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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 07.07.2003
Aktenzeichen: DL 17 S 2/03
Rechtsgebiete: LDO, EMRK, LBG


Vorschriften:

LDO § 11
LDO § 19 Abs. 1
LDO § 62
LDO § 75 Abs. 1 Satz 1
EMRK Art. 6
LBG § 71 Abs. 1
LBG § 73 Satz 2
LBG § 73 Satz 3
1. Der Unterhaltsbeitrag ist Ausdruck einer das Beamtenverhältnis überdauernden Fürsorgepflicht des Dienstherrn.

2. Offenbart das Verhalten des Beamten, dass ihm die Interessen des Dienstherrn gleichgültig sind und die beamtenrechtliche Treuepflicht für ihn keine Bedeutung mehr hat, mithin sein Verhalten als Loslösung von seinem Dienstherrn zu bewerten ist, entfällt auch die Grundlage für eine nachwirkende Fürsorgepflicht des Dienstherrn. In einem solchen Fall ist er der Bewilligung eines Unterhaltsbeitrags nach § 75 Abs. 1 Satz 1 LDO nicht würdig.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

DL 17 S 2/03

Verkündet am 07.07.2003

In dem förmlichen Disziplinarverfahren

wegen Dienstvergehens

hat der 17. Senat - Disziplinarsenat - des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Ecker als Vorsitzende, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Christ, den Richter am Verwaltungsgericht Dr. Demmler sowie die Beamtenbeisitzer Polizeihauptkommissar Igel und Erster Polizeihauptkommissar Niebel auf Grund der Hauptverhandlung vom 7. Juli 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beamten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 4. November 2002 - DL 20 K 6/02 - wird zurückgewiesen.

Der Beamte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Gründe:

I.

1. Der Beamte wurde am 29.8.1953 in XXXXXX geboren. Am 8.4.1970 wurde er bei der Bereitschaftspolizei in XXXXXXXX unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf eingestellt und am 29.4.1971 als Polizeiwachtmeister in das Beamtenverhältnis auf Probe berufen. Am 16.3.1972 wurde er zum Polizeioberwachtmeister, am 2.3.1973 zum Polizeihauptwachtmeister, am 12.11.1973 zum Polizeimeister, am 19.3.1976 zum Polizeiobermeister und am 31.7.1979 zum Kriminalhauptmeister ernannt. Am 29.8.1980 folgte die Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit. Der Beamte erlangte am 5.10.1983 die Fachhochschulreife an der Landespolizeischule und studierte anschließend von 1983 bis 1985 an der Fachhochschule für Polizeiwesen, welches Studium er am 17.10.1985 mit der Staatsprüfung für den gehobenen Dienst der Kriminalpolizei mit der Gesamtnote befriedigend (3,3) als Diplomverwaltungswirt-Polizei (FH) abschloss. Mit Datum vom gleichen Tage wurde er zum Kriminalkommissar und am 23.3.1989 zum Kriminaloberkommissar ernannt. Seine letzte Regelbeurteilung vom 16.4.1992 lautet auf gut (2,0). Der Beamte war zuletzt als Sachbearbeiter bei der Polizeidirektion XXXXXXXX - Abteilung II - Kriminalpolizei - tätig.

Der Beamte ist seit 14.4.1997 rechtskräftig geschieden, aus der am 18.3.1977 geschlossenen Ehe sind zwei Söhne, geboren am 27.6.1978 und am 7.8.1981 hervorgegangen. Der jüngere Sohn ist arbeitslos und lebt von Gelegenheitsjobs. Der ältere Sohn, der in früheren Jahren an Knochenkrebs erkrankt war, ist nach Abschluss seiner Ausbildung zum Bürokaufmann seit März 2003 arbeitslos und erhält 480,-- EUR Arbeitslosengeld. Er lebt bei dem Beamten und erhält von ihm unentgeltlich Kost und Unterkunft. Darüber hinausgehende Unterhaltsleistungen werden von dem Beamten nicht erbracht. Schon vor seiner Suspendierung bis etwa 1999 war der Beamte als Zeitungsausträger tätig und erhielt dafür 400,-- DM monatlich. Von 1992 bis 1995 übte er eine geringfügige Beschäftigung als LKW-Fahrer aus. Nach einer ca. sechsmonatigen Unterbrechung, in der er keiner Nebentätigkeit nachging, arbeitete er seither für 400,-- EUR monatlich in einer Gärtnerei. Nebentätigkeitsgenehmigungen hatte er nicht eingeholt. Disziplinarrechtlich ist der Beamte bislang nicht in Erscheinung getreten.

2. Mit Urteil des Landgerichts XXXXXXX vom 6.5.1996 (XX XX XX/XX) wurde der Beamte wegen zweifacher Unterschlagung jeweils in Tateinheit mit Verwahrungsbruch zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Monaten und 2 Wochen mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Dem Urteil liegen folgende Feststellungen zugrunde:

