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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 22.09.2006
Aktenzeichen: NC 9 S 90/06
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 154 Abs. 1
VwGO § 161 Abs. 2
VwGO § 88
Widerspricht der Beschwerdeführer nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache einer auf das Beschwerdeverfahren beschränkten Erledigungserklärung des in erster Instanz obsiegenden Antragstellers, so kommt dessen einseitiger Erledigungserklärung prozessual keine Wirkung zu. Der vom Antragsteller weiter verfolgte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache unzulässig.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

NC 9 S 90/06

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Zulassung zum Studium der Medizin (WS 05/06)

hier: Antrag nach § 123 VwGO

hat der 9. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg am 22. September 2006

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 05. Mai 2006 - NC 7 K 1370/05 - geändert. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf EUR 5.000,-- festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige, insbesondere innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO entsprechend den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO begründete Beschwerde der Antragsgegnerin hat Erfolg. Der Antragstellerin steht im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats ein Rechtsschutzinteresse auf Erlass der von ihr begehrten einstweiligen Anordnung auf vorläufige Zuweisung eines Studienplatzes im 1. Fachsemester des Studiengangs Medizin nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2005/ 2006 nicht mehr zu. Denn die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 07.07.2006 mitgeteilt, dass sie zwischenzeitlich anderweitig einen Studienplatz erhalten habe. Führt die Antragstellerin ihr Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gleichwohl fort, obwohl sie eine Einschreibung bei der Antragsgegnerin nicht mehr begehrt, so ist ihr Antrag unzulässig (vgl. Senat, Beschluss vom 19.07.2001 - NC 9 S 2/01 -, NVwZ-RR 2002, 75-76).

Dies ist offenkundig auch der Antragstellerin bewusst, denn sie hat mit Schriftsatz vom 07.07.2006 "das Beschwerdeverfahren für erledigt erklärt" und, nachdem sich die Antragsgegnerin dieser - auf das Beschwerdeverfahren beschränkten - Erledigungserklärung nicht angeschlossen hat, die Feststellung beantragt, dass sich "das Beschwerdeverfahren" erledigt hat. Auf den Hinweis des Berichterstatters (vgl. Verfügung vom 10.07.2006, GA Bl. 66), den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären, teilte der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin mit, er vertrete die Auffassung, dass "auch bei einer einseitigen Erledigungserklärung im Beschwerdeverfahren eine gerichtliche Feststellung mit Kostenentscheidung möglich" sei. Dieser Auffassung kann - worauf die Antragstellerin bereits mit Verfügung vom 10.07.2006 hingewiesen wurde - nicht gefolgt werden.

Zwar ist in der Rechtsprechung grundsätzlich die Möglichkeit anerkannt, in der Rechtsmittelinstanz nicht den Rechtsstreit als solchen, sondern lediglich das Rechtsmittelverfahren für erledigt zu erklären (vgl. für das Revisionsverfahren BVerwG, Beschluss vom 22.04.1994 - BVerwG 9 C 456.93 - Buchholz 310 § 161 VwGO Nr. 106; für das Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Revision BVerwG, Beschluss vom 09.06.1992 - BVerwG 5 B 166.91 - Buchholz 310 § 161 VwGO Nr. 96 und für das Verfahren der Nichtvorlagebeschwerde BVerwG, Beschluss vom 24.10.1997 - 4 NB 35/96 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 121). Auch ist auf die einseitige Erledigungserklärung des Rechtsmittelführers regelmäßig festzustellen, dass sich das Rechtsmittelverfahren erledigt hat, wenn sich das (zulässig eingeleitete) Rechtsmittelverfahren objektiv erledigt hat. Eine solche einseitige Erledigungserklärung der Beschwerdeführerin (Antragsgegnerin) liegt jedoch nicht vor. Vielmehr hat die Antragsgegnerin der - auf das Beschwerdeverfahren beschränkten - Erledigungserklärung der Antragsstellerin ausdrücklich widersprochen. Diese einseitige Erledigungserklärung der Antragstellerin ist jedoch prozessual ohne Relevanz, ihr kommt lediglich insoweit Bedeutung zu, als sie ein Angebot an die (beschwerdeführende) Antragsgegnerin darstellt, das Beschwerdeverfahren durch Abgabe übereinstimmender Erledigungserklärungen zu beenden (vgl. zur vergleichbaren Konstellation der einseitigen Erledigungserklärung des Beklagten: Clausing in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, 13. Ergl., § 161 Rdn.35 und Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 161 Rdn. 32). Denn es entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats, dass der im verwaltungsgerichtlichen NC-Verfahren unterlegene Antragsgegner auch dann noch ein Rechtsschutzbedürfnis für die von ihm eingelegte Beschwerde hat, wenn sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat (vgl. Senat, Beschlüsse vom 19.07.2001 - NC 9 S 2/01 -, DVBl. 2001, 1548, VBlBW 2002, 163 und vom 11.08.2004 - NC 9 S 362/04 -). Könnte die Antragstellerin durch eine auf das Beschwerdeverfahren beschränkte Erledigungserklärung eine Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Kostenentscheidung verhindern und so eine auf das Beschwerdeverfahren beschränkte Kostenentscheidung erzwingen, würde dies dem Antragsgrundsatz des § 88 VwGO widersprechen, der entsprechend auch im Beschwerdeverfahren gilt (§ 150 i.V.m. § 122 Abs. 1 VwGO). Mangels prozessualer Wirkung der einseitigen Erledigungserklärung der Antragstellerin bedurfte ihr Antrag, festzustellen, dass das Beschwerdeverfahren erledigt ist, mithin keiner Entscheidung. Eine solche beschränkte Erledigung liegt nach den obigen Ausführungen auch nicht vor.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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