter des xxxxxxxx-xxxxxx-xxxxxxxxxx xxxxxxxxxx. Mit Ablauf des Monats Juli 1996 trat er nach Erreichung der Altersgrenze in den Ruhestand.
Aus der am 20.3.1959 geschlossenen und am 20.10.1987 geschiedenen ersten Ehe des Ruhestandsbeamten sind die Kinder xxxxxxxxx (geboren 1964), xxxxxxxxxx (geboren 1965) und xxxxxx (geboren 1969) hervorgegangen. Am 1.7.1988 heiratete er seine jetzige Ehefrau.
Der Ruhestandsbeamte bezieht ein um ein Siebtel gekürztes Ruhegehalt, seine Ehefrau ein Gehalt als Studienrätin mit einem derzeitigen Deputat von 17 Wochenstunden. Die Eheleute bewohnen das Haus der Ehefrau, das noch mit ca. 80.000,-- DM belastet ist.
Disziplinarrechtlich ist der Ruhestandsbeamte bisher nicht in Erscheinung getreten.
2. Das Amtsgericht xxxxxxxx verurteilte den Ruhestandsbeamten mit Urteil vom 12.7.1995 - rechtskräftig seit 2.7.1997 auf Grund Urteils des Landgerichts xxxxxxxx vom 11.6.1997 - wegen sexueller Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten; die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt (Bewährungszeit 2 Jahre); dem Ruhestandsbeamten wurde auferlegt, einen Geldbetrag in Höhe von 5.000,-- DM an das Frauenhaus e.V. xxxxxxxx zu zahlen. Dem Strafurteil liegen folgende Feststellungen zugrunde:
"Am Dienstag, den 26. Mai 1981 betrat der Angeklagte in seiner damaligen Wohnung im Gebäude xxxxxxxxxxxxx xx in xxxxxxxxxx zwischen 18.30 Uhr und 19.30 Uhr das Zimmer seiner am 12.10.1965 geborenen Tochter xxxxxxxxxx, die damals an ihrem Schreibtisch saß. Der Angeklagte, der auch früher bereits sexuelle Handlungen an seiner Tochter vorgenommen hatte, trat von hinten an seine Tochter heran, um an ihr sexuelle Handlungen vorzunehmen, und umfasste sie. Obwohl seine Tochter ihm sofort eindeutig und deutlich erklärte, derartige Handlungen nicht zu wollen, und auch versuchte, sich ihm körperlich zu entwinden, ergriff der Angeklagte seine Tochter nun an beiden Armen, so dass es ihr nicht möglich war, sich weiterhin zu wehren. Nachdem der Angeklagte seine Tochter festgehalten hatte, drückte er diese dann gewaltsam auf das im Zimmer befindliche Bett. Der Angeklagte hielt dann die Tochter mit einer Hand fest, wobei diese weiteren Widerstand zu leisten für zwecklos hielt. Der Angeklagte griff der Tochter unter die Bluse und streichelte ihre Brust in sexueller Absicht. Danach öffnete er der Tochter die Hose, zog diese herunter und griff ihr an das Geschlechtsteil, um sie mit den Fingern sexuell zu stimulieren. Da die Tochter weiteren Widerstand für zwecklos erachtete, ließ sie das Geschehen widerwillig über sich ergehen. Der Angeklagte war durch das Geschehen derart sexuell erregt, dass er sein Glied aus der Hose nahm und sich anschließend vor seiner Tochter selbst befriedigte. Durch die Tathandlung wurde die Tochter körperlich nicht verletzt. Die Tochter xxxxxxxxxx war zum Tatzeitpunkt 15 Jahre und 7 Monate alt und leidet heute noch seelisch an den Folgen des seit dem 4. Lebensjahr an ihr vom Angeklagten immer wieder bis zum 18. Lebensjahr in unterschiedlicher Weise begangenen sexuellen Missbrauchs."
Zur Strafzumessung wird ausgeführt:
"... Nachdem darüber hinaus auch das Maß der Gewaltanwendung sich in einem mittleren Maß darstellte, konnte von einem minderschweren Fall im Sinne des § 178 StGB ausgegangen werden ...
Bei der Strafzumessung musste berücksichtigt werden, dass der Angeklagte trotz seines fortgeschrittenen Alters bisher in jeder Hinsicht straffrei geblieben war. In gleicher Weise musste gewertet werden, dass der Angeklagte im beruflichen Leben ein qualifizierter und verdienter Schulleiter war, der sich für die schulischen Belange in einem außerordentlich hohen Maß erfolgreich eingesetzt hatte. In gleicher Hinsicht musste berücksichtigt werden, dass der Angeklagte durch das Bekanntwerden des Tatgeschehens in der Öffentlichkeit eine Rufschädigung erheblichen Ausmaßes und nachfolgende Beleidigungen ertragen musste. Auch die vorläufige Suspendierung ab 1991 von seiner Schulleiterfunktion und die Kürzung der Gehaltsbezüge waren mildernd zu berücksichtigen. Das Gericht ging aufgrund der Feststellungen von einer mittelschweren Tatbestandsverwirklichung aus, da der Angeklagte weder brutal, noch exzessiv, noch körperlich verletzend für wenige Minuten das eigentliche Tatgeschehen verwirklichte. Zu Ungunsten des Angeklagten musste jedoch der erhebliche Vertrauensmissbrauch gegenüber seiner Tochter berücksichtigt werden und die Tatsache, dass der Angeklagte durch das Tatgeschehen die Person der Tochter in erheblichem Maße missachtete.
Nachdem darüber hinaus das Tatgeschehen über ein Jahrzehnt zurückliegt, hielt das Gericht unter Abwägung sämtlicher Umstände eine Freiheitsstrafe von neun Monaten für tat- und schuldangemessen."