Im Jahre 1991 war der Angeklagte u.a. in dienstlicher Eigenschaft mit dem Fall XXXXXXXXXXXXXXX befasst. Dieser Beschuldigte wurde am 21.09.1991 nachts bei einem versuchten Einbruchsdiebstahl festgenommen und verhaftet. Der Angeklagte vernahm seinerzeit den Beschuldigten. Bei diesem Beschuldigten wurde bei der Festnahme eine körperliche Untersuchung auch der Innentasche seiner Jacke durchgeführt und ein Bargeldbetrag in Höhe von 55,00 DM bestehend aus einem 50,00 DM-Schein, einer 2,00 DM-Münze und 3 jeweils 1,00 DM-Münzen sichergestellt. Außerdem wurde zu Beweiszwecken dessen Kleidung sichergestellt und später kriminaltechnisch auf Spuren des Einbruchdiebstahls untersucht. Bei diesem Beschuldigten wurden u.a. auch noch folgende persönliche Gegenstände bei seiner Festnahme asserviert u.a. eine goldfarbene Armbanduhr, eine goldfarbene Halskette, eine goldfarbene Armkette, ein goldfarbener Fingerring. Alle diese bei dem Beschuldigten XXXXX sichergestellten Gegenstände (Schmuck, Bargeld und Kleidung) wurden dem Angeklagten noch am Festnahmetag in dienstlicher Eigenschaft von den Streifenbeamten, die XXXXXXX gestellt hatten, übergeben. Bei Vorlage der Akten am 29.10.1991 an die Staatsanwaltschaft XXXXXXX wurden vom Angeklagten lediglich die sichergestellte Umhängetasche, ein Schlüssel und Handschuhe als Beweisstücke vorgelegt und diesbezüglich im Beweisstückverzeichnis eingetragen. Die anderen beim Beschuldigten XXXXX seinerzeit sichergestellten Gegenstände (wie Kleidung, Schmuck und insbesondere Bargeld) verblieben zunächst beim Angeklagten in seiner Dienststelle bei der Kriminalpolizei in XXXXXXX. Diese zuletzt genannten Gegenstände waren jedoch später für die Beweisführung nicht mehr erforderlich. Der Angeklagte gab diese Gegenstände jedoch nicht in die zuständige Asservatenkammer bei der Polizeidirektion XXXXXXXX und das Geld und Schmuck auch nicht in einen der dort vorhandenen Panzerschränke oder Tresore. Am 03.02.1992 schrieb der Angeklagte mit Briefkopf der Polizeidirektion XXXXXX an den zwischenzeitlich aus der Untersuchungshaft entlassenen Beschuldigten XXXX unter dessen Adresse und bat diesen zwecks Abholung seiner Effekten um Vorsprache bei ihm am Donnerstag, 27.02.1992 um 17.00 Uhr. Der Angeklagte hatte vor, zu diesem Zeitpunkt dem Beschuldigten XXXX die bei der Polizeidirektion verbliebenen Gegenstände gegen Quittung auszuhändigen, weil diese nach seiner Ansicht für das noch offene Verfahren nicht mehr benötigt wurden und deshalb an den Beschuldigten zurückgegeben werden konnten. Dieses Schreiben kam jedoch alsbald zu der Polizeidirektion XXXXXXX mit dem handschriftlichen Vermerk des Briefträgers "unbekannt" zurück, weil XXXXXX dort nicht angetroffen werden konnte. Eine vorherige Rückgabe war gescheitert, weil XXXXXXX damals schon aus der Haft entlassen worden war. Zu irgendeinem Zeitpunkt nach dem 04.02.1992 (Rückkunft des Schreibens an XXXXXXX) und vor dem 01.07.1992 (Antritt des Urlaubs des Angeklagten) entschloss sich der Angeklagte, das bei XXXXXX sichergestellte Geld, also den Betrag von 55,00 DM sich zuzueignen. Er nahm das von ihm dienstlich erhaltene Geld in Kenntnis dessen, dass dieser Betrag dem XXXXX gehörte, und verbrauchte das Geld für sich entweder zur Bestreitung seines Lebensunterhalts oder aber zur Zahlung dringender sonstiger Verpflichtungen. Er ging davon aus, dass XXXXX zwischenzeitlich untergetaucht sei, so dass dieser deshalb an die Rückgabe seiner Effekten und seines Bargeldes wohl nicht mehr denken und daher keine entsprechenden Anstrengungen auf Rückerhalt anstellen werde, zumindest nicht in absehbarer Zeit. Gleichwohl jedoch war der Angeklagte damals davon überzeugt, dass es ihm trotz seiner ihm bekannten wirtschaftlichen Schwierigkeiten doch gelingen würde, bei Bedarf diesen geringen Betrag von nur 55,00 DM schon wieder kurzfristig aufzutreiben, um dann das Geld gegebenenfalls an diesen wieder auszahlen zu können. Dass diese Art einer "vorübergehenden Fremdfinanzierung" und der "eigenmächtigen Überbrückungshilfe" dringender persönlicher Verpflichtungen selbstverständlich unerlaubt und daher strafbar sein würde, wusste der Angeklagte. Aber bei seiner damaligen wirtschaftlich schlechten Situation schien ihm der Preis und das Risiko nicht zu hoch zu sein, zumal er mit keiner Entdeckung seiner Verfehlung rechnete. Tatsächlich zahlte der Angeklagte dann später, allerdings erst nach und wegen der Entdeckung dieser Straftat den genannten Betrag am 28.08.1992 wieder an den Zeugen XXXXXXX, einen ebenfalls in seiner damaligen Dienststelle tätigen Beamten, zurück. Dieser ließ jedoch vorsorglich den zurückgegebenen 50,00 DM-Schein durch Rückfrage bei der Deutschen Bundesbank in Bonn überprüfen, wobei festgestellt wurde, dass zum Zeitpunkt der Festnahme des XXXXXX und der Sicherstellung u.a. des 50,00 DM-Scheins bei ihm dieser Schein von der Deutschen Bundesbank noch gar nicht in Umlauf gegeben war, also auch nicht damals sich im Besitz des XXXXX befunden haben konnte.

