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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 23.03.2007
Aktenzeichen: NC 9 S 169/06
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 161 Abs. 2
Erledigt sich in numerus-clausus-Verfahren ein Rechtsstreit im Beschwerdeverfahren, so entspricht es im Regelfall billigem Ermessen, dem Studienplatzbewerber die Kosten des Verfahrens aus beiden Rechtszügen aufzuerlegen, wenn er das Interesse am Verfahren aus Gründen verloren hat, die allein in seiner Sphäre liegen. Dies ist grundsätzlich gegeben, wenn sich der Zulassungsstreit deshalb erledigt, weil der Studienplatzbewerber anderweitig einen Studienplatz erhalten hat, ohne dass es darauf ankommt, ob diese Zulassung durch eine andere Universität direkt erfolgte oder im Wege eines gerichtlichen Verfahrens vorläufig oder endgültig erstritten wurde. Für die Kostenverteilung ist es in der Regel ohne Belang, ob die Verfahrensbeteiligten anwaltlich vertreten sind.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

NC 9 S 169/06

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Zulassung zum Studium der Humanmedizin: WS 2006/2007, 1. FS

hier: Antrag nach § 123 VwGO

hat der 9. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg am 23. März 2007

beschlossen:

Tenor:

Das Verfahren wird eingestellt.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 03. November 2006 - NC 6 K 357/06 - ist mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung wirkungslos.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens aus beiden Rechtszügen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe:

Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren einzustellen und über die sich ergebenden Rechtsfolgen zu entscheiden (§ 125 Abs. 1, § 92 Abs. 3 VwGO analog). Hierfür ist der bestellte Berichterstatter allein zuständig (§§ 125 Abs. 1, 87a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 VwGO).

Da von dem angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts, die Streitwertfestsetzung ausgenommen, keine Rechtswirkungen mehr ausgehen (§ 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO analog), ist klarzustellen, dass dieser wirkungslos ist.

Über die Kosten des Verfahrens ist nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden (§ 161 Abs. 2 VwGO). Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. zuletzt Beschluss vom 29.02.2006 - NC 9 S 77/06 - mit zahlreichen weiteren Nachweisen) entspricht es billigem Ermessen, dem Studienplatzbewerber die Kosten des Verfahrens aus beiden Rechtszügen aufzuerlegen, wenn er das Interesse am Verfahren aus Gründen verloren hat, die allein in seiner Sphäre liegen. Dies liegt vor, wenn sich der Zulassungsstreit deshalb erledigt, weil der Studienplatzbewerber anderweitig einen Studienplatz erhalten hat, ohne dass es darauf ankommt, ob diese Zulassung durch eine andere Universität direkt erfolgt oder im Wege eines gerichtlichen Verfahrens vorläufig oder endgültig erstritten wurde.

Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn die Beschwerde der Antragsgegnerin - unabhängig vom erledigenden Ereignis - offensichtlich keinen Erfolg hätte; bei (lediglich) offenem Ausgang des Beschwerdeverfahrens bleibt es bei der Kostentragungspflicht des Studienplatzbewerbers. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinen Beschlüssen vom 18.01.2007 (BVerwG - 6 C 29.06 - und - 6 C 30.06 - u.a.) hierzu ausgeführt:

"Die sonst bei ungewissem Verfahrensausgang übliche Kostenteilung bildet im Hinblick auf die Eigenart des Kapazitätsrechtsstreits keine den Prozessverhältnissen angemessene Grundlage für eine Billigkeitsentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO. Für den Kapazitätsrechtsstreit ist kennzeichnend, dass Bewerber um etwaige freie Plätze in einem bestimmten Semester und einem bestimmten Studiengang an einer Hochschule in einer Vielzahl paralleler Streitverfahren konkurrieren. Die Erfolgsaussichten des einzelnen Klägers reduzieren sich daher regelmäßig auf eine - durch Los oder Verteilung nach Zulassungskriterien zu realisierende - Chance auf Zuweisung eines "verdeckten" Studienplatzes. Umgekehrt ist das Prozessrisiko der beklagten Hochschule in der Sache darauf beschränkt, ob und in welchem Umfang zusätzliche Studienplätze festgestellt werden. Da dieses Prozessrisiko im Falle der anderweitigen Zulassung einzelner Studienplatzkläger bei der beklagten Hochschule verbleibt, erscheint es sachgerecht, dass der jeweilige Studienplatzkläger, der sein Klageziel auf andere Weise erreicht hat, die Kosten seines Verfahrens selbst trägt. Wie die Immatrikulation der Klägerin an einer anderen Hochschule zeigt, hat sie - aus verständlichen, ihre Erfolgsaussichten erhöhenden Gründen - mehrere Verfahren angestrengt, in denen sie der Sache nach jeweils denselben Anspruch auf Studienzulassung erhob. Ihr musste dabei bewusst sein, dass auch bei mehrfacher prozessualer Geltendmachung nur ein materieller Anspruch auf Studienzulassung bestand. Die mit der mehrfachen Geltendmachung ein und desselben Zulassungsanspruchs erzielte prozessuale "Chancenmaximierung" hat für die Klägerin ihren Preis in der Kostenlast, die sie in einem erledigten Verfahren mit offenem Prozessausgang trifft.

An diesen Überlegungen, die sich an der ständigen Rechtsprechung des Gerichts in Hochschulzulassungsstreitigkeiten orientieren (Beschlüsse vom ...), hält der Senat nach erneuter Überprüfung fest. An ihnen ändert sich auch dann nichts Wesentliches, wenn - wie im vorliegenden Fall - nicht nur die klagende Studienplatzbewerberin, sondern auch die beklagte Universität einen Rechtsanwalt beauftragt hat. Ob sich eine juristische Person des öffentlichen Rechts durch einen Rechtsanwalt vertreten lässt oder ob sie sich für die Prozessführung in zweiter und dritter Instanz eines Beamten oder Angestellten mit Befähigung zum Richteramt bedient, stellt § 67 VwGO in deren eigenes Ermessen. Auch in Anbetracht der Kosten, die durch die anwaltliche Vertretung einer beklagten Universität zusätzlich anfallen, entspräche es nicht der Billigkeit, wenn in den oft zahlreichen Gerichtsverfahren, die ein Studienplatzkläger gegen verschiedene Hochschulen anstrengt, diese einen Teil der Kosten tragen müssten, falls sich die Rechtsstreitigkeiten nach anderweitiger Studienzulassung des Klägers in der Hauptsache erledigen".

Diesen überzeugenden Ausführungen ist nichts hinzuzufügen. Davon, dass hier die Beschwerde der Antragsgegnerin offenkundig hätte erfolglos bleiben müssen, kann keine Rede sein, was keiner weiteren Ausführungen bedarf.

Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die Rechtsprechung des Senats, wonach dem anderweitig zugelassenen Studienplatzbewerber regelmäßig die Kosten des erledigten Rechtsstreits aufzuerlegen sind (Beschlüsse des Senats vom 07.11.2005 - NC 9 S 129-132/05 -), die Studienplatzbewerber in Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten verletzt (so Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 22.03.2006 - 1 BvR 2649/05 -, mit dem die Verfassungsbeschwerde gegen die Senatsbeschlüsse vom 07.11.2005 nicht zur Entscheidung angenommen wurde).

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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