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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 10.09.2001
Aktenzeichen: D 17 S 9/01
Rechtsgebiete: LDO


Vorschriften:

LDO § 12 Abs. 2 Satz 1
Aberkennung des Ruhegehalts bei einem Justizvollzugsbeamten außer Dienst, der sich in seiner aktiven Dienstzeit einer Reihe von Unterschlagungen zum Nachteil des Personalrats der Justizvollzugsanstalt sowie anderer vermögensrechtlicher Straftaten schuldig gemacht hat.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

D 17 S 9/01

Verkündet am 10.9.2001

In dem Disziplinarverfahren

hat der 17. Senat - Disziplinarsenat - des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Prof. Dr. Schmidt, die Richter am Verwaltungsgerichtshof Rieger und Dr. Roth sowie Oberregierungsrat Paukner und Amtsinspektor Schlick als Beamtenbeisitzer in der Hauptverhandlung vom 10. September 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Ruhestandsbeamten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen - Disziplinarkammer - vom 25. April 2001 - D 10 K 3/00 - wird zurückgewiesen.

Der Ruhestandsbeamte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Gründe:

I.

1. Der am 3.7.1941 geborene Ruhestandsbeamte trat am 1.10.1975 in den Vollzugsdienst des Landes Baden-Württemberg und wurde am 1.12.1979 in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit berufen. Am 1.12.1982 wurde er zum Sekretär, am 1.6.1986 zum Obersekretär und am 1.1.1992 zum Hauptsekretär im Vollzugsdienst befördert. Bis zu seiner am 28.4.1998 verfügten vorläufigen Dienstenthebung war er in der Justizvollzugsanstalt Rottenburg tätig und dort u. a. in der Kantine beschäftigt. Mit Wirkung zum 1.8.1999 wurde er wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt, nachdem bei einer amtsärztlichen Untersuchung ausgeprägte Sensibilitätsstörungen in den Beinen in Verbindung mit einer diskreten Koordinationsstörung festgestellt worden war, die in Notfällen kein ausreichendes Stehvermögen gewährleiste. Festgestellt wurde ferner Reizbarkeit sowie eine erhöhte Erschöpfbarkeit.

Der Beamte ist verheiratet. Seine Ehefrau ist als Altenpflegerin tätig und verdient monatlich etwa 2.600 DM netto. Aus der Ehe sind drei, 1972, 1975 bzw. 1981 geborene Kinder hervorgegangen.

2. Mit Urteil vom 24.9.1998 wurde der Ruhestandsbeamte vom Amtsgericht Bonn wegen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Dem seit dem 2.10.1998 rechtskräftigen Urteil liegen folgende Feststellungen zugrunde:

"Im Frühsommer 1997 organisierte der Angeklagte ... eine Gruppenreise für Mitarbeiter aus dem Strafvollzug. ... Für die zu erwartenden Zahlungen seitens der Mitreisenden richtete er ein gesondertes Konto ein, auf das die Mitreisenden die entsprechenden Beträge überwiesen. Am 18.7.1997 begab sich der Angeklagte persönlich nach Bonn in die Geschäftsräume der Firma Olympia-Reisen GmbH und übergab dort gemäß entsprechender Rechnung für eine Reise für 59 Personen nach Moskau und St. Petersburg als Zahlung einen Scheck über 55.621,22 DM. Dem Angeklagten, der von dem fraglichen Konto bereits Abhebungen in Höhe von ca. 40.000,00 bis 45.000,00 DM getätigt hatte, war bekannt, dass dieser Scheck nicht eingelöst werden würde. Am 20.7.1997 erfolgte der Reiseantritt, am 24.7.1997 erreichte der Rückscheck die Firma Olympia-Reisen. Die Reise wurde ordnungsgemäß durchgeführt.

Wenige Tage nach Reiserückkehr erreichte die Firma Olympia-Reisen den Angeklagten und sprach ihn auf den Rückscheck an. Der Angeklagte bat bei diesem Telefonat darum, noch ein paar Tage Geduld zu haben, er sei in finanziellen Schwierigkeiten. Tatsächlich hatte der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt bereits ca. 42.000,-- DM ausgegeben, wobei letztlich offen blieb, wofür. Mit den letzten 10.000,-- DM der Kollegen versuchte der Angeklagte in einer Spielbank an Geld zu kommen, ... . Dies gelang nicht, tatsächlich wurde das gesamte Geld verspielt."