Am Donnerstag, den 12.03.1992 führte XXXXXX XXXXXXX einen Banküberfall auf die Filiale XXXXXX der Kreissparkasse XXXXXX durch und erbeutete bei diesem Verbrechen den Betrag von DM 6.940,00. Der Täter wurde alsbald gestellt. Ihm wurde die Gesamtbeute, die er in einer Plastiktüte mit sich führte, abgenommen. Die Tatwaffe einschließlich Wollmaske und die Beute in der Plastiktüte wurden dem Angeklagten noch am gleichen Abend von dem zunächst tätigen Polizeibeamten dienstlich übergeben. Der Angeklagte führte daraufhin unter dem Aktenzeichen XXXXXXXXX in seiner Eigenschaft als Kriminaloberkommissar das polizeiliche Ermittlungsverfahren bei der Polizeidirektion XXXXXXX zuständigkeitshalber weiter. Der Beschuldigte war geständig und erklärte sich bei seiner Vernehmung durch den Angeklagten am 24.03.1992 mit der Rückgabe der gesamten Beute an die Kreissparkasse einverstanden. Am 16.07.1992 wurde der geständige Angeklagte XXXXXXXX wegen schwerer räuberischer Erpressung verurteilt. Nach Rechtskraft dieses Urteils bat die Kreissparkasse XXXXXXX telefonisch um Rückgabe der Beute beim Vorsitzenden der Strafkammer, der sich bei der Polizeidirektion XXXXXXXXX nach dem Verbleib des Geldes erkundigte. Da der Angeklagte am 01.07.1992 einen 4-wöchigen Erholungsurlaub angetreten hatte, forschte der Zeuge XXXXXX nach dem Verbleib der Beute und konnte diese weder bei den Asservaten der Behörde noch in deren Tresoren oder Panzerschränken und auch nicht im Dienstzimmer oder im Schrank des Angeklagten finden. Bei einem Anruf an seinem Urlaubsort erklärte der Angeklagte, er habe den betreffenden Betrag, also die Beute aus dem Bankraub in XXXXXX in seinem Gefach im Gefachraum der Polizeidirektion XXXXXXX eingeschlossen. Die sofortige Überprüfung dieses verschlossenen Gefachs Nr. 56 durch die beiden Zeugen XXXXX und XXXXXXX ergab, dass dort lediglich die Dienstwaffe des Angeklagten und seine Dienstmarke verwahrt war, jedoch keinerlei Geld. Das Geld aus dem Bankraub konnte auch gar nicht in diesem Gefach des Angeklagten verwahrt werden, weil dieser sich zu irgendeinem Zeitpunkt nach Erhalt dieser Beute und vor Antritt seines damaligen Urlaubs entschlossen hatte, das von ihm dienstlich in seiner Eigenschaft als Kriminaloberkommissar entgegengenommene Geld vorübergehend für sich zu behalten und privat zu verbrauchen und damit drängende persönliche Verpflichtungen zu bezahlen, was er auch tatsächlich tat. Er war sich bei Zueignung dieses Betrags darüber im Klaren, dass er das Geld nur vorübergehend und kurzfristig für einige Wochen höchstens Monate "unberechtigterweise ausleihen" konnte, weil er wusste, dass alsbald nach rechtskräftigem Verfahrensabschluss gegen den Räuber XXXXXXX nach dem Verbleib der Beute gefragt würde und diese daher wieder an die Sparkasse zurückgegeben werden musste. Allerdings glaubte der Angeklagte, dass dieser Zeitpunkt nicht so schnell heranrücken würde und hoffte bis zu dem von ihm vorgestellten Rückgabetermin, etwa im Herbst 1992, dass es ihm irgendwie doch zwischenzeitlich wieder gelingen würde, den betreffenden Betrag zu beschaffen, um mit diesem bis dahin aufgetriebenen Geld den veruntreuten Betrag von 6.940,00 DM an die Kreissparkasse XXXXXXXX abführen zu können. Die Überlegung des Angeklagten, sich unter Verwendung und mit Hilfe dieses dienstlich vereinnahmten Betrags vorübergehend wirtschaftlich "Luft zu verschaffen" und eines oder mehrere damals vorhandene "Löcher zu stopfen", wurde von seiner damaligen Vorstellung begünstigt, er habe seinerzeit bei sich gedacht, die Kreissparkasse habe genügend Geld, weshalb die Rückgabe dieses Betrags an die genannte Bank auch noch nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub, also nach dem 30.07.1992 reichen würde. Wegen der sofortigen Aburteilung des XXXXX wurde die ursprüngliche Planung des Angeklagten, das Geld bis zum vorgestellten Rückgabezeitpunkt wieder aufzutreiben und den Schaden mit eigenem Geld wieder gut zu machen, durchkreuzt und die Straftat des Angeklagten daher entdeckt.

