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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 27.09.2006
Aktenzeichen: NC 9 S 77/06
Rechtsgebiete: VwGO, LHG


Vorschriften:

VwGO § 123
VwGO § 161 Abs. 2
LHG § 60 Abs. 2
Ein Antragsteller, der im Wege der einstweiligen Anordnung die (vorläufige) Zulassung zum Studium (hier: Studiengang Humanmedizin) begehrt, erleidet gegenwärtig keinen unwiederbringlichen Verlust an Studienzeit, wenn er an einer anderen Universität eine - auf den vorklinischen Studienabschnitt und die ärztliche Vorprüfung beschränkte - (vorläufige oder endgültige) Teilzulassung zum gewünschten Studium erhält. Mit der Teilzulassung an einer anderen Universität entfällt daher der Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

NC 9 S 77/06

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Zulassung zum Studium der Medizin (WS 05/06)

hier: Antrag nach § 123 VwGO

hat der 9. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg am 27. September 2006

beschlossen:

Tenor:

Das Verfahren wird eingestellt.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 05. Mai 2006 - NC 7 K 1354/05 - ist gegenstandslos.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens aus beiden Rechtszügen.

Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf jeweils 5.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe:

Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren einzustellen und über die sich ergebenden Rechtsfolgen zu entscheiden (§ 125 Abs. 1, § 92 Abs. 3 VwGO analog). Hierfür ist der bestellte Berichterstatter allein zuständig (§§ 125 Abs. 1, 87a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 VwGO).

Da von dem angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts keine Rechtswirkungen mehr ausgehen, ist klarzustellen, dass dieser gegenstandslos ist (allg. M., vgl. Eyermann/Jörg Schmidt, VwGO, 11. Auflage 2000, § 161 Rdn. 10 m.w.N.).

Über die Kosten des Verfahrens ist nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu entscheiden (§ 161 Abs. 2 VwGO). Billigem Ermessen entspricht es, dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens aus beiden Rechtszügen aufzuerlegen, denn er hat das Interesse am Verfahren aus Gründen verloren, die allein in seiner Sphäre liegen. Erledigt sich ein Zulassungsrechtsstreit, weil der Studienplatzbewerber anderweitig zugelassen wird, so sind die Kosten regelmäßig dem Studienplatzbewerber aufzuerlegen (BVerwG, Beschluss vom 16.01.1990 - 7 C 11.88 -, NVwZ-RR 1990, 348 = Buchholz 421.21 Nr. 45; Senat, Beschlüsse vom 24.04.1998 - NC 9 S 4/98 -, vom 26.06.2006 - NC 9 S 94/06 -; st. Rspr.). Ob dies auch dann gilt, wenn die Bewerberkonkurrenz und damit das Prozessrisiko der Hochschule nach dem Ausscheiden des Antragstellers nicht mehr fortbesteht und die Beschwerde der Antragsgegnerin - unabhängig vom erledigenden Ereignis - offenkundig keinen Erfolg hätte, kann vorliegend dahingestellt bleiben. Denn das Verwaltungsgericht hätte den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, ungeachtet des Umstandes, dass vorliegend weitere Studienplätze außerhalb der festgesetzten Zulassungszahl zur Verfügung standen, bereits deshalb ablehnen müssen, weil der Antragsteller im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bereits an einer anderen Hochschule vorläufig zugelassen worden war (vgl. Senat, Beschluss vom 19.07.2001 - NC 9 S 2/01 -, VBlBW 2002, 163-165, NVwZ-RR 2002, 75, 76). Der Antragsteller hatte zwar aufgrund eines Beschlusses des Verwaltungsgerichts Göttingen vom 23.12.2006 nur eine vorläufige Teilzulassung an der Universität Göttingen erhalten. Auch diese - auf den vorklinischen Studienabschnitt und die ärztliche Vorprüfung beschränkte - Teilzulassung zum gewünschten Studium an einer anderen Universität ließ den Anordnungsgrund für die vom Antragsteller begehrte einstweilige Anordnung entfallen. Der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung erscheint nämlich auch bei einer Teilzulassung nicht mehr zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig (§ 123 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO, vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 26.10.2005 - 3 NC 53/05 -, juris, und Beschluss vom 18.10.1999 - 3 NC 110/99 -, WissR 2000, 78-83, DVBl. 2000, 722-723). Denn wer einen (vorläufigen) Teilstudienplatz im Studiengang Humanmedizin für den vorklinischen Studienabschnitt einschließlich der ärztlichen Vorprüfung erhalten hat, erleidet gegenwärtig keinen unwiederbringlichen Verlust an Studienzeit. Dass der Teilstudienplatz - worauf der Antragsteller zutreffend hinweist - gegenüber dem Vollstudienplatz rechtlich kein Minus, sondern ein Aliud darstellt (vgl. Senat, Beschluss vom 23.02.1999 - NC 9 S 113/98 -, NVwZ-RR 2000, 23-27, VGHBW-Ls 1999, Beilage 5, B 5) und die Zuweisung eines solchen Teilstudienplatzes daher auch nicht zur Erledigung der Verpflichtungsklage auf Zuweisung eines Vollstudienplatzes, oder zu einem Ausschluss im ZVS-Verfahren, führt, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Das Verwaltungsgericht hat daher zu Recht im Tenor des Beschlusses vom 05.05.2006 die Wirksamkeit des Zuweisungsbescheides davon abhängig gemacht, dass der Antragsteller am Tag der Immatrikulation schriftlich an Eides statt versichert, im Studiengang Medizin bisher weder eine endgültige noch eine vorläufige Voll- oder Teilzulassung durch eine Hochschule in der Bundesrepublik erhalten zu haben. Diese Beschränkung des Beschlusses hat der Antragsteller mit der Beschwerde auch nicht angegriffen, sondern - erfolglos (vgl. Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 23.05.2006) - nur mit einem Antrag auf "Berichtigung" des Tenors gerügt (vgl. Schriftsatz des Antragstellervertreters vom 15.05.2006).