3. Mit Verfügung vom 1.8.1991 leitete das Ministerium für Kultus und Sport Baden-Württemberg das förmliche Disziplinarverfahren gegen den Ruhestandsbeamten ein, weil der Verdacht bestehe, dass er zu seiner Tochter xxxxxxxxxx ab deren 5. Lebensjahr bis zu ihrem Auszug aus dem Elternhaus im Alter von 18 Jahren sexuelle Kontakte unterhalten, dass er eine verheiratete Kollegin und eine Schülerin sexuell belästigt sowie ein Liebesverhältnis zu einer Referendarin und einer weiteren Kollegin begonnen habe; ferner enthob ihn die Behörde vorläufig des Dienstes und ordnete die Einbehaltung der Hälfte der Besoldungsbezüge, ausgenommen Ortszuschlag, an. Auf Antrag des Ruhestandsbeamten hob das Verwaltungsgericht xxxxxxxxxxx - Disziplinarkammer - mit Beschluss vom 12.12.1991 - DK 9/91 - diese Verfügung hinsichtlich der Einbehaltung der Besoldungsbezüge wegen eines Ermessensfehlers rückwirkend auf und stellte im Übrigen das Verfahren nach Zurücknahme des Antrags ein. Mit Verfügung vom 27.11.1991 setzte das Ministerium für Kultus und Sport Baden-Württemberg das Disziplinarverfahren bis zur Beendigung des eingeleiteten Strafverfahrens aus. Nach im Januar 1992 erfolgter Anhörung des Ruhestandsbeamten verfügte das Ministerium für Kultus und Sport Baden-Württemberg mit Bescheid vom 9.7.1992 die Einbehaltung von 40 v.H. der Besoldungsbezüge des Ruhestandsbeamten, ausgenommen Ortszuschlag, rückwirkend zum 1.9.1991. Die Verfügung wurde vom Verwaltungsgericht xxxxxxxxxxx - Disziplinarkammer - mit Beschluss vom 8.10.1992 - DK 3/92 - aufrecht erhalten. Auf die Beschwerde des Ruhestandsbeamten hob der Disziplinarsenat mit Beschluss vom 2.4.1993 - D 17 S 22/92 - die Verfügung insoweit auf, als die teilweise Einbehaltung der Besoldungsbezüge rückwirkend für die Zeit vom 1.9.1991 bis 31.7.1992 angeordnet worden ist; im Übrigen wurde die Beschwerde zurückgewiesen.
Nach Rechtskraft des Strafurteils wurde mit Verfügung vom 10.9.1997 die Fortführung des Disziplinarverfahrens angeordnet. Unter dem 5.3.1998 wurde der Ruhestandsbeamte (über seinen Verteidiger) zur Vernehmung geladen. Der Ruhestandsbeamte teilte mit Schreiben vom 18.3.1998 - vorgelegt durch Schriftsatz seines Verteidigers vom 20.3.1998 - mit, dass er nicht erscheinen und keine Stellungnahme abgeben werde, bevor ihm nicht eine genaue Auflistung der gegen ihn erhobenen Vorwürfe vorliege; er weise jedwede Anschuldigung gegen sich zurück. Mit Schreiben vom 1.4.1999 wurde der Ruhestandsbeamte (über seinen Verteidiger) erneut zur Vernehmung geladen und darauf hingewiesen, dass sich die erbetene "Auflistung der Vorwürfe" aus der Einleitungsverfügung vom 1.8.1991 ergebe und dass der Untersuchungsführer bezüglich des Vorfalls vom 26.5.1981 an die tatsächlichen Feststellungen im rechtskräftigen Strafurteil vom 12.7.1995 gebunden sei. Mit Schreiben vom 9.4.1999 bat der Verteidiger, den Vernehmungstermin vom 26.4.1999 abzusetzen; der Ruhestandsbeamte sehe sich außer Stande, sich einer weiteren Anhörung auszusetzen; beigefügt war ein Schreiben des Ruhestandsbeamten vom 1.4.1999, das wortgleich dessen Schreiben vom 18.3.1998 entsprach. Nach Anordnung der Verwertung von Niederschriften über Zeugenaussagen im Strafprozess und im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, worüber der Ruhestandsbeamte und sein Verteidiger informiert wurden, gab der Untersuchungsführer dem Ruhestandsbeamten (über seinen Verteidiger) mit Schreiben vom 10.8.1999 Gelegenheit, sich bis 6.9.1999 abschließend zu äußern, was allerdings nicht geschah. Unter dem 7.10.1999 erstellte der Untersuchungsführer den zusammenfassenden Bericht.
II.
1. Am 12.1.2000 hat der Vertreter der Einleitungsbehörde der Disziplinarkammer beim Verwaltungsgericht xxxxxxxxxxx die Anschuldigungsschrift vorgelegt. Darin wird dem Ruhestandsbeamten vorgeworfen, er habe dadurch ein Dienstvergehen begangen, dass er - neben einer sexuellen Belästigung der Schülerin J. im Schuljahr 1982/83 oder 1983/84 und einer sexuellen Belästigung der Oberstudienrätin x. im Jahre 1985 - an seiner am 12.10.1965 geborenen Tochter xx. xxxxxxxxxx x. etwa in der Zeit von deren 5. Lebensjahr an bis weniger Monate vor ihrem Auszug aus dem Elternhaus nach dem Abitur im Alter von 18 Jahren immer wieder, ab deren 12. oder 13. Lebensjahr gegen ihren Willen unter Anwendung körperlicher Gewalt, erhebliche sexuelle Handlungen vorgenommen habe, so insbesondere auch am 28.5.1981, festgestellt durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts xxxxxxxx vom 12.7.1995 wegen sexueller Nötigung im Sinne von § 178 StGB a.F., sowie seine Tochter in dem genannten Zeitraum immer wieder aufgefordert habe, sexuelle Handlungen an ihm vorzunehmen, und von ihr an sich habe vornehmen lassen.