Mit Urteil des Amtsgerichts XXXXXXXXX vom 8.12.1997 X XX XXXX X XXXXX wurde der Beamte unter Einbeziehung der oben genannten Verurteilung wegen Diebstahls in zwei Fällen sowie wegen Betrugs in vier Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung wiederum zur Bewährung ausgesetzt wurde. Dieses Urteil ist seit dem 15.6.1998 rechtskräftig. Ihm liegen folgende Feststellungen zugrunde:

"Seit 1992 ist der Angeklagte aus dem Kauf einer Eigentumswohnung hoch verschuldet. Seine Schuldenlast lag zu dieser Zeit bei ca. 220.000,-- DM. Weil der ältere Sohn an Knochenkrebs erkrankt war und deshalb die damalige Ehefrau ihre Arbeit aufgeben musste, war es dem Angeklagten unmöglich geworden, die ursprünglich solide Schuldentilgungsplanung zu verwirklichen. Auch ein Notverkauf der Wohnung konnte die finanziell stark angespannte Lage nicht nachhaltig verbessern. Dies führte dazu, dass der Angeklagte die im einbezogenen Urteil aufgeführten Unterschlagungen beging. Außerdem beging er auf Grund der gleichen Situation noch folgende Straftaten:

1-4) Obwohl er sich darüber klar war, dass er die anstehenden Rechnungen mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht würde - wie geschuldet sofort und in voller Höhe - bezahlen können, vergab er in 4 Fällen Reparaturen an seinen 2 Pkw, wobei er vorsichtshalber 4 verschiedene Werkstätten beauftragte und diese jeweils im Glauben ließ, Auftraggeber sei nicht er selbst, sondern sein damals minderjähriger Sohn xxxxxxx (dieser war nämlich im Kfz-Schein eingetragen).

Im Einzelnen erteilte er folgende Aufträge:

1.) Am 21.04.1992 bei der Firma XXXX XXXXXXX, XXXXXXXXX, Rechnungsbetrag: 1.649,16 DM.

Zivilverfahren führte zum Antrag auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung Mitte 1995.

2.) Am 04.11.1992 bei der Firma XXXXXX, XXXXXXXX, Rechnungsbetrag: 494,35 DM. Das zivilrechtliche Vollstreckungsverfahren wurde durch Zahlung am 13.04.1995 beendet.

3.) Am 04.10.1993 beim Autohaus XXXXXX, XXXXXXX, Rechnungsbetrag: 2.869,60 DM. Betrag ist bis heute nicht voll bezahlt.

4.) Am 15.06.1994 bei der Firma XXXXXX, XXXXXXXX, Rechnungsbetrag: 1.267,08 DM. Im März 1995 wurde dem Angeklagten die Rechnung noch einmal zugesandt, weil er sie bis dahin nicht bezahlt hatte. Zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung soll sie bezahlt gewesen sein.

5. und 6.) Mitte 1995 arbeitete der Angeklagte für verschiedene Subunternehmer der Speditionsfirma XXX, XXXXXXXX. Er musste die Speditionsware anhand von Ladepapieren aus dem Lager dieser Firma aussortieren, auf seinen Lkw laden und zum Bestimmungsort transportieren.

Die nützte der Angeklagte zur Begehung von zwei Diebstählen aus:

5.) Am 06.07.1995 lud er - entsprechend seinen Ladepapieren - ein Stromaggregat der Firma XXXXXXX im Wert von ca. 400,00 DM auf seinen Lkw, behauptete danach jedoch gegenüber dem Revisor der Firma XXXXX, er könne dieses Gerät nicht auffinden, worauf die Fracht - als unauffindbar - storniert wurde. Das so erlangte Gerät behielt er für sich.

6.) Am 14.08.1995 lud er einen originalverpackten Stromerzeuger der Fa. XXXXXX im Wert von ca. 1.800,-- DM, für welchen er keine Frachtpapiere hatte (und der ihm im übrigen als Köder hingestellt worden war) unberechtigt auf einen Lkw und behielt ihn in der Folge für sich."

3. Bereits mit Verfügung vom 16.10.1992 hatte das Regierungspräsidium XXXXXXXX dem Beamten unter Anordnung der sofortigen Vollziehung bis auf weiteres die Führung der Dienstgeschäfte verboten. Durch Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 5.2.1993 - 15 K 3754/92 - und Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 4.5.1993 - 4 S 718/93 - wurde die Anordnung der sofortigen Vollziehung bestätigt.

Mit Verfügung des Regierungspräsidiums XXXXXX vom 13.1.1993 wurde gegen den Beamten das förmliche Disziplinarverfahren eingeleitet und bis zum Abschluss des strafgerichtlichen Verfahrens ausgesetzt. Am 3.11.1993 wurde der Beamte unter Einbehaltung von 5 % seiner Dienstbezüge vorläufig des Dienstes enthoben.

Noch vor rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens wurde die Fortführung des ausgesetzten Disziplinarverfahrens mit Verfügung vom 30.9.1997 angeordnet. Die Vernehmung des Beamten vom 25.1.2000 konnte aus technischen, die weitere Vernehmung vom 10.7.2001 aus rechtlichen Gründen nicht verwertet werden. Daraufhin wurde der Beamte am 13.5.2002 von der Untersuchungsführerin angehört. Der Beamte bestritt die ihm vorgeworfenen Taten. Gemäß § 59 LDO hatte er Gelegenheit zur abschließenden Äußerung. Unter dem 23.5.2002 erstattete die Untersuchungsführerin ihren zusammenfassenden Bericht.

Mit Verfügung vom 16.5.2002 wurden die Besoldungsbezüge des Beamten um 40 % reduziert. Auf Antrag des Beamten hat das Verwaltungsgericht Stuttgart diese Verfügung mit Beschluss vom 4.11.2002 - DL 20 K 7/02 - aufrechterhalten. Die dagegen erhobene Beschwerde hat der Senat mit Beschluss vom 7.7.2003 - DL 17 S 3/03 - zurückgewiesen.

II.