Mit Urteil des Amtsgerichts Tübingen vom 24.8.1999 wurde der Ruhestandsbeamte ferner wegen 22 Vergehen der Untreue sowie drei Vergehen des Betrugs unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts Bonn zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Das Amtsgericht ging dabei von folgendem Sachverhalt aus: Der Ruhestandsbeamte bot im Auftrag des Personalrats in der Kantine Zusatzleistungen an, indem er u. a. nichtalkoholische Getränke sowie belegte Brötchen in der Frühstücks- und Mittagspause verkaufte. Außerdem führte er bei Veranstaltungen des Personalrats die Bewirtung durch. Er war dabei verpflichtet, die Einnahmen und Ausgaben wöchentlich gegenüber dem Kassierer des Personalrats abzurechnen und den Überschuss nach Abzug eines Eigenanteils in Höhe 5 % des Umsatzes an den Personalrat abzuführen. Dieser Verpflichtung kam der Ruhestandsbeamte in insgesamt 22 Fällen in der Zeit vom 12.10.1997 bis zum 23.3.1998 auf Grund eines jeweils neuen Tatentschlusses nicht nach, sondern behielt die Geldbeträge für sich und verbrauchte sie für eigene private Zwecke. Der Personalkasse des Personalrats entstand dadurch ein Schaden in Höhe von insgesamt 12.737,52 DM. Außerdem kaufte der Ruhestandsbeamte im Februar 1998 an drei verschiedenen Tagen bei einem Tabakwarenhändler Zigaretten im Wert von insgesamt 750,-- DM, wobei er Bezahlung bis Ende Februar 1998 versprach. Entsprechend seiner vorgefassten Absicht unterließ er es, die ihm im Vertrauen auf seine Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit überlassene Ware bezahlen.

Auf die gegen das Urteil des Amtsgerichts eingelegte Berufung des Ruhestandsbeamten änderte das Landgericht Tübingen mit Urteil vom 1.12.1999 das Urteil des Amtsgerichts im Rechtsfolgenausspruch dahin ab, dass dieser unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Bonn zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten verurteilt wurde.

II.

1. Wegen der den strafgerichtlichen Urteilen zugrunde liegenden Vorwürfen leitete das Justizministerium Baden-Württemberg mit Verfügung vom 28.4.1998 ein förmliches Disziplinarverfahren gegen den Beamten ein, das wegen des laufenden Strafverfahrens zunächst ausgesetzt wurde. Der Beamte wurde ferner gemäß § 89 LDO vorläufig des Dienstes enthoben. Nach Fortsetzung des Disziplinarverfahrens in Folge des rechtskräftigen Abschlusses des Strafverfahrens wurde der Ruhestandsbeamte am 28.2.2000 vom Untersuchungsführer angehört. Er machte dabei im Wesentlichen geltend, dass seine Verfehlungen hauptsächlich auf seine Spielsucht zurück zu führen seien. Dazu beigetragen habe ferner, dass sein ältester Sohn wegen Körperverletzungsdelikten in Haft gekommen sei. Die Zusammenballung von den aus der Spielsucht resultierenden finanziellen Schwierigkeiten und seinen persönlichen Problemen habe zu den Straftaten geführt. Es wäre besser gewesen und hätte der Fürsorgepflicht des Anstaltsleiters eher entsprochen, wenn man ihn bereits bei dem ersten Auftauchen von Unregelmäßigkeiten bei der Abrechnung in der Kantine von dieser Aufgabe entbunden hätte, statt ihm erneut einen Vertrauensvorschuss zu geben.

2. Am 14.4.2000 hat der Vertreter der Einleitungsbehörde der Disziplinarkammer beim Verwaltungsgericht Sigmaringen die Anschuldigungsschrift vorgelegt, in der dem Ruhestandsbeamten vorgeworfen wird, er habe

1. im Zeitraum vom 16.9.1997 bis zum 23.3.1998 in 22 Fällen Gelder, die er für den Personalrat bei der Bewirtschaftung der Kantine der Justizvollzugsanstalt Rottenburg vereinnahmt habe, nicht an diesen abgeführt, sondern für private Zwecke verbraucht und damit den Personalrat um insgesamt 12.737,52 DM geschädigt,

2. Anfang 1998 unter Vortäuschung seiner Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit bei der Firma B. Zigaretten im Wert von insgesamt 750,--DM bezogen und

3. am 18.7.1997 der Firma Olympia-Reisen für eine von ihm organisierte Reise für Mitarbeiter der Justizvollzugsanstalt Rottenburg einen Scheck über insgesamt 55.621,22 DM übergeben, obwohl er gewusst habe, dass dieser nicht eingelöst werden würde.