Mit Beschluss vom 26.1.2001 hat die Disziplinarkammer das Verfahren auf den Anschuldigungspunkt beschränkt, der Gegenstand des Strafurteils des Amtsgerichts xxxxxxxx vom 12.7.1995 war.
In der Hauptverhandlung hat der Vertreter der Einleitungsbehörde unter Bezugnahme auf die Anschuldigungsschrift beantragt, dem Ruhestandsbeamten das Ruhegehalt abzuerkennen.
Der Beamte hat durch seinen Verteidiger Einstellung des Disziplinarverfahrens, hilfsweise Kürzung des Ruhegehalts um ein Zehntel beantragt. Er hat vorgebracht: Die Annahme, er sei auch im Ruhestand untragbar, sei übertrieben. Er sei 68 Jahre alt, verheiratet, seit mehreren Jahren im Ruhestand und führe sich ordnungsgemäß, so dass die Befürchtung, von ihm werde jemals eine relevante sexuelle Aktivität ausgehen, haltlos sei. Die Aberkennung des Ruhegehalts sei zur Ansehenswahrung der Lehrerschaft und des öffentlichen Schulwesens nicht unerlässlich. In der von ihm verfassten "Apologie" hat er unter anderem die Einseitigkeit der Anschuldigungsschrift gegen ihn gerügt und die strafgerichtlichen Feststellungen in Zweifel gezogen.
Mit Urteil vom 26.1.2001 hat die Disziplinarkammer dem Ruhestandsbeamten das Ruhegehalt aberkannt. In den Gründen heißt es im Wesentlichen: Das Gericht sei - nach Beschränkung des Disziplinarverfahrens - an die Feststellungen im Strafurteil vom 12.7.1995 gebunden; für einen Lösungsbeschluss nach § 19 Abs. 1 Satz 2 LDO bestehe keine Veranlassung. Durch das festgestellte Verhalten habe der Ruhestandsbeamte ein als Einheit zu wertendes Dienstvergehen im Sinne des § 95 Abs. 1 LBG begangen; er habe mit der ihm vorgehaltenen sexuellen Verfehlung im besonderen Maße gegen die ihm gemäß § 73 Satz 3 LBG obliegende Pflicht zu einem seinem Beruf als Beamter, Lehrer und Erzieher entsprechenden achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes verstoßen; er habe seine Fähigkeit zur Erfüllung pädagogischer Aufgaben gegenüber Schülern damit grundsätzlich in Frage gestellt. Als notwendige und angemessene disziplinare Reaktion auf das Dienstvergehen komme die Aberkennung des Ruhegehalts in Betracht. Die hierfür nach § 12 Abs. 2 Satz 1 LDO erforderliche Voraussetzung, dass die Entfernung aus dem Dienst gerechtfertigt wäre, wenn sich der Ruhestandsbeamte noch im aktiven Dienst befände, sei erfüllt. Durch den eingetretenen Ansehensverlust und den endgültigen Vertrauensverlust im Verhältnis zum Dienstherrn sei der Ruhestandsbeamte untragbar geworden. Sexuelle Verfehlungen von Lehrern an den ihnen anvertrauten Schülerinnen und Schülern beträfen den Kernbereich ihrer Dienstpflichten und führten regelmäßig zur Entfernung aus dem Dienst. Dies gelte nach der Rechtsprechung auch bei außerdienstlichem Fehlverhalten gegenüber Kindern in sexueller Hinsicht. Denn auch hier gefährdeten sexuelle Übergriffe eine gesunde sittliche Entwicklung der betroffenen Kinder nachhaltig und verhinderten eine ungestörte Entwicklung der Sexualität. Ein Lehrer, der Kinder sexuell missbrauche, zeige eine zutiefst unpädagogische Grundhaltung, die den Erfordernissen seines Berufes, wie sie sich aus den §§ 1 Abs. 2, 38 Abs. 2 und 100b SchulG ergäben, gänzlich widerspreche. Der Lehrer habe Schüler vor Gefahren zu bewahren, die gerade auch in sittlicher Hinsicht bestehen könnten. Darauf, dass er diese Aufgabe umsichtig und verantwortungsvoll wahrnehme, müssten sich Schüler, Eltern und Dienstherr unbedingt verlassen können. Dabei sei besonders zu berücksichtigen, dass sich der Ruhestandsbeamte an seiner eigenen Tochter vergangen habe, bei der ein über das bloße Anvertrautsein hinausgehendes besonderes Vertrauensverhältnis bestehe, das darüber hinaus im sozialen Umfeld eine zusätzliche Tabuisierung beinhalte. Der Bruch eines solchen Vertrauensverhältnisses wiege insofern besonders schwer, weil es hierzu eines gesteigerten Maßes an Handlungsantrieb bedürfe. Zudem sei der Ruhestandsbeamte in leitender Stellung mit Vorbildwirkung tätig gewesen. Lediglich bei außergewöhnlichen Milderungsgründen und bei ganz geringfügiger Intensität der sexuell intendierten Handlungen könnte eine andere Betrachtungsweise angezeigt sein. Beides liege jedoch nicht vor. Auch wenn noch schwerere Formen des sexuellen Missbrauchs von Kindern denkbar seien und das Strafgericht von einem minderschweren Fall - allerdings eines so weiterhin zu bewertenden Verbrechens - ausgegangen sei, erreiche das Dienstvergehen in seiner Gesamtbewertung kein Maß, bei dem die Verhängung der schärfsten Disziplinarmaßnahme als unverhältnismäßig erschiene. Etwaige wirtschaftliche Nachteile, die trotz Nachversicherung befürchtet würden, rechtfertigten kein milderes Disziplinarmaß (Ruhegehaltskürzung). Finanzielle Einbußen, die mit der Aberkennung des Ruhegehalts als disziplinare Ahndung eines Fehlverhaltens verbunden seien, fielen in den Risikobereich des Ruhestandsbeamten. Der Aberkennung des Ruhegehalts stehe auch kein Verfolgungshindernis nach § 3 Abs. 2 LDO a.F. - diese Vorschrift gelte weiter - entgegen. Danach könne zwar ein Dienstvergehen nicht mehr verfolgt werden, wenn die zuständige Dienstbehörde innerhalb von zwei Jahren, nachdem sie Kenntnis von dem Dienstvergehen erlangt habe, weder