Die vom Senat im vorliegenden Verfahren vertretene Rechtsauffassung, wonach ein Anordnungsgrund für den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf (vorläufige) Zuweisung eines Studienplatzes auch bei einer Teilzulassung durch eine andere Hochschule im Bundesgebiet entfällt, steht auch nicht im Widerspruch zum Beschluss des Senats vom 23.02.1999 - NC 9 S 113/98 - (a.a.O.). Mit diesem Beschluss hatte der Senat einen Anordnungsgrund für die im Beschwerdeverfahren weiter verfolgte einstweilige Anordnung auf Zulassung eines Vollstudienplatzes bejaht, obwohl das Verwaltungsgericht dem Antragsteller einen Teilstudienplatz an derselben Universität zugewiesen hatte. Zur Begründung wurde ausgeführt, der behauptete Zulassungsanspruch drohe vereitelt zu werden, wenn der Antragsteller auf die Durchführung des Hauptsacheverfahrens verwiesen würde, da die Zuweisung des Teilstudienplatzes aufgrund der Beschwerde der Antragsgegnerin vom Ausgang eines Losverfahrens abhängig sei und zum anderen durch die Zuweisung eines Teilstudienplatzes rechtlich nicht gesichert sei, dass einen außerhalb der festgesetzten Zulassungszahl vorhandenen Vollstudienplatz gerade der Antragsteller erhielte. Ist der Antragsteller jedoch - wie hier - an einer anderen Universität zum Studium zugelassen und immatrikuliert, so wäre seine gleichzeitige Zulassung zum Studium bei der Beklagten bereits nach § 60 Abs. 2 Nr. 4 des Gesetzes über die Hochschulen und Berufsakademien in Baden-Württemberg - LHG - vom 01.01.2005 (GBl. S. 1) zu versagen, weil der Antragsteller nicht nachweisen könnte, dass er zeitlich die Möglichkeit hat, sich neben dem Studium an einer anderen Universität gleichzeitig uneingeschränkt dem Studium bei der Antragsgegnerin zu widmen und insbesondere die erforderlichen Lehrveranstaltungen zu besuchen. Aus diesem Grund hätte das Verwaltungsgericht den Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung verneinen müssen, wenn der Antragsteller seinen Obliegenheiten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nachgekommen wäre und dem Verwaltungsgericht vor dessen Entscheidung die Teilzulassung an einer anderen Universität mitgeteilt, oder das Verwaltungsgericht vor seiner Entscheidung eine aktuelle eidesstattliche Versicherung des Antragstellers darüber eingeholt hätte, dass dieser zum Studium in dem begehrten Studiengang noch nicht in einer anderen Hochschule endgültig oder vorläufig zugelassen ist (vgl. Senat, Beschluss vom 19.07.2001, a.a.O.). Es entspricht daher der Billigkeit, den Antragsteller nicht besser zu stellen, als denjenigen, der diesen prozessualen Obliegenheiten nachkam und dem deshalb die Kosten des ersten Rechtszuges vom Verwaltungsgericht auferlegt wurden.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind hiervon nicht auszunehmen. Diese Kosten wurden weder durch ein Verschulden der Antragsgegnerin verursacht (§ 155 Abs. 5 VwGO) noch war deren Beschwerde bereits bei ihrer Einlegung mangels Rechtschutzinteresse unzulässig. Dabei mag dahin stehen, ob die Antragsgegnerin am 22.05.2006, d.h. bei Einlegung der Beschwerde, noch durch den verfügenden Ausspruch in dem angefochtenen Beschluss beschwert war, nachdem der Antragsteller bereits mit dem Berichtigungsantrag vom 15.05.2006 gegenüber dem Verwaltungsgericht geltend gemacht hatte, einen anderweitigen (Teil-) Studienplatz erhalten und unverzüglich auf die Rechte aus der einstweiligen Anordnung verzichtet zu haben. Trifft dies zu, wäre die Antragsgegnerin bei Einlegung des Rechtsmittels durch die angefochtene Entscheidung jedenfalls noch im Kostenpunkt beschwert gewesen. Das genügt für die Annahme ihres Rechtsschutzbedürfnisses für das Rechtsmittel. Zwar darf der im ersten Rechtszug unterlegene Teil nicht allein die Kostenentscheidung anfechten (§ 158 Abs. 1 VwGO). Es ist jedoch zulässig, dass der unterlegene Kläger oder Antragsteller die Sachentscheidung selbst anficht, um dann im Rechtsmittelverfahren die Hauptsache für erledigt zu erklären und eine Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO zu erreichen (Eyermann/Rennert, VwGO, 11. Aufl. 2000, § 158 VwGO Rdnr. 4 m.w.N.). Entsprechendes gilt für den unterlegenen Beklagten oder Antragsgegner (vgl. Senat, Beschl. vom 19.07.2001 - NC 9 S 2/01 -, DVBl 2001, 1548, VBlBW 2002, 163). Ohne Einlegung der Beschwerde hätte die Antragsgegnerin keine Möglichkeit gehabt, die Kostenentscheidung des Verwaltungsgerichts anzugreifen.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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