Der Ruhestandsbeamte habe damit ein innerdienstliches Dienstvergehen begangen, auch wenn es sich bei den von ihm hinterzogenen Geldern um solche des Personalrats gehandelt habe. Beim Personalrat handele es sich um eine der Dienststelle eng verbundene Einrichtung, weshalb auch durch eine Vermögensschädigung in diesem Bereich das Vertrauensverhältnis zwischen dem Beamten und seinem Dienstherrn zerstört werde. Der Betrug zum Nachteil der Firma Olympia-Reisen weise ebenfalls einen engen dienstlichen Bezug auf, da der Ruhestandsbeamte als Repräsentant des Personalrats der Justizvollzugsanstalt aufgetreten sei. Hinzu komme, dass der Ruhestandsbeamte die ihm von seinen Kollegen anvertrauten Mittel nicht an die geschädigte Firma weitergeleitet und dadurch die Gefahr begründet habe, dass die Reise nicht durchgeführt werde. Befände sich der Ruhestandsbeamte noch im Dienst, so wäre seine Entfernung aus dem Dienst gerechtfertigt. Die angemessene Disziplinarmaßnahme sei daher hier gemäß § 12 Abs. 2 LDO die Aberkennung des Ruhegehalts.

In der Hauptverhandlung vor der Disziplinarkammer hat der Vertreter der Einleitungsbehörde beantragt, dem Beamten das Ruhegehalt abzuerkennen. Der Verteidiger des Beamten hat beantragt, eine Kürzung des Ruhegehalts auszusprechen.

3. Mit Urteil vom 25.4.2001 hat die Disziplinarkammer dem Ruhestandsbeamten das Ruhegehalt aberkannt und zur Begründung ausgeführt: Bei der Entscheidung sei gemäß § 19 Abs. 1 S. 1 LDO von den in den rechtskräftigen Urteilen des Amtsgerichts Bonn sowie des Amtsgerichts Tübingen getroffenen Feststellungen auszugehen. Durch das festgestellte Verhalten habe der Ruhestandsbeamte ein einheitlich zu bewertendes Dienstvergehen begangen. Sein Verhalten weise so enge Bezüge zum Dienst auf, dass es nicht als bloßes außerdienstliches Verhalten qualifiziert werden könne. Der Beamte habe damit gegen seine Pflicht aus § 73 Abs. 1 S. 3 LBG verstoßen, innerhalb und außerhalb seines Berufes der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Beruf als Justizvollzugsbeamter erfordere. Der Verstoß wiege besonders schwer, weil sich der Beamte um insgesamt 69.000 DM bereichert habe und sich sein Fehlverhalten nicht lediglich auf eine einzige Tathandlung beschränke. Auch habe durch sein Verhalten das Ansehen und die Achtung vor dem Berufsbeamtentum beträchtlichen Schaden erlitten, weil er bei seinen Betrugstaten zum Nachteil des Tabakwarenhändlers sowie des Reisebüros erkennbar als Justizbediensteter nach außen aufgetreten sei bzw. als solcher bekannt geworden sei. Die angemessene disziplinarrechtliche Maßnahme sei die Aberkennung des Ruhegehalts. Gesichtspunkte, die ein Absehen von der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme rechtfertigen könnten, seien nicht zu erkennen. Milderungsgründe können insbesondere nicht darin erblickt werden, dass der Ruhestandsbeamte vor allem Ende der 80er Jahre offenbar in einem erheblichen Umfang in Spielbanken Geld verspielt habe. Ebenso wenig lasse die Straffälligkeit eines seiner Söhne sein Verhalten in einem milderen Licht erscheinen. Der Ruhestandsbeamte werde schließlich auch nicht durch seinen an den Dienstherrn gerichteten Vorhalt entlastet, man habe ihm allzu lange Vertrauen entgegen gebracht. Denn es könne von einem Beamten durchaus erwartet werden, dass er eine freiwillig übernommene Aufgabe von sich aus beende, wenn er erkenne, dass er das in ihn gesetzte Vertrauen bei deren Erledigung nicht mehr rechtfertigen könne. Auch die wirtschaftlichen und finanziellen Folgen, die trotz der Nachversicherung des Ruhestandsbeamten beim Rentenversicherungsträger eintreten könnten, rechtfertigten kein milderes Disziplinarmaß, da solche Einbußen, die mit der Aberkennung des Ruhegehalts verbunden seien, in seinen Risikobereich fielen.