eine Disziplinarverfügung erlassen noch ein förmliches Disziplinarverfahren eingeleitet habe. Nach der Sonderregelung des § 3 Abs. 4 LDO a.F. verjähre aber die Verfolgung nicht früher als die der Straftat, wenn die Verfehlung auch gegen ein Strafgesetz verstoße. Im Strafurteil sei ausgeführt, dass die zehnjährige Verjährungsfrist für die nach § 178 StGB a.F. zu beurteilende Tat am Tatzeitpunkt des 26.5.1981 zu laufen begonnen habe, so dass Verjährung am 27.5.1991 und damit vor Erlass der Einleitungsverfügung eingetreten wäre. Die zehnjährige Verjährungsfrist sei allerdings wirksam nach § 78c StGB unterbrochen worden, und zwar spätestens am 30.4.1991 durch Bekanntgabe der Einleitung des Ermittlungsverfahrens, da der Ruhestandsbeamte aus der Mitteilung der Kriminalbeamtin habe erkennen können, weshalb gegen ihn ermittelt werde. Weder die bisherige Straflosigkeit des Ruhestandsbeamten noch seine dienstlichen Leistungen würden die Schwere des Dienstvergehens und den nicht wieder gut zu machenden Schaden für den öffentlichen Dienst aufwiegen. In einem solchen Fall widerspreche es auch nicht dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, neben der verhängten Kriminalstrafe disziplinarrechtlich die Entfernung aus dem Dienst auszusprechen. Von der Festsetzung eines Unterhaltsbeitrags nach § 75 LDO werde mangels Bedürftigkeit des Ruhestandsbeamten abgesehen.
2. Gegen das am 23.2.2001 zugestellte Urteil hat der Ruhestandsbeamte am 17.3.2001 Berufung eingelegt mit dem Antrag,
das Urteil des Verwaltungsgerichts xxxxxxxxxxx - Disziplinarkammer - vom 26. Januar 2001 - D 10 K 1/00 - aufzuheben und das Disziplinarverfahren einzustellen.
Er macht geltend: Während das Strafgericht im Hinblick auf das Maß der Gewaltanwendung am 26.5.1981 gegenüber seiner Tochter von einem minderschweren Fall der sexuellen Nötigung nach § 178 StGB a.F. ausgegangen und mit der - zudem zur Bewährung ausgesetzten - Freiheitsstrafe von 9 Monaten deutlich unter der gesetzlichen Schwelle von einem Jahr geblieben sei, bei der das Beamtenverhältnis kraft Gesetzes erlösche, spreche die Disziplinarkammer (mehrfach) von der Schwere des Dienstvergehens, das im Übrigen keine Besonderheiten aufweise, die Anlass für eine mildere Disziplinarmaßnahme geben könnten. Damit entferne sich die Disziplinarkammer bei der disziplinaren Ahndung in unverhältnismäßiger Weise von der Einschätzung des Strafgerichts, das auch seine Verdienste und seine ansonsten disziplinar- und strafrechtlich gute Führung gewürdigt habe. Unabhängig von der Frage, welche Disziplinarmaßnahme angemessen und verhältnismäßig sei, habe die Disziplinarkammer auch den Regelungsgehalt des § 12 Abs. 2 LDO nicht hinreichend gewürdigt. Aus dieser Bestimmung ergebe sich nicht, dass das Ruhegehalt stets aberkannt werden müsse, wenn bei gleichem (Fehl-)Verhalten eines aktiven Beamten dessen Entfernung aus dem Dienst verwirkt wäre. Aktive Beamte und Ruhestandsbeamte unterschieden sich im Tatsächlichen wie im Rechtlichen derart, dass ihre Gleichstellung in Bezug auf die Voraussetzung für die Verhängung der jeweils schwersten Disziplinarmaßnahme nicht möglich sei. Die Entfernung aus dem Dienst bei vergleichbarem (Fehl-)Verhalten eines aktiven Beamten sei nur eine Mindestvoraussetzung für die Aberkennung des Ruhegehalts. Dieser komme kein vergeltender Charakter zu, und zwar auch nicht bei Verfolgung eines - wie hier - vor Eintritt in den Ruhestand begangenen Dienstvergehens. Hier träten individuelle Erziehung und Sicherung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes als Zweck der Disziplinierung stark in den Hintergrund, weil der Beamte sich nicht mehr im aktiven Dienst befinde. Die disziplinare Maßregelung von Ruhestandsbeamten diene überwiegend der schlichten Mahnung für die noch im Dienst befindlichen Beamten, denen durch Entzug oder Beschränkung von nach Beendigung des aktiven Beamtenverhältnisses fortdauernden Rechten wegen vorher begangener Pflichtverletzungen die Größe des disziplinaren Risikos demon-striert werden solle. Nachdem er vorher und nachher disziplinarrechtlich und strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten sei und auch nicht mehr in Erscheinung treten werde und die vorgeworfene angebliche Tat auf seinen Seiten umstritten und vom Strafgericht als minderschwerer Fall erkannt worden sei, könne die Überlegung der Disziplinarkammer, dass er aus dem Dienst entfernt worden wäre, wenn er sich noch im aktiven Dienst befände, nicht sachgerecht sein. Nachdem sich die angebliche Tat zum 20. Mal jähre, sei allein wegen Zeitablaufs ein Verfolgungshindernis eingetreten. Bereits im Jahre 1987 habe Abteilungsdirektor x. vom Oberschulamt durch seine damalige Ehefrau eindeutig erfahren, worum es gehe (sexueller Hintergrund). Nach § 14 Abs. 2 LDO verjährten ruhegehaltsrelevante Dienstvergehen in drei Jahren. Auch wenn die vormalige Rechtslage maßgebend sein sollte, lasse es sich mit dem Rechtsstaatsprinzip, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem Beschleunigungsgebot nicht vereinbaren, dass 20 Jahre nach der angeblichen Tat unter Missachtung der strafrichterlichen Würdigung die disziplinare Höchstmaßnahme verhängt werde.
