Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 29.03.2004
Aktenzeichen: DB 17 S 7/04
Rechtsgebiete: BDG, VwGO, ZPO


Vorschriften:

BDG § 3
BDG § 64 Abs. 1
VwGO § 60
VwGO § 125
ZPO § 85 Abs. 2
In Disziplinarverfahren des Bundes muss sich der Beamte seit Inkrafttreten des BDG ein Verschulden seines Bevollmächtigten, das zur Fristversäumnis geführt hat, zurechnen lassen.
DB 17 S 7/04

VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

In der Verwaltungsrechtssache

wegen

Dienstvergehens

hat der 17. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schwäble, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Noé und die Richterin am Verwaltungsgericht Wilke

am 29. März 2004

beschlossen:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 22. Januar 2004 - DB 12 K 14/03 - wird verworfen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die Entscheidung ergeht nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss (§ 64 Abs. 1 BDG, § 3 BDG i.V.m. § 125 Abs. 2 Sätze 2 und 3 VwGO; vgl. auch Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, Kommentar, § 64 BDG Rdnr. 8).

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgericht Freiburg vom 22.01.2004 ist als unzulässig zu verwerfen, da sie nicht fristgerecht begründet wurde (§ 64 Abs. 1 Satz 5 BDG, § 3 BDG i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 1 VwGO); Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der versäumten Begründungsfrist kann nicht gewährt werden.

Gemäß § 64 Abs. 1 BDG ist die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts über eine Disziplinarklage - wie vorliegend - bei dem Verwaltungsgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich einzulegen und zu begründen (Satz 2). Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden (Satz 3). Die Begründung muss einen bestimmten Antrag sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe) enthalten (Satz 4). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig (Satz 5). Die Beklagte, die auf diese Form- und Fristerfordernisse in der dem Urteil des Verwaltungsgerichts beigefügten Rechtsmittelbelehrung hingewiesen wurde, hat die Berufung zwar <am 09.03.2003> fristgerecht eingelegt, sie jedoch nicht fristgerecht begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 10.02.2004 ordnungsgemäß zugestellt, so dass die Frist zur Einlegung und Begründung der Berufung mit dem 10.03.2004 (Mittwoch) ablief (vgl. § 3 BDG i.V.m. § 57 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB). Die Berufungsbegründung ging jedoch erst am 18.03.2004 beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg ein, nachdem der Senat der Beklagten mit Schreiben vom 12.03.2004 mitgeteilt hatte, dass beabsichtigt sei, die Berufung wegen der Fristversäumnis zu verwerfen. Ein Antrag, die Begründungsfrist zu verlängern, war vor Ablauf dieser Frist nicht gestellt worden. Ob die <nachträgliche> Einreichung der Begründung beim Verwaltungsgerichtshof überhaupt den formellen Anforderungen des § 64 Abs. 1 BDG entspricht, kann offen bleiben, denn jedenfalls hat der zeitgleich mit der Berufungsbegründung eingegangene Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand keinen Erfolg.

Nach § 60 Abs. 1 VwGO, der über § 3 BDG auch im gerichtlichen Disziplinarverfahren Anwendung findet (vgl. Gansen, a.a.O., § 3 Rdnr. 8; Köhler/Ratz, BDG, 3. Aufl., § 3 Rdnr. 3), ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Ein Verschulden im Sinne des § 60 Abs. 1 VwGO ist anzunehmen, wenn der Betroffene diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden geboten ist und die ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten war (vgl. BVerwG, Beschluss vom 06.06.1995 - 6 C 13.93 -, Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 198). Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen (§ 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht gegeben.

Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat mit dem Wiedereinsetzungsantrag unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung geltend gemacht, dass die Beklagte ohne Verschulden verhindert gewesen sei, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten. Sie habe ihm noch vor Übersendung des schriftlichen Urteils des Verwaltungsgerichts Freiburg den Auftrag erteilt, hiergegen Berufung einzulegen und diese unter Bezug auf den Zeitungsartikel vom 06.02.2004 zu begründen. Er habe aber aufgrund eigenen Verschuldens eine unzutreffende Frist zur Berufungsbegründung vermerkt und diese Frist deshalb schuldhaft versäumt. Die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beruht damit vorliegend - wie vom Prozessbevollmächtigten selbst eingeräumt - auf seinem eigenen Verschulden. Dieses Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten muss sich die Beklagte gemäß § 3 BDG i.V.m. § 173 VwGO und § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen. Die frühere Rechtsprechung, wonach ein Verschulden des Anwaltes, das zur Fristversäumnis geführt hat, nicht dem Beamten zuzurechnen ist (vgl. beispielsweise BVerwG, Beschluss vom 18.03.1991 - 1 DB 1/91 - NVwZ 1992, 171), ist überholt. Seit Inkrafttreten des Bundesdisziplinargesetzes am 01.01.2002 (vgl. Gesetz zur Neuordnung des Bundesdisziplinarrechts vom 09.07.2001, BGBl. I, S. 1510) sind das Verwaltungsverfahrensgesetz, die Verwaltungsgerichtsordnung und weitere Gesetze, die auch für das sonstige Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsverfahren gelten, über § 3 BDG in Disziplinarverfahren des Bundes ergänzend anzuwenden. Das Disziplinarverfahrensrecht wurde insgesamt von der Bindung an das Strafprozessrecht gelöst und stattdessen eng an das Verwaltungsverfahrensgesetz und die Verwaltungsgerichtsordnung angelehnt. Ob Wiedereinsetzung zu gewähren ist, beurteilt sich damit - über § 3 BDG - ausschließlich nach dem Regelwerk der Verwaltungsgerichtsordnung und der sonst für das verwaltungsgerichtliche Verfahren geltenden Gesetze (vgl. Gansen, a.a.O., § 3 Rdnr. 1, 4; Köhler/Ratz, a.a.O., § 3 Rdnr. 3).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Revision an das Bundesverwaltungsgericht wird nicht zugelassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist (§ 125 Abs. 2 Satz 4 VwGO).

Ende der Entscheidung

Zurück