Am 17.6.2002 hat der Vertreter der Einleitungsbehörde der Disziplinarkammer die Anschuldigungsschrift vorgelegt. In dieser wird dem Beamten u.a. zur Last gelegt, er habe ein Dienstvergehen im Sinne von § 95 Abs. 1 LBG i.V.m. §§ 73 und 74 S. 2 LBG begangen.

Der Vertreter der Einleitungsbehörde hat beantragt, den Beamten aus dem Dienst zu entfernen. Der Beamte ist diesem Antrag entgegen getreten.

Mit Urteil vom 4.11.2002 (DL 20 K 6/02) hat das Verwaltungsgericht Stuttgart den Beamten aus dem Dienst entfernt, einen Unterhaltsbeitrag hat es ihm nicht bewilligt.

Gegen das ihm am 2.12.2002 zugestellte Urteil hat der Beamte am 31.12.2002 Berufung eingelegt. Er bestreitet die vorgeworfenen Taten. Er sei lediglich aufgrund reiner Indizien verurteilt worden. Im Falle eines der Diebstähle vermute er, dass seitens der Dienststelle versucht worden sei, ihm etwas anzuhängen, denn anders lasse sich der Einsatz des Mobilen Einsatzkommandos des Landeskriminalamtes nicht erklären. Außerdem komme wegen der langen Verfahrensdauer eine Dienstentfernung nicht in Betracht. Zudem sei es verfassungswidrig, ihm seinen erworbenen Rentenanspruch zu entziehen.

Der Beamte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 4.11.2002 - DL 20 K 6/02 - aufzuheben und ihn freizusprechen.

Der Vertreter der obersten Dienstbehörde beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er erwidert: Die tatsächlichen Feststellungen in den rechtskräftigen Urteilen des Landgerichts XXXXXXX und des Amtsgerichts XXXXXXX entfalteten nach § 19 Abs. 1 LDO Bindungswirkung, auch wenn der die Taten bestreitende Beamte mittels Indizien überführt worden sei. Die Voraussetzungen für die Annahme einer psychischen Ausnahmesituation seien auch unter Berücksichtigung der schweren Erkrankung seines Sohnes nicht gegeben, da zwischen der Erkrankung seines Sohnes und der von ihm begangenen Straftaten mehrere Jahre gelegen hätten. Die lange Verfahrensdauer könne bei einer Entfernung aus dem Dienst keine Berücksichtigung finden. Auch Art. 6 EMRK sei im Disziplinarverfahren nicht anwendbar.

Der Senat hat den Beamten in der Hauptverhandlung zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen sowie zur Sache gehört.

Dem Senat liegen die Personalakten des Beamten, die Vorermittlungs- und Untersuchungsakten der Polizeidirektion XXXXXXX und des Regierungspräsidiums XXXXXX, die Strafverfahrensakten (Landgericht XXXXXX und Amtsgericht XXXXXXXX) sowie die Akten des Verwaltungsgerichts Stuttgart (DL 20 K 6/02 und DL 20 K 7/02) vor.

III.

Die zulässige Berufung des Beamten ist nicht begründet. Die Disziplinarkammer hat den Beamten zu Recht aus dem Dienst entfernt und ihm gleichfalls zu Recht keinen Unterhaltsbeitrag bewilligt.

1. In Übereinstimmung mit der Disziplinarkammer geht auch der Disziplinarsenat im Rahmen des vorliegenden Verfahrens von den tatsächlichen Feststellungen aus, die das Landgericht XXXXXXX wegen Unterschlagung in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit Verwahrungsbruch in seinem Urteil vom 6.5.1996 (XX XX XXXXX) und das Amtsgericht XXXXXX wegen Diebstahls in zwei Fällen sowie wegen Betrugs in vier Fällen in seinem Urteil vom 8.12.1997 (X XX (X) X X XX/XX) getroffen haben.

Nach § 19 Abs. 1 S. 1 LDO sind die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils im Strafverfahren, auf denen die Entscheidung beruht, für das Disziplinargericht bindend, soweit das Disziplinarverfahren denselben Sachverhalt zum Gegenstand hat. Mit dieser Regelung und dem darin zum Ausdruck kommenden Vorrang des "sachnäheren" Strafverfahrens vor dem Disziplinarverfahren sollen einander widersprechende Tatsachenfeststellungen verschiedener Gerichte vermieden werden. Der Vorrang des Strafverfahrens rechtfertigt sich insbesondere durch die besseren Ermittlungsmöglichkeiten der zur Aufklärung von Straftaten berufenen Stellen und den dem Beschuldigten im Strafverfahren durch die StPO gewährten optimalen Schutz gegen falsche und rechtsstaatswidrig zustande gekommene Tatsachenfeststellungen (VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 28.9.1998 - D 17 S 9/98 - und vom 1.7.2002 - DL 17 S 22/01 -, unter Hinweis auf Claussen/Janzen, Bundesdisziplinarordnung, 7. Aufl., § 18 Randnr. 1b; von Alberti/Gayer/Roskamp, Landesdisziplinarordnung, § 19 Randnr. 1).

Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 LDO kann das Disziplinargericht allerdings zu Gunsten des Beamten die nochmalige Prüfung solcher Feststellungen beschließen, deren Richtigkeit seine Mitglieder mit Stimmenmehrheit bezweifeln. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine Lösung von den strafgerichtlichen Feststellungen ausnahmsweise dann zulässig, wenn das Disziplinargericht sonst gezwungen wäre, auf der Grundlage offensichtlich unrichtiger oder inzwischen als unzutreffend erkannter Feststellungen zu entscheiden, wenn etwa Feststellungen in Widerspruch zu Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen stehen oder aus sonstigen Gründen offenbar unrichtig oder in einem ausschlaggebenden Punkt unter offenkundiger Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften zustande gekommen sind. Ein Lösungsbeschluss kommt auch dann in Betracht, wenn neue Beweismittel - z.B. neue Sachverständigengutachten - vorgelegt werden, die dem Strafgericht nicht zur Verfügung standen und nach denen die strafgerichtlichen Feststellungen offenbar unrichtig sind oder jedenfalls auf erhebliche Zweifel stoßen (BVerwG, Urteil vom 29.11.2000 - 1 D 13.99 -, NVwZ-RR 2001, 394 -395 m.w.N.). Allein die bloße Möglichkeit, dass das Geschehen ganz oder teilweise auch anders gewesen sein könnte, reicht für einen Lösungsbeschluss nicht aus (VGH, Urteile vom 28.9.1998 und vom 1.7.2002, a.a.O.). Die so umschriebenen Voraussetzungen für einen Lösungsbeschluss liegen in keinem der Fälle vor. Sowohl die Feststellungen des Amtsgerichts XXXXXXX als auch die Feststellungen des Landgerichts XXXXXXX sind in sich schlüssig und widerspruchsfrei, wie bereits die Disziplinarkammer zutreffend festgestellt hat. Ergänzend sei angemerkt, dass die im Fall XXXXXXXX (Unterschlagung von 6.940,00 DM) geforderte Vernehmung der Zeugen XXXX und XXXXXXXX zu der Behauptung, es habe allgemeiner Übung entsprochen, Wertsachen im Gefach zu verwahren, und des Zeugen XXX, der Generalschlüssel sei frei zugänglich gewesen, nicht notwendig war, denn genau diesen Sachverhalt hat das Strafgericht seiner Entscheidung und Beweiswürdigung zu Grunde gelegt. Auch in den beiden Diebstahlsfällen war eine Einvernahme der Beamten des Dezernats BOK (Bandendelikte - organisierte Kriminalität) XXX, XXXXXX und XXXXXXX nicht erforderlich, denn diese sollten nur zur vom Beamten konstruierten Verschwörungstheorie gehört werden; dass sie zu den beiden Diebstahlsvorwürfen in der Sache etwas beitragen könnten, wird vom Beamten nicht behauptet und ist auch sonst nicht ersichtlich. Angesichts der eindeutigen Aussage des Zeugen XXXXXXXX ist es auch nicht zu beanstanden, wenn das Amtsgericht XXXXXXXX von der Einnahme eines Augenscheins abgesehen hat.

Die Pflichtverstöße des Beamten sind nach dem das Disziplinarrecht beherrschenden Einheitsgrundsatz als einheitliches Dienstvergehen anzusehen. Der Senat hält wie die Disziplinarkammer als disziplinare Reaktion auf das schwerwiegende Dienstvergehen allein die Entfernung des Beamten aus dem Dienst für angezeigt (§ 11 LDO).

Nach ständiger Rechtsprechung der Disziplinargerichte führt der Zugriff auf amtlich anvertrautes Geld und Gut zu eigennützigen Zwecken regelmäßig zur Entfernung eines Beamten aus dem Dienst, weil hierdurch das für einen ordnungsgemäßen Verwaltungsablauf unerlässliche Vertrauensverhältnis zwischen Beamten und Dienstherrn nachhaltig und unheilbar zerstört wird (VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 10.6.1996 - D 17 S 8/96 - und vom 9.3.1992 - D 17 S 13/91 -; BVerwG, Urteil vom 22.11.1993 - 1 D 57.92 -, NVwZ-RR 1994, 216; Urteil vom 7.12.1993 - 1 D 32.92 -, BVerwGE 103, 54; vgl. jüngst BVerwGE 114, 240).

Der Senat geht in beiden Unterschlagungsfällen von einem klassischen Zugriffsdelikt aus. Im Falle XXXXXX wurden dem Beamten Schmuck, Bargeld und Kleidung in dienstlicher Eigenschaft von den Streifenbeamten, die XXXX gestellt hatten, übergeben. Der Beamte verwahrte diese Gegenstände jedoch nicht in der zuständigen Asservatenkammer bei der Polizeidirektion XXXXXX und Geld und Schmuck auch nicht in einem der dort vorhandenen Panzerschränke oder Tresore, sondern verbrauchte das Geld für sich entweder zur Bestreitung seines Lebensunterhalts oder aber zur Zahlung dringender sonstiger Verpflichtungen. Im Falle des Banküberfalls durch XXXXXX XXXXXXXX wurden dem Beamten die Tatwaffe einschließlich Wollmaske und die Beute in Höhe von 6.940,00 DM von dem zunächst tätigen Polizeibeamten dienstlich übergeben. Auch in diesem Fall gab der Beamte das Geld nicht in den Tresor oder Panzerschrank, sondern entschloss sich, das von ihm dienstlich in seiner Eigenschaft als Kriminaloberkommissar entgegen genommene Geld vorübergehend für sich zu behalten und privat zu verbrauchen und damit dringende persönliche Verpflichtungen zu begleichen. Somit hat er in beiden Fällen dienstlich erlangtes Geld für sich verwendet und dadurch ein klassisches Zugriffsdelikt verwirklicht. Der Beamte hat damit gegen die Pflicht zur Uneigennützigkeit (§ 73 Satz 2 LBG) die Pflicht zur Wahrung des Rechts (vgl. § 71 Abs. 1 LBG) und die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten (§ 73 Satz 3 LBG) verstoßen. Dass es sich dabei um einen innerdienstlichen Pflichtverstoß im Sinne eines Dienstvergehens nach § 95 Abs. 1 Satz 1 LBG handelt, bedarf keiner weiteren Erörterung. Schon diese beiden Unterschlagungen rechtfertigen für sich genommen eine Entfernung aus dem Dienst. Hinzu kommen die vom Amtsgericht XXXXXXX festgestellten zwei Diebstähle und vier Betrugstatbestände. Bei diesen Pflichtverstößen handelt es sich zwar um ein außerdienstliches Fehlverhalten, jedoch hat er damit als Polizeibeamter, der für Recht und Ordnung zu sorgen hat, in besonders schwerwiegender Weise im Kernbereich seiner dienstlichen Tätigkeit versagt. Erschwerend kommt außerdem hinzu, dass er diese Taten während eines laufenden Disziplinarverfahrens begangen hat.