Der Vertreter der obersten Dienstbehörde beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt die angefochtene Entscheidung und meint: Die Disziplinarkammer habe zu Recht und mit zutreffender Begründung angenommen, dass einer disziplinarrechtlichen Ahndung des dem Ruhestandsbeamten vorgehaltenen Dienstvergehens kein Verfahrenshindernis entgegenstehe, da die - maßgebende - strafrechtliche Verjährungsfrist am 30.4.1991 unterbrochen worden sei. Auch die Art der verhängten Disziplinarmaßnahme sei nicht zu beanstanden. In dem Fehlverhalten gegenüber seiner Tochter liege ein so schwerwiegendes pädagogisches Versagen, dass der Dienstherr den Ruhestandsbeamten nicht mehr als Lehrer hätte einsetzen können; hätte er sich noch im aktiven Dienst befunden, so wäre er aus dem Dienst zu entfernen gewesen. Dann aber sei ihm nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Disziplinarsenats des Verwaltungsgerichthofs Baden-Württemberg zwingend das Ruhegehalt abzuerkennen. Die gegenteilige Meinung des Ruhestandsbeamten führe zu einer von Zufällen abhängigen und vom Zweck des Disziplinarrechts nicht getragenen Ungleichbehandlung von Beamten im aktiven Dienst und von Beamten im Ruhestand. Milderungsgründe wie eine persönlichkeitsfremde Einzeltat oder eine Geringfügigkeit der begangenen sexuellen Handlungen lägen nicht vor. Auch sonst seien keine Gründe erkennbar, die das Dienstvergehen in milderem Licht erscheinen ließen. Insbesondere lasse sich aus der strafrechtlichen Bewertung des Fehlverhaltens als minderschwerer Fall des sexuellen Missbrauchs keine mildere disziplinarrechtliche Beurteilung herleiten, da sich die Sichtweise des Dienstrechts an dem Leitbild eines verantwortlich handelnden und dem Wohl der ihm anvertrauten Kinder verpflichteten Pädagogen orientiere. Hieran gemessen wäre der Ruhestandsbeamte wegen der ihm vorgehaltenen Verfehlung für den Dienstherrn als Lehrer nicht mehr tragbar. Daran ändere auch seine jahrelange beanstandungsfreie und erfolgreiche Tätigkeit als Schulleiter nichts.
III.
Die - zulässige - Berufung ist nicht begründet. Die Disziplinarkammer hat dem Ruhestandsbeamten zu Recht das Ruhegehalt aberkannt (§ 12 Abs. 2 Satz 1 LDO). Der Senat macht sich die zutreffenden Erwägungen des angefochtenen Urteils zu eigen und merkt mit Blick auf das Berufungsvorbringen ergänzend an:
Der Senat teilt die Auffassung der Disziplinarkammer, dass der Ruhestandsbeamte mit der durch das rechtskräftige Strafurteil vom 12.7.1995 geahndeten und somit nach § 19 Abs. 1 Satz 1 LDO bindend feststehenden Verfehlung (der sexuellen Nötigung i.S.d. § 178 StGB a.F.) zu Lasten seiner damals minderjährigen Tochter xxxxxxxxxx schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt und dadurch ein Dienstvergehen nach § 95 Abs. 1 Satz 1 LBG begangen hat. Für einen Lösungsbeschluss nach § 19 Abs. 1 Satz 2 LDO sieht der Senat auch im Hinblick auf die Ausführungen des Ruhestandsbeamten in seiner erstinstanzlich vorgelegten "Apologie" keine Veranlassung; das Strafgericht hat seine Feststellungen auf Grund einer umfassenden Beweisaufnahme getroffen und hat insbesondere ausführlich dargelegt, warum es den Angaben der als Nebenklägerin aufgetretenen und als Zeugin vernommenen Tochter xxxxxxxxxx Glauben geschenkt hat, die sich durchaus von den Bekundungen ihrer ebenfalls als Zeugin gehörten Mutter und damaligen ersten Ehefrau des Ruhestandsbeamten distanziert hat.
