Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 11.12.2001
Aktenzeichen: PL 15 S 1865/01
Rechtsgebiete: LPVG, ZPO


Vorschriften:

LPVG § 79 Abs. 1 Nr. 10
ZPO § 920 Abs. 2
ZPO § 935
ZPO § 936
1. Zum Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zur Sicherung von Beteiligungsrechten, wenn die als mitbestimmungspflichtig angesehene Maßnahme bereits tatsächlich durchgeführt worden ist.

2. Zur Frage, ob die Einführung eines komfortableren EDV-Systems eine der Mitbestimmung der Personalvertretung unterliegende grundsätzlich neue Arbeitsmethode mit sich bringt.


PL 15 S 1865/01

VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

In der Personalvertretungssache

wegen

Mitbestimmung,

hier: Erlass einer einstweiligen Verfügung,

hat der 15. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Riedinger und die Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Breunig und Wiegand sowie die ehrenamtlichen Richter Technischer Angestellter Kudlinski und Ministerialrat a.D. Hummel

am 11. Dezember 2001

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen - Fachkammer für Personalvertretungssachen (Land) - vom 4. Juli 2001 - P 11 K 4/01 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Antragsteller erstrebt den Erlass einer einstweiligen Verfügung zur Sicherung eines dem Beteiligten gegenüber geltend gemachten Mitbestimmungsrechts.

Mit rechtskräftigem Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen - Fachkammer für Personalvertretungssachen vom 29.07.1997 - P 9 K 4/96 - wurde festgestellt, dass die Einführung des EDV-Systems SAP mit dem Modul "Patientenverwaltungssystem IS-H" im Universitätsklinikum U. mitbestimmungspflichtig war und die Anwendung dieses Systems mitbestimmungspflichtig ist. In der Folgezeit wurde das Mitbestimmungsverfahren durchgeführt; es endete mit der Fiktion der Zustimmung des Personalrats gemäß § 69 Abs. 2 Satz 5 LPVG. Bereits am 13.02.1995 war dieses System in einigen, aber nicht in allen Bereichen des Universitätsklinikums tatsächlich eingeführt worden. Im Übrigen wurde die elektronische Datenverarbeitung in der Dienststelle bis zum Jahr 2001 mit Hilfe eines Magnetkartensystems bewältigt.

Zu Beginn des Jahres 2001 war im Universitätsklinikum U. geplant, zum 01.07.2001 das vorhandene Magnetkartensystem durch das gegenüber dem System IS-H neuere Datenverarbeitungssystem IS-H*Med abzulösen, weil die bisher verwendeten Geräte nur noch auf Anforderung hergestellt und in absehbarer Zeit nicht mehr produziert werden. Mit Schreiben vom 05.02.2001 an den kaufmännischen Direktor legte der Antragsteller die aus seiner Sicht gegebenen Mitbestimmungstatbestände dar und forderte die Dienststelle auf, das Mitbestimmungsverfahren einzuleiten. Mit Schreiben vom 22.02.2001 teilte die Dienststelle mit, dass aus ihrer Sicht bei der Einführung von IS-H *Med keine Beteiligungsrechte des Personalrats gegeben seien.

Am 29.05.2001 hat der Antragsteller das Verwaltungsgericht Sigmaringen - Fachkammer für Personalvertretungssachen - angerufen und schriftsätzlich beantragt, im Wege der einstweiligen Verfügung festzustellen, dass der Beteiligte verpflichtet ist, bezüglich der Einführung des EDV-Systems IS-H*Med zum 01.07.2001 das Verfahren zur Mitbestimmung des Antragstellers durchzuführen. Zur Begründung hat er sich auf die Mitbestimmungstatbestände der §§ 79 Abs. 1 Nr. 10 und 79 Abs. 3 Nrn. 12 und 13 LPVG berufen. Der beteiligte Dienststellenleiter ist dem Antrag entgegengetreten.