2. Es liegen keine Gründe vor, nach denen ausnahmsweise von einer Dienstentfernung abgesehen werden könnte. Die Krebserkrankung des Sohnes des Beamten lag zum Tatzeitpunkt bereits einige Jahre zurück. Auch befand sich der Beamte nicht in einer ausweglosen wirtschaftlichen Notlage, die er anders nicht hätte beheben können. Zwar waren und sind seine wirtschaftlichen Verhältnisse äußerst desolat. Dieser Zustand zog sich jedoch über einen langen Zeitraum hin, in dem er in der Lage hätte sein müssen, seine wirtschaftlichen Verhältnisse zu regeln. Von einer besonderen einmaligen Ausnahmesituation kann daher keine Rede sein.

Nach allem ist der Beamte wegen endgültigen Vertrauens- und Ansehensverlustes untragbar und aus dem Dienst zu entfernen.

3. Dem steht die unangemessen lange Dauer des behördlichen Disziplinarverfahrens nicht entgegen.

Zwar hat die Dienstbehörde das disziplinarrechtliche Beschleunigungsgebot in besonderem Maße verletzt, weil nach rechtskräftigem Abschluss des letzten Strafverfahrens (15.6.1998) nahezu 4 Jahre vergingen, bis der Beamte im Untersuchungsverfahren erstmals ordnungsgemäß angehört werden konnte. So dauerte es bereits 1 1/2 Jahre bis zur ersten Vernehmung des Beamten am 25.1.2000, und dann noch mehr als ein Jahr (23.5.2001) um festzustellen, dass das von dieser Vernehmung gefertigte Protokoll aus technischen Gründen nicht brauchbar war. Im Hinblick auf die am 10.7.2001 erfolgte zweite Anhörung des Beamten erkannte die Behörde wiederum erst nach etwa einem weiteren Jahr (27.3.2002), dass der die Anhörung durchführende Beamte gemäß § 52 Abs. 2 Satz 3 LDO ausgeschlossen war, mithin diese Vernehmung aus rechtlichen Gründen nicht verwertet werden konnte.

Gleichwohl kann der Beamte aus dieser Missachtung des disziplinarrechtlichen Beschleunigungsgebots nichts für sich herleiten:

a) Eine Einstellung des Verfahrens wegen einer Verletzung des in Art. 6 EMRK normierten Beschleunigungsgebots kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil diese Vorschrift im Disziplinarverfahren nicht anwendbar ist. Sie gilt nur, soweit "zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen" geltend gemacht oder "strafrechtliche Anklagen" erhoben werden. Das deutsche Disziplinarrecht berührt diese Sachbereiche aber weder formal noch inhaltlich, weil es allein auf die Sicherung der Funktionsfähigkeit des öffentliches Dienstes zielt (vgl. BVerwGE 73, 361, 363 ff.; Urteil vom 19.9.1989, DÖD 1990, 268; offengelassen im Urteil vom 27.2.2002 - 2 BD 18/01 -). Art. 6 EMRK ist zudem nur für das gerichtliche Verfahren einschlägig. Insoweit liegt eine Verfahrensverzögerung jedoch offenkundig nicht vor.

b) Ungeachtet der von der Disziplinarbehörde zu vertretenden Verschleppung des behördlichen Disziplinarverfahrens verstößt die Dienstentfernung auch nicht gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit.

aa) Die Landesdisziplinarordnung lässt es nicht zu, von einer Dienstentfernung wegen Zeitablaufs abzusehen. Die Regelung des § 14 LDO, wonach bestimmte Disziplinarmaßnahmen wegen Fristablaufs nicht mehr verhängt werden dürfen, ist nicht einschlägig, wenn das Dienstvergehen - wie vorliegend - so schwer wiegt, dass es mit der Entfernung aus dem Dienst geahndet werden muss. Wie die Disziplinarkammer zu Recht ausgeführt hat, ist der von der Dienstentfernung betroffene Beamte allein darauf verwiesen, eine unangemessene Verzögerung des behördlichen Disziplinarverfahrens durch einen Antrag nach § 62 LDO abzuwenden. Diese "Rügeobliegenheit" ist auch in Fällen offenkundiger Verschleppung des Disziplinarverfahrens mit dem Verhältnismäßigkeitsgebot vereinbar, weil § 62 LDO dem Beamten ein wirksames Mittel zur aktiven Verfahrensbeschleunigung an die Hand gibt und es Sache des Beamten ist, seine Interessenlage mit Blick auf die Verfahrensdauer geltend zu machen (vgl. hierzu das jüngste Urteil des Senats vom 18.6.2003 - DL 17 S 5/03 -).

bb) Unabhängig davon steht im vorliegenden Fall die überlange Dauer des behördlichen Disziplinarverfahrens der Dienstentfernung auch deshalb nicht entgegen, weil weder dargelegt noch sonst erkennbar ist, dass sie für den Beamten unzumutbare Belastungen zur Folge hatte.