Mit der Disziplinarkammer hält der Senat die Aberkennung des Ruhegehalts für die angemessene und gebotene disziplinare Reaktion auf das Dienstvergehen des Ruhestandsbeamten. Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 LDO setzt die Aberkennung des Ruhegehalts - als härteste gegenüber einem Ruhestandsbeamten mögliche Disziplinarmaßnahme (§ 5 Abs. 2 LDO) - voraus, dass die Entfernung aus dem Dienst gerechtfertigt wäre, wenn der Ruhestandsbeamte sich noch im Dienst befände. Das ist vorliegend der Fall. Die Disziplinarkammer hat bereits zutreffend dargelegt, dass sich die zu Zeiten seines aktiven Dienstes begangene Verfehlung des Ruhestandsbeamten, nämlich die sexuelle Nötigung seiner damals noch minderjährigen Tochter, als ein schweres Dienstvergehen darstellt, da sie der gesetzlich verankerten pädagogischen Verantwortung eines Lehrers für die Erziehung und Bildung der Schüler diametral zuwiderläuft. Dabei fällt erschwerend ins Gewicht, dass der Ruhestandsbeamte als Schulleiter in besonders herausgehobener Stellung tätig war. Gemessen am Leitbild eines verantwortlich handelnden und dem Wohl der ihm anvertrauten Schüler verpflichteten Pädagogen macht es keinen Unterschied, ob der Ruhestandsbeamte sich der sexuellen Nötigung an einer Schülerin - also innerdienstlich - oder wie hier im privaten (familiären) Bereich an seiner eigenen Tochter - also außerdienstlich - schuldig gemacht hat (vgl. Senatsurteil vom 16.10.2000 - D 17 S 13/00 -). In beiden Fällen erweist sich ein Lehrer wegen des elementaren Versagens in seinen Dienstpflichten als untragbar für den Dienstherrn.
Die Schwere seiner Pflichtverletzung kann der Ruhestandsbeamte nicht unter Hinweis darauf relativieren, dass das Strafgericht nur von einem minder- schweren Fall der sexuellen Nötigung i.S.d. § 178 Abs. 2 StGB a.F. ausgegangen sei. Der Ruhestandsbeamte beruft sich in diesem Zusammenhang zu Unrecht auf eine Bindungswirkung des Strafurteils vom 12.7.1995 gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 LDO. Denn diese betrifft nur die tatsächlichen Feststellungen des Strafurteils, umfasst dagegen nicht die strafrichterliche Wertung, dass vor allem mit Blick auf das "Maß der Gewaltanwendung" - der Ruhestandsbeamte sei nicht brutal und körperlich verletzend gegen seine Tochter vorgegangen - lediglich von einem minderschweren Fall der sexuellen Nötigung auszugehen sei. Auch sonst ist der Senat nicht gehalten, sich bei der Frage nach der angemessenen disziplinaren Reaktion auf das Dienstvergehen des Ruhestandsbeamten an den Zumessungserwägungen im Strafurteil vom 12.7.1995 zu orientieren, soweit das Amtsgericht mit der - zudem zur Bewährung - verhängten Freiheitsstrafe von (nur) 9 Monaten deutlich unter der Einjahresgrenze geblieben ist, die kraft Gesetzes (§ 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LBG) zum Erlöschen des Beamtenverhältnisses geführt hätte. Daraus folgt keine Sperre für das Disziplinargericht, die Pflichtverletzung - im Rahmen des § 12 Abs. 2 Satz 1 LDO hypothetisch - gleichwohl so zu bewerten, dass die Entfernung aus dem Dienst gerechtfertigt wäre, wenn sich der Ruhestandsbeamte noch im aktiven Dienst befände. Denn Anknüpfungspunkt für die zu verhängende Disziplinarmaßnahme ist - insoweit abweichend vom strafrechtlichen Ansatz - allein die Sichtweise des Dienstrechts, für die auf das Gewicht und die Schwere der Verletzung der Dienstpflichten abzustellen ist und nicht etwa auf strafrechtliche Bewertungen der Verfehlung des Ruhestandsbeamten.
Soweit der Ruhestandsbeamte als Milderungsgründe anführt, dass er vor und nach der ihm angelasteten Verfehlung weder strafrechtlich noch disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten sei und dass er jahrelang erfolgreich und ohne Beanstandung als Schulleiter tätig gewesen sei, sind diese Umstände nicht geeignet, die Schwere des Dienstvergehens dergestalt zu relativieren, dass von einer Entfernung aus dem Dienst abzusehen gewesen wäre und deshalb auch die Aberkennung des Ruhegehalts nicht ausgesprochen werden dürfte.