Gegen das ihm am 11.5.2001 zugestellte Urteil hat der Ruhestandsbeamte am 11.6.2001 Berufung eingelegt.

Er macht geltend: Obwohl die finanziellen Schwierigkeiten, in der er sich befunden habe, ab Frühjahr 1997 offen zu Tage gelegen hätten, habe man ihn ohne irgendwelche Überwachungsmaßnahmen an seiner Stelle in der Kantine belassen. Daran habe sich auch dann nichts geändert, als im Dezember 1997 eine Pfändung von über 60.000 DM bekannt geworden sei. Ein Vertrauensschaden bei den Kollegen im Personalrat habe somit nicht entstehen können. Auch das Vertrauensverhältnis zum Dienstherrn sei unter diesen Umständen in einem anderen Licht zu sehen, da der Dienstherr seinen Fürsorgepflichten nicht in dem notwendigen Maß nachgekommen sei. Weder spezial- noch generalpräventive Gesichtspunkte erforderten im vorliegenden Fall die Aberkennung des Ruhegehalts. Die Unregelmäßigkeiten bei der Bewirtschaftung der Kantine hätten keinerlei Außenwirkung entfaltet. Die Organisation der Busreise sei eine rein private Angelegenheit ohne dienstlichen Bezug gewesen. Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass sein Fehlverhalten nicht den Kernbereich seiner Tätigkeit als Justizvollzugsbeamter betreffe. Bezogen auf den Vollzugsdienst habe es während der langen Zeit seiner Tätigkeit keinerlei Beanstandungen gegeben.

Der Beamte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen - Disziplinarkammer - vom 25. April 2001 - D 10 K 3/00 - zu ändern und an Stelle der Aberkennung des Ruhegehalts auf eine Kürzung des Ruhegehalts zu erkennen.

Der Vertreter der obersten Dienstbehörde beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er erwidert: Die Disziplinarkammer habe eingehend dargelegt, dass im vorliegenden Fall die disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme angemessen sei und umfassend mögliche Milderungsgründe berücksichtigt. Der Leiter der Justizvollzugsanstalt habe den Ruhestandsbeamten nur deshalb in der Kantine belassen, weil dieser ihn sowie den Personalrat eindringlich darum gebeten und glaubhaft erklärt habe, es werde zu keinen weiteren Unregelmäßigkeiten kommen. Auch habe man den Beamten, der durch die Inhaftierung seines Sohnes persönlich erheblich belastet gewesen sei, dadurch unterstützen wollen. Dass der Beamte entgegen seinen Versprechungen das in ihn gesetzte Vertrauen weiter missbraucht habe, sei allein ihm anzulasten. Der Umstand, dass er Verbindlichkeiten von ca. 60.000 DM gehabt habe, rechtfertige nicht die Begehung der abgeurteilten Straftaten, zumal es dem Ruhestandsbeamten bei seinen Bezügen möglich gewesen wäre, diese Verpflichtungen zu tilgen.

III.

Die Berufung des Ruhestandsbeamten bleibt ohne Erfolg.

1. Der Ruhestandsbeamte hat seine Berufung auf das Disziplinarmaß beschränkt. Eine derartige Berufungsbeschränkung hat zur Folge, dass das Berufungsgericht sowohl an die Tat- und Schuldfeststellungen der Disziplinarkammer als auch an die rechtliche Bewertung des Verhaltens des Beamten als Dienstvergehen gebunden ist. Der Senat hat daher nur noch darüber zu befinden, welche Disziplinarmaßnahme wegen des festgestellten Dienstvergehens angemessen ist ( vgl. u. a. Urt. des Disziplinarhofs v. 21.8.1987 DH 9/87 - VBlBW 1990, 33 <nur Leitsatz>; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 16.12.1998 - 6 d A 4674/97 - NVwZ-RR 1999, 649).