Bereits der Umstand, dass der suspendierte Beamte keinen Antrag nach § 62 LDO gestellt noch auf andere Weise auf eine Beschleunigung des behördlichen Disziplinarverfahrens gedrängt hat, vielmehr selbst - wenn auch geringfügig - zu einer Verzögerung des Verfahrens beigetragen hat, indem bei vorgesehenen Anhörungsterminen am 20.6.2001, 26.6.2001 und 2.7.2001 entweder der Beamte oder sein Verteidiger oder beide nicht erschienen waren, ist deutliches Anzeichen dafür, dass er bei einer Gehaltskürzung von nur 5 % bis zum 16.5.2002 kein erhebliches Beschleunigungsinteresse hatte. Bei dieser Sachlage ist nicht erkennbar, dass die überlange Verfahrensdauer für den Beamten mit konkreten und gewichtigen Nachteilen und Belastungen verbunden war.

4. Dem Beamten wird in Übereinstimmung mit der Disziplinarkammer kein Unterhaltsbeitrag gewährt, denn er ist einer solchen Leistung des Dienstherrn nicht würdig.

Nach § 75 Abs. 1 Satz 1 LDO kann dem Beamten in einem auf Entfernung aus dem Dienst lautenden Urteil ein Unterhaltsbeitrag auf bestimmte Zeit bewilligt werden, wenn er nach seiner wirtschaftlichen Lage der Unterstützung bedürftig und ihrer nicht unwürdig erscheint. Dieser Unterhaltsbeitrag ist Ausdruck einer das Beamtenverhältnis überdauernden Fürsorgepflicht des Dienstherrn (BVerwG NVwZ 1989, 263). Die Versagung des Unterhaltsbeitrags setzt als Ausnahmefall über die Dienstpflichtverletzung hinaus das Vorhandensein besonderer Umstände voraus, die sich aus der Person und dem früheren Verhalten des Beamten ergeben. Unwürdigkeit erfordert, dass sich das Verhalten des Beamten gegen die Grundlagen des beiderseitigen Treueverhältnisses richtet (Köhler/Ratz, BDG, 3. Aufl. § 10 Anm. 7). Vorliegend besteht kein Anlass, alle denkbaren Fallgruppen aufzuzeigen. Jedenfalls kann etwa in einer hartnäckigen Fortsetzung des Dienstvergehens nach Verfahrenseinleitung und ebenso in einer groben Täuschung der Behörde durch falsche Angaben über die wirtschaftliche Lage ein Fall der Unwürdigkeit gesehen werden (von Alberti/Gayer/Roskamp, a.a.O, § 75 Anm. 7). Denn ein solches Verhalten kann den Schluss nahelegen, dass der Beamte sich bereits innerlich von seinem Dienstherrn gelöst hat und ihm dessen Interessen gleichgültig geworden sind. In einem solchen Fall entfällt die Grundlage für eine nachwirkende Fürsorgepflicht des Dienstherrn. So liegt es hier. Der Beamte hat zum einen nach Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens weitere Straftaten begangen. Der Tatzeitpunkt der beiden Diebstähle sowie der beiden letzten Betrugsfälle liegt jeweils nach Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens und macht deutlich, dass sich der Beamte nicht einmal die Einleitung dieses Verfahrens als Warnung hat dienen lassen. Zum anderen - und vor allem - zeigt auch sein Umgang mit den verschiedenen Nebentätigkeiten, dass ihm die dienstlichen Interessen seines Dienstherrn schlichtweg gleichgültig waren und dass bei ihm eine innere Loslösung von allen dienstlichen Belangen stattgefunden hat. Schon vor seiner Suspendierung hatte der Beamte bereits eine ungenehmigte Nebentätigkeit als Zeitungsausträger aufgenommen, die er bis etwa 1999 ausübte. Zusätzlich ging er ab 1992 weiteren ebenfalls nicht genehmigten Nebentätigkeiten nach, zunächst als LKW-Fahrer, später als Aushilfe in einer Gärtnerei. Während dieser ganzen Zeit bezog der Beamte bis zum 16.5.2002 nahezu seine vollen Bezüge, denn diese waren ihm ab 3.11.1994 im Hinblick auf seine wirtschaftliche Lage lediglich um 5 % gekürzt worden. Dies offenbart, dass dem Beamten die Interessen des Dienstherrn gleichgültig sind und die beamtenrechtliche Treuepflicht für ihn keinerlei Bedeutung mehr besitzt, mithin auch der Dienstherr dem Beamten gegenüber nicht mehr zur Fürsorge verpflichtet ist.

Entgegen der Auffassung des Beamten werden ihm seine Rentenansprüche nicht entzogen, vielmehr ist er nach § 8 I S. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 SGB VI in der Rentenversicherung nachzuversichern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112 Abs. 1 Satz 1 LDO.

Das Urteil ist unanfechtbar (§ 88 LDO).

Ende der Entscheidung

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