Der Senat vermag auch nicht dem Einwand des Ruhestandsbeamten zu folgen, dass § 12 Abs. 2 Satz 1 LDO für die Aberkennung des Ruhegehalts nur voraussetze, dass die Entfernung aus dem Dienst gerechtfertigt wäre, wenn der Ruhestandsbeamte sich noch im Dienst befände, dass in einem solchen Fall das Ruhegehalt aber nicht - sozusagen zwingend - aberkannt werden müsse. Unter Berufung auf die Kommentierung von Claussen/Janzen, Bundesdisziplinarordnung, 7. Aufl., RdNr. 7 zu § 5 und RdNr. 3 zu § 12 meint der Ruhestandsbeamte, dass eine völlige Gleichstellung von aktiven Beamten und Ruhestandsbeamten in Bezug auf die Voraussetzungen für die Verhängung der jeweils schwersten Disziplinarmaßnahme nicht möglich, ja sogar willkürlich sei. Diese Auffassung steht in Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 5.9.1979 - 1 D 32.78 - BVerwGE 63, 262) und des erkennenden Disziplinarsenats (vgl. Urteil vom 15.7.1999 - D 17 S 6/99 -), wonach in den Fällen, in denen das Dienstvergehen während des aktiven Dienstes begangen wurde und erst danach die Zurruhesetzung erfolgte, das Ruhegehalt zwingend abzuerkennen ist, wenn bei einem noch aktiven Beamten dessen Entfernung aus dem Dienst gerechtfertigt wäre. Diese Feststellung ist die einzige Voraussetzung für die Aberkennung des Ruhegehalts, andere Gesichtspunkte sind nicht zu prüfen. Die Gleichstellung von Entfernung aus dem Dienst und Aberkennung des Ruhegehalts ergibt sich insbesondere aus der Notwendigkeit einer gleichen Behandlung, die es nicht zulässt, die disziplinarrechtliche Folge eines Dienstvergehens, das die Höchstmaßnahme erforderlich macht, von dem Zufall abhängig zu machen, ob der Beamte inzwischen in den Ruhestand getreten ist. Auch die Integrität des Beamtentums gebietet in einem solchen Fall die Aberkennung des Ruhegehalts: Wer sich als Beamter untragbar gemacht hat, kann nicht Ruhestandsbeamter bleiben. Es geht hier um die Reinigungsfunktion des Disziplinarrechts. Die Maßnahme dient der Wahrung des Ansehens des Beamtentums, mit dem es nicht vereinbar wäre, wenn ein Beamter, der sich durch eine schwere Pflichtverletzung untragbar gemacht hat, gleichwohl durch den Dienstherrn lebenslänglich versorgt würde. Die in der Berufungsbegründung angesprochene Frage des nur "beschränkten" Pflichtenkreises eines Ruhestandsbeamten - mit der Folge einer auch nur "beschränkten" Erziehungs- und Pflichtenmahnung durch eine Disziplinarmaßnahme - stellt sich daher nicht.
Die Aberkennung des Ruhegehalts erweist sich auch sonst nicht als unverhältnismäßige - und damit von Verfassung wegen unzulässige - disziplinare Reaktion auf das festgestellte Dienstvergehen des Ruhestandsbeamten. Dass zwischen der Begehung der sexuellen Verfehlung gegenüber seiner Tochter am 26.5.1981 und der Einleitung des Disziplinarverfahrens mit Verfügung vom 1.8.1991 mehr als zehn Jahre verstrichen sind, beruht allein darauf, dass das Fehlverhalten erst im Frühjahr 1991 bekannt geworden ist. Hieraus kann auch, wie noch darzulegen sein wird, kein Verfolgungshindernis - mit der Folge der Einstellung des Verfahrens - hergeleitet werden. Eine Unverhältnismäßigkeit der Aberkennung des Ruhegehalts kann auch nicht mit der Dauer des nachfolgenden Disziplinarverfahrens begründet werden. Für die mildernde Berücksichtigung einer langen Verfahrensdauer ist bei einer reinigenden Disziplinarmaßnahme wie der Entfernung aus dem Dienst - und damit auch bei einer nach § 12 Abs. 2 Satz 1 LDO korrespondierenden Aberkennung des Ruhegehalts - grundsätzlich kein Raum; auch sonst kann einer langen Verfahrensdauer mildernde Wirkung nicht mit der Folge beigemessen werden, dass auf eine ihrer Art nach geringere Disziplinarmaßnahme ausgewichen wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.1.1979 - 1 D 24.78 -, BVerwGE 63, 195 und Urt. v. 21.9.1984 - 1 DB 31.84 -, BVerwGE 76, 201).
Im Übrigen kann von einer (offenkundigen) Verschleppung des Disziplinarverfahrens seit seiner Einleitung mit Verfügung vom 1.8.1991 keine Rede sein, so dass dahinstehen kann, ob unter diesem Aspekt die Aberkennung des Ruhegehalts als unverhältnismäßig angesehen werden könnte. Im Hinblick auf das Strafverfahren wurde das Disziplinarverfahren gemäß § 18 Abs. 1 LDO mit Verfügung vom 27.11.1991 - und damit kurze Zeit nach der Einleitung - ausgesetzt und nach rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens am 2.7.1997 aufgrund Verfügung vom 10.9.1997 fortgeführt, wobei der Ruhestandsbeamte in der Folgezeit einer zweimaligen Ladung zu seiner Vernehmung nicht nachgekommen ist. Zu berücksichtigen ist auch, dass dem Ruhestandsbeamten in der Einleitungsverfügung nicht nur die - später strafgerichtlich abgeurteilte - sexuelle Verfehlung gegenüber seiner Tochter vorgeworfen worden war, auch wenn dies die gravierendste der angeschuldigten Pflichtverletzungen war, sondern dass ihm in weiteren vier Fällen gegenüber anderen weiblichen Personen Pflichtwidrigkeiten mit sexuellem Bezug angelastet worden waren, die es aufzuklären galt.
Die Aberkennung des Ruhegehalts erscheint auch nicht ungerechtfertigt im Sinne der §§ 85 Abs. 1, 74 Abs. 3 Satz 1, 60 Abs. 1 Nr. 6 LDO, so dass das Disziplinarverfahren - trotz Vorliegens eines Dienstvergehens - nicht nach dieser Vorschrift einzustellen ist. § 60 Abs. 1 Nr. 6 LDO ist eine rein prozessrechtliche Regelung; sie setzt keine materiellen Maßstäbe für die Einstellung des Disziplinarverfahrens, sondern regelt nur das prozessuale Vorgehen in den Fällen, in denen wegen des geringen Gewichts des Dienstvergehens der nach § 5 Abs. 2 LDO für einen Ruhestandsbeamten beschränkte Rahmen zulässiger Disziplinarmaßnahmen nicht passt; dabei tritt die Aberkennung des Ruhegehalts an die Stelle der Entfernung aus dem Dienst, wie dies § 12 Abs. 2 Satz 1 LDO deutlich macht. Ist das festgestellte Dienstvergehen - wie vorliegend - so erheblich, dass nach seinem Gewicht die Aberkennung des Ruhegehalts angebracht ist, so muss diese schärfste Maßnahme auch disziplinargerichtlich verhängt werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.1.1973 - 1 D 25.72 -, BVerwGE 46, 64).