2. Die auf diesen Punkt beschränkte Überprüfung des Urteils führt zu keinem von der Entscheidung der Disziplinarkammer abweichenden Ergebnis. Ausgehend von dem von der Disziplinarkammer festgestellten Sachverhalt, sieht der Senat auch unter Würdigung des Berufungsvorbringens keine andere Möglichkeit, als dem Ruhestandsbeamte das Ruhegehalt abzuerkennen.

a) Die Aberkennung des Ruhegehalts setzt nach § 12 Abs. 2 S. 1 LDO voraus, dass die Entfernung aus dem Dienst gerechtfertigt wäre, wenn der Ruhestandsbeamte sich noch im Dienst befände. Aus dem Wortlaut dieser Vorschrift folgt zwar nicht zwingend, dass andere Gesichtspunkte nicht zu prüfen sind. Die Gleichstellung von Entfernung aus dem Dienst und Aberkennung des Ruhegehalts ergibt sich aber aus der Notwendigkeit einer gleichen Behandlung, die es nicht erlaubt, die disziplinarrechtliche Folge eines Dienstvergehens, das die Höchstmaßnahme erforderlich macht, von dem zufälligen Umstand abhängig zu machen, ob sich der Beamte noch im Dienst befindet oder inzwischen in den Ruhestand getreten ist. Die Aberkennung des Ruhegehalts ist daher in dem in § 12 Abs. 2 S. 1 LDO die zwingende Konsequenz (ständige Rechtsprechung, vgl. u. a. BVerwG, Urt. v. 29.8.1978 - 1 D 98.77 - BVerwGE 68, 120; Urt. v. 5.9.1979 - 1 D 32.78 - BVerwGE 68, 262; Urt. des Disziplinarhofs des VGH Bad.-Württ. v. 12.3.1990 - DH 4/89 -).

b) Die Entscheidung über die Berufung hängt somit ausschließlich davon ab, ob sich der Ruhestandsbeamte, unterstellt, er befände sich noch im Dienst, durch sein Fehlverhalten für eine Weiterbeschäftigung untragbar gemacht hätte. Nach der Auffassung des Senats ist dies der Fall.

Durch sein Verhalten hat der Ruhestandsbeamte seine Dienstpflichten massiv verletzt. Dadurch, dass er in insgesamt 22 auf einen Zeitraum von weniger als einem halben Jahr verteilten Fällen Gelder in Höhe von zusammen 12.737,52 DM, die er für den Personalrat bei der Bewirtschaftung der Kantine der Justizvollzugsanstalt Rottenburg vereinnahmt hatte, nicht an diesen abgeführt, sondern für eigene Zwecke verbraucht hat, hat er das Vertrauen, das sowohl die anderen Mitglieder des Personalrats als auch seine Kollegen in ihn gesetzt hatten, missbraucht und unwiederbringlich zerstört. Für sein Verhalten im Zusammenhang mit der von ihm organisierten Reise für seine Kollegen gilt im Grundsatz das Gleiche. Durch die Übergabe eines nicht gedeckten Schecks an den Reiseveranstalter hat der Ruhestandsbeamte zwar bewirkt, dass die Reise tatsächlich stattfinden konnte. Da der Reiseveranstalter anscheinend - aus welchen Gründen auch immer - davon abgesehen hat, sich an die einzelnen Reiseteilnehmer zu halten und von ihnen Bezahlung zu fordern, ist den Kollegen des Ruhestandsbeamten deshalb offenbar kein Schaden entstanden. Das ändert jedoch nichts daran, dass der Ruhestandsbeamte, indem er von dem für die Reise eingerichteten Sonderkonto Abhebungen vorgenommen hat, auf das Geld seiner Kollegen zugegriffen hat. Dass die Reise trotz der unberechtigten Abhebungen statt finden konnte und den Kollegen des Ruhestandsbeamten kein finanzieller Schaden entstanden ist, ist davon abgesehen nur dem - aus ihrer und der Sicht des Ruhestandsbeamten - glücklichen Umstand zu verdanken, dass der Reiseveranstalter sich mit einer Zahlung per Scheck zufrieden gegeben und von der fehlenden Deckung erst nach Durchführung der Reise erfahren hat.