Mit Beschluss vom 04.07.2001 hat das Verwaltungsgericht nach durchgeführter mündlicher Verhandlung den Antrag abgelehnt. Es hat ausgeführt: Der Antrag, mit dem die Einleitung eines Mitbestimmungsverfahrens im Wege einer einstweiligen Verfügung begehrt werde, sei zulässig, aber nicht begründet. Es fehle an der Glaubhaftmachung eines Verfügungsanspruchs. Die Einführung des Systems IS-H*Med sei nicht als "grundsätzlich neue Arbeitsmethode" gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 10 LPVG mitbestimmungspflichtig. Für das Basissystem IS-H liege die gesetzlich fingierte Zustimmung des Personalrats gemäß § 69 Abs. 2 Satz 5 LPVG vor. Zu vergleichen seien die Anforderungen des Systems IS-H mit denen des Systems IS-H*Med. Es gebe keine Anhaltspunkte, dass auf Grund des neuen EDV-Systems Arbeitsvorgänge erforderlich würden, die für die betroffenen Beschäftigten ins Gewicht fallende körperliche und geistige Auswirkungen hätten. An der Art und Weise der Tätigkeit an den Bildschirmgeräten ändere sich im Wesentlichen nichts. Die Maßnahme sei auch nicht als "Einführung und Anwendung einer technischen Anwendung, die dazu bestimmt ist, das Verhalten und die Leistung der Beschäftigten zu überwachen", gemäß § 79 Abs. 3 Nr. 12 LPVG mitbestimmungspflichtig, da das neue System insoweit nicht über die Möglichkeiten des bisherigen Systems IS-H hinausgehe. Schließlich handele es sich mangels zwingender Einrichtung neuer Bildschirmarbeitsplätze nicht um eine nach § 79 Abs. 3 Nr. 13 LPVG mitbestimmungspflichtige Gestaltung der Arbeitsplätze.

Gegen diesen ihm am 27.07.2001 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 22.08.2001 Beschwerde eingelegt, mit der er sein Begehren weiter verfolgt. Zur Begründung trägt er vor, die Einführung von IS-H*Med stelle eine grundsätzlich neue Arbeitsmethode im Sinne des § 79 Abs. 1 Nr. 10 LPVG dar, da es sich bei den Systemen IS-H und IS-H*Med um zwei grundsätzlich verschiedene, jeweils unterschiedlichen Zwecken dienende, Programme handele. Der Beteiligte ist der Beschwerde entgegengetreten.

Ergänzend wird auf die Beschwerdebegründung und den sonstigen Inhalt der Akten verwiesen. Dem Senat liegen die Akten des Verwaltungsgerichts (P 11 K 4/01 und P 9 K 4/96) vor, auf die ebenfalls Bezug genommen wird.

II.

Der Senat entscheidet über die Beschwerde ohne mündlichen Verhandlung (§ 86 Abs. 2 LPVG i.V.m. §§ 87 Abs. 2 Satz 1, 85 Abs. 2 Satz 2 ArbGG, § 937 Abs. 2 ZPO).

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers auf Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung zu Recht und mit zutreffender Begründung abgelehnt. Der Senat nimmt hierauf Bezug.

Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung. Dabei kann offen bleiben, ob im Zeitpunkt der Einleitung des Beschwerdeverfahrens und - erst recht - der Entscheidung des beschließenden Senats über die Beschwerde das Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag oder jedenfalls der erforderliche Verfügungsgrund, d.h. ein begründeter Anlass für die Gewährung von Rechtsschutz schon vor Entscheidung der Hauptsache, noch gegeben war, bzw. nunmehr noch gegeben ist. Denn es erscheint dem beschließenden Senat naheliegend, dass es für den vorläufigen Rechtsschutz zur Sicherung von Beteiligungsrechten im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren keinen Raum mehr gibt, wenn die als mitbestimmungspflichtig angesehene Maßnahme bereits tatsächlich, wie hier ab dem 01.07.2001 geschehen, durchgeführt worden ist, eine mit der einstweiligen Verfügung zu sichernde rechtzeitige Einleitung des Mitbestimmungsverfahrens für eine erst noch beabsichtigte Maßnahme also nicht mehr möglich wäre (vgl. BayVGH, Beschluss vom 26.04.1991, PersR 1991, 303). Dies bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung, da jedenfalls der auch vom Verwaltungsgericht verneinte Verfügungsanspruch nach Auffassung des Senats ebenfalls nicht gegeben ist. Insoweit geht das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren als besonderem gerichtlichem Verfahrensweg die Maßnahme selbst, d.h. ihre Durchführung, Unterlassung oder Rückgängigmachung, und auch die Überprüfung der rechtlichen Folgen, die eine unterlassene Beteiligung für die Rechtmäßigkeit oder Rechtsbeständigkeit der Maßnahme hat, kein möglicher Verfahrensgegenstand ist. Dem Personalrat steht allerdings ein Recht in der Gestalt eines Verfahrensanspruchs auf Einleitung und gegebenenfalls Nachholung eines Mitbestimmungsverfahrens zu, wenn die Voraussetzungen eines Mitbestimmungstatbestandes erfüllt sind. Der bloße Vollzug der mitbestimmungspflichtigen Maßnahme lässt also regelmäßig das Mitbestimmungsrecht in der Gestalt der nachträglichen Durchführung des Beteiligungsverfahrens nicht untergehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27.07.1990 - 6 PB 12.89 -, PersR 1990, 297 = ZBR 1990, 354, und Beschluss vom 15.03.1995 - 6 P 31.93 -, ZBR 1996, 49 = NVwZ 1997, 80, letzterer unter ausdrücklichem Hinweis auf den u.a. zu § 23 Abs. 3 BetrVG ergangenen Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 03.05.1994 - 1 ABR 94/93 -, NZA 1995, 40, 41 und 43, bezüglich des vorläufigen Rechtsschutzes zur Sicherstellung von Beteiligungsrechten im betriebsverfassungsrechtlichen Beschlussverfahren). Der Senat hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen (vgl. den Beschluss des Senats vom 19.01.1993 - PL 15 S 2849/92 -, PersR 1993, 559 = NVwZ-RR 1994, 104 = IÖD 1993, 191 = VBlBW 1993, 346).

Den danach an sich möglichen Verfahrensanspruch, der auch Gegenstand eines Verfügungsanspruchs im Rahmen eines auf den Erlass einer einstweiligen Verfügung zielenden gerichtlichen Verfahrens sein kann, hat der Antragsteller jedoch nicht glaubhaft gemacht (vgl. § 86 Abs. 2 LPVG i.V.m. §§ 87 Abs. 2 Satz 1, 85 Abs. 2 Satz 2 ArbGG, §§ 936, 920 Abs. 2 ZPO). Mit dem Verwaltungsgericht, dessen zutreffende Erwägungen sich der beschließende Senat insoweit zu Eigen macht, ist vielmehr bei summarischer Prüfung davon auszugehen, dass die Einführung des neuen EDV-Systems IS-H*Med keinen der Mitbestimmung des Antragstellers unterfallenden Tatbestand erfüllt. Entgegen dem Beschwerdevorbringen des Antragstellers liegen insbesondere wohl auch die Voraussetzungen des § 79 Abs. 1 Nr. 10 LPVG nicht vor, da es sich im maßgeblichen Vergleich zum bisherigen System IS-H nicht um eine grundsätzlich neue Arbeitsmethode handeln dürfte. Denn auch der Senat sieht keine Anhaltspunkte dafür, dass auf Grund des neuen EDV-Systems Arbeitsvorgänge erforderlich werden, die für die betroffenen Beschäftigten ins Gewicht fallende zusätzliche körperliche oder geistige Auswirkungen haben, wie dies nach dem Sinn und Zweck des § 79 Abs. 1 Nr. 10 LPVG für die Annahme einer Mitbestimmungspflicht geboten wäre (vgl. zu diesen Anforderungen BVerwG, Beschluss vom 24.09.1991, BVerwGE 89, 65 = DVBl. 1992, 161). Vielmehr hat der Beteiligte glaubhaft gemacht, dass IS-H und IS-H*Med keine grundsätzlich verschiedenen Programme sind, weil IS-H *Med lediglich IS-H ergänzt und eine komfortablere Bedienung für den Benutzer ermöglicht (vgl. die Stellungnahme des Universitätsklinikums U. vom 17.10.2001). Nach allem scheidet daher der Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung mit dem vorstehend dargelegten verfahrensrechtlichen Inhalt aus.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 86 Abs. 2 LPVG, § 92 Abs. 1 Satz 3 ArbGG).

Ende der Entscheidung

Zurück