Das Disziplinarverfahren ist - entgegen der Meinung des Ruhestandsbeam- ten - auch nicht deshalb einzustellen, weil "allein wegen Zeitlaufs" ein Verfolgungshindernis eingetreten wäre. Gemäß §§ 85 Abs. 1, 74 Abs. 3 Satz 1, 60 Abs. 1 Nr. 7 LDO ist das Disziplinarverfahren einzustellen, wenn nach §§ 14 oder 15 LDO eine Disziplinarmaßnahme nicht verhängt werden darf. Der Ruhestandsbeamte weist darauf hin, dass sich die - aus seiner Sicht "angebliche" - Tat nunmehr zum zwanzigsten Mal jährt und dass nach § 14 Abs. 2 LDO ruhegehaltsrelevante Disziplinarmaßnahmen in drei Jahren verjähren. Ersteres trifft zu (die Tatbegehung war am 26.05.1981), letzteres allerdings nicht. Nach § 14 Abs. 2 LDO darf u.a. eine Kürzung des Ruhegehalts nicht mehr verhängt werden, wenn seit dem Dienstvergehen mehr als drei Jahre verstrichen sind. Für ein Dienstvergehen, das mit der härtesten Disziplinarmaßnahme, nämlich der Entfernung aus dem Dienst bei einem aktiven Beamten (§ 11 LDO) bzw. - wie hier - der Aberkennung des Ruhegehalts bei einem Ruhestandsbeamten (§ 12 Abs. 2 LDO), zu ahnden ist, sieht § 14 LDO (selbstredend) kein "Maßnahmeverbot wegen Zeitablaufs" vor.
Allerdings macht der Ruhestandsbeamte im Berufungsverfahren unter Hinweis auf eine Unterredung vom 29.04.1989 mit dem damaligen Präsidenten des Oberschulamts (erneut) geltend, dass die Behörde bereits im Jahre 1987 in einem Gespräch seiner damaligen Ehefrau mit dem zuständigen Abteilungsleiter x. Kenntnis von dem sexuellen Hintergrund seiner Verfehlung gegenüber seiner Tochter erlangt habe, so dass ein Verfolgungshindernis nach § 3 Abs. 2 LDO a.F. i.V.m. Art. 5 § 2 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Neufassung der Landesdisziplinarordnung vom 25.04.1991 (GBl. S. 227), der die Weitergeltung dieser Vorschrift anordnet, eingetreten sei. Nach § 3 Abs. 2 LDO a.F. kann ein Dienstvergehen nämlich nicht mehr verfolgt werden, wenn die zuständige Behörde innerhalb von zwei Jahren, nachdem sie Kenntnis von dem Dienstvergehen erlangt hat, weder eine Disziplinarverfügung erlassen noch ein förmliches Disziplinarverfahren eingeleitet hat, was erst mit Verfügung vom 1.8.1991 geschah. Wie die Disziplinarkammer so braucht auch der Senat diesem Einwand des Ruhestandsbeamten nicht weiter nachzugehen, weil vorliegend die Regelung des § 3 Abs. 4 LDO a.F. - als Spezialregelung gegenüber § 3 Abs. 2 LDO a.F. (vgl. Disziplinarhof beim VGH Bad.-Württ., Urt. v. 25.6.1990 - DH 22/89 -) - eingreift. Danach verjährt die Verfolgung nicht früher als die der Straftat, wenn die Verfehlung auch gegen ein Strafgesetz verstößt. Die Disziplinarkammer hat hierzu in Übereinstimmung mit der entsprechenden Beurteilung im Beschluss des Oberlandesgerichts xxxxxxxxx vom 9.11.1994 - 4 Ss 289/94 - und im Strafurteil des Amtsgerichts xxxxxxxx vom 12.7.1995 zutreffend ausgeführt, dass die zehnjährige Verjährungsfrist für die nach § 178 StGB a.F. zu beurteilende Tat (§ 78 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 4 StGB), die am 26.5.1981, dem Zeitpunkt der Tat, begann (§ 78a StGB), spätestens am 30.4.1991 und damit vor ihrem Ablauf durch die hinreichend konkrete Bekanntgabe der Einleitung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens unterbrochen worden ist (§ 78c Abs. 1 Nr. 1 StGB). Dieser Wertung tritt der Ruhestandsbeamte in der Berufungsbegründung nicht entgegen.
Auch durch Verwirkung kann - entgegen der Meinung des Ruhestandsbeamten - die Geltendmachung des disziplinaren Verfolgungsanspruchs nicht ausgeschlossen werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 6.7.1984 - 1 DB 21.84 -, DVBl. 1984, 962). Im Übrigen hat der Senat bereits im Beschluss vom 2.4.1993 - D 17 S 22/92 - zur Rechtmäßigkeit der Einbehaltung der Besoldungsbezüge, soweit sie nicht rückwirkend angeordnet war, darauf hingewiesen, dass der (Ruhestands-)Beamte wegen der Verfehlungen gegenüber seiner Tochter wahrscheinlich aus dem Dienst entfernt werde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112 Abs. 1 LDO.
Das Urteil ist unanfechtbar (§ 88 LDO).
Ende der Entscheidung
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