Der gegenüber dem Tabakwarenhändler begangene Betrug wiegt ebenfalls schwer. Zwar wurde der Händler nur um eine vergleichsweise geringe Summe (750 DM) geschädigt. Das ist jedoch disziplinarrechtlich nicht entscheidend. Insoweit steht vielmehr der durch das Verhalten des Ruhestandsbeamten entstandene Ansehensverlust des Berufsbeamtentums im Vordergrund, der sich daraus ergibt, dass der Ruhestandsbeamte beim Einkauf der für die Kantine bestimmten Tabakwaren als Repräsentant der Justizvollzugsanstalt aufgetreten ist.

Bei der Frage, ob trotz dieses Verhaltens noch ein Rest an Vertrauen in eine künftig ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung des Ruhestandsbeamten bestünde und es dem Dienstherr deshalb zumutbar gewesen wäre, den Ruhestandsbeamte weiter zu beschäftigen, wenn dieser sich noch im Dienst befände, ist ferner von erheblicher Bedeutung, dass ein Vollzugsbeamter, der sich mehrerer Vermögensstraftaten schuldig gemacht hat, ein erhebliches Sicherheitsrisiko bedeutet, da er dadurch den Eindruck erweckt, er könne auch im dienstlichen Bereich bereit sein, um finanzieller Vorteile willen gegen seine Dienstpflichten zu verstoßen. Die uneingeschränkte persönliche Integrität von Vollzugsbeamten ist auch deshalb unverzichtbar, weil anderenfalls ihre Autorität gegenüber den Strafgefangenen nicht nur, wie die Disziplinarkammer meint, Schaden erleidet, sondern zumindest weitgehend verloren geht. Ein Vollzugsbeamter macht sich daher durch ein solches Verhalten regelmäßig untragbar. Umstände, die es rechtfertigten, den Ruhestandsbeamten gleichwohl im Dienst zu belassen, wenn er sich noch in diesem befände, vermag der Senat ebenso wenig wie die Disziplinarkammer zu erkennen. In der Hauptverhandlung vor dem Senat hat der Ruhestandsbeamte sein Verhalten in erster Linie damit erklärt, dass er in der Zeit, in der das Dienstvergehen begangen habe, wegen seiner Spielleidenschaft unter einem ständigen Druck gestanden habe, dem er nicht habe widerstehen können. Diese Leidenschaft vermag den Ruhestandsbeamte jedoch nicht entscheidend zu entlasten, da eine Spielsucht mit krankheitsbedingtem Charakter von dem Sachverständigen, den das Amtsgericht Bonn mit der Untersuchung des Ruhestandsbeamten beauftragt hat, ausdrücklich verneint worden ist. Nach den Feststellungen des Sachverständigen hat die Spielsucht des Ruhestandsbeamten zudem ab 1990 stark abgenommen, was dieser in der Hauptverhandlung selbst eingeräumt hat. Schließlich zeigt auch der Umstand, dass der Ruhestandsbeamte nach seinen eigenen Angaben seit drei Jahren nicht mehr spielt, dass er durchaus in der Lage ist, seine Leidenschaft zu steuern.

Auch die finanzielle Situation, in der sich der Ruhestandsbeamte vor den von ihm begangenen Taten befunden hat, war nicht so verzweifelt, dass darin ein Milderungsgrund gesehen werden könnte. Im Urteil des Landgerichts ist zwar von Schulden in Höhe von 140.000 DM die Rede. Darin sind jedoch die Verbindlichkeiten, die sich aus den hier in Rede stehenden Straftaten ergeben haben, eingeschlossen, so dass von etwa 70.000 DM Schulden im Zeitpunkt der Taten auszugehen ist. Eine solche Summe ist sicherlich keine Bagatelle. Bei dem Einkommen des Ruhestandsbeamten von immerhin 4.545,75 DM (brutto), dem zusätzlichen Verdienst seiner ebenfalls berufstätigen Ehefrau von (damals) 2.400 DM (netto), ist diese Schuldenlast jedoch bei weitem so drückend, dass mit ihr das Verhalten des Ruhestandsbeamte teilweise entschuldigt werden könnte.

Ein Zusammenhang zwischen den Straftaten des Ruhestandsbeamten und dem Umstand, dass sein ältester Sohn 1994 wegen mehrerer Körperverletzungsdelikte zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, ist für den Senat nicht zu erkennen. Der Ruhestandsbeamte behauptet zwar, ca. 35.000 DM an die Gläubiger seines Sohns bezahlt zu haben (Urteil des Amtsgerichts Tübingen, S. 6). Diese Leistungen sind jedoch bei den oben genannten Schulden bereits berücksichtigt und haben daher die finanzielle Situation des Ruhestandsbeamten nicht zusätzlich verschlechtert. Die von dem Ruhestandsbeamten behauptete persönliche Belastung durch die Inhaftierung seines Sohnes ist ohne weiteres nachvollziehbar. Der Senat vermag jedoch nicht zu verstehen, warum diese dem Ruhestandsbeamten Anlass dazu gegeben haben soll, selbst straffällig zu werden.

Der Ruhestandsbeamte wird schließlich auch nicht dadurch entlastet, dass der Leiter der Justizvollzugsanstalt es unterlassen hat, ihn rechtzeitig auf einen anderen Posten zu versetzen. Das bloße Bekanntwerden der finanziellen Schwierigkeiten, in denen sich der Ruhestandsbeamte offenbar schon seit einiger Zeit befand, wäre kein hinreichender Grund gewesen, den in der Kantine beschäftigten Ruhestandsbeamte mit einer anderen Tätigkeit zu betrauen. Dagegen hätte der Leiter der Justizvollzugsanstalt sicherlich zu einer solchen Maßnahmen greifen können, nachdem der Ruhestandsbeamte sowohl 1995 als auch Anfang 1997 die Abrechnung der Kantineneinnahmen verzögert hatte und mit der Ablieferung der Einnahmen in Verzug geraten war. Wie sich aus dem bei den Untersuchungsakten befindlichen Vermerk des Anstaltsleiters vom 11.7.1997 ergibt, wurde dies damals auch von ihm erwogen. Er hat jedoch davon nach Rücksprache mit dem Personalrat abgesehen, um dem Ruhestandsbeamten, der versprochen hatte, dass sich ähnliches in Zukunft nicht mehr ereignen werde, einen Gesichtsverlust vor seinen Kollegen zu ersparen, und sich damit begnügt, den Ruhestandsbeamten in Form einer Abmahnung darauf hinzuweisen, dass er bei neuerlichen finanziellen Auffälligkeiten sofort von seinem Dienstposten in der Kantine abgelöst werde. Darin wird man ein erhebliches Entgegenkommen des Anstaltsleiters sehen müssen. Dass der Ruhestandsbeamte dieses Entgegenkommen nicht gewürdigt, sondern das ihm auf Grund der gemachten Versprechungen erneut entgegen gebrachte Vertrauen wiederum missbraucht hat, um der Kasse des Personalrats einen weiteren Schaden in noch größeren Dimensionen zuzufügen, ist jedoch nicht geeignet, sein Verhalten in einem milderen Licht erscheinen zu lassen. Für das lange Zuwarten des Personalrats gilt im Wesentlichen das Gleiche. Zwar wäre es aus rückblickender Sicht in der Tat besser gewesen, wenn der Personalrat sich bereits zu einem früheren Zeitpunkt dazu entschieden hätte, den Ruhestandsbeamten von seiner damaligen Tätigkeit zu entbinden. Nach den bei den Akten befindlichen Stellungnahmen des Personalratsvorsitzenden sowie des Kassenwarts hat es der Ruhestandsbeamte jedoch offenbar verstanden, beide durch immer neue Bitten, Vertröstungen sowie durch Selbstmorddrohungen von einem energischen Einschreiten abzuhalten. In keinem Fall konnte der Ruhestandsbeamte aber das Verhalten des Personalrats als eine Art Freibrief betrachten, sich weiterhin aus einer fremden Kasse zu bedienen, um eigene Schulden zu begleichen bzw. weiterhin seiner Spielleidenschaft nachgehen zu können

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112 Abs. 1 S. 1 LDO.

Das Urteil ist unanfechtbar (§ 88 LDO).

Ende der Entscheidung

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